Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.979/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_979/2016        

Urteil vom 17. Juli 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Errass.

Verfahrensbeteiligte
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Babak Fargahi,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Abteilung, vom 24. August 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.________ (Kosovare, 1991) wurde in der Schweiz geboren und lebt seither in
der Schweiz. Er hat eine Niederlassungsbewilligung, wohnt bei seiner Mutter,
ist ledig und hat keine Kinder. Er ist mehrfach straffällig geworden:
Bestrafung zu 14 Tagen bedingter Freiheitsentzug und einer Busse von Fr. 500.--
wegen mehrfachen Hausfriedensbruchs, Nötigung und mehrfacher Übertretung des
BetmG (2009), zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.-- sowie einer
Busse wegen Hinderung einer Amtshandlung und Ruhestörung (2012), zu einer
Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 30.-- und einer Busse wegen mehrfachen
Angriffs, einfacher Körperverletzung, mehrfachen Hausfriedensbruchs, Entwendung
einer Fahrzeugs zu Gebrauch, vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand,
Verletzung von Verkehrsregeln, Fahrens ohne Führerausweis sowie Übertretung des
BetmG (2012), zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 10.-- wegen
versuchter Drohung (2014) sowie zu einem Freiheitsentzug von 32 Monaten wegen
versuchter schwerer Körperverletzung unter Anerkennung einer Notwehrsituation
(2015).

B. 
Am 8. November 2012 wurde A.________ nach dem dritten Urteil verwarnt. Er wurde
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bewilligung widerrufen werden könnte,
sollte er erneut strafrechtlich verurteilt werden. Am 11. Januar 2016 widerrief
das Migrationsamt des Kantons Zürich seine Niederlassungsbewilligung und wies
ihn aus der Schweiz weg. Der dagegen erhobene Rekurs war vor der
Sicherheitsdirektion erfolglos. Die Beschwerde dagegen wies das
Verwaltungsgericht am 24. August 2016 ab.

C. 
Vor Bundesgericht beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom
24. August 2016 aufzuheben, ihm die Niederlassungsbewilligung zu erteilen und
ihm unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Die Sicherheitsdirektion hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das
Bundesgericht hat die Akten beigezogen.

Erwägungen:

1. 
Der Beschwerdeführer beantragt die Erteilung der Niederlassungsbewilligung.
Richtigerweise soll indes überprüft werden, ob der Widerruf der
Niederlassungsbewilligung zu Recht erfolgt. Gegen den Widerruf einer solchen
Bewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
zulässig (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen (Form, Frist, Legitimation: Art. 42, Art. 89 Abs. 1,
Art. 100 Abs. 1 BGG) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. 
Unbehelflich ist die Rüge, dass die Vorinstanz den Sachverhalt falsch
festgestellt hätte. Inwiefern dies der Fall sein sollte, führt der
Beschwerdeführer nicht näher aus. Auch die Rüge einer Verletzung des
rechtlichen Gehörs vermag nicht zu überzeugen. Die Vorinstanz hat sich
ausführlich mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die
Sicherheitsdirektion auseinandergesetzt. Eine Begründung dafür, inwiefern die
Vorinstanz sodann das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu Unrecht mangels
Nachweises der Mittellosigkeit abgewiesen hat, bleibt der Beschwerdeführer
ebenfalls schuldig.

3.

3.1. Nach Art. 63 Abs. 2 AuG kann die Niederlassungsbewilligung von Ausländern,
die sich seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der
Schweiz aufhalten, nur widerrufen werden, wenn der Ausländer gegen die Vorgaben
von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG verstossen hat oder zu einer längerfristigen
Freiheitsstrafe (länger als ein Jahr bzw. 360 Tagen: BGE 135 II 377 E. 4.2 S.
380 f.) verurteilt wurde oder gegen ihn eine strafrechtliche Massnahme im Sinne
der Artikel 59-61 oder 64 StGB angeordnet wurde. Nicht strittig ist hier, dass
der Beschwerdeführer mit einer Freiheitsstrafe von 32 Monaten zu einer
längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Insofern liegt ein
Widerrufsgrund vor.

3.2. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss in jedem Fall
verhältnismässig sein (vgl. dazu BGE 139 I 16 E. 2.2.2 S. 20 f.; 135 II 377 E.
4.3 S. 381). Dabei sind namentlich die Schwere des Delikts und des Verschuldens
des Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten des
Ausländers während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die Dauer der
bisherigen Anwesenheit sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu
berücksichtigen (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381; vgl. auch das Urteil des EGMR
i.S.  Trabelsi gegen Deutschland vom 13. Oktober 2011 [Nr. 41548/06], Ziff. 53
ff. bezüglich der Ausweisung eines in Deutschland geborenen, wiederholt
straffällig gewordenen Tunesiers). Die Niederlassungsbewilligung eines
Ausländers, der sich schon seit langer Zeit hier aufhält, soll nur mit
Zurückhaltung widerrufen werden. Bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit
ist dies jedoch selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn er hier geboren ist und
sein ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat (vgl. das Urteil 2C_74/2017
vom 1. Juni 2017 E. 3.2 und das bereits zitierte EGMR-Urteil  Trabelsi). Bei
schweren Straftaten und bei Rückfall bzw. wiederholter Delinquenz besteht
grundsätzlich ein wesentliches öffentliches Interesse daran, die Anwesenheit
eines Ausländers zu beenden, der die Sicherheit und Ordnung derart
beeinträchtigt (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.4 und 2.5 S. 149 ff.; Urteil 2C_903/
2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.1, nicht publ. in: BGE 137 II 233 ff.). Bei schweren
Straftaten muss zum Schutz der Öffentlichkeit ausländerrechtlich selbst ein
geringes Restrisiko weiterer Beeinträchtigungen wesentlicher Rechtsgüter nicht
in Kauf genommen werden (BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 20).

3.3. Der Beschwerdeführer wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit einer
unbedingten Freiheitsstrafe von 32 Monaten bestraft. Dieses hat gegenüber der
ersten Instanz das Strafmass trotz Berücksichtigung von Notwehr und des
positiven Nachtatverhaltens um acht Monate erhöht. Insofern indiziert dieses
Strafmass - wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat - ein erhebliches
migrationsrechtliches Verschulden. Dies bestätigt insbesondere auch der
Tathergang wie sich aus dem  obergerichtlichen Urteil ergibt: Der
Beschwerdeführer hat mit einem zwar nicht besonders grossen Messer seinem
Kontrahenten in den Bauch gestossen. Dieser wurde nicht lebensbedrohlich
verletzt, was allerdings nur dem Zufall zu verdanken gewesen sei. Das
Verschulden des Beschwerdeführers wurde dabei als erheblich bezeichnet, denn
dessen Verhalten zeuge von "einer Hemmungs- und Rücksichtslosigkeit und einer
Gleichgültigkeit gegenüber der körperlichen Unversehrtheit des Verletzten". Zu
berücksichtigen ist zudem, dass der Beschwerdeführer bereits früher wegen
mehrfachen Angriffs und einfacher Körperverletzung verurteilt wurde. Trotz
Verurteilungen und ausländerrechtlichen Ermahnungen hat sich der
Beschwerdeführer nicht gebessert, sondern ist gewalttätiger geworden. Wie die
Vorinstanz diesbezüglich korrekt ausgeführt hat, ist das öffentliche Interesse
an der Wegweisung des Beschwerdeführers sehr gewichtig.

3.4. Als privates Interesse ist zunächst der Umstand anzuführen, dass der
Beschwerdeführer hier geboren wurde; insofern kann man von einer gewissen
Verwurzelung ausgehen. Weiter pflegt er soziale Beziehungen zu seinen
Geschwistern, lebt bei seiner Mutter und hat keine eigene Familie. Drei Lehren
hat er abgebrochen; ab April 2016 hat der Beschwerdeführer eine Lehrstelle
angetreten. Daneben weist er Betreibungen von Fr. 15'000.--, Verlustscheine in
unbekannter Höhe und Schulden von über Fr. 55'000.-- bei der zürcherischen
Justiz auf. Zu seinem Heimatland hat er offensichtlich eine weniger tiefe
Beziehung als zur Schweiz: er verbrachte dort seine Ferien und hat Verwandte.
Er hat sich kürzlich dort auch mit einer Landsfrau verlobt. Die Umgangssprache
spricht er, das Hochalbanische beherrscht er gemäss seinen Aussagen hingegen
nicht. Insgesamt sind die privaten Interessen nicht sehr gewichtig.

3.5. Wie der Beschwerdeführer zu Recht darauf hinweist, dürfte ihm die
Integration in Kosovo sicher nicht leicht fallen. Dies heisst allerdings nicht,
dass die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfallen müsste. Denn massgebend
ist die Abwägung der gewichteten Interessen. Dabei sind die öffentlichen
Interessen - wie die Vorinstanz korrekt ausgeführt hat - derart gewichtig, dass
die weniger gewichtigen privaten Interessen jene nicht zu überwiegen vermögen.
Dass die privaten Interessen trotz Geburt und ständigen Aufenthalts in der
Schweiz gering sind, ist auch darauf zurück zu führen, dass der
Beschwerdeführer sich trotz ausländerrechtlichen Verwarnung auch nicht darum
bemüht hat, sich korrekt in die Schweiz zu integrieren. Für alles weitere kann
auf den vorinstanzlichen Entscheid verwiesen werden.

3.6. Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Schutz des Privatlebens nach Art.
8 Ziff. 1 EMRK beruft, ist der Eingriff in diesen Anspruch gerechtfertigt und
verhältnismässig.

4. 
Demnach erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen. Bei
diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG), da sein Gesuch
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vor Bundesgericht infolge
Aussichtslosigkeit nicht zu entsprechen ist (Art. 64 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Juli 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Errass

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