Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.881/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_881/2016

Urteil vom 10. Oktober 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwältin Antonia Ulrich, Kessler Landolt Giacomini & Partner

gegen

Amt für Migration des Kantons Schwyz,
Regierungsrat des Kantons Schwyz.

Gegenstand
Ausländerrecht, Widerruf der Niederlassungsbewilligung; Nichtigkeit,
Wiedererwägung.

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz,
Kammer III, vom 28. Juli 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.________, 1986 in der Schweiz geborener Staatsangehöriger von Kosovo, zog
spätestens im März 1990 im Familiennachzug definitiv in die Schweiz, wo er
aufwuchs, die obligatorische Schulzeit absolvierte und eine Handelsschule
abschloss. Seit 1998 hat er die Niederlassungsbewilligung. Er ist unverheiratet
und hat keine Kinder.
Zwischen 2008 und 2014 wurde A.________ mehrere Male im Bereich Strassenverkehr
strafrechtlich und administrativ sanktioniert. Nebst fünf Strafbefehlen
zwischen 2012 und 2014 wurde ihm im Oktober 2008 (Überfahren der
Sicherheitslinie und Fahren in angetrunkenem Zustand) sowie im Mai 2013
(Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts) je für einen
Monat der Führerausweis entzogen. Am 4. März 2015 wurde er zu einer
Freiheitsstrafe von 15 Monaten - bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren -
verurteilt, unter Anrechnung von 42 Tagen Untersuchungshaft, wegen
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und Übertretung desselben sowie
mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz. Er hatte im Zeitraum Mai/Juni 2014
Kokaingemisch in der Grössenordnung von 140 Gramm verkauft sowie im April/Mai
2014 einen Revolver und ein Schmetterlingsmesser erworben und bei sich
aufbewahrt.
Mit Einschreiben vom 2. April 2015 teilte das Amt für Migration des Kantons
Schwyz A.________ mit, es erwäge den Widerruf der Niederlassungsbewilligung.
Der Mitteilung war ein ausführlicher Fragenkatalog beigelegt mit dem Hinweis,
dass die Vornahme der Interessenabwägung die vollständige und wahrheitsgetreue
Beantwortung der Fragen erfordere. Die Frist zur Beantwortung der Fragen und
die Einreichung einer Stellungnahme wurde auf den 17. April 2015 angesetzt,
wobei die Mitwirkungspflicht erwähnt wurde. Innert dieser Frist erfolgte keine
Reaktion. Erst mit E-Mail vom 4. Mai 2015 ersuchte A.________ das Amt für
Migration um ein persönliches Gespräch. Dieses hielt daraufhin mit E-Mail vom
5. Mai 2015 fest, dass eine fristgerechte Antwort auf sein Schreiben vom 2.
April 2015 ausgeblieben sei; es setzte A.________ eine neue Frist bis zum 12.
Mai 2015, um dies nachzuholen, wobei es erklärte, das Verfahren sei schriftlich
und man benötige eine schriftliche Stellungnahme sowie die verlangten
Unterlagen; danach könne er für ein persönliches Gespräch beim Amt für
Migration vorbeikommen. Eine Antwort blieb in der Folge aus.
Mit Verfügung vom 26. Mai 2015 widerrief das Amt für Migration die
Niederlassungsbewilligung von A.________ in Anwendung von Art. 63 Abs. 1 lit. a
in Verbindung mit Art. 62 lit. b AuG und wies ihn aus der Schweiz weg. Die
Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

B. 
Am 10. August 2015 liess A.________ beim Amt für Migration um Wiedererwägung
bzw. Revision von dessen Verfügung vom 26. Mai 2015 ersuchen. Das Amt trat mit
Verfügung vom 20. August 2015 auf das Gesuch nicht ein. Die gegen diese
Verfügung erhobene Beschwerde, womit namentlich um Feststellung der Nichtigkeit
der Ausgangsverfügung vom 26. Mai 2015 ersucht worden war, wies der
Regierungsrat des Kantons Schwyz mit Beschluss vom 16. Februar 2016 ab, soweit
er darauf eintrat. Mit Entscheid vom 28. Juli 2016 wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Schwyz die gegen den regierungsrätlichen Beschluss erhobene
Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden konnte. Die Ausreisefrist
setzte es im Sinne der Erwägungen neu auf den 31. Oktober 2016 an.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiärer
Verfassungsbeschwerde vom 20. September 2016 beantragt A.________ dem
Bundesgericht im Wesentlichen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei
aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Verfügung des Amtes für Migration
vom 26. Mai 2015 nichtig sei; auf das Wiedererwägungsgesuch vom 10. August 2015
sei einzutreten und ihm sei die Niederlassungsbewilligung zu belassen;
subeventualiter bzw. subsubeventualiter sei ihm die Niederlassungsbewilligung
unter der Auflage, dass er innert der ihm auferlegten Probezeit von zwei Jahren
nicht mehr straffällig werden dürfe, wieder zu erteilen bzw. sei ihm die
Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.

Erwägungen:

1. 
Der Beschwerdeführer macht hauptsächlich geltend, dass die Verfügung des Amtes
für Migration vom 26. Mai 2016 nichtig sei.
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind fehlerhafte, mit Mängeln behaftete
Verwaltungsakte in der Regel nicht nichtig. Ihre Aufhebung muss mit Beschwerde
beantragt werden; bei unterbliebener Anfechtung erwachsen sie in Rechtskraft.
Nichtigkeit einer Verfügung liegt nur vor, wenn sie - kumulativ - mit einem
tiefgreifenden und wesentlichen Mangel behaftet ist, wenn dieser schwerwiegende
Mangel offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und zudem die
Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet
wird. Inhaltliche Mängel haben nur in seltenen Ausnahmefällen die Nichtigkeit
einer Verfügung zur Folge; erforderlich hierzu wäre ein ausserordentlich
schwerwiegender Mangel. Als Nichtigkeitsgründe fallen hauptsächlich
funktionelle und sachliche Unzuständigkeit einer Behörde sowie krasse
Verfahrensfehler in Betracht (wie z.B. der Umstand, dass der Betroffene keine
Gelegenheit hatte, am Verfahren teilzunehmen). Fehlt einer Verfügung in diesem
Sinne jegliche Rechtsverbindlichkeit, so ist das durch jede Behörde, die mit
der Sache befasst ist, jederzeit und von Amtes wegen zu beachten (BGE 138 II
501 E. 3.1 S. 503 f.; 137 I 273 E. 3.1 S. 275; mit weiteren Hinweisen).
In Anbetracht der vorstehend geschilderten Abläufe vor Erlass der Verfügung vom
26. Mai 2015 bleibt unerfindlich, inwiefern Nichtigkeit im Sinne der
Rechtsprechung gegeben sein könnte. Die Vorbringen in der Beschwerdeschrift
sind auch nicht ansatzweise geeignet, die Ausführungen der Vorinstanz zum Thema
Verfahrensmängel (E. 1.3 - 1.5 des angefochtenen Entscheids), wie etwa Verzicht
auf eine mündliche Anhörung, oder zu inhaltlichen Mängeln besagter Verfügung
(E. 2) in Frage zu stellen. Diesen Erwägungen, auf die verwiesen werden kann
(vgl. Art. 109 Abs. 3 BGG), ist nichts beizufügen. Auch die vom
Beschwerdeführer angerufene Ziff. 1 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK ist nicht
verletzt, hatte der Beschwerdeführer doch die - allerdings nicht wahrgenommene
- Gelegenheit, sich zum Widerruf zu äussern.

2. 
Der Beschwerdeführer rügt sodann, dass das Verwaltungsgericht die Verweigerung
einer Wiedererwägung der Verfügung vom 26. Mai 2015 durch das Amt für Migration
geschützt habe.
Gemäss Rechtsprechung ist eine Verwaltungsbehörde von Verfassungs wegen
verpflichtet, auf ein neues Gesuch einzutreten, wenn die Umstände sich seit dem
ersten Entscheid wesentlich geändert haben oder wenn der Gesuchsteller
erhebliche Tatsachen und Beweismittel namhaft macht, die ihm im früheren
Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn
rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder keine Veranlassung bestand. Die
Wiedererwägung von Verwaltungsentscheiden, die in Rechtskraft erwachsen sind,
ist nicht beliebig zulässig; sie darf namentlich nicht bloss dazu dienen,
rechtskräftige Verfügungen immer wieder in Frage zu stellen oder die Fristen
für die Ergreifung von Rechtsmitteln zu umgehen. Erforderlich ist, dass der
Sachverhalt (oder bei Dauersachverhalten die Rechtslage) sich in einer Art
geändert hat, dass ein anderes Ergebnis ernstlich in Betracht fällt (BGE 136 II
177 E. 2.1 und 2.2.1 S. 181).
Das Verwaltungsgericht legt dar, dass der Beschwerdeführer Gelegenheit gehabt
hätte, im ursprünglichen Verfahren seine Sicht der Dinge darzulegen und
Beweismittel beizubringen (E. 3.3 und E. 4). Es prüft alsdann, ob sich der
Sachverhalt seit dem 26. Mai 2015 massgeblich geändert habe. Es sieht als
einziges neues Element den Bericht des Sozialpsychiatrischen Dienstes Goldau,
dessen Inhalt im gegebenen Kontext nicht auf eine schwerwiegende psychische
Erkrankung schliessen lasse, die eine Neubeurteilung der Bewilligungsfrage
erforderte (E. 3.4). Diese Einschätzung liegt voll auf der Linie der von der
Rechtsprechung zur Wiedererwägung entwickelten Grundsätze; die Vorbringen des
Beschwerdeführers sind in keiner Weise geeignet, sie in Frage zu stellen. Es
kann auch in diesem Punkt vollumfänglich auf die Erwägungen der Vorinstanz
verwiesen und abgestellt werden.
Schliesslich liegt auf der Hand, dass das Verwaltungsgericht bei fehlenden
Voraussetzungen für eine Wiedererwägung davon abgesehen hat, materiell auf die
Bewilligungsfrage einzugehen (E. 5), und auch vor Bundesgericht sprengen die
Ausführungen des Beschwerdeführers zur Zulässigkeit des Widerrufs den
Streitgegenstand. Was das Begehren um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung
betrifft, wäre eine solche Massnahme nach einem auf Art. 62 lit. b AuG
gestützten Widerruf der Niederlassungsbewilligung ohnehin nicht in Frage
gekommen (vgl. Urteile 2C_748/2014 vom 12. Januar 2015 E. 3.1; 2C_682/2012 vom
7. Februar 2013 E. 6.1; 2C_254/2010 vom 15. Juli 2010 E. 4.3).

3. 
Sollte sich die Rüge betreffend den Anspruch auf eine mündliche Verhandlung
auch auf das mit dem Wiedererwägungsgesuch vom 10. Januar 2015 eingeleitete
Verfahren beziehen, wäre sie aus den in E. 6 des angefochtenen Entscheids
genannten Gründen unbegründet.

4. 
Die Beschwerde ist in jeder Hinsicht offensichtlich unbegründet. Es wird
darüber im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG entschieden, ohne
Schriftenwechsel, mit summarischer Begründung und weitgehend unter Hinweis auf
die Erwägungen des angefochtenen Entscheids (Art. 109 Abs. 3 BGG).
Mit diesem instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch um aufschiebende
Wirkung gegenstandslos.

5. 
Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) sind entsprechend dem Verfahrensausgang dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG).
Parteientschädigungen sind nicht geschuldet.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz, Kammer III, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 10. Oktober 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Feller

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