Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.795/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_795/2016

Urteil vom 10. Oktober 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Winiger.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Jörg Bühlmann,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
MWST (erstes Quartal 1998 bis viertes Quartal 2003),

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
vom 6. Juli 2016.

Erwägungen:

1. 

1.1. Im Zusammenhang mit einem Streit um die mehrwertsteuerrechtlichen
Konsequenzen des wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenwirkens
zwischen der X.________ AG und der Betriebsgesellschaft Y.________ AG legte die
Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) mit Einspracheentscheid vom 26. April
2016 von der X.________ AG zu bezahlende Mehrwertsteuer-Beträge für die Jahre
1998 bis 2003 fest.

1.2. Die X.________ AG liess diese Verfügung mit Beschwerde vom 27. Mai 2016
beim Bundesverwaltungsgericht anfechten. Mit Zwischenverfügung vom 2. Juni 2016
wurde die X.________ AG zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 15'000.--
bis zum 23. Juni 2016 aufgefordert, ansonsten auf das Rechtsmittel unter
Kostenfolge nicht eingetreten werde. Der einverlangte Kostenvorschuss ging am
24. Juni 2016 bei der Gerichtskasse des Bundesverwaltungsgerichts ein.

1.3. Mit Instruktionsverfügung vom 27. Juni 2016 wurde die X.________ AG
aufgefordert, nachzuweisen, dass der fragliche Kostenvorschuss innert der Frist
bis zum 23. Juni 2016 der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder
Bankkonto in der Schweiz belastet worden sei. Die X.________ AG liess dazu
ausführen, der Betrag von Fr. 15'000.-- sei noch am 23. Juni 2016 dem Konto
ihres Rechtsvertreters bei der UBS Switzerland AG (im Folgenden: UBS) belastet
worden.

1.4. Mit Einzelrichterentscheid vom 6. Juli 2016 trat das
Bundesverwaltungsgericht auf die Beschwerde nicht ein. Zur Begründung führte es
aus, die Verarbeitung des Auftrags zur Überweisung des Betrags von Fr.
15'000.-- und die damit verbundene Belastung des Kontos des Rechtsvertreters
sei erst am 24. Juni 2016, also nach Ablauf der angesetzten Frist, erfolgt,
weshalb der Kostenvorschuss nicht fristgerecht geleistet worden sei.

1.5. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 8. September
2016 beantragt die X.________ AG dem Bundesgericht, der
Nichteintretensentscheid des Bundesverwaltungsgerichts sei aufzuheben und die
Sache sei zur materiellen Behandlung und Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Mit Verfügung vom 12. September 2016 hat der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch um Zuerkennung
der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.

2. 

2.1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1
lit. a, Art. 90 BGG), und die Beschwerdeführerin ist als vom angefochtenen
Nichteintretensentscheid Betroffene zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1
BGG).

2.2. Das Bundesgericht prüft frei und von Amtes wegen die richtige Anwendung
des Bundesrechts (Art. 95 lit. a und Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem
Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105
Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt bzw. vom
Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine entsprechende
Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert vorzubringen ist (Art. 42 Abs. 2 und
Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.), setzt zudem
voraus, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).

3. 

3.1. Streitgegenstand bildet hier einzig die Frage, ob das
Bundesverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, der Kostenvorschuss sei nicht
rechtzeitig bezahlt worden, bzw. ob das Gericht das Vorliegen von Gründen für
eine Fristwiederherstellung verneinen durfte.

3.2. Gemäss Art. 37 VGG (SR 173.32) findet auf das Beschwerdeverfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht das VwVG (SR 172.021) Anwendung. Nach Art. 63 Abs. 4
VwVG erhebt die Beschwerdeinstanz vom Beschwerdeführer einen Kostenvorschuss in
der Höhe der mutmasslichen Verfahrenskosten. Zu dessen Leistung ist dem
Beschwerdeführer eine angemessene Frist anzusetzen unter Androhung des
Nichteintretens. Eine Nachfrist zur Behebung der unbenutzten Zahlungsfrist
kennt das VwVG - anders als etwa Art. 62 Abs. 3 Satz 2 BGG - nicht (Urteil
2C_699/2012 vom 22. Oktober 2012 E. 3.1, in: StR 2013 S. 53). Die Frist für die
Zahlung eines Vorschusses ist gewahrt, wenn der Betrag rechtzeitig zu Gunsten
der Behörde der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto
in der Schweiz belastet worden ist (Art. 21 Abs. 3 VwVG). Eine behördlich
angesetzte Frist kann aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn die
Partei vor Ablauf der Frist darum nachsucht (Art. 22 Abs. 2 VwVG). Ist der
Gesuchsteller oder sein Vertreter unverschuldeterweise abgehalten worden,
binnen Frist zu handeln, so wird diese wieder hergestellt, sofern er unter
Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht
und die versäumte Rechtshandlung nachholt (Art. 24 Abs. 1 VwVG).

4. 

4.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Zahlung des Kostenvorschusses sei
rechtzeitig erfolgt. Sie verweist dazu im Wesentlichen auf ein E-Mail der UBS
vom 23. Juni 2016 an ihren Rechtsvertreter, das folgenden Wortlaut aufweist: 
"Gerne bestätige ich Ihnen hiermit, dass Sie uns den Zahlungsauftrag [...]
heute, 23.6.2016, erteilt haben. Die Zahlung ist belastet. Aufgrund der
Tatsache, dass der Begünstigte ein Postkonto hat, wird die Zahlung mit Valuta
24.6.2016 erfolgen." Daraus will die Beschwerdeführerin schliessen, dass die
fragliche Zahlung am 23. Juni 2016 dem Konto ihres Rechtsvertreters belastet
worden sei, womit die Zahlung an die Vorinstanz fristgerecht erfolgt wäre.

4.2. Die Argumentation der Beschwerdeführerin überzeugt nicht: Zur Fristwahrung
im Sinne von Art. 21 Abs. 3 VwVG im Falle einer Überweisung von einem Post-
oder Bankkonto in der Schweiz reicht es nicht aus, den letzten Tag der Frist
als Valutadatum, das heisst als Datum einzusetzen, an welchem das Konto der
handelnden Person zu belasten ist. Erforderlich ist vielmehr, dass die
Verarbeitung des Auftrags und die damit verbundene Belastung tatsächlich
spätestens am letzten Tag der Frist geschieht (KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz.
1023; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht,
2. Aufl. 2013, Rz. 4.36; PATRICIA EGLI, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.],
Praxiskommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2016, Art. 21 VwVG N.
25; URS PETER CAVELTI, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum
Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2008, Art. 21 VwVG N. 21; vgl. auch
zum gleichlautenden Art. 48 Abs. 4 BGG: ANDREAS GÜNGERICH, in:
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, Art. 48 BGG N. 5; AMSTUTZ/ARNOLD, in:
Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, Art. 48 BGG N. 28).

4.3. Aus den von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen (E-Mail der
UBS vom 23. Juni 2016, Bestätigung Zahlungsauftrag vom 23. Juni 2016 und
E-Banking-Auszug der UBS [Konto Jörg Bühlmann Advokatur] per 29. Juni 2016)
ergibt sich indes, dass zwar der Zahlungsauftrag an die UBS am 23. Juni 2016,
die Verarbeitung des Auftrags und die damit verbundene Belastung des Kontos des
Vertreters der Beschwerdeführerin indes erst am 24. Juni 2016 erfolgte. Daran
vermag der isolierte Satzteil "Die Zahlung ist belastet" im E-Mail der UBS vom
23. Juni 2016 nichts zu ändern. Im gleichen E-Mail schreibt denn auch die UBS,
dass die Zahlung erst mit Valuta 24. Juni 2016 erfolgen werde.

4.4. Bei dieser Sachlage gilt der Kostenvorschuss praxisgemäss als nicht
rechtzeitig erfolgt, da der Zeitpunkt der Belastung massgebend ist, nicht
derjenige, in dem die Belastung hätte erfolgen müssen. Es genügt deshalb nicht,
am letzten Tag der Frist den Überweisungsauftrag zu erteilen. Das Risiko, dass
die Bank die Belastung nicht rechtzeitig vornimmt, trägt nach dem bewussten
gesetzgeberischen Entscheid die Beschwerdeführerin (Botschaft vom 28. Februar
2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4298 f. Ziff.
4.1.2.5 [zu Art. 44 E-BGG, gleichlautend wie Art. 48 Abs. 4 BGG und Art. 21
Abs. 3 VwVG]; Urteile 2C_1096/2013 vom 19. Juli 2014 E. 3.3; 1F_34/2011 vom 17.
Januar 2012 E. 2.3, in: RtiD 2012 II S. 178). Es ist auch nicht überspitzt
formalistisch, in diesem Fall auf die Beschwerde wegen nicht rechtzeitiger
Leistung des Kostenvorschusses nicht einzutreten (Urteile 2C_1096/2013 vom 19.
Juli 2014 E. 3.3; 2C_250/2009 vom 2. Juni 2009 E. 5, in: RDAF 2009 II S. 516).

4.5. Damit liegt hier entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin weder eine
offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung noch
eine Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. ein Verstoss gegen den Grundsatz
von Treu und Glauben vor. Die in der Beschwerde vor dem Bundesgericht erstmals
eingereichten Schreiben des Rechtsvertreters vom 20. Juli 2016 bzw. der UBS vom
26. Juli 2016 sind zudem als echte Noven unzulässig und im vorliegenden
Verfahren nicht weiter zu beachten (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 135 I 221
E. 5.2.4 S. 229; 133 IV 342 E. 2.1 S. 343 f.).

4.6. Die Vorinstanz hat sodann zu Recht festgestellt, dass die
Beschwerdeführerin kein Fristwiederherstellungsgesuch eingereicht habe und auch
keine Gründe für eine Wiederherstellung der Frist für die Leistung des
Kostenvorschusses aus den Akten ersichtlich seien.

4.6.1. Voraussetzung für eine Fristwiederherstellung wäre, dass die
Beschwerdeführerin oder ihr Vertreter unverschuldeterweise abgehalten worden
ist, fristgerecht zu handeln. Nach der Rechtsprechung ist die Wiederherstellung
nur bei klarer Schuldlosigkeit zu gewähren (Urteile 2C_1096/2013 vom 19. Juli
2014 E. 4.1; 2C_222/2014 vom 10. März 2014 E. 2.4; 1C_294/2010 vom 28. Oktober
2010 E. 3). In Frage kommt objektive Unmöglichkeit wie beispielsweise
Naturkatastrophen, Militärdienst oder schwerwiegende Erkrankung, oder
subjektive Unmöglichkeit, wenn zwar die Vornahme einer Handlung, objektiv
betrachtet, möglich gewesen wäre, die betroffene Person aber durch besondere
Umstände, die sie nicht zu vertreten hat, am Handeln gehindert worden ist; in
Betracht fallen insbesondere unverschuldete Irrtumsfälle (Urteil 2C_699/2012
vom 22. Oktober 2012 E. 3.2, m.H.).

4.6.2. Nach der dargelegten Rechtslage (vgl. E. 4.2 bis 4.4 hiervor) genügt es
nicht, die Zahlung für einen Kostenvorschuss am letzten Tag der Frist in
Auftrag zu geben. Wer dies dennoch tut, handelt grundsätzlich nicht
unverschuldet im Sinne von Art. 24 Abs. 1 VwVG (Urteil 2C_1096/2013 vom 19.
Juli 2014 E. 4.3.2). Damit ist der vorinstanzliche Entscheid auch in dieser
Hinsicht nicht zu beanstanden.

5. 
Die Beschwerde erweist sich damit als offensichtlich unbegründet und ist im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen. Zur Begründung wird
ergänzend auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil verwiesen (Art. 109 Abs. 3
BGG).
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet (Art.
68 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Oktober 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Winiger

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