Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.794/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_794/2016

Urteil vom 20. Januar 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiberin Genner.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Evelyne Suter,

gegen

Einwohnergemeinde Bern,
Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei,
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern.

Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung infolge Straffälligkeit,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 22.
Juli 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.A.________ (geb. 1987) ist Staatsangehöriger des Kosovo. Am 13. Januar
1990 reiste er im Rahmen des Familiennachzugs zu seinen Eltern und den beiden
älteren Geschwistern in die Schweiz ein. Er verfügt über die
Niederlassungsbewilligung. Aus der Beziehung mit der Schweizer Bürgerin
B.A.________ (geb. 1989) ging 2007 der Sohn C.A.________ hervor, welcher
ebenfalls die schweizerische Staatsbürgerschaft besitzt. A.A.________
anerkannte seinen Sohn am 11. August 2009. Er ist weder sorge- noch
obhutsberechtigt und hat nie mit seinem Sohn und der Kindsmutter
zusammengelebt. Am 8. August 2011 heiratete er im Kosovo eine Landsfrau; deren
Familiennachzugsgesuch wurde aufgrund eines hängigen Strafverfahrens gegen
A.A.________ sistiert und nach Einleitung des ausländerrechtlichen
Widerrufsverfahrens abgeschrieben. Die Ehe wurde am 2. November 2015
geschieden. Im Jahr 2012 hatten A.A.________ und seine ehemalige Partnerin
B.A.________ ihre Beziehung wieder aufgenommen, ohne jedoch eine
Haushaltsgemeinschaft zu gründen.

A.b. A.A.________ war im Alter von elf Jahren erstmals straffällig geworden.
Zwischen 1999 und 2005 erwirkte er insgesamt fünf Jugendstrafen, zwei davon
wegen Raubs. Am 28. März 2006 sprach das Jugendgericht Bern-Mittelland eine
Verwarnung aus, weil er sich während der mit Urteil vom 28. Juli 2005
festgesetzten Probezeit nicht bewährt habe. Als Erwachsener wurde A.A.________
zwischen Juni 2008 und März 2011 sieben Mal verurteilt, unter anderem wegen
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Missachtens richterlicher
Verbote und Hausfriedensbruchs.
Am 28. Februar 2013 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern A.A.________
in zweiter Instanz wegen geringfügigen Diebstahls (begangen am 21. April 2011),
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (begangen am 23./24. April
2011), schwerer Körperverletzung (begangen am 24. April 2011), einfacher
Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand (mehrfach begangen am 24. April
2011), Tätlichkeit (begangen am 24. April 2011) und Ungehorsams gegen amtliche
Verfügungen (begangen im Sommer 2011), zu einer Freiheitsstrafe von 42 Monaten
sowie einer Busse von Fr. 800.--. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das
Bundesgericht ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 6B_810/2013 vom 22. Juli
2014).
Am 14. Februar 2014 erfolgte wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand und
Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (begangen Ende 2013) eine Verurteilung
zu einer bedingten Geldstrafe von 28 Tagessätzen und einer Busse von Fr.
1'000.--. Mit Strafbefehl vom 4. November 2014 wurde A.A.________ wegen
Vergehens gegen das Waffengesetz (begangen im August 2014) zu einer bedingten
Geldstrafe von 28 Tagessätzen und einer Busse von Fr. 490.-- verurteilt.
A.A.________ trat am 24. November 2014 den Strafvollzug an.

B. 
Am 5. März 2015 widerrief die Einwohnergemeinde Bern die
Niederlassungsbewilligung und wies A.A.________ an, die Schweiz nach Entlassung
aus dem Strafvollzug unverzüglich zu verlassen. Die dagegen erhobenen
kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheid der Polizei- und
Militärdirektion des Kantons Bern vom 17. September 2015, Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 22. Juli 2016).

C. 
A.A.________ erhebt am 8. September 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil vollumfänglich
aufzuheben; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an das
Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Zudem ersucht A.A.________ um Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung mit Rechtsanwältin Evelyne Suter als
unentgeltlichem Rechtsbeistand.
Das Verwaltungsgericht und die Polizei- und Militärdirektion schliessen auf
Abweisung der Beschwerde.
Mit Präsidialverfügung vom 13. September 2016 ist der Beschwerde antragsgemäss
aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4;
Urteil 2C_139/2016 vom 14. Juni 2016 E. 1.2). Die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen (Form, Frist und Legitimation gemäss Art. 42, Art.
100 Abs. 1 und Art. 89 Abs. 1 BGG) sind erfüllt. Auf die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten, soweit sie den Widerruf
der Niederlassungsbewilligung betrifft.

1.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig
gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend die Wegweisung
(Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG). Gemeint sind damit Wegweisungen nach Art. 64 - 65
AuG (SR 142.20); hier betrifft es die Wegweisung gemäss Art. 64 Abs. 1 lit. c
AuG. Der entsprechende Antrag kann auch nicht als subsidiäre
Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 BGG entgegengenommen werden, weil es an
einer zulässigen Begründung (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), dass die
Voraussetzung gemäss Art. 115 lit. b BGG erfüllt wäre, fehlt. Auf den Antrag
betreffend Wegweisung ist nicht einzutreten.

2.

2.1. Durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren ist
der Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 2 AuG i.V.m. Art. 62 lit. b AuG erfüllt,
was der Beschwerdeführer anerkennt. Zu prüfen bleibt die Verhältnismässigkeit
der Massnahme im Sinn von Art. 96 Abs. 1 AuG bzw. Art. 8 Ziff. 2 EMRK.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK kann der
Beschwerdeführer in Bezug auf seine Partnerin, mit der er nie zusammen gelebt
hat, nicht anrufen, aber in Bezug auf seinen Sohn: Auch der Elternteil, der
nicht über das Sorge- oder Obhutsrecht verfügt, kann sich auf Art. 8 Ziff. 1
EMRK berufen, doch ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen,
dass er die familiäre Beziehung mit seinen Kindern schon aus zivilrechtlichen
Gründen von vornherein nur in einem beschränkten Rahmen leben kann, nämlich
durch Ausübung des ihm eingeräumten Besuchsrechts. Hierzu ist grundsätzlich
nicht erforderlich, dass er dauernd im gleichen Land wie das Kind lebt und dort
über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs
auf Familienleben ist es grundsätzlich ausreichend, wenn das Besuchsrecht im
Rahmen von Kurzaufenthalten vom Ausland her ausgeübt werden kann, wobei
allenfalls die Modalitäten des Besuchsrechts entsprechend auszugestalten sind.
Ein weitergehender Anspruch kann nur in Betracht fallen, wenn in
wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht eine besonders enge Beziehung zum Kind
besteht, diese Beziehung wegen der Distanz zum Heimatland der ausländischen
Person praktisch nicht aufrechterhalten werden könnte und deren bisheriges
Verhalten in der Schweiz zu keinen Klagen Anlass gegeben hat (BGE 139 I 315 E.
2.2 - 2.5).

2.2. Bei der Interessenabwägung sind die Art und Schwere der begangenen
Straftaten, das Alter im Zeitpunkt der Tatbegehung, die Dauer des Aufenthalts
im Land, die seit der Tatbegehung verstrichene Zeit und das Verhalten der
betroffenen Person während dieser, die sozialen, kulturellen und familiären
Bindungen zum Aufenthaltsstaat und zum Herkunftsland, der gesundheitliche
Zustand sowie die mit der aufenthaltsbeendenden Massnahme verbundene Dauer der
Fernhaltung zu berücksichtigen (BGE 139 I 31 E. 2.3.3 S. 34).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind umso strengere Anforderungen an
eine fremdenpolizeiliche Massnahme zu stellen, je länger eine ausländische
Person in der Schweiz anwesend war. Die Niederlassungsbewilligung einer
ausländischen Person, die sich schon seit langer Zeit hier aufhält, soll zwar
nur mit besonderer Zurückhaltung widerrufen werden, doch ist dies bei
wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit selbst dann nicht ausgeschlossen,
wenn sie hier geboren ist und ihr ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat
(BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19). Grundsätzlich unterliegt die Wegweisung
straffällig gewordener Ausländer der zweiten Generation erhöhten Anforderungen
(Urteil 2C_94/2016 vom 2. November 2016 E. 3.3). Handelt es sich bei den
begangenen Straftaten um Gewaltdelikte, so vermag das öffentliche Interesse an
einer Ausreise des Straftäters, je nach Gewichtung der übrigen, ebenfalls bei
der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Elemente, dessen privates
Interesse an einem Verbleib im Aufnahmestaat zu überwiegen. Selbst eine
einmalige Straftat kann eine aufenthaltsbeendende Massnahme rechtfertigen, wenn
die Rechtsgutsverletzung schwer wiegt (Urteile 2C_896/2014 vom 25. April 2015
E. 2.3; 2C_445/2014 vom 2. Dezember 2014 E. 2.5; 2C_547/2011 vom 28. November
2011 E. 5). Bei schwerer Straffälligkeit, insbesondere bei schweren Delikten
gegen Leib und Leben, muss selbst ein geringes Rückfallrisiko nicht hingenommen
werden (BGE 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34). Zudem dürfen bei ausländischen Personen,
die sich - wie der Beschwerdeführer - nicht auf das FZA (SR 0.142.112.681)
berufen können, generalpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt werden (Urteil
2C_940/2014 vom 30. Mai 2015 E. 5.3).

3. 
Ausgangspunkt für das migrationsrechtliche Verschulden ist die vom Strafgericht
ausgesprochene Strafe (BGE 134 II 10 E. 4.2 S. 23; 129 II 215 E. 3.1 S. 216).
Die Auffassung des Beschwerdeführers, es müsse bei dem "strafrechtlich
festgestellten knapp mittleren Verschulden" bleiben, geht fehl:

3.1. Eine Freiheitsstrafe von 42 Monaten beinhaltet aus migrationsrechtlicher
Sicht schon für sich genommen ein erhebliches Verschulden, weil dieses
Strafmass weit über der Grenze von einem Jahr liegt, welche für die Möglichkeit
des Widerrufs massgeblich ist (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.1 S. 147). Das hohe
migrationsrechtliche Verschulden ergibt sich auch daraus, dass der Verurteilung
unter anderem eine schwere Körperverletzung zugrunde liegt. Die konkreten
Umstände dieser Tat offenbaren eine beträchtliche kriminelle Energie: Wie aus
dem Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 28. Februar 2013 hervorgeht,
schlug der Beschwerdeführer am frühen Morgen des 24. April 2011 unvermittelt
und ohne ersichtlichen Anlass, insbesondere ohne vorherige Provokation durch
das Opfer, mit der Faust auf dieses ein. Nachdem er vom Opfer getrennt worden
war, griff er dieses erneut an und fügte ihm mit der geöffneten, 6 cm langen
Klinge eines Klappmessers Schnitt- und Sichtverletzungen in der Brustgegend,
unterhalb des Schlüsselbeins und am Unterarm zu. Aufgrund einer Verletzung der
Brustschlagader musste eine Notoperation durchgeführt werden, ohne die das
Opfer verblutet wäre. Im Zeitpunkt der Tatbegehung war der Beschwerdeführer
knapp 24 Jahre alt, so dass er entgegen seinem Vorbringen aus dem Urteil 2C_896
/2014 vom 25. April 2015, welches jugendliche Delinquenz betrifft, nichts
ableiten kann. Die Vorinstanz erinnert zudem daran, dass die Beweggründe für
dieses Verbrechen während des ganzen Strafverfahrens im Dunkeln blieben.

3.2. Die Vorinstanz stellt die verfahrensauslösende Verurteilung, welche auf
den im Jahr 2011 verübten Taten beruht, in den Kontext der vorangegangenen und
nachfolgenden Delinquenz des Beschwerdeführers. Dabei differenziert sie
zwischen Jugendstrafen und Straftaten, die der Beschwerdeführer als Erwachsener
begangen hat. Sie trägt auch der Art der verletzten Rechtsgüter Rechnung und
berücksichtigt die Häufigkeit der Delinquenz. Sie weist zutreffend darauf hin,
dass die im Erwachsenenalter begangenen Delikte, insbesondere die noch nicht
weit zurückliegenden Taten vom 14. Dezember 2013 (Fahren in fahrunfähigem
Zustand) und vom 2. August 2014 (Vergehen gegen das Waffengesetz), nicht dem
Bagatellbereich zugeordnet werden können. Die Deliktstätigkeit habe sich über
einen langen Zeitraum von insgesamt 16 Jahren erstreckt; teilweise sei der
Beschwerdeführer während laufender Probezeit wieder straffällig geworden.
Angesichts dieser Umstände hat die Vorinstanz zu Recht auf eine gewisse
Einsichtslosigkeit und Gleichgültigkeit des Beschwerdeführers gegenüber der
schweizerischen Rechtsordnung geschlossen.
Auch mit dem Rückfallrisiko hat sich die Vorinstanz einlässlich
auseinandergesetzt und ist mit Blick auf das Verhalten des Beschwerdeführers
zum Schluss gekommen, es bleibe eine Unwägbarkeit, selbst wenn dieser aus
strafrechtlicher Sicht nicht therapiebedürftig sei. Diese Einschätzung
überzeugt umso mehr, als der Beschwerdeführererst im Oktober 2015 - ein Jahr
nach Einleitung des Widerrufsverfahrens am 26. September 2014 - begonnen hat,
sich im Strafvollzug mit seiner Tat auseinanderzusetzen. Der Verweis des
Beschwerdeführers auf die im Rahmen des Familiennachzugsgesuchs für seine
damalige Ehefrau eingereichte Rechtsschrift vom 10. April 2012 mit der Angabe,
sein Hausarzt habe ihn an einen Psychiater überwiesen, lässt diese Feststellung
nicht willkürlich erscheinen: Es finden sich keine psychiatrischen Berichte aus
dieser Zeit in den Akten.
Nachdem in einer Konstellation wie der vorliegenden selbst ein geringes
Rückfallrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. E. 2.2 am Ende), bleibt der
eingehenden Würdigung der Vorinstanz nichts hinzuzufügen.

3.3. Zusammenfassend begründen die im Erwachsenenalter erwirkten Vorstrafen,
die wiederholte Straffälligkeit in der Probezeit, die verfahrensauslösende
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und das fehlende
Wohlverhalten danach ein grosses ausländerrechtliches Verschulden. Die
Vorinstanz hat das sicherheitspolizeiliche Interesse an der Beendigung des
Aufenthalts zu Recht als hoch eingestuft.

4. 
Dem öffentlichen Interesse am Widerruf der Bewilligung sind die privaten
Interessen am Verbleib in der Schweiz gegenüberzustellen.

4.1. Der Beschwerdeführer ist im Alter von zwei Jahren und acht Monaten in die
Schweiz gekommen. Dieser Umstand begründet ein grosses Interesse, in der
Schweiz bleiben zu können.

4.2. Der Beschwerdeführer versuchte sich nach dem Verlust der Lehrstelle und
zeitweiliger Arbeitslosigkeit in beruflicher Hinsicht zu integrieren, was ihm
auch gelang. So hatte er trotz fehlender Berufsausbildung seit März 2012 bis
zum Strafantritt am 24. November 2014 eine feste Anstellung inne und wurde ihm
von seiner Arbeitgeberin ein gutes Zeugnis ausgestellt. Dennoch vermochte er
seinen Unterhaltspflichten gegenüber seinem Sohn nicht vollumfänglich
nachzukommen, was der ausstehende Saldo des Sozialamts Bern von Fr. 2'895.30 im
Juni 2015 belegt. Wie die Vorinstanz zu Recht feststellt, kann die
beruflich-wirtschaftliche Integration angesichts der Tatsache, dass der
Beschwerdeführer als Kleinkind in die Schweiz gekommen ist, nicht als
fortgeschritten bezeichnet werden.
Auch in Bezug auf die soziale Integration sind Zweifel angebracht. Der
Beschwerdeführer anerkannte seinen Sohn erst zwei Jahre nach der Geburt und
führt mit dessen Mutter eine anscheinend sehr instabile Beziehung. Am 1.
November 2010 wurde ein Strafverfahren eingestellt, welches aufgrund von
gegenseitigen Strafanträgen des Beschwerdeführers und seiner Partnerin wegen
Tätlichkeiten und Beschimpfung eingeleitet worden war. Am 2. August 2014
reichte die Partnerin wiederum Strafanzeige wegen Tätlichkeiten gegen den
Beschwerdeführer ein. Wenngleich sie den Strafantrag einige Tage später
zurückzog (mit der Begründung, sie habe die Vorfälle erfunden, da sie aufgrund
möglichen Fremdgehens des Beschwerdeführers wütend gewesen sei), geht doch aus
der polizeilichen Befragung bzw. den Antworten der Partnerin eindeutig hervor,
dass die Beziehung konfliktreich ist. Der zuständige Polizeibeamte setzte
daraufhin die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) davon in Kenntnis,
dass der Sohn des Paars die (handgreiflichen) Konflikte schon mehrmals
miterlebt hatte.
Die Integration des Beschwerdeführers kann insgesamt nicht als gelungen
betrachtet werden.

4.3. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu seinem Sohn
intensiviert hat. So hat er diesen zwischen Januar 2014 und November 2014
regelmässig von der Kindertagesstätte abgeholt. Die Vorinstanz hat zu Recht
offen gelassen, ob der Beschwerdeführer vor dem Strafantritt ein übliches
Besuchsrecht im Sinn der Rechtsprechung (vgl. E. 2.1 hiervor) ausübte. Denn es
fehlt nicht nur an der wirtschaftlichen Verbundenheit mit dem Sohn, sondern
aufgrund der Straffälligkeit des Beschwerdeführers auch an einem klaglosen
Verhalten. Auch wenn ein anerkennenswertes Interesse an der Weiterführung der
Beziehung zum Sohn im bisherigen Rahmen besteht, wird dieses doch durch die
genannten Elemente entscheidend relativiert. Der Einschnitt ist auch deshalb
nicht so stark, weil der Beschwerdeführer nie mit seinem Kind zusammengelebt
hat. Der Kontakt wird zudem seit dem 24. November 2014 durch den Strafvollzug
eingeschränkt. Das Kindeswohl wird durch eine Ausreise des Beschwerdeführers
nicht massgeblich tangiert, bleibt der Sohn doch wie bisher in der Obhut seiner
Mutter. Der Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn kann durch
Kurzbesuche und moderne Kommunikationsmittel aufrecht erhalten werden. Eine
Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK
ist zu verneinen.

4.4. Was die Eingliederung im Kosovo betrifft, ist mit der Vorinstanz davon
auszugehen, dass diese nicht einfach sein wird, aber dem Beschwerdeführer
zumutbar ist. In beruflicher Hinsicht wird ihm zugute kommen, dass er im
Strafvollzug die Basisausbildung absolviert haben wird. Dass er in seiner
Heimat nicht auf ein tragfähiges soziales Netz zurückgreifen kann, wie er
geltend macht, macht die Rückkehr dorthin nicht unzumutbar. Der
Beschwerdeführer ist jung; aufgrund seiner Schulbildung und Berufstätigkeit
wird er in der Lage sein, im Kosovo eine neue berufliche Existenz aufzubauen.
Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz dürfte sein Nierenleiden
dabei kein wesentliches Hindernis sein, zumal die medizinische Versorgung im
Kosovo in Bezug auf diese Erkrankung gewährleistet ist.

5. 
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die privaten Interessen des
Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz das öffentliche Interesse an
der Beendigung des Aufenthalts bei Weitem nicht aufzuwiegen vermögen. Der
Widerruf der Niederlassungsbewilligung erweist sich damit als verhältnismässig.

6. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

6.1. Der Beschwerdeführer hat um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung
gemäss Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG ersucht. Danach befreit das Bundesgericht eine
Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der
Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der
Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der
Partei einen Anwalt oder eine Anwältin.
Angesichts der Sachumstände, welche überwiegend zu dessen Ungunsten zu würdigen
waren, und der detaillierten Interessenabwägung im angefochtenen Urteil waren
dem Rechtsmittel keine ernsthaften Aussichten auf Erfolg beschieden. Die
Beschwerde ist daher als aussichtslos zu werten. Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege ist abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario) und die
(umständehalber reduzierten) Gerichtskosten sind dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

6.2. Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Januar 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Genner

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