Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.704/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_704/2016

Urteil vom 6. Januar 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Fellmann.

Verfahrensbeteiligte
A.________, c/o B.________,
Beschwerdeführer,

gegen

1. C.________,
2. Anwaltsaufsichtsbehörde des Kantons Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Befreiung von der anwaltlichen Schweigepflicht,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 15. Juli 2016.

Erwägungen:

1. 
Zwischen A.________ und Rechtsanwalt C.________ liegt eine Honorarforderung aus
anwaltlicher Tätigkeit im Streit. Die Anwaltsaufsichtsbehörde des Kantons Bern
befreite C.________ auf dessen Ersuchen hin mit Entscheid vom 25. Februar 2016
von der beruflichen Schweigepflicht, soweit dies zur gerichtlichen
Geltendmachung einer Honorarforderung gemäss Rechnung vom 21. Oktober 2015
erforderlich ist. A.________ gelangte dagegen an das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern. Dieses wies das Rechtsmittel mit Urteil vom 15. Juli 2016 ab.
Mit Eingabe vom 12. August 2016 erhebt A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt sinngemäss, C.________ sei
die Entbindung vom Berufsgeheimnis zu verweigern und die Verfahrens- und
Parteikosten im kantonalen Verfahren seien neu zu regeln. Ausserdem ersucht er
um unentgeltliche Rechtspflege und einen unentgeltlichen Rechtsvertreter im
bundesgerichtlichen Verfahren. C.________ beantragt, auf das Rechtsmittel nicht
einzutreten, eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. Das ebenfalls zur
Vernehmlassung eingeladene Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der
Beschwerde. Die Anwaltsaufsichtsbehörde verzichtet auf eine Stellungnahme.

2.

2.1. Die frist- und formgerecht gegen einen kantonal letztinstanzlichen
Entscheid eines oberen Gerichts eingereichte Beschwerde ist zulässig und der
bereits am vorinstanzlichen Verfahren beteiligte Beschwerdeführer ist zur
Erhebung des Rechtsmittels berechtigt (Art. 42, Art. 82 lit. a und Art. 83 BGG
e contrario; Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89, Art. 90 und Art. 100
Abs. 1 BGG; Urteile 2C_586/2015 vom 9. Mai 2016 E. 1.1 und E. 1.2 [nicht publ.
in BGE 142 II 307]; 2C_42/1010 vom 28. April 2010 E. 1.1). Auf die Beschwerde
ist einzutreten.

2.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), doch prüft es im Rahmen der allgemeinen Begründungspflicht (Art. 42 Abs.
1 und Abs. 2 BGG) nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen
Mängel des angefochtenen Entscheids nicht offensichtlich sind (BGE 140 III 115
E. 2 S. 116; Urteil 2C_8/2016 vom 17. Oktober 2016 E. 2.1 [zur Publikation
vorgesehen]). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und
interkantonalem Recht prüft das Bundesgericht insofern, als eine solche Rüge in
der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (qualifizierte Rügepflicht
gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.; Urteil 2C_8/2016
vom 17. Oktober 2016 E. 2.1 [zur Publikation vorgesehen]).

2.3. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offensichtlich unbegründet, weshalb sie
im vereinfachten Verfahren unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG abzuweisen ist.

3.

3.1. Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber
jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufs von
ihrer Klientschaft anvertraut worden ist (Art. 13 Abs. 1 des Bundesgesetzes
über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [Anwaltsgesetz, BGFA; SR
935.61]; vgl. auch Art. 321 StGB; BGE 142 II 307 E. 4 S. 309 ff. mit
Hinweisen). Zu den Tatsachen, die unter den Schutz des Anwaltsgeheimnisses
fallen, gehört schon der Umstand des Bestehens eines Mandats zwischen dem
Rechtsanwalt und seinem Klienten. Die klageweise Einforderung einer
Honorarforderung setzt daher eine vorgängige Befreiung des Anwalts von seiner
Schweigepflicht voraus. Verweigert der Mandant die Entbindung vom
Anwaltsgeheimnis, so hat sich der Rechtsanwalt, der sein Honorar auf dem
Rechtsweg einzutreiben sucht, mit einem entsprechenden Begehren an die
Aufsichtsbehörde zu wenden (vgl. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 BGFA, Art. 321 Ziff. 2
StGB; BGE 142 II 307 E. 4.3 S. 310 ff.; Urteil 2C_661/2011 vom 17. März 2012 E.
3.1).

3.2. Ob dem Ersuchen um Entbindung vom Anwaltsgeheimnis zu entsprechen ist,
beurteilt sich auf Grund einer Abwägung sämtlicher auf dem Spiel stehenden
Interessen, wobei nur ein deutlich überwiegendes öffentliches oder privates
Interesse eine Entbindung als zulässig erscheinen lässt. Während eine Anwältin
oder ein Anwalt regelmässig über ein schutzwürdiges Interesse an der Entbindung
zwecks Eintreibung offener Honorarforderungen verfügt, steht dem ein
institutionell begründetes und je nach Situation auch ein
individual-rechtliches Interesse des Klienten auf Geheimhaltung der
Mandatsbeziehung gegenüber. An die Substantiierung des Geheimhaltungsinteresses
dürfen im Verfahren auf Entbindung keine zu hohen Anforderungen gestellt
werden, weil der in Art. 321 Ziff. 1 StGB verankerte Schutz des
Berufsgeheimnisses andernfalls unterlaufen würde (vgl. BGE 142 II 307 E. 4.3.3
S. 311; Urteile 2C_1127/2013 vom 7. April 2014 E. 3.1; 2C_661/2011 vom 17. März
2012 E. 3.1). Im Rahmen der Interessenabwägung ebenfalls Berücksichtigung
finden können jene Umstände, die es dem Anwalt eventuell verunmöglichten, einen
Kostenvorschuss zu erheben (vgl. BGE 142 II 307 E. 4.3.3 S. 312; Urteil 2C_215/
2015 vom 16. Juni 2016 E. 5.2 [nicht publ. in BGE 142 II 256]; kritisch hierzu
ERNST STAEHELIN, Ausreisser? Ausreisser!, Anwaltsrevue 9/2016 S. 393 ff.;
KASPAR SCHILLER, Der Anwalt als Testamentsvollstrecker und Schweigepflicht, SJZ
112/2016 S. 501 ff.; BALTHASAR BESSENICH, ius.focus 7/2016 S. 33; GIAN ANDREA
SCHMID, Eine Korrektur drängt sich auf, plädoyer 6/2016 S. 14 ff.)

3.3. Die Vorinstanz hat die massgebenden Interessen festgestellt und
sachgerecht gegeneinander abgewogen. Sie kam zum Schluss, dass der
Beschwerdeführer nicht ansatzweise ein eigenes Interesse an der
Aufrechterhaltung des Anwaltsgeheimnisses dartut und sich darauf beschränkt,
die Interessen des Beschwerdegegners an der Befreiung vom Berufsgeheimnis zu
bestreiten. Weiter erwog die Vorinstanz zutreffend, dass der Beschwerdeführer
dem Beschwerdegegner zwar Pflichtverletzungen bei der Mandatsführung vorwirft,
diese aber grundsätzlich nicht Gegenstand des Verfahrens betreffend Entbindung
vom Berufsgeheimnis darstellen, sondern im Zivilprozess um die Honorarforderung
geltend zu machen sind. Zugleich hat die Vorinstanz den Umständen Beachtung
geschenkt, die dazu führten, dass der Beschwerdegegner seine Honorarforderung
nicht bereits über Kostenvorschüsse deckte und gelangte zum Ergebnis, dass die
Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdegegners ausfällt.

3.4. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag an diesem Resultat
nichts zu ändern. Insbesondere versäumt es der Beschwerdeführer weiterhin, ein
massgebliches individuelles Geheimhaltungsinteresse auch nur andeutungsweise
namhaft zu machen. Dass ein gewichtiger individual-rechtlicher Gesichtspunkt
einer Entbindung vom Berufsgeheimnis entgegen stehen könnte, ist nicht
ersichtlich. Demgegenüber kann aufseiten des Beschwerdegegners angesichts der
im Raum stehenden Honorarforderung keineswegs nur von einem geringen Interesse
an der Beschreitung des Prozesswegs die Rede sein. Die Umstände, die den
Beschwerdegegner anfänglich auf die Erhebung eines Kostenvorschusses verzichten
liessen, sind ebenfalls nicht dazu geeignet, das Interesse an einer Befreiung
von der Geheimhaltungspflicht zu verringern. Einem intakten, schutzwürdigen und
erheblichen Interesse des Beschwerdegegners an einer Entbindung vom
Berufsgeheimnis stehen damit aufseiten des Beschwerdeführers keine bedeutenden
privaten Interessen entgegen. Bei dieser Ausgangslage führt das institutionell
begründete Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit im Verhältnis zwischen
Anwalt und Klient (vgl. dazu Urteil 2C_586/2015 vom 9. Mai 2016 E. 2.1 [nicht
publ. in: BGE 142 II 307]) nicht dazu, dass ein deutlich überwiegendes
Interesse an der Befreiung vom Berufsgeheimnis zu verneinen wäre. Somit ist das
Rechtsmittel abzuweisen, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Entbindung
des Beschwerdegegners von der beruflichen Schweigepflicht wendet.

3.5. In Bezug auf die vorinstanzlichen Verfahrenskosten bringt der
Beschwerdeführer vor, er habe ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
gestellt, was das Verwaltungsgericht verkannt habe. Soweit der Beschwerdeführer
damit sinngemäss eine formelle Rechtsverweigerung geltend macht, ist die Rüge
unbegründet: Das Verwaltungsgericht hat sein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege geprüft, für aussichtslos befunden und deshalb abgewiesen. Mit der
Behandlung des Gesuchs in der Sache liegt keine formelle Rechtsverweigerung vor
(vgl. Art. 29 Abs. 1 BV; BGE 142 II 154 E. 4.2 S. 157; 135 I 6 E. 2.1 S. 9).
Nicht weiter einzugehen ist schliesslich auf das Vorbringen des
Beschwerdeführers, sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege sei keineswegs
aussichtslos gewesen: Die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege im vorinstanzlichen Verfahren ergeben sich aus dem kantonalen
Recht und Art. 29 Abs. 3 BV, sodass das Bundesgericht eine Überprüfung des
vorinstanzlichen Entscheids nur auf klar und detailliert erhobene Rügen hin
vornimmt (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. E. 2.2 hiervor). Diesem Erfordernis genügt
die Beschwerde nicht.

3.6. Die Beschwerde erweist sich nach dem Dargelegten als unbegründet und ist
abzuweisen. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen
Verfahren kann zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht entsprochen
werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer als unterliegende Partei hat
daher die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung ist mangels Komplexität der Streitsache an den als Anwalt
in eigener Sache auftretenden Beschwerdegegner nicht auszurichten (Art. 68 Abs.
1 BGG; BGE 129 II 297 E. 5 S. 305; Urteile 2C_45/2016 vom 11. Juli 2016 E. 3;
2C_807/2008 vom 19. Juni 2008 E. 4.3; HANSJÖRG SEILER, in: Kommentar zum
Bundesgerichtsgesetz, BGG, 2. Aufl. 2015, N. 17 zu Art. 68 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Januar 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Fellmann

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