Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.65/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_65/2016

Urteil vom 11. November 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiber Errass.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Ilir Daljipi,

gegen

Amt für Migration des Kantons Schwyz,

Regierungsrat des Kantons Schwyz.

Gegenstand
Ausländerrecht
(Erlöschen der Niederlassungsbewilligung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungs-gerichts des Kantons Schwyz,
Kammer III,
vom 26. November 2015.

Sachverhalt:

A.
A.________ (1956; Kosovare) reiste am 19. März 1980 erstmals in die Schweiz
ein, arbeitete danach als Bauarbeiter, bezieht seit Mitte der 90-er Jahre eine
IV-Rente und ist Inhaber einer Niederlassungsbewilligung C. Die Laufzeit dieses
Ausweises endete am 31. August 2014, weshalb A.________ am 20. Juni 2014 beim
Einwohneramt der Gemeinde U.________ die Verlängerung der Kontrollfrist der
Niederlassungsbewilligung beantragte. Bei der Vorsprache auf dem Einwohneramt
am 20. Juni 2014 machte er widersprüchliche Angaben zum Wohnsitz der Ehefrau,
weshalb das Amt für Migration des Kantons Schwyz (AfM) unter Gewährung des
rechtlichen Gehörs prüfte, ob die Niederlassungsbewilligung infolge Verlegung
des Lebensmittelpunktes nach Kosovo als erloschen zu betrachten sei. Am 24.
Juli 2014 reichte A.________ eine Stellungnahme ein, worauf das AfM diesem
weitere Fragen zur Dauer seines Aufenthaltes in der Schweiz und in Kosovo, zur
ärztlichen Behandlung in der Schweiz, zur familiären Situation in Kosovo, zu
den von ihm bezogenen Rentenleistungen und zur Wohnsituation in der Schweiz
stellte und unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht gleichzeitig
verschiedene Unterlagen (Reisedokumente, Bankabrechnungen, Verbindungsnachweise
des Mobilfunkanbieters usw.) verlangte. Am 17. Oktober 2014 nahm er zu den
Fragen Stellung und reichte Unterlagen ein.
Am 15. Januar 2015 hielt das AfM verfügungsweise fest, dass die
Niederlassungsbewilligung von A.________ erloschen sei und eine Verlängerung
der Kontrollfrist daher dahinfalle. Gleichzeitig wurde dieser aus der Schweiz
weggewiesen. Die Beschwerde beim Regierungsrat und anschliessend beim
Verwaltungsgericht waren erfolglos.

B.
Vor Bundesgericht beantragt A.________, den Entscheid des Verwaltungsgerichts
vom 26. November 2015 aufzuheben, ihm die Kontrollfrist seiner
Niederlassungsbewilligung zu verlängern oder ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu
erteilen, eventualiter die Sache zur ergänzenden Untersuchung und zum neuen
Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

C.
Das Verwaltungsgericht, der Regierungsrat und das Amt für Migration des Kantons
Schwyz beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Auch das Bundesamt für Migration
stellt diesen Antrag.
Mit Verfügung vom 20. Januar 2016 erkannte der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den
kantonal letztinstanzlichen Endentscheid betreffend den Widerruf oder die
Feststellung des Erlöschens einer Niederlassungsbewilligung ist zulässig (Art.
82 lit. a, Art. 83 lit. c [e contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie
Art. 90 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Auf die form- und fristgerecht
eingereichte Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten (Art. 42 Abs. 2 und Art.
100 Abs. 1 BGG).
Nicht einzutreten ist auf das Begehren, ihm im Falle des Unterliegens in der
Hauptsache eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen: Gegenstand der Verfügung
bildet lediglich die Feststellung, dass die Niederlassungsbewilligung erloschen
ist. Streitgegenstand kann nur sein, was bereits Gegenstand des
erstinstanzlichen Verfahrens war. Mit seinem Begehren um Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung will er unzulässigerweise darüber hinausgehen (vgl. BGE
136 II 165 E. 5 S. 174; 133 II 30 E. 2 S. 31 f.).

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die
Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss
berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung
wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die
beschwerdeführende Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der
festgestellte Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und
eindeutig mangelhaft, mit anderen Worten willkürlich, erscheint (Art. 42 Abs. 2
und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62; 133 II 249 E. 1.4.3;
133 III 350 E. 1.3). Auf rein appellatorische Kritik an der
Sachverhaltsermittlung und an der Beweiswürdigung geht das Bundesgericht nicht
ein (BGE 136 II 101 E. 3 S. 104 f.).

2.

2.1. Nach Art. 61 Abs. 2 AuG erlischt die Niederlassungsbewilligung unter
anderem dann, wenn sich der Ausländer, ohne sich abzumelden, während sechs
Monaten tatsächlich im Ausland aufhält. Auf vor Ablauf dieser Frist gestelltes
Gesuch hin kann die Niederlassungsbewilligung jedoch während vier Jahren
aufrechterhalten werden (vgl. Art. 79 Abs. 2 VZAE; SR 142.201).

2.2. Art. 61 Abs. 2 AuG entspricht in Bezug auf die Niederlassungsbewilligung
dem früheren Art. 9 Abs. 3 lit. c ANAG, weshalb die dazu ergangene
Rechtsprechung massgebend bleibt (vgl. Urteil 2C_853/2010 vom 22. März 2011 E.
5.1). Danach erlischt die Niederlassungsbewilligung, wenn sich ein Ausländer
während sechs aufeinander folgenden Monaten ununterbrochen im Ausland aufhält,
wobei es weder auf die Motive der Landesabwesenheit noch auf die Absichten des
Betroffenen ankommt (BGE 120 Ib 369 E. 2c und d S. 372 f.; 112 Ib 1 E. 2a S. 2
f.; vgl. auch Urteile 2C_831/2010 vom 27. Mai 2011 E. 5.1 und 2C_43/2011 vom 4.
Februar 2011 E. 2). Die sechsmonatige Frist wird zudem durch vorübergehende
Besuchs-, Tourismus- oder Geschäftsaufenthalte in der Schweiz nicht
unterbrochen (Art. 79 Abs. 1 VZAE). Somit erlischt die
Niederlassungsbewilligung wegen Aufenthaltsunterbruchs auch dann, wenn die
ausländische Person während eines grösseren Zeitraums landesabwesend ist,
jeweils vor Ablauf von sechs Monaten für beschränkte Zeit in die Schweiz
zurückkehrt, dies aber bloss zu Besuchszwecken tut. Bei solchen Verhältnissen
werden daher nicht etwa die (verschiedenen) Ausreisezeitpunkte, sondern
vielmehr die  Frage nach dem Lebensmittelpunkt zum
ausschlaggebenden   Kriterium (Urteile 2C_405/2015 vom 23. Oktober 2015 E. 2.2;
2C_213/2014 vom 5. November 2014 E. 2.2 mit Hinweisen).

3.

3.1. Streitgegenstand bildet die Frage, ob die Niederlassungsbewilligung des
Beschwerdeführers erloschen ist.
Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass sich der Lebensmittelpunkt des
Beschwerdeführers im Kosovo bei seiner Familie (Ehefrau und fünf Kindern)
befinde: Der Beschwerdeführer beziehe seit Mitte der 1990er Jahre eine
IV-Rente, sei also nicht auf einen Daueraufenthalt zu Erwerbszwecken in der
Schweiz angewiesen. Insofern falle ein Lebensmittelpunkt am Arbeitsort ausser
Betracht. Die IV-Rente und die Zusatzrenten für drei Kinder (insgesamt Fr.
4'450.--) liessen in Kosovo ein komfortables Leben zu. Er habe hier zwar ein
Zimmer (mit Gemeinschaftsdusche und WC) zu einem Mietzins von Fr. 580.--/Mt
(inkl. NK) und auch ein Bankkonto: Das Zimmer benütze er - wie er selbst
ausgesagt habe - kaum, da er bei seinem Bruder sei. Vom Bankkonto würden sodann
zum einen regelmässig kleinere Beträge abgehoben, die zum Unterhalt indes nicht
reichen würden, zum anderen vier- bis fünfmal pro Jahr grössere Beträge, die
zeitlich mit seinen Arztterminen zusammenhingen. Unbestritten sei sodann, dass
er mehrmals Reisen zwischen der Schweiz und Kosovo unternommen habe; der
Beschwerdeführer habe aber keine Reisedokumente einreichen können, aufgrund
derer sich die Dauer des Aufenthalts in der Schweiz hätte überprüfen lassen.
Trotz behauptetem Lebensmittelpunkt in der Schweiz wolle der Beschwerdeführer
hier weder über einen Festnetzanschluss noch über ein Mobiltelephon verfügen
und deshalb keine entsprechenden Rechnungen vorlegen können, was völlig
unglaubwürdig sei.

3.2. Der Beschwerdeführer moniert, dass die Behörde gegen die
Untersuchungsmaxime verstossen habe, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Art. 29 Abs. 2 BV) vorliege und dementsprechend der Sachverhalt ungenügend
festgestellt worden sei.
Wie der Beschwerdeführer zu Recht hervorhebt, ist das öffentliche Recht vom
Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Dazu gehört auch das AuG. Allerdings
verpflichtet Art. 90 AuG den Beschwerdeführer, an der Feststellung des für die
Anwendung des AuG massgebenden Sachverhalts mitzuwirken (  Mitwirkungspflicht).
Der Beschwerdeführer muss insbesondere zutreffende und vollständige Angaben
über die für die Regelung des Aufenthalts wesentlichen Tatsachen machen (lit.
a) und die erforderlichen Beweismittel unverzüglich einreichen oder sich darum
bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen (lit. b). Die
Mitwirkungspflicht gilt in besonderen Massen für Umstände, die der
Beschwerdeführer besser kennt als die Behörde und welche sie ohne Mitwirkung
des Beschwerdeführers gar nicht oder nicht mit vernünftigem Aufwand erheben
können (vgl. BGE 124 II 361 E. 2b S. 365). Im vorliegenden Zusammenhang gelten
die entsprechenden Pflichten umso strenger, je mehr Indizien vorliegen, welche
gemeinhin darauf schliessen lassen, dass in erster Linie die
ausländerrechtliche Gesetzgebung umgangen werden soll. In vorliegenden Fall
darf und muss vom Beschwerdeführer deshalb erwartet werden, dass er von sich
aus Umstände vorbringt und klar belegt, dass der Lebensmittelpunkt nach wie vor
in der Schweiz ist (vgl. Urteil 2C_1008/2015 vom 20. Juni 2016 E. 3.3). Dieser
Mitwirkungspflicht ist der Beschwerdeführer offensichtlich nicht nachgekommen.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV dient der
Sachaufklärung und garantiert den Verfahrensbeteiligten ein
persönlichkeitsbezogenes  Mitwirkungsrecht. Sie haben insbesondere Anspruch auf
Äusserung zur Sache vor Fällung des Entscheids, auf Abnahme ihrer erheblichen,
rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweise und auf Mitwirkung an der
Erhebung von Beweisen oder zumindest auf Stellungnahme zum Beweisergebnis (BGE
135 II 286 E. 5.1 S. 293). Dem Mitwirkungsrecht entspricht die Pflicht der
Behörden, die Argumente und Verfahrensanträge der Parteien entgegenzunehmen und
zu prüfen, sowie die ihr rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweismittel
abzunehmen (vgl. BGE 139 II 7 E. 4.3 S. 13; 127 I 54 E. 2b S. 56). Allerdings
liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, wenn ein Gericht auf die
Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es auf Grund der bereits
abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in
vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch
weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f.;
134 I 140 E. 5.3 S. 148; 131 I 153 E. 3 S. 157 mit Hinweisen). Angesichts der
verschiedenen Unterlagen, bereits vorhandenen Feststellungen und Indizien hat
die Vorinstanz willkürfrei auf die Befragung seines Bruders und - nach
Vorliegen eines Arztzeugnisses und von Terminen der Arztbesuche - auch seines
Arztes verzichten können.

3.3. In der Sache selbst bringt der Beschwerdeführer lediglich seine Sicht der
Dinge vor und legt nicht dar, inwiefern der festgestellte Sachverhalt
willkürlich erscheint (vgl. BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62; 133 II 249 E. 1.4.3;
133 III 350 E. 1.3). Die Vorinstanz hat sich bereits ausführlich mit seinen
Argumenten (Mitwirkungspflicht, Verletzung des rechtlichen Gehörs [Befragung
u.a. seines Arztes]) befasst. Sie hat auch detailliert dargelegt, dass der
Beschwerdeführer nicht derart schwer krank ist, wie dieser glauben machen will,
was sich im Übrigen auch aus den Akten ergibt. Insofern ist die Argumentation
der Vorinstanz, wonach es nicht nachvollziehbar sei, dass der Beschwerdeführer,
sollte er in der Schweiz leben, weder einen Festnetzanschluss noch ein
Mobiltelephon besitzt und auf eine ständige Betreuung durch dessen Bruder
angewiesen sei, nicht willkürlich. Angesichts dieser Umstände hätte vom
Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren eine vertiefte
Auseinandersetzung erwartet werden dürfen (Art. 42 Abs. 2 und 106 Abs. 2 BGG).

3.4.
Zusammenfassend lässt sich der vorinstanzliche Schluss, wonach der
Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers nicht mehr in der Schweiz ist, nicht
beanstanden. Die Niederlassungsbewilligung ist somit erloschen.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Entsprechend diesem Verfahrensausgang hat der
Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz, Kammer III, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 11. November 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Errass

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