Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.641/2016
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_641/2016        

Urteil vom 17. März 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Fuchs.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Christian Kummerer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Bereich Recht.

Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
als Verwaltungsgericht vom 26. Mai 2016.

Sachverhalt:

A.
Der kosovarische Staatsangehörige A.________ (geb. 1964) hielt sich ab 1989
wiederholt mit Saisonbewilligungen in der Schweiz auf. Am 24. September 1996
wurde ihm die Aufenthaltsbewilligung im Kanton Basel-Landschaft erteilt. Im
Februar 1998 reiste seine Ehefrau mit den vier gemeinsamen Kindern (geb. 1989,
1992, 1994 und 1995) in die Schweiz ein. Im Jahr 2002 wurde eine weitere
Tochter geboren.

B.
Mit Schreiben vom 10. Januar 2005 verwarnte der damalige Bereich Dienste des
Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt A.________ wegen
der seit 1. Februar 2001 anhaltenden finanziellen Unterstützung durch die
Sozialhilfe sowie wegen seiner Verschuldung. Am 23. August 2006 erfolgte eine
weitere ausländerrechtliche Verwarnung.
Mit Urteil des Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 31. August 2007 wurde
A.________ wegen Betruges zu einer bedingten Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu
Fr. 20.-- verurteilt.
Nach mehrfacher Prüfung wurde A.________ am 25. August 2010 die
Niederlassungsbewilligung erteilt.

C.

C.a. Am 25. Mai 2012 verurteilte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt
A.________ wegen Betrugs, Irreführung der Rechtspflege, versuchter Nötigung,
falscher Anschuldigung sowie mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz zu
einer Freiheitsstrafe von 2 ¾ Jahren (33 Monate).
Mit Verfügung vom 6. November 2012 widerrief der Bereich Bevölkerungsdienste
und Migration des Kantons Basel-Stadt seine Niederlassungsbewilligung und
ordnete seine Wegweisung aus der Schweiz an. Dagegen erhob A.________ Rekurs.

C.b. Mit Urteil vom 24. April 2013 des Strafgerichts Basel-Stadt wurde
A.________ wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfacher
Nötigung, mehrfacher Vergehen gegen das Waffengesetz und mehrfacher Vergehen
gegen das Ausländergesetz zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt.
Das Justiz- und Sicherheitsdepartement wies den Rekurs gegen den Widerruf der
Niederlassungsbewilligung mit Entscheid vom 30. September 2013 ab. Das
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht sistierte
das dagegen gerichtete Rekursverfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid über
das (zusammengelegte) Strafverfahren.

C.c. Am 22. August 2014 bestätigte das Appellationsgericht die Verurteilung
wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz (grosse Gesundheitsgefahr,
Banden- und Gewerbsmässigkeit), qualifizierter Geldwäscherei, mehrfacher
Nötigung, mehrfacher Vergehen gegen das Waffengesetz und mehrfacher Vergehen
gegen das Ausländergesetz (mehrfache Erleichterung bzw. Förderung des
rechtswidrigen Aufenthalts) und verurteilte A.________ zu einer Freiheitsstrafe
von 8 ½ Jahren und einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 30.--. Von den
übrigen Anklagepunkten wurde er freigesprochen. Das Bundesgericht hat mit
Urteil 6B_1252/2014 vom 4. Mai 2015 das Urteil des Appellationsgerichts
bestätigt.
Mit Urteil vom 26. Mai 2016 hat das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht
den Rekurs von A.________ im ausländerrechtlichen Verfahren abgewiesen.

D. 
A.________ erhebt am 10. Juli 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten beim Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt er die
Erteilung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und die unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Bundesgericht hat die Akten des kantonalen Verfahrens, aber keine
Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1. 
Gegen den angefochtenen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 90 BGG
sowie Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG) über den Widerruf der
Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht zulässig, da der Beschwerdeführer
grundsätzlich einen Anspruch auf das Fortbestehen der Bewilligung geltend
machen kann (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4; Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e
contrario). Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde (vgl. Art.
42 und 100 Abs. 1 BGG) des nach Art. 89 Abs. 1 BGG legitimierten
Beschwerdeführers ist einzutreten.

2.

2.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG); es ist weder an die
in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der
Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3 S. 415). Doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern
allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE
138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.). Die Verletzung von Grundrechten untersucht es in
jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise
vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2
S. 232; 134 II 244 E. 2.2 S. 246).

2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich
unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116 f.). Die
beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den
gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine
entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (BGE 137 II 353 E. 5.1 S.
356; 136 II 304 E. 2.5 S. 314).

3. 
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und
Art. 30 BV, weil das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht teilweise
gleich zusammengesetzt gewesen sei wie dazumal als Berufungsgericht in
Strafsachen. Sein Anspruch auf einen unparteiischen, nicht vorbefassten
Spruchkörper sei damit verletzt.

3.1.

3.1.1. Nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über
Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen
oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem
unabhängigen und unparteiischen, auf dem Gesetz beruhenden Gericht in einem
fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.
Ein Entscheid über den Aufenthalt eines Ausländers in einem Land oder dessen
Wegweisung steht nach ständiger Rechtsprechung ausserhalb des
Anwendungsbereichs von Art. 6 Ziff. 1 EMRK; ein solcher Entscheid betrifft
weder einen zivilrechtlichen Anspruch noch eine strafrechtliche Anklage im
Sinne dieser Konventionsbestimmung (vgl. BGE 137 I 128 E. 4.4.2 S. 133 f. mit
Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR). Der Beschwerdeführer kann somit aus
Art. 6 Ziff. 1 EMRK nichts zu seinen Gunsten ableiten.

3.1.2. Er kann sich aber auf Art. 30 Abs. 1 BV berufen, der ebenfalls einen
Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und
unparteiisches Gericht vermittelt. Die Garantie des verfassungsmässigen
Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten
vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der
Voreingenommenheit zu begründen vermögen, wenn also Umstände bestehen, die
geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken.
Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters
oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer
Natur begründet sein. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter
tatsächlich befangen ist; es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei
objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit
erwecken. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei
abzustellen. Ob die Garantien verletzt sind, prüft das Bundesgericht frei (vgl.
BGE 140 I 326 E. 5.1 S. 328; 139 I 121 E. 5.1 S. 125 f.; 137 I 227 E. 2.1 S.
229; je mit Hinweisen).

3.1.3. Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in
das Gericht kann bei den Parteien immer dann entstehen, wenn einzelne
Gerichtspersonen in einem früheren Verfahren mit der konkreten Streitsache
schon einmal befasst waren. In einem solchen Fall sogenannter Vorbefassung
stellt sich die Frage, ob sich ein Richter durch seine Mitwirkung an früheren
Entscheidungen in einzelnen Punkten bereits in einem Mass festgelegt hat, die
ihn nicht mehr als unvoreingenommen und dementsprechend das Verfahren nicht
mehr offen erscheinen lassen (BGE 140 I 326 E. 5.1 S. 328; 131 I 113 E. 3.4 S.
116 mit Hinweisen). Voraussetzung für die Annahme der Vorbefassung eines
Richters bildet die Identität der Sachverhalte oder der Rechtsfragen in den
Fällen, an denen er mitgewirkt hat (Urteil 2P.28/2002 vom 20. März 2002 E.
4.4.1).

3.2. Vorliegend waren zwei der fünf Richter der Vorinstanz bereits in der
Besetzung des Urteils des Appellationsgerichts vom 22. August 2014
(Berufungsverfahren gegen die erstinstanzlichen Strafurteile vom 25. Mai 2012
und 24. April 2013) vertreten. In jenem (Straf) Verfahren ging es um die dem
Beschwerdeführer zur Last gelegten Strafdelikte (vgl. Sachverhalt Bst. C), das
heisst es handelte sich sowohl in sachverhaltlicher als auch rechtlicher
Hinsicht um ein anderes Verfahren als das hier umstrittene
Rechtsmittelverfahren gegen die Verfügung der Migrationsbehörden. Damit ist
nicht dieselbe konkrete Streitsache durch dieselben Richterpersonen beurteilt
worden, so dass sich die Frage einer Vorbefassung nicht stellt. Daran ändert
nichts, dass das deliktische Verhalten des Beschwerdeführers auch im
vorliegenden ausländerrechtlichen Verfahren mit ausschlaggebend ist, entspricht
dies doch gerade dem Willen des Gesetzgebers, der ausländerrechtliche
Konsequenzen an das strafrechtliche Verhalten in der Schweiz knüpft (vgl.
sogleich E. 4.1). Im ausländerrechtlichen Verfahren erhält das Gericht stets
Einblick in das Strafurteil (vgl. zu den Meldepflichten Art. 97 AuG i.V.m. Art.
82 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und
Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]) und es besteht regelmässig kein Raum, die
Beurteilung des Strafrichters in Bezug auf das strafrechtliche Verschulden zu
relativieren (vgl. E. 4.3.2). Im Übrigen ist es seit 1. Oktober 2016 in einem
Fall, wie dem vorliegenden, Sache des Strafgerichts, eine (obligatorische)
Landesverweisung auszusprechen (vgl. Art. 66a StGB). Eine Verletzung von Art.
30 Abs. 1 BV ist somit nicht ersichtlich.
Soweit der Beschwerdeführer weiter sinngemäss behauptet, das
Appellationsgericht habe im ausländerrechtlichen Verfahren strafwürdigend
gewertet, wofür er im Strafverfahren freigesprochen worden sei, entbehrt dies
jeglicher Grundlage. Wie sogleich zu sehen ist, hat sich die Vorinstanz bei
ihrer Beurteilung sehr wohl an die geltenden Bestimmungen und die einschlägige
bundesgerichtliche Rechtsprechung gehalten und ist zu Recht von einem
überwiegenden, erheblichen öffentlichen Interesse an der Beendigung des
Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Schweiz ausgegangen.

4.

4.1. Durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 8 ½ Jahren ist der
Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG (SR 142.20) i.V.m. Art. 62 lit. b
AuG (in der bis am 30. September 2016 geltenden, vorliegend noch massgeblichen
Fassung) erfüllt (vgl. 139 I 145 E. 2.1 S. 147; 135 II 377 E. 4.2 S. 379 ff.),
was der Beschwerdeführer zu anerkennen scheint. Allerdings rechtfertigt sich
der Widerruf der Bewilligung nur, wenn die im Einzelfall vorzunehmende
Interessenabwägung diese Massnahme als verhältnismässig (Art. 96 AuG; Art. 5
Abs. 2 BV) und mit dem Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK) vereinbar erscheinen lässt (BGE 139 I 145 E.
2.2 S. 147 f.; 135 II 377 E. 4.3 S. 381 f.). Dabei sind insbesondere die Art
und Schwere der vom Betroffenen begangenen Straftaten und des Verschuldens, der
Grad der Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit in der Schweiz
sowie die dem Betroffenen und seiner Familie drohenden Nachteile zu
berücksichtigen. Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zur Interessenabwägung
bezogen auf Betäubungsmitteldelinquenz (insbesondere BGE 139 I 145 E. 2.4 und
2.5 S. 149 ff.; 139 I 31 E. 2 S. 32 ff.; Urteil des EGMR  Koffi gegen Schweiz
 vom 15. November 2012 [Nr. 38005/07] § 65 ff.) zutreffend wiedergegeben; es
kann darauf verwiesen werden.

4.2. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die Verurteilung wegen
Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz sei einzig gestützt auf Aussagen
eines selbst massiv im Drogenhandel tätigen Landsmann bzw. eines Verwandten von
ihm erfolgt. Im Strafverfahren sei zudem völlig offen geblieben, wie sich die
erwähnte "Drogenbande" organisiert habe. Bei den Vorstrafen habe es sich sodann
nur um Geldstrafen gehandelt, so dass nicht von einer massiven Delinquenz
gesprochen werden könne. Was die ausländerrechtlichen Verwarnungen angehe,
seien diese gestützt auf die Sozialhilfeabhängigkeit erfolgt, welche mit der -
rückwirkend - verfügten und ausbezahlten Invalidenrente obsolet geworden sei.
Unhaltbar sei die Argumentation, es sei ihm zumutbar, im Kosovo eine neue
Existenz aufzubauen. Er sei über 50 Jahre alt und wohne über 20 Jahre in der
Schweiz. Ausser kurzen Ferienanwesenheiten habe er keinerlei Beziehung mehr zu
seiner Heimat. Seine Familie würde auf jeden Fall in der Schweiz verbleiben,
weshalb der Existenzaufbau alleine erfolgen müsse. Was seine Beziehung zu
seiner Ehefrau und der unmündigen Tochter angehe, könne diese nicht auf Dauer
via Skype oder SMS gelebt werden. Ausserdem habe er sich in der Haft wohl
verhalten. Insgesamt seien die Erwägungen des EGMR im Fall Udeh durchaus auch
auf den vorliegenden Fall anwendbar und der Widerruf der
Niederlassungsbewilligung erweise sich als unverhältnismässig.

4.3.

4.3.1. Die Vorinstanz hat das Verschulden des Beschwerdeführers als schwer
eingestuft. Dieser war als Mitglied einer organisierten internationalen Bande
am Handel mit etwa 8 kg Heroingemisch und einer Kleinmenge Kokain sowie mit
Streckmitteln beteiligt. Er war über einen Zeitraum von vier Jahren als
Organisator im Hintergrund einer höherrangigen, aber "noch immer subalternen"
Position für die Koordination der Anlieferung von Betäubungsmitteln zuständig
und setzte diese über Läufer in Umlauf. Hinzu kam, dass er Wohnungen mietete,
die dem Drogenhandel dienen sollten, den Verkaufserlös an sich nahm und den Fr.
100'000.-- übersteigenden Erlös der ihm innerhalb der Organisation
übergeordneten Person weitergab. Ausserdem liess er sich von einem Läufer den
gewährten Geschäftskredit durch Tätigkeiten im Heroinhandel abarbeiten, wobei
er diesen und dessen Familie durch ständige Drohungen unter Druck setzte. Zudem
verstiess der Beschwerdeführer gegen das Waffengesetz und das Ausländergesetz
(vgl. schon Sachverhalt Bst. C).

4.3.2. Der Beschwerdeführer hat durch den Handel mit Heroin eine unbestimmte
Anzahl von Personen abstrakt gefährdet. Diese Verurteilung betrifft unter
anderem den (im Ausländerrecht) generell schwer zu gewichtenden
Betäubungsmittelbereich (BGE 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34; 139 I 16 E. 2.2.2 S. 20;
129 II 215 E. 6 und 7 S. 220 ff.; 125 II 521 E. 4a S. 527 mit Hinweisen; vgl.
die EGMR-Urteile  Dalia gegen Frankreich vom 19. Februar 1998, Recueil Cour
CEDH 1998-I S. 92 § 54 und  Koffi gegen Schweiz vom 15. November 2012 [Nr.
38005/07] § 65). Die Schwere der Tat kommt denn auch im ausgesprochenen
Strafmass von 8 ½ Jahren Freiheitsentzug zum Ausdruck. Das vom Beschwerdeführer
dagegen Vorgebrachte vermag daran nichts zu ändern: Dass er von einem
Verwandten zu Unrecht belastet worden sei, wurde bereits im Strafverfahren
widerlegt, und wie genau die Bande organisiert war, erweist sich nicht als
entscheidend. Ohnehin besteht im ausländerrechtlichen Verfahren regelmässig
kein Raum, die Beurteilung des Strafgerichts zum Verschulden und zur
Angemessenheit der Sanktion zu relativieren (vgl. Urteile 2C_368/2015 vom 15.
September 2015 E. 3.2.1; 2C_679/2015 vom 19. Februar 2016 E. 6.2.2; je mit
Hinweisen). Weiter kommt hinzu, dass es sich bei dieser Verurteilung nicht um
die erste handelte, war doch der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit
mehrfach wegen Betrugsdelikten zu Geldstrafen verurteilt worden (Urteil des
Amtsgerichts Lörrach [Deutschland] vom 30. Juni 1997 und Urteil des
Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 31. August 2007). Zudem war er
mehrfach ausländerrechtlich verwarnt worden. Es ist folglich nicht zu
beanstanden, wenn die Vorinstanz aufgrund der schweren Delinquenz und der
wiederholten Straffälligkeit nicht von einer guten Prognose ausgegangen ist.
Dass es sich bei den früheren Verurteilungen um weniger schwer wiegende
handelte, ist dabei nicht entscheidend, zeigt sich doch insgesamt, dass der
Beschwerdeführer offensichtlich Mühe bekundet, sich an die hiesige
Rechtsordnung zu halten. Es ist daher von einem erheblichen öffentlichen
Interesse an einem fremdenpolizeilichen Bewilligungswiderruf auszugehen.
Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, dass nach Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB
eine Verurteilung - wie hier - im Rahmen von Art. 19 Abs. 2 BetmG künftig als
Anlasstat für eine  obligatorische strafrechtliche Landesverweisung gelten
wird. Auch wenn die entsprechende Bestimmung noch keine Anwendung findet,
unterstreicht sie doch die Bedeutung, welche der Verfassungs- und Gesetzgeber
dem qualifizierten Drogenhandel im Hinblick auf die Gefährdung der Gesundheit
einer Vielzahl von Personen beimisst (Umsetzung von Art. 121 Abs. 3 - 6 BV).

4.4. Den öffentlichen Interessen sind die privaten Interessen an einem Verbleib
in der Schweiz gegenüberzustellen.

4.4.1. Der Beschwerdeführer ist erstmals 1989 im Alter von 25 Jahren in die
Schweiz gekommen, wo er sich zunächst mit Saisonbewilligungen, ab 1996 mit
einer Aufenthaltsbewilligung aufhielt. Er ist Vater von fünf Kindern, wovon das
jüngste noch minderjährig ist. Der Beschwerdeführer hat somit angesichts der
langen Aufenthaltsdauer in der Schweiz und der hier lebenden Ehefrau und noch
minderjährigen Tochter ein gewichtiges Interesse daran, weiterhin hier
verbleiben zu dürfen. Allerdings scheint er trotz des langen Aufenthalts in der
Schweiz keine besonderen Beziehungen ausserhalb seiner Kernfamilie zu haben.
Der vorinstanzlichen Feststellung, es könne ihm keine der Aufenthaltsdauer
entsprechende gelungene Integration attestiert werden, vermag er nichts
entgegenzusetzen.

4.4.2. Der Beschwerdeführer ist im Kosovo aufgewachsen und erst als Erwachsener
in die Schweiz gekommen. Er wurde somit in seinem Herkunftsland sozialisiert
und spricht die dortige Sprache. Angesichts regelmässiger, in der Regel
jährlicher Ferienbesuche dürfte er nach wie vor mit Mentalität und Kultur im
Kosovo vertraut sein und bestehende Kontakte aufrechterhalten haben. Da zudem
zwei Brüder und zwei Schwestern mit ihren Familien im Kosovo leben, kann er auf
ein persönliches Umfeld zurückgreifen. Zudem besitzt er in seiner Heimat
Grundeigentum. Wie die Vorinstanz festgestellt hat, wird ihm seine IV-Rente
auch im Kosovo ausbezahlt werden. Dass diese Leistungen zur Sicherung seines
Unterhalts nicht genügen würden, macht er nicht geltend. Insgesamt erscheint
damit eine Rückkehr zumutbar.

4.4.3. Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass der Widerruf der
Niederlassungsbewilligung zur Folge hat, dass die Familie getrennt würde.
Seiner Ehefrau, die zwar selber auch aus dem Kosovo stammt, und insbesondere
seiner jüngsten Tochter - beide im Besitz der Niederlassungsbewilligung - ist
es nicht ohne Weiteres zuzumuten, mit ihm auszureisen. Diese machen denn auch
geltend, in der Schweiz verbleiben zu wollen. Das Bundesgericht verkennt nicht,
dass vor allem die Tochter ein anerkennenswertes Interesse daran hat, künftig
mit ihrem Vater aufzuwachsen. Je schwerer aber die begangene
Rechtsgutverletzung wiegt, desto eher vermag das öffentliche Interesse an einer
Ausreise des Straftäters selbst das Interesse eines Kindes zu überwiegen, mit
diesem Elternteil hier aufwachsen zu können (vgl. Urteile 2C_681/2016 vom 5.
Januar 2017 E. 4.3; 2C_145/2016 vom 14. November 2016 E. 4.3.2; 2C_503/2014 vom
25. November 2014 E. 4.4.3 mit Hinweisen). Inwiefern zu den übrigen, bereits
volljährigen Kindern ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehen würde,
wird vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt. Die Beziehung zu diesen geniesst
somit nicht den Schutz von Art. 8 EMRK (BGE 139 II 393 E. 5.1 S. 402; 137 I 154
E. 3.4.2 S. 159).
Der Beschwerdeführer muss sich entgegen halten lassen, dass ihn sein
Familienleben offensichtlich nicht von der Beteiligung am Drogenhandel
abgehalten hat. Er war in den Jahren 2005 und 2006 wegen der damaligen
fortgesetzten Sozialhilfeabhängigkeit sowie seiner Verschuldung
ausländerrechtlich verwarnt worden. Dennoch beging er schwere Straftaten, womit
er selbstverschuldet und mutwillig den Fortbestand seines Familienlebens in der
Schweiz aufs Spiel gesetzt und die Trennung von seiner Familie in Kauf genommen
hat.
Unbehelflich ist schliesslich die Berufung auf das Urteil des EGMR i.S.  Udeh
gegen die Schweiz vom 16. April 2013 (Nr. 12020/09). Dabei handelt es sich
nicht um einen Grundsatzentscheid; vielmehr hat der EGMR dort ausschliesslich
die Umstände des konkreten Einzelfalls berücksichtigt, die teilweise erst nach
der Beurteilung durch das Bundesgericht eingetreten waren (vgl. BGE 139 I 325
E. 2.4 S. 327 ff.). Ohnehin aber erweist sich der vorliegende Fall - wie schon
die Vorinstanz dargelegt hat - mit Blick auf die wiederholten Straftaten, das
ausgesprochene Strafmass, die fehlende gute Prognose und die Tatsache, dass der
Beschwerdeführer vorbestraft und verwarnt worden war, offensichtlich nicht als
mit dem vom EGMR beurteilten Sachverhalt vergleichbar.

4.4.4. Insgesamt vermögen die privaten Interessen das erhebliche öffentliche
Interesse an der Beendigung des Aufenthalts nicht aufzuwiegen. Die Rückkehr in
den Kosovo ist dem Beschwerdeführer zumutbar; die Einschränkung des Ehe- und
Familienlebens hat er hinzunehmen. Die Vorinstanz durfte, ohne Bundes- und
Konventionsrecht zu verletzen, die Niederlassungsbewilligung widerrufen.

5. 
Die Beschwerde ist demnach unbegründet und abzuweisen. Mit dem vorliegenden
Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde
gegenstandslos.

6. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der Beschwerdeführer grundsätzlich
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG); er hat indessen um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. Angesichts der Höhe der ausgesprochenen
Freiheitsstrafe hatte die vorliegende Eingabe keine ernsthaften Aussichten auf
Erfolg. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist daher infolge
Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG) und die (umständehalber
reduzierten) Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art.
68 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht und dem Staatssekretariat für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. März 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Fuchs

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben