Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.631/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_631/2016

Urteil vom 8. März 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Genner.

Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
3. C.A.________,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Marc Spescha,
Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Erlöschen/Wiedererteilen der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2.
Abteilung, vom 1. Juni 2016.

Sachverhalt:

A.
A.A.________ (geb. am 11. Juli 1985), brasilianische Staatsangehörige, reiste
im Alter von 13 Jahren im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein und
erhielt die Aufenthaltsbewilligung. Aus einer Beziehung zu D.________, einem in
der Schweiz niedergelassenen kambodschanischen Staatsangehörigen, wurden am 9.
Juni 2006 die Zwillingssöhne B.A.________ und C.A.________ geboren. Diese sind
ebenfalls brasilianische Staatsangehörige. Die Aufenthaltsbewilligungen von
A.A.________ und ihren Kindern wurden letztmals bis zum 25. März 2013
verlängert.
A.A.________ heiratete am 15. August 2013 eine in Brasilien lebende Landsfrau;
die Beziehung wurde später wieder aufgelöst.

B.
Am 28. Juli 2014 beantragten A.A.________, B.A.________ und C.A.________ die
Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligungen. Das Migrationsamt des Kantons
Zürich stellte am 17. Februar 2015 fest, die Aufenthaltsbewilligungen seien
erloschen, wies die Gesuche um deren Verlängerung ab und wies A.A.________ und
ihre Söhne aus der Schweiz weg. Den von diesen erhobenen Rekurs wies die
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich - nach Vereinigung des Verfahrens mit
jenem von D.________, welcher ebenfalls Rekurs erhoben hatte - am 31. August
2015 ab. Den Eventualantrag von A.A.________ und ihren Söhnen, ihnen neue
Aufenthaltsbewilligungen zu erteilen, wies die Sicherheitsdirektion ebenfalls
ab. Dagegen gelangten A.A.________ und ihre Söhne an das Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerde ab, wobei es die unentgeltliche
Prozessführung mit Rechtsanwalt Marc Spescha bewilligte.

C.
A.A.________, B.A.________ und C.A.________ erheben am 6. Juli 2016 Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit den Anträgen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und das Migrationsamt anzuweisen, ihnen je
eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib im Kanton Zürich zu erteilen. Zudem
ersuchen sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtpflege mit Rechtsanwalt Marc
Spescha als unentgeltlichem Rechtsbeistand.
Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Die Sicherheitsdirektion und das Staatssekretariat für
Migration verzichten auf Vernehmlassung.
Mit Präsidialverfügung vom 8. Juli 2016 ist der Beschwerde antragsgemäss
aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend
Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen
Anspruch einräumt, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
unzulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Den Beschwerdeführern wurde die
Wiedererteilung ihrer Aufenthaltsbewilligungen verweigert. Weder auf die
Verlängerung noch auf die (Wieder-) Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung
besteht bundesrechtlich ein Anspruch (vgl. Art. 33 Abs. 3 AuG [SR 142.20], Art.
44 AuG).
Die Beschwerdeführer 2 und 3 können sich in Bezug auf ihren Vater, der in der
Schweiz über eine Niederlassungsbewilligung und damit ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht verfügt, auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV
(Schutz des Familienlebens) berufen (BGE 135 I 143 E. 1.3.1). Die
Beschwerdeführer in 1 kann diese Garantie in Bezug auf ihre Kinder anrufen
(umgekehrter Familiennachzug in der Variante, dass ein sorge- und
obhutsberechtigter ausländischer Elternteil die Bewilligung zwecks Fortführung
des Kontakts zwischen seinem Kind und dem anderen, gefestigt
anwesenheitsberechtigten Elternteil erhältlich machen will, vgl. BGE 137 I 247
E. 4.2.3; Urteil 2C_27/2016 vom 17. November 2016 E. 5.2, zur Publikation
vorgesehen). Ein selbständiger potenzieller Anspruch der Beschwerdeführerin 1
gestützt auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK als Recht auf Achtung des Privatlebens ist
nicht zu prüfen, da er nicht geltend gemacht wird (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit hinsichtlich
aller drei Beschwerdeführer zulässig.

1.2. Die Beschwerdeführer sind als Adressaten des angefochtenen Urteils
besonders berührt und haben ein aktuelles und schutzwürdiges Interesse an
dessen Aufhebung oder Änderung. Sie sind damit zur Beschwerdeführung
legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.3. Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 42 und Art.
100 Abs. 1 BGG) ist einzutreten.

2.

2.1. Die Aufenthaltsbewilligungen der Beschwerdeführer waren gemäss Art. 61
Abs. 1 lit. c AuG am 25. März 2013 abgelaufen, da rechtzeitig kein
Verlängerungsgesuch eingereicht worden war (vgl. Art. 59 Abs. 1 der Verordnung
vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR
142.201]). In Anwendung der Rechtsprechung zu dieser Konstellation (vgl. Urteil
2C_1050/2012 vom 6. Dezember 2013 E. 2.3) hat die Vorinstanz die
Wiedererteilung der Aufenthaltsbewilligungen geprüft, was korrekt ist. Die
Kriterien im kantonalen Verfahren sind (auch mit Blick auf Art. 30 Abs. 1 lit.
k AuG) die gleichen wie bei der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung: Der
(weitere) Aufenthalt kann bewilligt werden, wenn keine Widerrufsgründe nach
Art. 62 AuG vorliegen (Art. 33 Abs. 3 AuG). Eine allfällige Verweigerung der
Bewilligung muss zudem mit dem übergeordneten Recht vereinbar, d.h.
insbesondere verhältnismässig sein (Art. 96 Abs. 1 AuG, Art. 8 Ziff. 2 EMRK).
Im Verfahren vor dem Bundesgericht ist erforderlich, dass ein bundes- oder
völkerrechtlicher Anspruch in Betracht kommt, ansonsten auf die Beschwerde
nicht eingetreten würde (vgl. E. 1.1). Hier ist die Wiedererteilung der
Aufenthaltsbewilligungen unter dem Aspekt des Rechts auf Achtung des
Familienlebens, welches die Beziehungen minderjähriger Kinder zu ihren Eltern
schützt, zu prüfen.

2.2. Nach der Rechtsprechung hat der nicht sorge- oder obhutsberechtigte
Elternteil eines aufenthaltsberechtigten oder niedergelassenen ausländischen
Kindes gestützt auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK einen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung, wenn er sich "tadellos" im Sinn der Rechtsprechung
verhalten hat und zwischen ihm und seinem Kind in wirtschaftlicher und
affektiver Hinsicht eine besonders enge Beziehung besteht, die wegen der
Distanz zwischen der Schweiz und dem Herkunftsland dieses Elternteils praktisch
nicht aufrechterhalten werden könnte (BGE 140 I 145 E. 3.2 S. 147; 137 I 247 E.
4.2.3 S. 251). Geht es umgekehrt darum, dass der sorge- oder obhutsberechtigte
Elternteil seine Bewilligung einzig zur Erleichterung der Ausübung des
Besuchsrechts zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil erhältlich machen
will, so ist mit noch grösserer Zurückhaltung auf eine Pflicht zu schliessen,
ihm eine Bewilligung zu erteilen, als im Fall der besuchsberechtigten
ausländischen Person, die selbst, im Hinblick auf die Ausübung ihres
Besuchsrechts, um die Bewilligung nachsucht (BGE 142 II 35 E. 6.2, 137 I 247 E.
4.2.3 S. 251).
Diese Rechtsprechung ist auch anwendbar in der Konstellation, dass die Eltern
das gemeinsame Sorgerecht nach Art. 296 ff. ZGB innehaben, sofern der
ausländische (um die Bewilligung nachsuchende) Elternteil das Kind zum
überwiegenden Teil in Obhut hat. Massgeblich sind - wie bisher - die in
zivilrechtlicher Hinsicht tatsächlich gelebten Verhältnisse im Zeitpunkt des
kantonalen Gerichtsurteils betreffend die Bewilligungserteilung (Urteil 2C_27/
2016 vom 17. November 2016 E. 5, zur Publikation vorgesehen).

3.

3.1. Am 17. März 2015 erklärten die Beschwerdeführerin 1 und D.________
gegenüber der zuständigen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, dass sie die
gemeinsame elterliche Sorge über ihre Söhne vereinbart hätten. Zuvor hatte der
Vater gestützt auf eine Regelung vom 25. Mai 2011 lediglich über ein
begleitetes Besuchsrecht im Umfang von drei bis vier Stunden pro Monat verfügt.
Dieses war am 7. Januar 2015 in ein unbegleitetes Besuchsrecht (jeden zweiten
Samstag 8 Stunden) umgewandelt worden. Die Vorinstanz erwog, seit der
Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge am 17. März 2015 würden die Kinder
deutlich mehr Zeit mit ihrem Vater verbringen, nämlich jedes Wochenende
(Freitagabend bis Sonntagabend). Damit bestehe zwar eine enge affektive
Beziehung, jedoch keine alternierende Obhut. Auch wenn die Kinder aktuell jedes
Wochenende bei ihrem Vater verbringen würden, gehe dessen Betreuungsanteil
nicht über ein blosses Wochenendbesuchsrecht hinaus.

3.2. Die Ausführungen der Vorinstanz zur Intensität des Kontakts zwischen
D.________ und den (im Zeitpunk des angefochtenen Urteils immerhin
zehnjährigen) Beschwerdeführern 2 und 3 sind lückenhaft. Das Bundesgericht
sieht sich daher veranlasst, gestützt auf Art. 105 Abs. 2 BGG den Sachverhalt
diesbezüglich zu ergänzen bzw. offene Fragen zu erörtern.
Es ist unklar, ob die Beschwerdeführerin 1 - und damit auch die
Beschwerdeführer 2 und 3 - jemals mit dem Kindsvater zusammengelebt haben. Wie
vor der Vorinstanz behaupten sie auch vor Bundesgericht, die Beschwerdeführerin
1 und D.________ hätten von 2003 bis 2007 in einem Konkubinat gelebt. Gemäss
dem Entscheid der Sicherheitsdirektion wollten die Beschwerdeführer aber noch
bis 2010 mit D.________ zusammengelebt haben. Die Sicherheitsdirektion verwarf
allerdings diese Darstellung mit der (einleuchtenden) Begründung, die
Beschwerdeführerin 1 habe mit Schreiben vom 3. Mai 2007 mitgeteilt, sie habe
keine Beziehung, ja keinen Kontakt zu D.________ und kenne auch dessen Adresse
nicht (Entscheid der Sicherheitsdirektion vom 31. August 2015 E. 7e). Weil das
vorinstanzliche Urteil zur Frage des Zusammenlebens der Familie keine Angaben
enthält, haben die Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesgericht keinen
Anlass, eine willkürliche oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts zu
rügen. Die (aufgrund der Feststellungen der Sicherheitsdirektion abgeänderte)
Darstellung, wonach D.________ und die drei Beschwerdeführer bis 2007 als
Familie zusammengelebt hätten, findet in den Akten keine Stütze. Dem Vater
wurde nach der Trennung lediglich ein stark eingeschränktes, begleitetes
Besuchsrecht zugestanden, ohne dass dafür ein Grund ersichtlich ist. Aus den
Akten geht zudem hervor, dass D.________ sich am 1. November 2014 schriftlich
an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) gewandt und um die
schriftliche Regelung des Besuchsrechts gebeten hatte, weil die
Beschwerdeführerin 1 sich nicht an die Vereinbarung halte. Schliesslich hatte
die Beschwerdeführerin 1 in der durch die Kantonspolizei Zürich im Rahmen des
rechtlichen Gehörs durchgeführten Befragung vom 8. Dezember 2014 angegeben,
D.________ habe "keinerlei Kontakt" zu den Kindern; er bezahle einfach die
Alimente. Er habe auch kein Besuchsrecht. Letztmals sei er im August 2014
unangemeldet vorbeigekommen. Die beiden Söhne würden auch nie nach ihrem Vater
fragen.
Mit Blick auf diese Vorgeschichte ist davon auszugehen, dass die Vereinbarung
betreffend die gemeinsame elterliche Sorge vom 17. März 2015 ausländerrechtlich
motiviert war. Dafür spricht insbesondere die Tatsache, dass die
Beschwerdeführerin 1 noch im Rahmen des rechtlichen Gehörs jeglichen Kontakt zu
D.________ verneinte, dann aber nur einen Monat nach dem negativen
Bewilligungsentscheid des Migrationsamts vom 17. Februar 2015 das gemeinsame
Sorgerecht mit D.________ vereinbarte. Auch wenn sich daraus eine gewisse
Intensivierung des Kontakts zwischen den Beschwerdeführer n 2 und 3 und ihrem
Vater ergeben hat (was erstellt ist), lässt sich daraus nicht auf eine
alternierende Obhut schliessen. Nachdem die Eltern jahrelang keinen Kontakt
zueinander hatten, wie die Beschwerdeführerin 1 selbst einräumte, ist keine
Basis ersichtlich, welche die gleichmässige erzieherische Verantwortung der
Eltern rechtfertigen würde. Auch das Vorbringen der Beschwerdeführer,
D.________ habe zusammen mit seiner neuen Partnerin per 1. März 2016 eine
grössere Wohnung gemietet, um die Obhut über die Beschwerdeführer 2 und 3
(alternierend mit der Beschwerdeführerin 1) wahrnehmen zu können, überzeugt
nicht: Der Umzug in eine grössere Wohnung kann auch dadurch notwendig geworden
sein, dass D.________ und seine neue Partnerin im Juni 2014 erstmals Eltern
einer Tochter geworden sind. Damit fehlt es an einem zwingenden kausalen
Zusammenhang zwischen dem Anmieten der Wohnung und der Ausübung der Obhut.
Gegen den behaupteten Zweck und damit gegen die alternierende Obhut spricht
auch die Tatsache, dass D.________ sich am Verfahren vor der Vorinstanz nicht
mehr beteiligt hat, obwohl der Entscheid der Sicherheitsdirektion am 31. August
2015, also nur wenige Monate nach Vereinbarung der gemeinsamen elterlichen
Sorge, gefällt wurde.
Nach dem Gesagten ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Vorliegen
einer alternierenden Obhut verneint hat.

3.3. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz verbringen die
Beschwerdeführer 2 und 3 jedes Wochenende bei ihrem Vater. Das Erfordernis der
engen affektiven Beziehung im Sinn der Rechtsprechung (vgl. BGE 139 I 315 E.
2.5) ist somit erfüllt. Es darf aber nicht ausser Acht gelassen werden, dass
die Beschwerdeführer 2 und 3 vor dem 17. März 2015, also bis zum Alter von fast
neun Jahren, nur beschränkt Kontakt zu ihrem Vater pflegen konnten. Die
Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, dass auch die am 7. Januar 2015
getroffene Regelung (acht Stunden jedes zweite Wochenende) kein
gerichtsübliches Besuchsrecht darstellt. Zudem war es im Zusammenhang mit den
Besuchsregelungen mehrmals zu Konflikten gekommen (vgl. E. 3.2 hiervor). Die
Beziehungen zwischen den Beschwerdeführern 2 und 3 und ihrem Vater erscheinen
demnach wenig gefestigt. Deswegen und aufgrund der Tatsache, dass die
Beschwerdeführer 2 und 3 überwiegend unter der Obhut der Mutter stehen, stellt
die mit der Ausreise verbundene räumliche Trennung vom Vater keinen derart
starken Einschnitt dar, dass er für sie unzumutbar wäre. Aufgrund der grossen
Distanz zum Herkunftsland kann der persönliche Kontakt mit dem Vater nur
beschränkt gelebt werden. Die Beschwerdeführer 2 und 3 sind jedoch in einem
Alter, in dem sie mithilfe moderner Kommunikationsmittel ohne Schwierigkeiten
mit ihrem Vater in Kontakt bleiben können.
Nachdem D.________ seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber seinen Kindern
nur unzulänglich nachgekommen ist (es sind Unterhaltsbeiträge im Umfang von
rund Fr. 73'000.-- ausstehend), ist eine enge Beziehung zwischen ihm und den
Beschwerdeführern 2 und 3 in wirtschaftlicher Hinsicht zu verneinen.

3.4. Der Schluss der Vorinstanz, wonach den Beschwerdeführern 2 und 3 die
Ausreise zugemutet werden kann, ist nicht zu beanstanden. An diesem Ergebnis
ändert auch der Einwand nichts, die Beschwerdeführer 2 und 3 würden kein
Portugiesisch sprechen. Die Vorinstanz verifizierte diese Behauptung nicht,
obwohl mit Blick auf die portugiesische Muttersprache der Beschwerdeführerin 1
Zweifel angebracht sind. Aber selbst wenn es zutrifft, dass die
Beschwerdeführer 2 und 3 kein Portugiesisch sprechen, werden sie aufgrund ihres
Alters ohne weiteres in der Lage sein, sich nach einer Anpassungszeit in
Brasilien auch sprachlich zurechtzufinden. Davon ist im Ergebnis auch die
Vorinstanz ausgegangen.

4.
Bei dieser Ausgangslage erscheint eine Bewilligungserteilung an die
Beschwerdeführerin 1 gestützt auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK als Recht auf Achtung des
Familienlebens bereits fraglich. Sie ist jedoch ausgeschlossen, weil sich die
Beschwerdeführer in 1 nicht klaglos verhalten hat.

4.1. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 24. September
2012 wurde die Beschwerdeführerin 1 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu
einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 40.--, bedingt aufgeschoben bei
einer Probezeit von zwei Jahren, verurteilt. Zudem wurde sie am 5. Oktober 2012
wegen rechtswidrigen Aufenthalts nach Erlöschen der Aufenthaltsbewilligung mit
Fr. 200.-- gebüsst. Während diese Übertretung von untergeordneter Bedeutung
ist, kann die Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung (zum Nachteil
des Sohns B.A.________, der am 1. November 2011, im Alter von fünfeinhalb
Jahren, mit seinem Zwillingsbruder während einer Stunde allein in der Wohnung
gelassen, vom Balkon des vierten Stocks in die Tiefe gefallen war) nicht mehr
dem Bagatellbereich zugeordnet werden.

4.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanz bezog die Beschwerdeführerin 1
während 13 Jahren Sozialhilfe (Mitte 2001 bis Herbst 2014). Die Vorinstanz
erwog, die bis September 2014 ausbezahlten Sozialhilfeleistungen an sie und
ihre Kinder würden sich auf Fr. 297'000.-- belaufen. Obwohl die
Beschwerdeführerin 1 sich seit eineinhalb Jahren (also seit Ende 2014) mit
ihrem Erwerbseinkommen und den Alimentenbevorschussungen selbst finanzieren
könne, sei das Risiko einer erneuten Sozialhilfeabhängigkeit nicht
ausgeschlossen. Der Widerrufsgrund nach Art. 62 lit. e AuG sei daher erfüllt.
Die Frage, ob der Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit erfüllt ist, kann
im Verfahren vor dem Bundesgericht offen bleiben. Denn zu prüfen ist lediglich,
ob sich die Beschwerdeführerin 1 klaglos verhalten hat (vgl. E. 2.2 hiervor).
Auch hier muss das Bundesgericht gestützt auf Art. 105 Abs. 2 BGG den
rechtserheblichen Sachverhalt ergänzen, so in Bezug auf die formlose Ermahnung
des Migrationsamts vom 23. September 2010:
Ab Mitte 2001 musste die Beschwerdeführerin 1 während vieler Jahre von der
Sozialhilfe unterstützt werden. Dies änderte sich auch nicht, als das
Migrationsamt sie am 23. September 2010 im Nachgang zur Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung darauf hinwies, dass eine weitere Verlängerung nur in
Frage komme, wenn sie - die Beschwerdeführer in 1 - in der Lage sei, ihren
Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und ohne Sozialhilfe zu bestreiten. Zudem
hatte die Beschwerdeführerin 1 gemäss Betreibungsregisterauszug vom 27. Oktober
2015 Schulden von insgesamt knapp Fr. 43'000.-- und mussten 27 Verlustscheine
gegen sie ausgestellt werden. Zwar ist ihr darin beizupflichten, dass der
Vorwurf der Sozialhilfeabhängigkeit im Fall einer alleinerziehenden Mutter nach
den Umständen zu relativieren ist (vgl. Urteil 2C_218/2016 vom 9. August 2016
E. 3.2.2.2 mit Hinweisen). Sie muss sich aber entgegenhalten lassen, dass sie
bereits während fünf Jahren vor der Mutterschaft von der öffentlichen Hand
unterstützt worden war.

4.3. Mit Blick auf die (zwar leichte) Straffälligkeit und die erheblichen
finanziellen Schwierigkeiten der Beschwerdeführerin 1 kann - trotz des
anerkennenswerten Berufseinstiegs ab November 2014 und der damit verbundenen
Ablösung von der Sozialhilfe - nicht von einem klaglosen Verhalten gesprochen
werden. Dies gilt umso weniger, als die Beschwerdeführerin 1 bereits am 23.
September 2010 formlos ermahnt worden war, sich von der Sozialhilfe zu lösen,
und ihr dies erst Ende 2014 gelang.

5.
Zu prüfen bleibt die Verhältnismässigkeit der Massnahme, soweit die
entsprechenden Elemente nicht bereits in die vorstehenden Erwägungen
eingeflossen sind.

5.1. Hinsichtlich der Beschwerdeführer 2 und 3 wurden die Gründe, warum ihnen
die Beendigung des Aufenthalts zugemutet werden kann, bereits genannt (vgl. E.
3.3 und 3.4 hiervor).

5.2. Die Beschwerdeführerin 1 macht geltend, sie lebe seit 18 Jahren in der
Schweiz und sei sehr gut integriert. Es trifft zu, dass die Beschwerdeführerin
1 ein beachtenswertes Interesse an einem Verbleib in der Schweiz hat. Dieses
Interesse ist im Rahmen von Art. 96 Abs. 1 AuG auch zu würdigen. Es fällt
indessen nicht so stark ins Gewicht, wie wenn die Beschwerdeführerin einen
eigenen Anspruch aus Art. 8 Ziff. 1 EMRK als Recht auf Achtung des
Familienlebens geltend machen könnte (vgl. E. 2.2 hiervor). Da sie sich nur
reflexweise auf diesen Anspruch berufen kann, wiegen auch die in Frage
stehenden privaten Interessen weniger schwer. Die Beschwerdeführerin 1 hat
nicht nur die ersten 13 Jahre ihres Lebens in Brasilien verbracht, sondern auch
durch die Heirat mit einer in Brasilien lebenden Landsfrau im Jahr 2013 zum
Ausdruck gebracht, dass sie nach wie vor Verbindungen zu ihrem Heimatland
pflegt. Daran ändert die Tatsache nichts, dass inzwischen die Scheidung
eingeleitet wurde. Der Beschwerdeführerin dürfte es aufgrund ihrer
Berufsausbildung, welche sie in der Schweiz absolviert hat, nicht schwer
fallen, in Brasilien eine neue Existenz aufzubauen. Die Nichtwiedererteilung
der Aufenthaltsbewilligung erweist sich insgesamt als verhältnismässig.

6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hätten die Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie haben indessen die Gewährung
der unentgeltlichen Prozessführung gemäss Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG beantragt.
Aufgrund der im angefochtenen Urteil dargelegten Einkommenssituation der
Beschwerdeführer ist die prozessuale Bedürftigkeit zu bejahen. Mit Blick auf
die (allerdings nur unter Willkürgesichtspunkten zu überprüfende) Frage, ob von
einer alternierenden Obhut auszugehen sei, das Alter der Beschwerdeführer 2 und
3 sowie die lange Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin 1 kann das
Rechtsmittel nicht von vornherein als aussichtslos im Sinn der Rechtsprechung
(vgl. BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 mit Hinweisen)
gelten. Die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
sind somit erfüllt. Die Beschwerdeführer sind von der Bezahlung der
Gerichtskosten zu befreien. Rechtsanwalt Marc Spescha ist ihnen als
unentgeltlicher Rechtsbeistand beizuordnen und aus der Gerichtskasse zu
entschädigen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Rechtsanwalt Marc Spescha wird als unentgeltlicher Rechtsbeistand der
Beschwerdeführer bestellt und für das Verfahren vor dem Bundesgericht mit Fr.
2'000.-- aus der Gerichtskasse entschädigt.

5.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. März 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Genner

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