Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.624/2016
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_624/2016

Urteil vom 1. Februar 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Haag,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Stephan Fischer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung, vom 1. Juni 2016.

Erwägungen:

1.
Die 1976 im Kosovo geborene kosovarische Staatsangehörige A.________ heiratete
im März 2000 in ihrem Heimatland einen in der Schweiz
niederlassungsberechtigten Serben. Am 13. September 2000 reiste sie in die
Schweiz ein, wo sie erst eine Aufenthaltsbewilligung und am 9. August 2005 die
Niederlassungsbewilligung erhielt. Aus der Beziehung zu ihrem Gatten gingen
zwei Söhne (geb. 2002 und 2003) hervor.
A.________ war seit dem 1. August 2005 in erheblichem Ausmass von der
Sozialhilfe abhängig. Bis Oktober 2014 wurden ihr und ihrer Familie
Fürsorgegelder in Höhe von insgesamt Fr. 311'900.-- entrichtet. Aufgrund der
erheblichen Abhängigkeit von der öffentlichen Hand wurde A.________ mit
Schreiben des Migrationsamtes vom 25. Juni 2012 ermahnt und am 1. Oktober 2013
wurde ihr ausdrücklich der Widerruf ihrer Niederlassungsbewilligung angedroht,
sollte sie weiterhin nicht in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt aus eigenen
Kräften zu bestreiten. Dennoch stieg die bezogene Unterstützung nach Erhalt
dieser Schreiben weiterhin um über Fr. 30'000.-- pro Jahr an.
Mit Urteil des Bezirksgerichts Dietikon vom 18. Mai 2015 wurde A.________ wegen
mehrfachem Betrug zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Dem
Urteil lag zugrunde, dass die Betroffene während mehreren Jahren
Sozialhilfeleistungen in beträchtlicher Höhe erschlichen hatte: Sie verschwieg
Erwerbseinkommen in Höhe von insgesamt Fr. 93'379.40 und Minderausgaben in Höhe
von Fr. 56'692.20. Dies führte dazu, dass sie Zahlungen in Höhe von total Fr.
150'071.60 zu Unrecht erwirkte.
Aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung wegen Betrugs sowie in Anbetracht
der lange andauernden Sozialhilfeabhängigkeit widerrief das Migrationsamt des
Kantons Zürich mit Verfügung vom 8. September 2015 die
Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies es die Betroffene aus der
Schweiz weg. Die von A.________ hiergegen ergriffenen Rechtsmittel wurden
kantonal letztinstanzlich mit Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich
vom 1. Juni 2016 abgewiesen.
Mit Eingabe vom 4. Juli 2016 führt A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde
beim Bundesgericht und beantragt im Wesentlichen die Aufhebung des
vorinstanzlichen Urteils. Das Verwaltungsgericht und das Migrationsamt des
Kantons Zürich sowie das Staatssekretariat für Migration (SEM) liessen sich
nicht vernehmen. Mit Verfügung vom 7. Juli 2016 hat das präsidierende Mitglied
der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
aufschiebende Wirkung erteilt.

2.
Gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4).
Dies schliesst die Zulässigkeit der subsidiären Verfassungsbeschwerde aus (Art.
113 BGG e contrario). Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist demnach
nicht einzutreten. Die (zulässige) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten erweist sich sodann als offensichtlich unbegründet, weswegen
sie im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a i.V.m. Abs. 3 BGG,
d.h. mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den angefochtenen
Entscheid zu erledigen ist.

2.1. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a (in Verbindung mit Art. 62 lit. b AuG) kann die
Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn der Ausländer zu einer
längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Als längerfristig gilt eine
Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr (BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 379 ff.).
Dieser Widerrufsgrund ist angesichts der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe
von 16 Monaten offensichtlich erfüllt, was die Beschwerdeführerin zu Unrecht
bestreitet: Sie bringt vor, die in BGE 135 II 377 begründete bundesgerichtliche
Praxis einer starren Bezifferung der längerfristigen Freiheitsstrafe sei nicht
sachgerecht; indessen führt sie dazu Argumente an, die das Bundesgericht im
genannten Entscheid geprüft und verworfen hat.
Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG sieht vor, dass die zuständige Behörde die
Niederlassungsbewilligung widerrufen kann, wenn die ausländische Person oder
eine Person, für die sie zu sorgen hat, dauerhaft und in erheblichem Mass auf
Sozialhilfe angewiesen ist; Voraussetzung ist, dass sich die betroffene
ausländische Person noch nicht seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und
ordnungsgemäss in der Schweiz aufhält (Art. 63 Abs. 2 AuG). Im vorliegenden
Fall hielt sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des vom Migrationsamt
verfügten Bewilligungswiderrufs noch nicht mehr als 15 Jahre im Land auf, so
dass grundsätzlich auch der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG im
Raum steht (vgl. BGE 137 II 10 E. 4.2 S. 12). Wie es sich damit verhält, kann
jedoch in Übereinstimmung mit der Vorinstanz offen bleiben, zumal bereits der
Widerrufsgrund der längerfristigen Freiheitsstrafe erfüllt ist. Die finanzielle
Situation der Beschwerdeführerin ist indes im Rahmen der
Verhältnismässigkeitsprüfung mitzuberücksichtigen (siehe sogleich E. 2.2 f.).

2.2. Sodann beruft sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen darauf, dass der
Bewilligungswiderruf unverhältnismässig sei. Diese Rüge geht jedoch ins Leere:
Richtig ist wohl, dass diese Massnahme aufgrund der gesamten Umstände des
Einzelfalls verhältnismässig sein muss (vgl. BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 f.
m.w.H). Dies hat das Verwaltungsgericht aber nicht verkannt: Entgegen der
Behauptung der Beschwerdeführerin hat es die hier massgebenden öffentlichen
Interessen an einer Ausreise der Beschwerdeführerin und deren private
Interessen an einem Verbleib in der Schweiz ausführlich, umfassend und
sachgerecht gewürdigt und es ist dabei auch nicht von einem offensichtlich
unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Dabei hat es die Vorinstanz in
nachvollziehbarer Weise für zumutbar erachtet, dass die Beschwerdeführerin in
ihre Heimat zurückkehrt. Auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen
Entscheid ist vollumfänglich zu verweisen.

2.3. Diese Schlussfolgerung der Vorinstanz ist weder im Lichte des
Ausländergesetzes noch unter dem Blickwinkel der EMRK zu beanstanden:
Die Beschwerdeführerin bezog während rund zehn aufeinanderfolgenden Jahren
Sozialhilfeleistungen in ganz beträchtlicher Höhe und vermochte auch nach einer
ausdrücklichen fremdenpolizeilichen Verwarnung samt Androhung des
Bewilligungswiderrufs an diesem Umstand nichts zu ändern. Dies zeigt, dass sie
sich auf die dauerhafte Unterstützung durch die öffentliche Hand eingestellt
hat und entweder nicht willens oder nicht dazu in der Lage ist, in der Schweiz
ein finanziell eigenverantwortliches Leben zu führen. Dass sie im Moment gerade
keine Fürsorgeleistungen bezieht, ist von untergeordneter Relevanz: Massgebend
ist vielmehr, dass die Beschwerdeführerin gemäss eigenen Angaben über keinerlei
Berufsbildung und über geringfügige aktive Deutschkenntnisse verfügt, und sie
durch ihre gegenwärtige Teilzeiterwerbstätigkeit als Reinigungsangestellte im
Stundenlohn durchschnittlich bloss Fr. 1'626.--/Monat verdient, was in keiner
Weise als existenzsichernd erscheint; realistische Möglichkeiten, die
Erwerbssituation substantiell zu verbessern, sind keine ersichtlich und werden
von der Beschwerdeführerin noch nicht einmal behauptet.
Die Beschwerdeführerin hat überdies arglistig Erwerbseinkommen und
Minderausgaben verschwiegen und dadurch bewirkt, dass ihr nahezu doppelt soviel
Sozialhilfe ausbezahlt wurde, als ihr tatsächlich zugestanden hätte; für die
nichtdeklarierten Einkommen richtete sie gar eigens ein separates Bankkonto
ein. Ihr Verhalten sowie die deswegen erfolgte Verurteilung zu einer
Freiheitsstrafe von 16 Monaten wegen mehrfachen Betrugs zeugen von Egoismus,
welcher geeignet ist, das im schweizerischen Sozialstaat geltende Prinzip der
Solidarität zu gefährden. Bei dieser Sachlage ist der weitere Aufenthalt der
Beschwerdeführerin mit den öffentlichen Interessen der Schweiz nicht zu
vereinbaren.
Abschliessend ist es aus den genannten Gründen auch unter dem Blickwinkel von
Art. 29 Abs. 3 BV nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht die im
vorinstanzlichen Verfahren eingereichte Beschwerde als aussichtslos bezeichnet
und deswegen die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung verweigert hat.
Gleiches gilt auch für das bundesgerichtliche Verfahren (siehe sogleich E. 3).

3.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten abzuweisen.
Entsprechend diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Zufolge
Aussichtslosigkeit kann ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2. 
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

4. 
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt.

5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, sowie dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Februar 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Zähndler

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben