Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.597/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_597/2016        

Urteil vom 10. August 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Genner.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Dr. Balsiger & Partner AG,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung.

Gegenstand
Verrechnungssteuer (Meldeverfahren),

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 18.
Mai 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die A.________ AG ist eine im Handelsregister des Kantons Zürich
eingetragene Aktiengesellschaft mit einem Aktienkapital von Fr. 100'000.-,
eingeteilt in 100'000 Namenaktien à Fr. 1.--. Die Übertragbarkeit der
Namenaktien ist nach Massgabe der Statuten beschränkt. Die Gesellschaft
bezweckt unter anderem die Besorgung sämtlicher Geschäfte des Revisions- und
des Treuhandwesens, insbesondere auch die betriebswirtschaftliche und
steuerrechtliche Beratung von Unternehmungen im In- und Ausland. Die
Gesellschaft kann unter anderem Finanzierungen für eigene oder fremde Rechnung
vornehmen sowie Garantien und Bürgschaften für Tochtergesellschaften und Dritte
eingehen.

A.b. Ende des Jahres 2012 war B.________, wohnhaft in Grossbritannien,
Eigentümer von 50% der Aktien der A.________ AG. Die andere Hälfte der Aktien
befand sich im Eigentum von C.________, welcher in der Schweiz Wohnsitz hatte.
Am 17. Dezember 2012 gewährte die A.________ AG der D.________ Holding AG
(heute: E.________ Holding AG) mit Sitz in U.________ ein Darlehen in der Höhe
von Fr. 300'000.--. Am 20. Dezember 2012 verkaufte B.________ seine Aktien an
die D.________ Holding AG zum Preis von Fr. 280'000.--. Am 28. Dezember 2012
verkaufte C.________ seinen Anteil ebenfalls an die D.________ Holding AG. Der
Kaufpreis für den Anteil von C.________ entsprach dem Nominalwert, mithin Fr.
50'000.--. Nach der Transaktion hielt die D.________ Holding AG 100% der Aktien
der A.________ AG. Die Aktien der D.________ Holding AG befanden sich sowohl
vor als auch nach der Transaktion zu 90% im Eigentum von C.________. Die
übrigen 10% der Anteile befanden sich im Eigentum weiterer Aktionäre, alle mit
Wohnsitz in der Schweiz.

A.c. Am 3. Januar 2013 wandten sich die D.________ Holding AG, die A.________
AG sowie eine weitere Gruppengesellschaft mit einer Rulinganfrage (datiert am
21. Dezember 2012) an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). Sie führten
aus, im Zuge einer Neuausrichtung sei unter anderem geplant, dass die
D.________ Holding AG per 31. Dezember 2012 sämtliche Beteiligungsrechte an der
A.________ AG übernehmen werde. Der Kaufpreis für die Beteiligungsrechte von
B.________ betrage rund Fr. 320'000.--. Dieser Preis enthalte einen 15%-igen
Discount. Der Kaufpreis für den Anteil von C.________ entspreche dem
Nominalwert. Der Verkauf durch C.________ gelte als sogenannte Transponierung.
Das geschilderte Vorgehen löse keine Verrechnungssteuerfolgen aus,
vorausgesetzt, dass die D.________ Holding AG innerhalb der nächsten fünf Jahre
die A.________ AG nicht absorbiere.
Die ESTV erteilte am 22. Januar 2013 ihre Zustimmung zur vorgeschlagenen
Beurteilung betreffend die Erhebung der Verrechnungssteuer.

A.d. Am 27. März 2013 beschloss die Generalversammlung der A.________ AG die
Ausschüttung einer Dividende in der Höhe von Fr. 110'000.--, fällig am 28. März
2013.

B.
Die A.________ AG deklarierte am 27. März 2013 mittels Formular 103 die
gleichentags beschlossene Dividende bei der ESTV und ersuchte mit Formular 106
um Meldung der Verrechnungssteuer.
Die ESTV teilte der A.________ AG am 25. April 2014 mit, sie lehne das
Meldeverfahren ab.
Am 21. August 2014 ordnete die ESTV an, die A.________ AG schulde auf der
Dividende von Fr. 110'000.-- die Verrechnungssteuer von 35 %. Diese betrage Fr.
38'500.-- und sei unverzüglich zu entrichten. Darüber hinaus sei nach 30 Tagen
nach der Fälligkeit bis zum Tag der Steuerentrichtung ein Verzugszins von 5%
geschuldet. Zur Begründung führte die ESTV unter anderem aus, die
Voraussetzungen für die Erfüllung der Verrechnungssteuerpflicht durch Meldung
seien nicht erfüllt, weil der Rückerstattungsanspruch der D.________ Holding AG
nicht zweifelsfrei feststehe. Die dagegen erhobene Einsprache wies die ESTV am
28. Juli 2015 ab und verpflichtete die A.________ AG zur Zahlung der
Verrechnungssteuer in der Höhe von Fr. 38'500.--, zuzüglich Verzugszinsen zu 5%
seit 27. April 2013.
Die gegen den Einspracheentscheid vom 28. Juli 2015 erhobene Beschwerde wies
das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Mai 2016 ab.

C.
Die A.________ AG erhebt am 24. Juni 2016 Beschwerde beim Bundesgericht mit dem
Antrag, das Meldegesuch vom 27. März 2013 zu bewilligen und auf die Erhebung
der Verrechnungssteuer im Betrag von Fr. 38'500.-- zu verzichten.
Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Die ESTV schliesst
auf Abweisung der Beschwerde. Die A.________ AG hat am 17. Oktober 2016
repliziert.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einem
Verrechnungssteuerstreit ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). Die
Beschwerdeführerin ist als Adressatin des angefochtenen Urteils und als
Steuerpflichtige zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf
die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 42,
Art. 100 Abs. 1 BGG).

1.2. Das Meldeverfahren gilt nur für den Steuerschuldner, nicht für den
Leistungsempfänger (Art. 10 Abs. 1 und Art. 20 VStG). Deswegen ist ohne
rechtliche Bedeutung, dass sich die D.________ Holding AG der Beschwerde
"anschliesst"; sie war und ist nicht Partei des Verfahrens.

2.

2.1. Der streitige Einspracheentscheid, mit dem der Beschwerdeführerin das
Meldeverfahren verweigert und die Verrechnungssteuer auferlegt wurde, datiert
vom 28. Juli 2015. Die einschlägigen materiellen Gesetzesbestimmungen sind
somit in der jeweils in diesem Zeitpunkt gültig gewesenen Fassung anwendbar.

2.2. Der Bund erhebt eine Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen
Kapitalvermögens, auf Lotteriegewinnen und auf Versicherungsleistungen; wo es
das Gesetz vorsieht, tritt anstelle der Steuerentrichtung die Meldung der
steuerbaren Leistung (Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965
über die Verrechnungssteuer [Verrechnungssteuergesetz, VStG; SR 642.21]). Die
Verrechnungssteuer wird dem Empfänger der um die Steuer gekürzten Leistung nach
Massgabe dieses Gesetzes vom Bund oder vom Kanton zu Lasten des Bundes
zurückerstattet (Art. 1 Abs. 2 VStG). Die Rückerstattung ist in allen Fällen
unzulässig, in denen sie zu einer Steuerumgehung führen würde (Art. 21 Abs. 2
VStG).

2.3. Gegenstand der Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen
Kapitalvermögens sind die Zinsen, Renten, Gewinnanteile und sonstigen Erträge
der von einem Inländer ausgegebenen Aktien, Stammanteile an Gesellschaften mit
beschränkter Haftung, Genossenschaftsanteile, Partizipationsscheine und
Genussscheine (Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG). Darunter fallen Dividenden, Boni,
Gratisaktien, Gratis-Partizipationsscheine, Liquidationsüberschüsse und
dergleichen (vgl. Art. 20 Abs. 1 der Verordnung vom 19. Dezember 1966 über die
Verrechnungssteuer [Verrechnungssteuerverordnung, VStV; SR 642.211]). Der
Begriff des Inländers wird in Art. 9 Abs. 1 VStG definiert. Steuerpflichtig ist
der Schuldner der steuerbaren Leistung (Art. 10 Abs. 1 VStG). Die Steuer
beträgt auf Kapitalerträgen und Lotteriegewinnen 35 % der steuerbaren Leistung
(Art. 13 Abs. 1 lit. a VStG).

2.4. Die Verrechnungssteuer bezweckt im inländischen Verhältnis in erster
Linie, die Deklaration der Erträge beweglichen Kapitalvermögens zu sichern; dem
Steuerehrlichen wird sie zurückerstattet (sog. Sicherungszweck; vgl. BGE 136 II
525 E. 3.3.1 S. 533; 125 II 348 E. 4 S. 352 f.; je mit Hinweisen). Im Ausland
steuerpflichtige Empfänger der steuerbaren Erträge können die Rückerstattung
der Verrechnungssteuer nur insoweit verlangen, als ihnen ein
Doppelbesteuerungsabkommen einen entsprechenden Anspruch einräumt (vgl. BGE 141
II 447 E. 2.2 S. 450; Urteile 2C_383/2013 vom 2. Oktober 2015 E. 2.3; 2C_895/
2012 vom 5. Mai 2015 E. 2.2). Die Verrechnungssteuer führt bei diesen somit
grundsätzlich - vorbehältlich eines zwischenstaatlichen Abkommens - zu einer
endgültigen, an der Quelle erhobenen steuerlichen Belastung und verfolgt
insofern einen direkten Fiskalzweck (BGE 141 II 447 E. 2.2 S. 450). Auch beim
inländischen Leistungsempfänger kann die Verrechnungssteuer direkten
Fiskalzweck haben, nämlich wenn das Vorliegen der materiellen
Anspruchsvoraussetzungen für die Rückerstattung verneint wird (Urteil 2C_404/
2015 vom 15. September 2016 E. 2.3).

2.5. Die Steuerpflicht wird entweder durch Entrichtung der Steuer (Art. 12 ff.
VStG) oder durch Meldung der steuerbaren Leistung (Art. 19 und 20 VStG) erfüllt
(Art. 11 Abs. 1 VStG).

2.5.1. Wo bei Kapitalerträgen die Steuerentrichtung zu unnötigen Umtrieben oder
zu einer offenbaren Härte führen würde, kann dem Steuerpflichtigen gestattet
werden, seine Steuerpflicht durch Meldung der steuerbaren Leistung zu erfüllen;
die Verordnung umschreibt die Fälle, in denen dieses Verfahren zulässig ist
(Art. 20 VStG in der Fassung vom 13. Oktober 1965 [AS 1966 371], in Kraft
gewesen bis 14. Februar 2017).

2.5.2. Art. 24 Abs. 1 VStV nennt die Fälle, in denen der Gesellschaft oder
Genossenschaft auf Gesuch hin gestattet werden kann, ihre Steuerpflicht durch
Meldung der steuerbaren Leistung zu erfüllen. Ist eine Kapitalgesellschaft,
eine Genossenschaft, eine kollektive Kapitalanlage oder ein Gemeinwesen nach
Artikel 24 Abs. 1 VStG unmittelbar zu mindestens 20 % am Grund- oder
Stammkapital einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft beteiligt, so kann
sie diese mittels eines amtlichen Formulars anweisen, ihr die Dividende ohne
Abzug der Verrechnungssteuer auszurichten (Art. 26a Abs. 1 VStV). Die
steuerpflichtige Gesellschaft ihrerseits vervollständigt das Gesuch und reicht
dieses der Eidgenössischen Steuerverwaltung innert 30 Tagen nach Fälligkeit der
Dividende zusammen mit dem amtlichen Formular zur Jahresrechnung unaufgefordert
ein (Art. 26a Abs. 2 erster Satz VStV). Das Meldeverfahren ist nur zulässig,
wenn feststeht, dass die Kapitalgesellschaft, die Genossenschaft, die
kollektive Kapitalanlage oder das Gemeinwesen, auf welche die Steuer zu
überwälzen wäre, nach Gesetz oder Verordnung Anspruch auf Rückerstattung dieser
Steuer hätte (Art. 26a Abs. 3 VStV).

2.5.3. Die Verrechnungssteuer ist eine zweiphasige Steuer, bei der die
Erhebungs- und die Rückerstattungsphase zu unterscheiden sind. Während von der
Erhebung (Entrichtung der Steuer oder Meldung der Steuer) der Schuldner der
steuerbaren Leistung betroffen ist, interessiert die allfällige Rückerstattung
der Verrechnungssteuer vorab den Empfänger der steuerbaren Leistung. Für beide
Phasen sind entsprechende Rechtswege vorgesehen. Daraus ergibt sich, dass die
ESTV im Rahmen des Meldeverfahrens den Rückerstattungsanspruch nur vorläufig
überprüfen kann, ohne darüber einen verbindlichen Entscheid zu fällen. Die ESTV
kann sich dabei auf eine summarische Prüfung des Rückerstattungsanspruchs
beschränken. Lässt sich dieser nicht ohne Weiteres feststellen oder bestehen
ernsthafte Zweifel, so kommt die Bewilligung des Meldeverfahrens nicht in
Betracht (Urteil 2C_689/2011 vom 23. November 2012 E. 2.4.1).

2.6. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird eine Steuerumgehung
angenommen, wenn (1.) eine von den Beteiligten gewählte Rechtsgestaltung als
ungewöhnlich ("insolite"), sachwidrig oder absonderlich, jedenfalls den
wirtschaftlichen Gegebenheiten in keiner Weise angepasst erscheint (sog.
objektives Element), (2.) anzunehmen ist, dass die gewählte Rechtsgestaltung
missbräuchlich lediglich deshalb getroffen wurde, um Steuern einzusparen, die
bei sachgemässer Ordnung der Verhältnisse geschuldet wären (sog. subjektives
Element), und (3.) das gewählte Vorgehen tatsächlich zu einer erheblichen
Steuerersparnis führen würde, sofern es von den Steuerbehörden hingenommen
würde (sog. effektives Element; zur detaillierten Anwendung dieser Kriterien
vgl. BGE 138 II 239 E. 4.1 S. 243 ff. mit Hinweisen). Eine Steuerumgehung kommt
nur in ganz ausserordentlichen Situationen in Frage, wenn eine Rechtsgestaltung
(objektives Element) vorliegt, die - abgesehen von den steuerlichen Aspekten -
jenseits des wirtschaftlich Vernünftigen liegt. Das subjektive Element erweist
sich insofern als entscheidend, als die Annahme einer Steuerumgehung
ausgeschlossen bleibt, wenn andere als blosse Steuerersparnisgründe bei der
Rechtsgestaltung eine relevante Rolle spielen (BGE 142 II 399 E. 4.2).

3.

3.1. Die Vorinstanz hat zu Recht erwogen, dass das Meldeverfahren nicht zu
bewilligen ist, wenn relevante Zweifel am Rückerstattungsanspruch bestehen
(vgl. E. 2.5.3). Nachdem die Rückerstattung wegen möglicher Steuerumgehung
fraglich erscheint, sind die entsprechenden Kriterien mit Blick auf den hier
vorliegenden internationalen Beteiligungskauf bzw. -verkauf anzuwenden. Eine
Steuerumgehung in dieser Konstellation ist zu prüfen, wenn ein Ausländer seine
Beteiligungsrechte an einer schweizerischen Gesellschaft an einen Inländer oder
an einen Ausländer verkauft und damit erreicht, dass die definitive
Verrechnungssteuerbelastung auf künftigen Ausschüttungen dieser schweizerischen
Gesellschaft reduziert wird ( vgl. MAJA BAUER-BALMELLI, in: Bundesgesetz über
die Verrechnungssteuer [VStG], 2. Aufl. 2012 [nachfolgend: VStG-Kommentar], N.
59 zu Art. 21 VStG).

3.2. Streitig ist die Frage, ob die koordinierte Übertragung aller Aktien der
Beschwerdeführerin an die D.________ Holding AG und die anschliessende
Gewährung eines Darlehens durch die Beschwerdeführerin an ihre
Muttergesellschaft die Vermutung einer Steuerumgehung nahelegen, indem aufgrund
des Regimewechsels (vgl. E. 3.3) die Verrechnungssteuer auf künftigen
Dividenden der Beschwerdeführerin durch die D.________ Holding AG nunmehr
vollumfänglich zurückgefordert werden könnte.

3.3. In Bezug auf das effektive Element der Steuerumgehung (tatsächliche
Steuerersparnis, vgl. E. 2.6) erwog die Vorinstanz, der in Grossbritannien
steuerpflichtige Aktionär B.________ sei gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. b in
Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 lit. a und Art. 27 Abs. 1 e contrario des
Abkommens vom 8. Dezember 1977 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (SR
0.672.936.712; DBA CH-GB) grundsätzlich berechtigt, auf vor dem Verkauf
vereinnahmten Dividendenerträgen die schweizerische Verrechnungssteuer
teilweise zurückzufordern. Die schweizerische Käufergesellschaft (also die
D.________ Holding AG) könne demgegenüber gemäss Art. 21 ff. VStG die
Verrechnungssteuer grundsätzlich vollumfänglich zurückfordern. Damit führe der
Verkauf des Aktienanteils des ausländischen Aktionärs potentiell zu einer
erweiterten Entlastung bei der Verrechnungssteuer; eine erhebliche
Steuereinsparung sei nicht von der Hand zu weisen (sogenannter Regimewechsel).
Dagegen macht die Beschwerdeführerin geltend, für B.________ würde keine
Steuerersparnis resultieren, da ihm gestützt auf das DBA CH-GB 20 % der
Verrechnungssteuer zurückerstattet würden und er die Residualsteuer von 15 %
vollständig an seine in Grossbritannien geschuldete Einkommenssteuer anrechnen
könne. Es sei zwar möglich, dass ein sogenannter Regimewechsel für den
schweizerischen Fiskus nicht steuerneutral sei. Dies sei aber nicht relevant,
denn es gehe einzig um die Frage der Steuerersparnis bei den steuerpflichtigen
Parteien, d.h. bei ihren Aktionären. Nachdem aufgrund der Bestimmungen des DBA
CH-GB kein Steuervorteil existiere, könne keine Steuerumgehung vorliegen.

3.3.1. Der Begriff "Regimewechsel" im Verrechnungssteuerrecht meint den Wechsel
der Rückerstattungsregeln nach einer Umstrukturierung des Aktionariats,
namentlich im internationalen Verhältnis (vgl. JAUSSI/GHIELMETTI/PFIRTER,
Allgemeiner Überblick über die Rückerstattung der eidg. Verrechnungssteuer, StR
67/2012, S. 718 ff., hier S. 735 ff.). Das Bundesgericht hatte bislang die
Frage nicht zu entscheiden, ob das Element der Steuerersparnis im Rahmen der
Steuerumgehung sich nur auf schweizerische oder - wie hier geltend gemacht -
auch auf ausländische Steuern bezieht (vgl. etwa Urteil 2C_69/2009 vom 13. Juli
2009 E. 2.2).

3.3.2. Die Frage kann offengelassen werden. Die Beschwerdeführerin vermochte
die von ihr behauptete Tatsache, wonach B.________ die Dividende durch
Anrechnung der Sockelsteuer an die britische Einkommenssteuer steuerneutral
hätte vereinnahmen können, nicht nachzuweisen: Das DBA CH-GB erlaubt lediglich
die Rückerstattung von 20 % der Verrechnungssteuer; die geltend gemachte
Anrechnung der Sockelsteuer von 15 % bedarf einer Grundlage im britischen
Binnenrecht, wie der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 DBA CH-GB "nach Massgabe der
Gesetzgebung des Vereinigten Königreichs" zeigt. Den Nachweis, dass die
britische Gesetzgebung im konkreten Fall die vollständige Anrechnung der
Residualsteuer zuliesse, hat die Beschwerdeführerin nicht erbracht.
Demgegenüber konnte die in U.________ domizilierte D.________ Holding AG,
welche seit der Transaktion von Ende Dezember 2012 100 % der Aktien der
Beschwerdeführerin hielt, die Verrechnungssteuer auf der Dividende nach
Massgabe von Art. 21 ff. VStG vollumfänglich zurückfordern (vgl. E. 2.2). Eine
Steuerersparnis der Beschwerdeführerin als Folge des Aktienverkaufs durch
B.________ ist daher zu bejahen, womit das effektive Element einer allfälligen
Steuerumgehung erfüllt wäre.

3.4. Hinsichtlich des objektiven Merkmals einer Steuerumgehung (absonderliche
Gestaltung der Verhältnisse, vgl. E. 2.6) erwog die Vorinstanz zunächst, der
Kaufpreis für den Anteil des ausländischen Aktionärs übersteige den Nominalwert
bei weitem; zudem handle es sich bei der Käufergesellschaft (der D.________
Holding AG) um eine inländische Holdinggesellschaft. Mit Darlehensvertrag vom
17. Dezember 2012 habe die Beschwerdeführerin der D.________ Holding AG ein
Darlehen in der Höhe von Fr. 300'000.-- eingeräumt. Der Kaufvertrag für den
Anteil des ausländischen Aktionärs datiere vom 20. Dezember 2012, wobei der
Kaufpreis für die Aktien Fr. 280'000.-- betragen habe.
Die Vorinstanz hat in der zeitlichen Nähe der beiden Rechtsgeschäfte in
Verbindung mit der betragsmässigen Ähnlichkeit zwischen der Darlehenssumme und
dem Kaufpreis für den Aktienanteil von B.________ zu Recht ein ungewöhnliches
Vorgehen erblickt und die Vermutung geäussert, die von der Beschwerdeführerin
darlehensweise zur Verfügung gestellten Mittel seien zur Begleichung des
Kaufpreises herangezogen worden und der Kaufpreis für den Aktienanteil von
B.________ sei damit vollumfänglich durch die Beschwerdeführerin
fremdfinanziert worden. Richtig ist auch der Verweis der Vorinstanz auf die
Rechtsprechung, wonach eine Kaufpreisfinanzierung über Darlehen aus der
Zielgesellschaft für die Belange der Verrechnungssteuer insbesondere dann
ungewöhnlich ist, wenn die Zielgesellschaft im Zeitpunkt des Verkaufs über
Gewinnvorträge bzw. relevante ausschüttbare Reserven verfügte (Urteil A.87/1980
vom 11. Dezember 1981, ASA 50 S. 583). Diese Praxis ist seither konkretisiert
und anhand der Konstellation "Kauf eines vollen Portemonnaies" verschärft
worden: Kauft eine inländische Holdinggesellschaft von Ausländern die Aktien
einer über liquide Reserven verfügenden inländischen Gesellschaft zu einem über
dem Nominalwert liegenden Preis, so wird das Vorliegen einer Steuerumgehung
bejaht und die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf künftigen Dividenden
in dem Umfang verweigert, in dem die Gesellschaft über nicht betriebsnotwendige
Bankguthaben, Kassabestände, Wertschriften etc. und entsprechende ausschüttbare
Reserven verfügt (BAUER-BALMELLI, in: VStG-Kommentar, N. 45 zu Art. 21 VStG).
Die erwähnte Konstellation liegt hier vor. Nachdem die Vorinstanz für das
Bundesgericht im Prinzip verbindlich (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG) festgestellt
hat, dass im Zeitpunkt des Verkaufs freie Reserven von Fr. 192'664.-- vorhanden
waren, ist das Vorbringen, es habe keine ausschüttbare Reserve vorgelegen,
nicht zu hören. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass die Feststellungen
der Vorinstanz betreffend das Geschäftsergebnis willkürlich wären. Sodann
ergibt der Einwand, es wäre mit Blick auf einen Liquiditätsengpass
unverantwortlich gewesen, vorhandene Mittel auszuschütten, keinen Sinn: Die
Beschwerdeführer in blendet aus, dass C.________ als Inhaber von 90 % der
Aktien bei der D.________ Holding AG "die Fäden zog". Somit musste er wissen,
dass das Darlehen zur Kaufpreistilgung der von B.________ erworbenen Aktien
verwendet wurde und damit aus der Gruppe abfloss. Dass effektiv ausschüttbare
Mittel vorhanden waren, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die
Beschwerdeführerin in der Lage war, ein ungesichertes Darlehen an ihre spätere
Muttergesellschaft auszurichten, während diese mangels eigener Mittel das
Darlehen ohne Beizug der Ausschüttungen der Beschwerdeführerin nicht hätte
verzinsen können. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, wonach die fehlende
Sicherstellung eines Tochterdarlehens nichts Ungewöhnliches sei, ändert daran
ebenso wenig wie die Angabe, das Darlehen sei bis Ende 2015 vollständig
amortisiert worden.
Schliesslich ist auch der Einwand, B.________ sei lediglich zu 50 % an der
Beschwerdeführerin beteiligt gewesen, weshalb er keine Substanzdividende hätte
veranlassen können, unbehelflich: Eine Gesamtbetrachtung der
Sachverhaltsgestaltung ergibt, dass B.________ und C.________ beim
Aktienverkauf zusammengewirkt haben müssen.

3.5. Das Zusammenwirken der beiden Aktionäre ist auch relevant für das
subjektive Element der Steuerumgehung (Missbrauchsabsicht, vgl. E. 2.6) : Es
stellt ein starkes Indiz dar für die Annahme, der (fast zeitgleiche) Verkauf
der Aktien sei Teil eines Plans gewesen, welcher durch die "Zwischenschaltung"
der D.________ Holding AG die vollständige Rückerstattung der
Verrechnungssteuer im nunmehr rein inländischen Verhältnis ermöglicht hätte.
Die Beschwerdeführerin macht (wie schon vor der Vorinstanz) geltend, ihre
Übernahme durch die D.________ Holding AG sei Teil einer Nachfolgeplanung, in
deren Rahmen B.________ als leitender Mitarbeiter der Beschwerdeführer in
ausgeschieden sei. C.________ habe die Gelegenheit für eine Nachfolgestruktur
genutzt unter Fortführung der Beschwerdeführerin. Eine Teilliquidation (gemäss
"Sachverhaltsfiktion") würde diesen Absichten vollständig widersprechen. Der
Ende 2012 getätigte Aktienkauf sei somit aus wirtschaftlich alltäglichen
Motiven erfolgt.
Die Vorinstanz liess offen, ob eine Missbrauchsabsicht vorliegt. Auf der
Sachverhaltsebene war sie jedoch zum Schluss gekommen, dass die
Beschwerdeführerin die Eigenschaft von B.________ als langjähriger
Partnermitarbeiter nicht belegt hat und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine
Nachfolgeplanung ersichtlich sind. Die Beschwerdeführer in bringt nichts vor,
das die Feststellungen der Vorinstanz als willkürlich erscheinen liesse. Sie
zeigt zudem nicht auf, weshalb eine Nachfolgeplanung das gewählte Vorgehen
erforderte und weshalb die von der Vorinstanz festgestellte Teilliquidation
einer Nachfolgeplanung entgegenstünde. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die
beiden Aktionäre gleichzeitig ihre Aktien an die D.________ Holding AG hätten
verkaufen sollen (der eine zu einem relativ hohen Preis, der andere zum
Nennwert), ohne einem Zweck zu dienen. Dies umso weniger, als die mit dem
Zeitpunkt des Aktienverkaufs koordinierte Darlehensvergabe der D.________
Holding AG erlaubte, den weit über dem Nennwert liegenden Kaufpreis der bislang
in ausländischer Hand befindlichen Aktien zu tilgen. Aufgrund des daraus
resultierenden Regimewechsels in Verbindung mit den übrigen Umständen der
Umstrukturierung ist eine Missbrauchsabsicht zu vermuten.

3.6. Zusammenfassend ergibt sich, dass ernsthafte Anzeichen einer
Steuerumgehung vorliegen. Damit bleibt für eine Bewilligung des Meldeverfahrens
kein Raum.

4.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
BGG). Es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, der Eidgenössischen
Steuerverwaltung und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 10. August 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Genner

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