Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.543/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_543/2016

Urteil vom 18. August 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
3. C.A.________,
handelnd durch AA.________ und B.A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Migration und Personenstand
des Kantons Bern,
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung; Rechtsverzögerung,

Rechtsverzögerungsbeschwerde gegen das Verwaltungsgericht des Kantons Bern.

Erwägungen:

1. 

1.1. A.A.________, seine Ehefrau B.A.________ sowie die gemeinsame Tochter des
Ehepaars, C.A.________, alle niederländische Staatsangehörige, beschwerten sich
vergeblich gegen den Widerruf ihrer Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA. In seinem
die entsprechende Beschwerde gegen den Bewilligungswiderruf abweisenden Urteil
2C_243/2015 vom 2. November 2015 erkannte das Bundesgericht, dass für die
Betroffenen nach dem verfahrensrechtlich massgeblichen Sachverhalt keine
Bewilligungsansprüche nach dem Abkommen zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (FZA; SR
0.142.112.681) bestanden bzw. fortbestanden, weder als Erwerbslose noch
aufgrund unselbstständiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit. Auf das gegen
dieses Urteil erhobene Revisionsgesuch trat das Bundesgericht mit Urteil 2F_23/
2015 vom 5. Januar 2016 nicht ein.

1.2. Die Familie A.________ ersuchte das Amt für Migration und Personenstand
(Migrationsdienst) des Kantons Bern verschiedentlich erneut um Erteilung von
Aufenthaltsbewilligungen bzw. um Bestätigung ihrer Anwesenheitsberechtigung;
unter anderem am 4. März 2016 unter Hinweis auf das Erreichen des AHV-Alters
des Ehemannes und Vaters und am 23. März 2016 speziell für die Tochter. Der
Migrationsdienst erklärte mit Schreiben vom 11. April 2016, dass er unter
anderem die Eingabe vom 4. März 2016 als rechtsmissbräuchlich erachte und diese
nicht prüfen werde. Am 17. Mai 2016 ersuchte die Familie den Migrationsdienst
wiederum um möglichst rasche Aufenthaltsregelung; es wurde der Standpunkt
vertreten, dass die Voraussetzungen für die Aufenthaltsgewährung nach dem FZA
erfüllt seien. Schon zuvor, am 4. März 2016, war die Familie A.________ an die
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern gelangt, womit sie unter
Bezugnahme auf ihre verschiedenen Begehren an den Migrationsdienst diesem
Rechtsverzögerung vorwarfen. Diese Rüge wurde in einer Eingabe an die Polizei-
und Militärdirektion vom 1. April 2016 wiederholt. Einen Tag zuvor, am 31. März
2016, war diese auf die erste Rechtsverzögerungsbeschwerde nicht eingetreten,
weil die Familie bewusst auf die Bekanntgabe einer valablen Zustelladresse
verzichtet habe; der Nichteintretensentscheid wurde mangels gültiger
Zustelladresse am 13. April 2016 im Amtsblatt des Kantons Bern publiziert. Am
8. Mai 2016 gelangte die Familie A.________ direkt an das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern; die Eingabe war als "Verzögerung Beschwerde Migrationsdienst"
bezeichnet. Am 30. Juni 2016 fällte die Polizei- und Militärdirektion des
Kantons Bern einen materiellen Entscheid über die Rechtsverzögerungsrügen gegen
den Migrationsdienst; sie wies die Beschwerde ab. Diesen Entscheid nahm das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern zum Anlass, die bei ihm gegen die Polizei-
und Militärdirektion erhobene Beschwerde als gegenstandslos geworden vom
Geschäftsverzeichnis abzuschreiben (Abschreibungsverfügung des Einzelrichters
vom 1. Juli 2016).

1.3. Die Familie A.________ bezog zu einem unbekannten Zeitpunkt in einer
Tessiner Gemeinde unangemeldet eine Wohnung. Am 2. Juni 2016 erteilte der
Migrationsdienst des Kantons Bern der Tessiner Migrationsbehörde einen
Transportauftrag für die Überführung der Familie in den Kanton Bern per 15.
Juni 2016. Die diesbezügliche beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern
eingereichte Beschwerde leitete dieses an die Polizei- und Militärdirektion des
Kantons Bern weiter, welche mit Entscheid vom 21. Juni 2016 darauf nicht
eintrat, weil nicht eine der Beschwerde zugängliche Verfügung vorliege; zudem
wäre das Interesse an der Behandlung der Beschwerde dahingefallen bzw. diese
gegenstandslos geworden, da der strittige Transportauftrag am 17. Juni 2016
aufgehoben worden sei.

1.4. Am 11. Juni 2016 erhob die Familie A.________ beim Bundesgericht
Beschwerde gemäss Art. 94 BGG (Rechtsverzögerung) und Beschwerde gegen die
Festnahme. Gestützt auf die Eingabe wurde ein Verfahren eröffnet. Dies wurde
den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 14. Juni 2016 mitgeteilt, verbunden mit
der Klarstellung, dass das Verfahren allein die Frage der Rechtsverzögerung
betreffend die weiteren Bewilligungsbegehren zum Gegenstand haben könne, nicht
jedoch die Anordnung der Rücküberführung in den Kanton Bern oder eine
entsprechende Inhaftierung; der Rechtsverzögerungsbeschwerde komme keine
aufschiebende Wirkung zu, und auch die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme
komme nicht in Betracht.
Das Verwaltungsgericht sowie die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern
(letztere mit den Antrag, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie
abzuweisen) haben fristgerecht Vernehmlassungen eingereicht. Die
Beschwerdeführer haben von der Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, Gebrauch
gemacht. Zusätzliche, je vom 11. Juli 2016 datierte Stellungnahmen von ihnen
sind am 22. Juli 2016 beim Bundesgericht eingegangen.
Nachträglich hat die Polizei- und Militärdirektion ihre Akten eingereicht.

2. 

2.1. Gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Abs. 2 BGG ist die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig gegen Entscheide
oberer kantonaler Gerichte, die als letzte kantonale Instanz entschieden haben.
Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung der
vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs. 1
BGG). Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines anfechtbaren
Entscheids kann jederzeit (vgl. Art. 100 Abs. 7 BGG) Beschwerde geführt werden
(Art. 94 BGG).
Die Beschwerdeführer erheben Rechtsverzögerungsbeschwerde im Bereich des
öffentlichen Rechts. Es handelt sich bei der Rechtsverweigerungs- und
Rechtsverzögerungsbeschwerde nicht um eine eigene Beschwerdeart. Die Beschwerde
muss grundsätzlich dieselben formellen Voraussetzungen erfüllen wie alle
anderen Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie hat die
Begehren und deren Begründung zu enthalten, wobei in der Begründung darzutun
ist, inwiefern Recht verletzt sei (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Sie kann sich
nicht gegen das Verweigern oder Verzögern eines beliebigen, sondern nur eines 
anfechtbaren Entscheids richten. Mit anderen Worten muss der Entscheid, dessen
Verweigerung oder Verzögerung gerügt wird, unmittelbar beim Bundesgericht
angefochten werden können, d.h. sich gegen das Untätigwerden einer Vorinstanz
gemäss Art. 86 BGG richten, die vorliegend allein das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern sein kann. Soweit die letzte kantonale Instanz über den
Rechtsverzögerungs- oder Rechtsverweigerungsvorwurf gegen eine ihrer
Vorinstanzen entschieden oder es in einem formellen Entscheid ausdrücklich
abgelehnt hat, selber (innert einer angemessenen) Frist einen Entscheid zu
fällen, liegt - prozessual - keine Rechtsverweigerung oder -verzögerung im
Sinne von Art. 94 BGG vor, sondern ein nach Massgabe der einschlägigen
Bestimmungen (im Bereich des öffentlichen Rechts sind dies die Art. 82 ff. BGG)
anfechtbarer Entscheid (Urteile 5A_393/2012 vom 13. August 2012 E. 1.2; 1C_189/
2012 vom 18. April 2012 E. 1.3; 1C_433/2008 vom 16. März 2009 E. 1.4).

2.2. Bisher liegt ein formeller Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons
Bern vor. Es handelt sich um die Abschreibungsverfügung vom 1. Juli 2016
betreffend die am 8. Mai 2016 gegen die Polizei- und Militärdirektion erhobene
Rechtsverzögerungsbeschwerde, worüber diese am 30. Juni 2016 entschieden hatte.
Gegen die Abschreibungsverfügung ist nicht Beschwerde erhoben worden; in den
ergänzenden am 22. Juli 2016 eingegangenen Stellungnahmen der Beschwerdeführer
lassen sich dazu keine gezielten Rügen entnehmen. Zum Gegenstand
bundesgerichtlicher Prüfung kann nachfolgend allein die Frage gemacht werden,
ob sich dem Verwaltungsgericht unmittelbar Rechtsverzögerung vorwerfen lasse.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Regeln über den Instanzenzug
auch das Verwaltungsgericht nur über Rechtsverzögerungen (oder anderes
Fehlverhalten) durch seine unmittelbare Vorinstanz, die Polizei- und
Militärdirektion, nicht aber durch den Migrationsdienst zu befinden hätte:
Gemäss Art. 49 Abs. 2 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über das
Verwaltungsverfahren (VRPG) gilt auch das Verweigern oder Verzögern einer
Verfügung als Verfügung; diese muss von einer Behörde ausgehen, gegen deren
Entscheidungen an das Verwaltungsgericht gelangt werden kann.

2.3. Im Zentrum steht der Entscheid der Polizei- und Militärdirektion vom 30.
Juni 2016. Darin sind die verschiedenen bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten
Vorstösse der Beschwerdeführer zusammenfassend dargestellt. Die Direktion hat
dabei die Weigerung des Migrationsdienstes geschützt, die Bewilligungssituation
der Beschwerdeführer neu zu prüfen. Zu dieser Erkenntnis kam sie, indem sie
sich ausgiebig mit der einschlägigen Rechtslage befasste und erkannte, dass die
beschwerdeführerischen Vorbringen nicht geeignet seien, eine gegenüber der
zuletzt vom Verwaltungsgericht am 10. Februar 2015 und vom Bundesgericht am 2.
November 2015 beurteilten Situation massgeblich geänderte Sach- und Rechtslage
darzutun. Das Verwaltungsgericht hat darauf mit der erwähnten
Abschreibungsverfügung vom 1. Juli 2016 reagiert. In der Folge haben die
Beschwerdeführer am 1. August 2016 eine vom 9. Juli 2016 datierte Beschwerde
gegen den Entscheid der Polizei- und Militärdirektion vom 30. Juni 2016
zuhanden des Verwaltungsgerichts zur Post gegeben. Dieses hat am 3. August 2016
eine diesbezügliche Instruktionsverfügung erlassen. Es bleibt unerfindlich,
welch weiteres Handeln von ihm betreffend den Bewilligungsstatus der
Beschwerdeführer nach dem umfassenden Entscheid der Polizei- und
Militärdirektion erforderlich wäre. Mit ihren Eingaben vermögen die
Beschwerdeführer auch nicht ansatzweise darzulegen, inwiefern sich dem
Verwaltungsgericht Rechtsverzögerung oder Rechtsverweigerung vorwerfen liesse.

2.4. Was den Transportauftrag des Migrationsdienstes des Kantons Bern vom 2.
Juni 2016 betrifft, ist die Angelegenheit mit dem Nichteintretensentscheid der
Polizei- und Militärdirektion vom 21. Juni 2016 abgeschlossen worden. Die
Beschwerdeführer machen nicht geltend, dass sie gegen diesen Entscheid
Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben hätten und sagen nicht, wie dieses
diesbezüglich zu handeln hätte.

2.5. Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht in einer der beiden am
22. Juli 2016 eingegangenen, vom 11. Juli 2016 datierten Schreiben
Rechtsverzögerung in Bezug auf Beschwerden vor, die sie gegen die
Ausgleichskasse des Kantons Bern eingereicht haben. Sie wissen, dass
diesbezüglich an sich eine sozialversicherungsrechtliche Abteilung des
Bundesgerichts zuständig wäre, gelangen aber trotzdem an die II.
öffentlich-rechtliche Abteilung. Es besteht weder Anlass noch Handhabe, diese
für zuständig zu erklären. Das entsprechende, als "Verzögerung Beschwerde
gemäss Art. 94 BGG gegen VG Bern" betitelte Schreiben ist nach Abschluss des
vorliegenden Verfahrens zuständigkeitshalber an die II. sozialrechtliche
Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts weiterzuleiten zur Prüfung, ob
gestützt darauf ein eigenes förmliches Verfahren zu eröffnen ist.

2.6. Die eingegangenen Rechtsschriften enthalten offensichtlich keine
hinreichende, den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG genügende Begründung,
wird doch in keinerlei Hinsicht eine Rechtsverletzung dargetan. Auf die
Beschwerde ist mit Entscheid des Abteilungspräsidenten als Einzelrichter im
vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten.

2.7. Die Gerichtskosten sind entsprechend dem Verfahrensausgang nach Massgabe
von Art. 65 und 66 Abs. 1 erster Satz sowie Abs. 5 BGG den Beschwerdeführern
aufzuerlegen.

 Demnach erkennt der Präsident:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Das vom 11. Juli 2016 datierte Schreiben der Beschwerdeführer "Verzögerung
Beschwerde gemäss Art. 94 BGG gegen VG Bern" ist im Sinne der Erwägungen
zuständigkeitshalber an die II. sozialrechtliche Abteilung des Schweizerischen
Bundesgerichts weiterzuleiten.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, dem Staatssekretariat für Migration sowie der II.
sozialrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 18. August 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Feller

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