Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.496/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_496/2016

Urteil vom 21. Juni 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiberin Mayhall.

Verfahrensbeteiligte
A.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter,

gegen

Amt für Migration und Integration
des Kantons Aargau, Sektion Asyl.

Gegenstand
Ausschaffungshaft / Haftverlängerung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 21. April 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.________, ein im Jahr 1990 geborener Staatsangehöriger des Irak, reiste 2007
als Asylbewerber in die Schweiz ein. Das Bundesamt für Migration (heute:
Staatssekretariat für Migration) trat mit rechtskräftig gewordener Verfügung
vom 19. Dezember 2012 auf das Asylgesuch nicht ein und verfügte die Wegweisung.
Am 20. August 2015 wurde A.________ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren
und neun Monaten verurteilt, namentlich wegen versuchter eventualvorsätzlicher
Tötung und Raufhandels. Am 12. Januar 2016 wurde er per 1. Februar 2016 bedingt
aus dem Strafvollzug entlassen. Am 1. Februar 2016 ordnete das Amt für
Migration und Integration des Kantons Aargau gegen ihn Ausschaffungshaft an,
welche das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 4. Februar 2016
bis zum 30. April 2016 bestätigte. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten, die mit dem Datum 1. Oktober 2015 versehen und am 14. März
2016 zur Post gegeben worden war, beantragte A.________ dem Bundesgericht, das
Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihn unverzüglich aus der Haft zu
entlassen; eventuell sei die Sache zur neuen Begründung und zur
Sachverhaltsabklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Mit Urteil vom 18. März
2016 trat das Bundesgericht mangels hinreichender Begründung im vereinfachten
Verfahren gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. b AuG auf die Beschwerde nicht ein. Das
SEM lehnte das am 1. Februar 2016 von A.________ eingereichte Asylgesuch
(Mehrfachgesuch) am 15. März 2016 ab, wies ihn abermals aus der Schweiz weg,
ordnete an, er habe die Schweiz bis zum 1. April 2016 zu verlassen und
beauftragte den Kanton Aargau mit dessen Vollzug.

B. 
Das kantonale Migrationsamt verlängerte nach Anhörung von A.________ am 18.
April 2016 dessen Ausschaffungshaft um weitere drei Monate und ordnete
eventualiter eine Durchsetzungshaft an. Mit Urteil vom 21. April 2016
bestätigte der Einzelrichter am Verwaltungsgericht des Kantons Aargau die am
18. April 2016 angeordnete Verlängerung der Ausschaffungshaft bis zum 30. Juli
2016, 12.00 Uhr, und wies damit implizit dessen Gesuch um unverzügliche
Haftentlassung ab.

C. 
Mit Beschwerde vom 27. Mai 2016 beantragt A.________, das Urteil vom 21. April
2016 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben und er sei
unverzüglich aus der Haft zu entlassen; eventualiter sei das angefochtene
Urteil aufzuheben und zu neuer Begründung und zur Sachverhaltsergänzung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht für das bundesgerichtliche
Beschwerdeverfahren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Die Vorinstanz, das kantonale Migrationsamt und das SEM schliessen auf
Beschwerdeabweisung. Der Beschwerdeführer hat sich dazu am 13. Juni 2016
vernehmen lassen.

Erwägungen:

1. 
Der Betroffene kann gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid betreffend
Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht gelangen (Art. 82 i.V.m. Art. 86 Abs. 1
lit. d und Art. 89 Abs. 1 BGG; Urteile 2C_1072/2015 vom 21. Dezember 2015 E.
2.1; 2C_168/2013 vom 7. März 2013 E. 1.1; 2C_1089/20012 vom 22. November 2012
E. 1). Das Bundesgericht wendet das Recht in seinem Verfahren grundsätzlich von
Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde
geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden
(vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262). Das Bundesgericht ist aber nicht gehalten,
wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
untersuchen, wenn diese in seinem Verfahren nicht mehr problematisiert werden (
BGE 133 II 249 E. 1.4.1 E. 254). Deshalb prüft es, unter Berücksichtigung der
Begründungspflicht des Betroffenen (Art. 42 Abs. 2 BGG; für Grundrechte Art.
106 Abs. 2 BGG), nur die vorgebrachten Rügen, es sei denn, die rechtlichen
Mängel erschienen geradezu offensichtlich. Die beschwerdeführende Person muss
sich mit Bezug auf den Verfahrensgegenstand in rechtlicher wie
sachverhaltsmässiger Hinsicht sachbezogen mit den Ausführungen im angefochtenen
Entscheid auseinandersetzen und darlegen, dass und inwiefern die Vorinstanz den
Sachverhalt offensichtlich falsch festgestellt bzw. willkürlich gewürdigt oder
anderweitig Bundesrecht verletzt hat (Art. 97 i.V.m. Art. 9 BV und Art. 106
Abs. 2 BGG; Art. 95 lit. a BGG i.V.m. Art. 42 Abs. 2 BGG; für Grundrechte
jedoch Art. 95 lit. a i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133
III 350 E. 1.3, 393 E. 7.1, 462 E. 2.4).

2. 
Der Beschwerdeführer rügt, der Vollzug seiner Wegweisung in den Irak würde
angesichts der dortigen Lage gegen das in Art. 3 EMRK verankerte
Non-Refoulementgebot verstossen. Eine zwangsweise Rückführung sei auch in
tatsächlicher Hinsicht nicht möglich, würden doch in absehbarer Zeit weder
Sonderflüge noch begleitete Flüge nach Bagdad durchgeführt. Seine Wegweisung
könne demnach aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht vollzogen werden,
weshalb eine Verlängerung seiner Haft Art. 80 AuG verletze und er unverzüglich
aus der Haft zu entlassen sei.
Die Ausschaffungshaft soll den Vollzug der Entfernungsmassnahme sicherstellen.
Sie darf nur angeordnet oder aufrechterhalten werden, wenn der Vollzug der
Wegweisung nicht aus  rechtlichen oder  tatsächlichen Gründen undurchführbar
ist (Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG); andernfalls lässt sie sich nicht mehr mit
einem hängigen Weg- oder Ausweisungsverfahren rechtfertigen und verstösst gegen
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK. In  tatsächlicher Hinsicht (vgl. unten, E. 3.)
unmöglich ist ein Vollzug einer Wegweisung, wenn von einer faktischen
Undurchführbarkeit auszugehen ist;  rechtliche Gründe (vgl. unten, E. 4.), die
einer Ausschaffung entgegen stehen können, sind insbesondere das
Refoulementverbot (Art. 3 EMRK) oder die Unzumutbarkeit des Vollzugs (ANDREAS
ZÜND, in: Kommentar zum Migrationsrecht, 3. Aufl. 2012, N. 9 zu Art. 81 AuG;
MARTIN BUSINGER, Ausländerrechtliche Haft, Diss. 2015, S. 58, 82).

3.

3.1. Unrechtmässig ist die Haft demnach einerseits, wenn für die 
Undurchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs triftige Gründe vorliegen oder
praktisch feststeht, dass sich ein solcher  Vollzug innert der gesetzlichen
Haftdauer  nicht realisieren lässt (BGE 122 II 148 E. 3 S. 152 f.; Urteile
2C_1072/2015 vom 21. Dezember 2015 E. 3.2; 2C_168/2013 vom 7. März 2013 E. 1;
2C_974/2010 vom 11. Januar 2011 E. 3.1; vgl. auch Urteil des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte [EGMR]  M.S. gegen Belgien vom 31. Januar 2012
[Nr. 50012/08], § 150). Die Ausschaffungshaft muss demnach ernsthaft und in
guten Treuen geeignet sein, ihren Zweck zu erreichen, was nicht mehr der Fall
ist, wenn die Weg- oder Ausweisung trotz tatsächlich erfolgenden behördlichen
Bemühungen  nicht in einem dem konkreten Fall angemessenen Zeitraum  vollzogen
werden kann (Urteil des EGMR  Saadi gegen Vereinigtes Königreich vom 29. Januar
2008 [Nr. 13229/03], § 72; vgl. auch Urteil  Sidikovy gegen Russland vom 20.
Juni 2013 [Nr. 73455/11], §§ 162, 234; BGE 130 II 56 E. 1 S. 57 f.; zum
Beschleunigungsgebot ausdrücklich BGE 124 II 49 E. 3a S. 50). Was als dem
Einzelfall angemessen gilt, ist unter Würdigung der gesamten Umstände zu
eruieren (BGE 130 II 56 E. 4.1.3 S. 4.1.3, E. 4.2.3 S. 63; 122 II 148 E. 3 S.
152 f.); als Richtschnur gilt, dass die Ausschaffungshaft den Zeitraum nicht
überschreiten soll, der zur Erreichung ihres Zweck vernünftigerweise
erforderlich ist (zit. Urteil  Saadi, § 73 f.).

3.2. Nach Angaben des SEM werden zurzeit keine Sonderflüge nach Bagdad
durchgeführt und darf die irakische Botschaft in Bern auch keine Reisedokumente
für irakische Staatsangehörige ausstellen. Das SEM plante für Mitte Mai 2016
eine (mittlerweile verschobene) Dienstreise nach Bagdad, um vor Ort mit den
zuständigen Behörden nach einer Lösung zu suchen, um die zwangsweise Wegweisung
straffälliger irakischer Personen aus der Schweiz in den Irak wieder
ermöglichen zu können (vgl. zum Novenverbot im bundesgerichtlichen Verfahren
unten, E. 4.3). In einer solchen Konstellation kann es in der Tat als
zweifelhaft erscheinen, ob der Vollzug der Wegweisung innert der gesetzlichen
Haftdauer durchführbar ist (vgl. die Urteile 2C_974/2010 vom 11. Januar 2011 E.
3.1, 2C_386/2010 vom 1. Juni 2010 E. 5.2, 5.3). Zu berücksichtigen ist jedoch,
dass der Beschwerdeführer (seit Januar 2013) rechtskräftig für eine versuchte
vorsätzliche Tötung zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Das
öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit lässt die  Aufrechterhaltung der Ausschaffungshaft unter
Berücksichtigung der Verurteilung des Beschwerdeführers und der andauernden
behördlichen Bemühungen zum vorliegenden Zeitpunkt selbst angesichts der zwar
reduzierten, aber nach wie vor bestehenden Wahrscheinlichkeit eines Vollzugs
der Wegweisung noch nicht als unangemessen erscheinen. Die Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG infolge  tatsächlicher
Vollzugshindernisse und wegen Verletzung des Beschleunigungsgebotserweist sich
als unbegründet.

4.

4.1. Gemäss Art. 3 EMRK und Art. 10 Abs. 3 BV darf niemand der Folter oder
unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden (
BGE 141 I 141 E. 6.3.1 S. 144; 140 I 246 E. 2.4.1 S. 249; 139 II 65 E. 6.4 S.
76), wofür konkrete und auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte einer
gewissen Schwere geltend gemacht werden müssen. Vollzugshindernisse 
rechtlicher Art wie konkrete Anzeichen für eine Verletzung von Art. 3 EMRK im
Einzelfall können von jedem aus- oder weggewiesenen Ausländer gegenüber jeder
wegweisenden Behörden (BGE 137 II 305 E. 3.2 S. 309) und grundsätzlich auch im
Rahmen eines Entlassungsgesuch aus der Ausschaffungshaft (Art. 80 Abs. 5 i.V.m.
Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG) vorgebracht werden. Angesichts der kurzen Frist,
innert welcher die richterliche Behörde über das Gesuch um Haftüberprüfung zu
entscheiden hat, setzt eine Überprüfung der Zumutbarkeit, Zulässigkeit und
Realisierbarkeit der Aus- oder Wegweisung konkrete und auf den Einzelfall
bezogene Vorbringen des Gesuchstellers voraus (Urteil 2C_243/2016 vom 18. März
2016 E. 2.3 mit Hinweisen; grundlegend Urteile des EGMR  J.K. et al gegen
Schweden vom 4. Juni 2015 [Nr. 59166/12], § 51;  Saadi gegen Italien vom 28.
Februar 2008 [Nr. 37201/06], N. 129), wobei die richterliche Behörde zumindest
bei der Haftüberprüfung an der mündlichen Verhandlung (Art. 80 Abs. 5 AuG)
durch geeignete Fragen auf die Abklärung solcher Punkte hinwirken kann.

4.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe sich nicht eingehend mit
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Refoulementverbot (Art. 3 EMRK)
auseinandergesetzt, sondern sich mit der Aussage begnügt, es seien keine
Umstände ersichtlich, welche seiner Ausschaffung in rechtlicher Hinsicht
entgegen stehen würden. Er habe jedoch Unterlagen von anerkannten
Nichtregierungsorganisationen ins Recht gelegt, wonach dieses Verbot bei einer
Rückschaffung in den Irak verletzt würde. So würden sich im Irak nicht nur
Angehörige des islamischen Staates, sondern auch irakische Regierungstruppen
schwere Verstösse gegen die Menschenrechte gegenüber Angehörigen feindlicher
Truppen zu Schulden kommen lassen. In diesem kriegerischen Konflikt sei die
Einnahme einer Position für das Überleben unvermeidlich, wobei die
Zugehörigkeit zu einer Gruppe jedoch zur Verfolgung durch die Gegner unter
Gefährdung von Leib und Leben führe. Für ihn komme erschwerend hinzu, dass er
in die Stadt Kirkuk zurückkehren müsste, in welcher die Sicherheitslage auf
Grund kriegerischer Auseinandersetzungen schlecht sei. Das Staatssekretariat
für Migration habe im Dezember 2015 verlauten lassen, grundsätzlich würden zur
Zeit keine Wegweisungen für irakische Staatsangehörige aus dem Zentral- und
Südirak verfügt werden; er bilde bloss eine von fünf Ausnahmen. Im Irak verfüge
er zudem, abgesehen von seiner Schwester, über keine Kontaktpersonen mehr.

4.3. Nach ständiger Rechtsprechung begründet die allgemeine, in einem
spezifischen Land vorherrschende soziale, humanitäre oder wirtschaftliche
Situation ohne Hinweise auf eine konkrete Gefährdung der Einzelperson (wie etwa
gemäss zit. Urteil  Saadi gegen Italien, §§ 142-146; Urteil  Jabari gegen
Türkei vom 11. Juli 2000 [Nr. 40035/98], §§ 33-42) keinen Grund für die
Eröffnung des Anwendungsbereichs des konventionsrechtlich garantierten
Refoulementverbots, wobei jedoch nicht zum Vornherein ausgeschlossen werden
kann, dass insbesondere eine kriegerische Auseinandersetzung eine solche
Intensität an Gewalt und Brutalität mit sich bringen kann, dass die blosse
zwangsweise durchgeführte Rückkehr eines Betroffenen einer durch Art. 3 EMRK
untersagten Behandlung gleichkommt (zit. Urteil  J.K. gegen Schweden, § 53).
Das Bundesgericht stellt hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen in aller
Regel auf den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt ab (Art. 105 Abs. 1
BGG), wobei ebenfalls nicht zum Vornherein ausgeschlossen werden kann, dass für
die Anwendung von Art. 3 EMRK rechtserhebliche Sachverhaltselemente im Laufe
des Verfahrens eine selbst ungeachtet des bundesgesetzlich verankerten
Novenverbots (Art. 99 Abs. 1 BGG) zu berücksichtigende Veränderung erfahren
können (zum Vorrang der konventionsrechtlichen Garantie gemäss ständiger Praxis
vgl. BGE 125 II 417 E. 4d S. 424 ff.), würde doch andernfalls eine im Lichte
von Art. 3 EMRK unvollständige Sachverhaltsfeststellung einer Verletzung dieser
Bestimmung gleichkommen (zur unter dem Aspekt der Rechtserheblichkeit
unvollständigen Sachverhaltsfeststellung als materielle Rechtsverletzung BGE
136 II 65 E. 1.4 S. 68, 134 V 53 E. 4.3 S. 62; MEYER, Wege zum Bundesgericht -
Übersicht und Stolpersteine, ZBJV 146/ 2010 S. 857).

4.4. Im vorliegenden Fall ist keine Abweichung vom bundesgesetzlich verankerten
Novenverbot (Art. 99 Abs. 1 BGG) angezeigt. Während den Jahren 2010-2015 ist
der EGMR in Würdigung zahlreicher Berichte offizieller Seite wie von
anerkannten Nichtregierungsorganisationen zum Ergebnis gelangt, dass die
allgemeine, im Irak vorherrschende Lage trotz einer Intensivierung durch
Angriffe von Anhängern des so genannten Islamischen Staates auf Truppen der
offiziellen Regierung im Jahr 2014 diese Schwelle noch nicht erreicht hat (vgl.
zit. Urteil  J.K. gegen Schweden, §§ 54 f., N. 27 mit zahlreichen Hinweisen).
Diese Sichtweise ist auch dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zu Grunde zu
legen. Der Beschwerdeführer wird unbestrittenermassen in die Stadt Kirkuk und
somit in eine kurdisch kontrollierte Provinz ausreisen, für welche der Vollzug
der Wegweisung nach aktueller Praxis des SEM nicht aus Gründen der
Unzumutbarkeit ausgesetzt ist. Der Beschwerdeführer macht in seiner
Beschwerdeschrift keine auf ihn bezogenen Umstände geltend, auf Grund welcher
er im Falle einer Ausreise konkret einer durch Art. 3 EMRK untersagten
Behandlung ausgesetzt wäre, weshalb sich seine Beschwerde auch hinsichtlich
einer Verletzung von Art. 80 Abs. 6 lit. a BGG wegen Unmöglichkeit des Vollzugs
der Wegweisung aus rechtlichen Gründen als unbegründet erweist. Auf die gerügte
Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV ist deswegen nicht weiter einzugehen (Art. 106
Abs. 2 BGG), weil der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift nicht
aufzeigt, welche konkreten und individuellen Unzumutbarkeitsgründe er in das
vorinstanzliche Verfahren eingebracht hat. Die Beschwerde ist abzuweisen.

5. 
Das Gesuch des bedürftigen Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wird gutgeheissen. Demnach sind keine Kosten zu erheben und dem
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist eine angemessene Entschädigung aus
der Bundesgerichtskasse auszurichten (Art. 64 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, und es wird dem
Beschwerdeführer Rechtsanwalt Julian Burkhalter als unentgeltlicher
Rechtsbeistand beigegeben.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Rechtsanwalt Julian Burkhalter wird mit Fr. 2'500.-- aus der
Bundesgerichtskasse entschädigt.

5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Juni 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Mayhall

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