Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.439/2016
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_439/2016

Urteil vom 31. Mai 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Donzallaz,
Gerichtsschreiberin Mayhall.

Verfahrensbeteiligte
X._______,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau.

Gegenstand
Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und Wegweisung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 6.
April 2016.

Erwägungen:

1. 
X._______, welcher sich unter Verwendung einer falschen Identität in der
Schweiz aufhielt, wurde im Januar 2005 vom Kreisgericht X Thun insbesondere
wegen Widerhandlungen gegen das BetmG und wegen Geldwäschereidelikten zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zu einer Landesverweisung von zehn Jahren
verurteilt. Am 25. August 2006 verfügte das Bundesamt für Migration (heute:
Staatssekretariat für Migration [SEM]) gegen X._______ eine Einreisesperre auf
unbestimmte Dauer. Im Februar 2012 reiste der Beschwerdeführer wieder ein,
worauf ihm gestützt auf slowenische Ausreisepapiere eine bis 31. Mai 2017
gültige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA erteilt wurde; seine Ehefrau und die
beiden gemeinsamen Kinder reisten im Dezember 2013 ein. Nachdem sich die
slowenischen Ausweispapiere als Fälschungen erwiesen hatten, wurde X._______
mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau vom 1. Mai 2014 wegen
Fälschung von Ausweisen und Widerhandlungen gegen das AuG zu einer unbedingten
Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Die Ehefrau und die gemeinsamen
Kinder wurden im Oktober 2014 aus der Schweiz weggewiesen. Mit Verfügung vom
14. November 2014 widerrief das Migrationsamt des Kantons Aargau die bis 31.
Mai 2017 gültige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA von X._______ und bestätigte
diesen Widerruf mit Einspracheentscheid vom 8. Mai 2015. Ein dagegen von
X._______ beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau erhobenes Rechtsmittel
blieb erfolglos.

2. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, welche in dem Umfang
zulässig ist, wie sie sich gegen den Widerruf einer bis Ende Mai 2017 gültigen
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA (Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario BGG) und
weder gegen seine Wegweisung (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1
S. 4) noch gegen die Verweigerung einer Ermessensbewilligung im Sinne von Art.
30 Abs. 1 lit. b AuG (Urteil 2C_243/2015 vom 2. November 2015 E. 1.2 mit
zahlreichen Hinweisen) richtet, ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im
vereinfachten Verfahren unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG abgewiesen wird. Soweit die Beschwerde
gegen die Wegweisung wegen Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK als subsidiäre
Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG) entgegen genommen werden kann (vgl. Urteil
2C_1130/2013 vom 23. Januar 2015 E. 1.3), ist sie in demselben Verfahren
abzuweisen (Art. 117 in Verbindung mit Art. 109 BGG); nicht einzutreten ist auf
die subsidiäre Verfassungsbeschwerde insoweit, als sich der Beschwerdeführer,
welcher gemäss verbindlicher Sachverhaltsfeststellung über keine in der Schweiz
gefestigt anwesenheitsberechtigte Familienangehörige verfügt, ohne
substanziierte Ausführungen zu seinem rechtlich geschützten Interesse an der
Beschwerdeführung (Art. 115 lit. b, Art. 116 BGG) gegen die Verweigerung der
Härtefallbewilligung richtet (Urteile 2C_281/2016 vom 5. April 2016 E. 2.2, E.
2.3; 2C_75/2011 vom 6. April 2011 E. 1.1; HUGI YAR, Von Trennungen, Härtefällen
und Delikten - Ausländerrechtliches rund um die Ehe- und Familiengemeinschaft,
in: Jahrbuch für Migrationsrecht 2012/2013, S. 100 ff.).

2.1. Beim derzeitigen Stand des Dossiers und aufgrund des für das Bundesgericht
verbindlich festgestellten Sachverhalts (Art. 105 Abs. 1 BGG) verletzt der
angefochtene Entscheid kein Bundesrecht. Er verstösst insbesondere weder gegen
die Vorgaben des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
andererseits vom 21. Juni 1999 über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681)
noch gegen Art. 23 der Verordnung vom 22. Mai 2002 über die schrittweise
Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten sowie
unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (Verordnung
über die Einführung des freien Personenverkehrs; VEP; SR 142.203), wonach
Kurzaufenthalts-, Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und Grenzgängerbewilligungen
"widerrufen oder nicht verlängert werden" können, "wenn die Voraussetzungen für
ihre Erteilung nicht mehr erfüllt" sind. Der Beschwerdeführer ist kosovarischer
und nicht, wie mit gefälschten Ausweispapieren geltend gemacht,
Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, weshalb er dem
Anwendungsbereich des FZA nicht untersteht (Art. 1 e contrario FZA) und es auf
Art. 5 Anhang I FZA nicht ankommt: Bloss wenn das Freizügigkeitsabkommen
gestützt auf Art. 1 FZA überhaupt zur Anwendung gelangt, sind zusätzlich die
abkommensrechtlichen Eingriffsvoraussetzungen zu prüfen; ansonsten kann, wie
die Vorinstanz zutreffend erwog, eine zuvor zu Unrecht erteilte
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA ohne Weiteres widerrufen werden, weil eine
anspruchsbegründende Voraussetzung nie gegeben war oder entfallen ist (Art. 23
Abs. 1 VEP; BGE 141 II 1 E. 2.2.1 S. 4 f.; 130 II 388 E. 1.2 S. 390; Urteil
2C_243/2015 vom 2. November 2015 E. 3.1).

2.2. Zu Unrecht bestreitet der Beschwerdeführer auch die Verhältnismässigkeit
der aufenthaltsbeendenden Massnahme. Die vorinstanzliche Prüfung der
Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) des Widerrufs der gestützt auf
gefälschte Ausweispapiere erlangten EU/EFTA Aufenthaltsbewilligung ist nicht zu
beanstanden: Das öffentliche Interesse an einer Ausreise des wegen Drogen- und
Geldwäschereidelikten zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilten
Beschwerdeführers überwiegt sein und das Interesse der erst Ende 2013
eingereisten, hier nicht verwurzelten Ehefrau und deren Kinder an einem
Verbleib in der Schweiz; die Verwendung gefälschter Ausweispapiere im Jahr 2012
zur Erhältlichmachung einer Aufenthaltsbewilligung ist sicher nicht geeignet,
das Ergebnis der Verhältnismässigkeitsprüfung positiv zu beeinflussen. Wie die
Vorinstanz im angefochtenen Urteil, auf welches verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3
BGG), zutreffend erkannte, lässt auch eine medizinische
Behandlungsbedürftigkeit des Handgelenks des Beschwerdeführers die
aufenthaltsbeendende Massnahme nicht als unverhältnismässig erscheinen und
begründet, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, insbesondere kein
Vollzugshindernis im Sinne von Art. 2 oder Art. 3 EMRK (vgl. Urteil 2C_1130/
2013 vom 23. Januar 2015 E. 3.1; zur Abgrenzung der
Verhältnismässigkeitsprüfung von der Frage der Unzumutbarkeit der Wegweisung
vgl. Urteil 2C_120/2015 vom 2. Februar 2016 E. 3.3).

2.3. Nicht weiter einzugehen ist auf die Rüge, das angefochtene Urteil verletze
Art. 8 EMRK. Art. 8 EMRK vermittelt praxisgemäss keinen Anspruch auf Erteilung
einer ausländerrechtlichen Bewilligung in einem Konventionsstaat. Die
konventionsrechtliche Garantie kann jedoch in Konstellationen berührt sein, in
welchen eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte
und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz  gefestigt
anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser möglich
bzw. zumutbar wäre, das entsprechende Familienleben andernorts zu pflegen (BGE
139 I 330 E. 2.1 S. 336; 137 I 247 E. 4.1.2 S. 249 f; 116 Ib 353 E. 3c S. 357).
Dass die aufenthaltsbeendende Massnahme das Familienleben des Beschwerdeführers
mit einer in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Person tangieren würde, wurde
nicht geltend gemacht, weshalb die konventionsrechtliche Garantie zum
Vornherein nicht verletzt sein kann.

3. 
Bei diesem Verfahrensausgang ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos. Der Beschwerdeführer, der unterliegt, hat die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG);
Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 BGG).

Das Bundesgericht erkennt:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. Mai 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Mayhall

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben