Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.430/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_430/2016

Urteil vom 2. Februar 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau.

Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 6. April 2016.

Erwägungen:

1.
Der 1976 im Kosovo geborene kosovarische Staatsangehörige A.________ reiste
1989 im Alter von 13 Jahren im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein
und erhielt hier zunächst eine Aufenthalts- und am 8. März 1994 schliesslich
die Niederlassungsbewilligung. Im Jahr 1999 heiratete A.________ im Kosovo eine
Landsfrau. Aus der Ehe gingen zwei Töchter (geb. 2001 und 2003 hervor).
Offenbar reiste die Ehefrau im Oktober 2001 mit der älteren Tochter in die
Schweiz ein.
A.________ wurde in der Schweiz wiederholt und intensiv straffällig: Seit 1996
musste er insgesamt 33 Mal verurteilt werden. Die Verurteilungen erfolgten zu
einem namhaften Teil wegen Strassenverkehrsdelikten, aber auch wegen
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (teilweise im qualifizierten
Bereich), in Umlaufsetzens von Falschgeld, verbotenen Waffentragens, Delikten
im Konkurs- und Betreibungsverfahren, Gewalt und Drohung gegen Beamte,
Hausfriedensbruchs, Beschimpfung sowie wegen mehrfachen Betrugs. Insgesamt
wurde er zu Freiheitsstrafen von 28 Monaten, zu Geldstrafen von 430 Tagessätzen
sowie zu Bussen in Höhe von Fr. 5'510.-- verurteilt. Von besonderer Bedeutung
ist dabei das Urteil des Bezirksgerichts Horgen vom 30. Juni 2005, mit welchem
er wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer
Gefängnisstrafe von 16 Monaten verurteilt wurde. Dem Urteil lag zugrunde, dass
A.________ während eines relativ kurzen Zeitraums (rund fünf Monate) eine
beträchtliche Menge Heroin (zwischen 700 und 750 Gramm Heroingemisch) verkauft
und vermittelt bzw. den Versuch hierzu unternommen hat. Ebenfalls hervorzuheben
ist der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten vom 9. Oktober 2014,
mit welchem A.________ wegen mehrfachen Betrugs zu einer unbedingten Geldstrafe
von 150 Tagessätzen verurteilt wurde: Hintergrund dieses Straferkenntnisses
bildet der Umstand, dass A.________ trotz seiner desolaten finanziellen
Situation mit mehreren Personen Arbeitsverträge abschloss, obwohl ihm bereits
zu diesem Zeitpunkt klar war, dass er deren Löhne nicht bezahlen kann.
Nachdem er bereits am 20. August 1999 sowie am 30. Mai 2006 fremdenpolizeilich
verwarnt und ihm die Ausweisung angedroht worden war, widerrief das Amt für
Migration und Integration Kanton Aargau (MIKA) am 7. November 2014 die
Niederlassung von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. Die vom
Betroffenen hiergegen ergriffenen Rechtsmittel wurden kantonal letztinstanzlich
mit Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 6. April 2016
abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde.
Hiergegen führt A.________ mit Eingabe vom 13. Mai 2016 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde
beim Bundesgericht und beantragt im Wesentlichen, auf den Widerruf seiner
Niederlassungsbewilligung zu verzichten und stattdessen eine erneute Verwarnung
auszusprechen. Das MIKA sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau
schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Vernehmlassungsergebnis wurde dem
Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. Juni 2016 mitgeteilt; innert der
angesetzten Frist erfolgte jedoch keine (fakultative) Stellungnahme hierzu. Mit
Verfügung vom 19. Mai 2016 erkannte das präsidierende Mitglied der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
aufschiebende Wirkung zu.

2.
Gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4).
Dies schliesst die Zulässigkeit der subsidiären Verfassungsbeschwerde aus (Art.
113 BGG e contrario). Betreffend die Wegweisung ist demgegenüber die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht zulässig (Art. 83 lit. c Ziff.
4 BGG), so dass hiergegen grundsätzlich die Verfassungsbeschwerde zulässig ist.
Darauf ist jedoch nicht einzutreten, da die Eingabe des Beschwerdeführers keine
rechtsgenügliche Verfassungsrüge enthält (Art. 116 und 117 i.V.m. Art. 106 Abs.
2 BGG). Die (zulässige) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
erweist sich sodann als offensichtlich unbegründet, weswegen sie im
vereinfachten Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a i.V.m. Abs. 3 BGG, d.h.
mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid
zu erledigen ist:

2.1. Der Beschwerdeführer rügt vorab eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da
die Vorinstanz auf diverse seiner Beweisanträge nicht eingegangen sei und
namentlich darauf verzichtet habe, Steuerunterlagen und Bilanz des
Beschwerdeführers beizuziehen und die Strafakten der Staatsanwaltschaft
Muri-Bremgarten betreffend den Strafbefehl vom 9. Oktober 2014 zu edieren. Die
Rüge ist jedoch unbegründet: Die Steuerunterlagen und die Bilanz des
Beschwerdeführers befinden sich in dessen Besitz; es wäre ihm freigestanden,
diese Dokumente einzureichen, soweit er daraus etwas zu seinen Gunsten
herleiten will. Der Strafbefehl vom 9. Oktober 2014 samt Begründung befindet
sich bei den Akten des vorliegenden Verfahrens. Es ist nicht ersichtlich und
wird vom Beschwerdeführer auch nicht aufgezeigt, inwiefern und aus welchen
anderen Teilen der Strafakten sich für die hier interessierende
ausländerrechtliche Fragestellung weiterführende bedeutsame Erkenntnisse
ergeben sollten.

2.2. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a (in Verbindung mit Art. 62 lit. b) und Art. 63
Abs. 2 AuG kann die Niederlassungsbewilligung auch nach einem - wie hier -
länger als 15 Jahre dauernden ununterbrochenen und ordnungsgemässen Aufenthalt
in der Schweiz widerrufen werden, wenn der Ausländer zu einer längerfristigen
Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Als längerfristig gilt eine Freiheitsstrafe
von mehr als einem Jahr (BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 379 ff.). Vorliegend wurde
der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichts Horgen vom 30. Juni 2005 zu
einer Gefängnisstrafe von 16 Monaten verurteilt, so dass er einen
Widerrufsgrund gesetzt hat. Dass das MIKA mit Verfügung vom 30. Mai 2006 auf
einen Bewilligungswiderruf verzichtete und stattdessen aus Gründen der
Verhältnismässigkeit (nochmals) eine Verwarnung ausgesprochen hat, bedeutet
entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht, dass ein späterer Widerruf erst
zulässig wäre, falls eine erneute Verurteilung zu einer längerfristigen
Freiheitsstrafe erfolgen würde: Erfüllt der Betroffene die Erwartungen nicht,
welche die Ausländerbehörde mit der nochmaligen Einräumung einer weiteren
Chance verbunden hat, so muss letztere abermals eine Gesamtwürdigung der
widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen vornehmen, wobei sie auch
Umstände miteinbeziehen darf (und muss), die sie beim früheren Entscheid für
sich alleine als noch nicht ausreichend für einen Bewilligungswiderruf erachtet
hat (Urteil 2C_844/2013 vom 6. März 2014 E. 4.1 f. m.w.H.; 2C_712/2009 vom 12.
April 2010 E. 4.3; vgl. auch Urteil 2C_536/2013 vom 30. Dezember 2013 E. 2.5.2
f., nicht publ. in BGE 140 II 129). Die Vorinstanz hat die Massnahme
stattdessen auf Art. 63 Abs. 1 lit. b und Art. 63 Abs. 2 AuG gestützt, wonach
ein Bewilligungswiderruf u.a. dann möglich ist, wenn der Ausländer in
schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen
oder diese gefährdet hat. Ob (auch) dieser Widerrufsgrund erfüllt ist, kann bei
der vorliegenden Sachlage jedoch offen bleiben, zumal wie aufgezeigt jedenfalls
eine Verurteilung zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe vorliegt.

2.3. Der Beschwerdeführer beruft sich sodann darauf, dass der
Bewilligungswiderruf unverhältnismässig sei. Diese Rüge geht jedoch ins Leere:
Richtig ist wohl, dass diese Massnahme aufgrund der gesamten Umstände des
Einzelfalls verhältnismässig sein muss (vgl. BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 f.
m.w.H). Dies hat das Verwaltungsgericht aber nicht verkannt, sondern es hat die
hier massgebenden öffentlichen Interessen an einer Ausreise des
Beschwerdeführers und dessen private Interessen an einem Verbleib in der
Schweiz ausführlich, umfassend und sachgerecht gewürdigt und es für zumutbar
erachtet, dass der Beschwerdeführer in seine Heimat zurückkehrt.

2.4. Diese Schlussfolgerung der Vorinstanz ist weder im Lichte des
Ausländergesetzes noch unter dem Blickwinkel der EMRK zu beanstanden: Die
Vielzahl der vom Beschwerdeführer verwirkten Strafurteile und die beträchtliche
Höhe der gegen ihn ausgesprochenen Strafen deuten auf ein erhebliches
Verschulden hin und sprechen für eine ausgeprägte Geringschätzung und
Gleichgültigkeit gegenüber der schweizerischen Rechtsordnung. Dieser Eindruck
wird durch die Tatsache verstärkt, dass sich der Beschwerdeführer von diversen
Strafen mit warnendem Charakter (bedingten Gefängnis- und Geldstrafen sowie
Bussen) nicht beeindrucken liess und auch zwei fremdenpolizeiliche Verwarnungen
nicht geeignet waren, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.
Im Gegenteil: Zwei Drittel der gegen ihn ausgesprochenen Straferkenntnisse
ergingen nach der zweiten ausländerrechtlichen Verwarnung. Zwar sind darunter
auch diverse Bussen wegen weniger schwerwiegenden Übertretungen, doch handelt
es sich bei den seither ergangenen Verurteilungen auch nicht nur um
Bagatelldelikte, wie die letzte Verurteilung wegen mehrfachen Betrugs zum
Nachteil seiner Angestellten zeigt. Somit entsteht vom Beschwerdeführer der
Eindruck eines besonders uneinsichtigen Delinquenten, der die zahlreichen ihm
eingeräumten Chancen nicht genutzt hat. Dass der Beschwerdeführer generell Mühe
damit bekundet, seinen Verpflichtungen nachzukommen, zeigt zudem die enorme
Anzahl und die Höhe der gegen ihn gerichteten Betreibungen und Verlustscheine,
wobei diese vor allem in jüngerer Zeit zugenommen haben: Während per 15.
Dezember 2009 noch 39 Betreibungen über rund Fr. 58'800.-- und 22
Verlustscheine über Fr. 47'600.-- verzeichnet waren, bestanden ihm gegenüber
gemäss Betreibungsregisterauszug vom 26. September 2014 bereits insgesamt 76
Betreibungen über total Fr. 370'000.-- sowie 100 offene Verlustscheine über
insgesamt Fr. 460'000.--. Auffallend ist dabei die systematisch erscheinende
Nichtbezahlung von Steuern, Krankenkassenabrechnungen, Strassenverkehrsabgaben,
Bussen und Gerichtsgebühren.

3.
Bei dieser Sachlage ist der weitere Verbleib des Beschwerdeführers im Land mit
den öffentlichen Interessen der Schweiz nicht mehr zu vereinbaren, und der
Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist zu Recht erfolgt. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit abzuweisen.
Entsprechend diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau, 2. Kammer, sowie dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Februar 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Zähndler

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