Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.35/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}
                   
2C_35/2016

Urteil vom 18. Juli 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Rothe,

gegen

Veterinäramt des Kantons Thurgau,

Departement für Inneres und Volkswirtschaft
des Kantons Thurgau.

Gegenstand
Widerhandlung gegen Vorschriften der Tier-
schutzgesetzgebung / Tierhalteverbot / Frist-wiederherstellungsgesuch,

Beschwerde gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 28. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ führt einen Landwirtschaftsbetrieb in U.________ (V.________).
Hierfür werden ihm gestützt auf das Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 1998
(Art. 70 ff. LWG [SR 910.1]) in Anwendung der Direktzahlungsverordnung (DZV; SR
910.13) Geldleistungen erbracht. Das Landwirtschaftsamt des Kantons Thurgau
kürzte oder strich A.________ die geschuldeten Abgeltungen, soweit einzelne
Aspekte seines Betriebs den gesetzlichen Anforderungen nicht genügten, etwa
Mängel im Bereich der Tierhaltung oder des Gewässerschutzes bestanden (vgl.
Art. 70a Abs. 1 lit. c LwG; vgl. BGE 137 II 366 ff. [Verfahren 2C_560/2010 vom
18. Juni 2011] und Urteil 2C_451/2011 vom 24. Januar 2012).

A.b. Am 11. Dezember 2013 stellte das Landwirtschaftsamt des Kantons Thurgau
fest, dass A.________ für das Jahr 2013 sowie als Nachzahlungen für die Jahre
2008 bis 2011 nach verschiedenen Kürzungen und Verrechnungen Direktzahlungen in
der Höhe von Fr. 32'639.55 zustünden. Die hiergegen eingereichten Rechtsmittel
blieben ohne Erfolg; insbesondere schützte das Bundesverwaltungsgericht einen
Abzug von Fr. 28'000.-- wegen Verletzung verschiedener Bestimmungen des
Tierschutzgesetzes (Urteil B-2261/2014 vom 24. Juli 2015 E. 7 [Nichteinhaltung
von Vorschriften des Tierschutzes]).

B.

B.a. Das Veterinäramt des Kantons Thurgau kontrollierte am 24. April 2013 den
Betrieb von A.________; dieser zeigte sich dabei wenig kooperativ. Am 8. August
2013 ordnete das Amt verschiedene Massnahmen an, um die festgestellten Mängel
beheben zu lassen; neben baulichen Vorkehrungen verpflichtete es A.________,
seinen Pferdebestand von rund 120 Tieren bis zum 1. September 2013 auf maximal
60 zu reduzieren, andernfalls eine Ersatzvornahme erfolge. Die Verfügung hielt
fest:

"Als zweifellos drastisch wirkende, aber basierend auf den bisherigen
Erfahrungen aus Sicht des Veterinäramtes einzige zielführende Massnahme, wird
eine Beschränkung der Tierzahl angeordnet. Sollte auch diese Massnahme zusammen
mit der Umsetzung der übrigen anzuordnenden Massnahmen weiterhin zu keiner
Verbesserung führen, wird ein Tierhalteverbot unumgänglich."

Zusammenfassend führte das Veterinäramt aus:

"Der Zustand auf dem Betrieb A.________ betreffend Einhaltung der
Tierschutzvorschriften ist in seiner Gesamtheit unverändert negativ und unter
den gegeben Umständen nicht verbesserungsfähig (...) Trotzdem soll ihm im Sinne
der Deeskalation eine letzte Chance zur Aufrechterhaltung des Betriebs gewährt
werden."

B.b. Das Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau trat
am 17. September 2013 auf einen von A.________ hiergegen gerichteten Rekurs
nicht ein (mangelnde Begründung). Am 6. November 2014 ersuchte A.________ das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau darum, die Beschwerdefrist wieder
herzustellen, was dieses am 10. Dezember 2014 ablehnte. Der entsprechende
Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

C.

C.a. Am 6. März 2014 (und 12. August 2014) führte die Firma X.________ GmbH als
ÖLN-Stelle (ÖLN: Ökologischer Leistungsnachweis) zusätzliche Kontrollen auf dem
Hof von A.________ durch. Sie stellte fest, dass die Tierhaltung ihrer Ansicht
nach teilweise immer noch nicht gesetzeskonform erfolge und insbesondere der
Pferdebestand nicht hinreichend reduziert worden sei. Das Veterinäramt des
Kantons Thurgau verfügte hierauf am 6. Oktober 2014, dass das rechtskräftige
Teiltierhalteverbot vom 8. August 2013 auf ein Totaltierhalteverbot ausgeweitet
werde (Art. 23 Abs. 1 TSchG [SR 455]); demgemäss sei A.________ das Halten, die
Zucht und der Handel mit Tieren in der ganzen Schweiz auf unbestimmte Zeit
verboten. Die Umsetzung der Verfügung habe bis zum 31. Dezember 2014 zu
erfolgen; im Übrigen stellte es die Missachtung seiner Anordnung unter die
Strafandrohung von Art. 292 StGB.

C.b. Der Entscheid vom 6. Oktober 2014 wurde A.________ per Einschreiben
zugestellt, von ihm auf der Post jedoch nicht abgeholt und in der Folge an das
Veterinäramt retourniert. Dieses will die Sendung A.________ anschliessend per
A-Post zugestellt haben, was dieser bestreitet. Am 28. Oktober 2014 (Dienstag)
wandte sich der Rechtsvertreter von A.________ an das Veterinäramt, nachdem
gewisse Medien tags zuvor darüber berichtet hatten, dass seitens der Behörden
geprüft werde, ob A.________ die Tierhaltung ganz zu verbieten und eine
Strafanzeige wegen Tierquälerei gegen ihn einzureichen sei. Er hielt dabei
fest, dass A.________ ihn "in dieser und allen anderen Angelegenheiten des
Veterinäramtes gegen ihn" mandatiert habe; er bitte um Akteneinsicht; sein
Klient sei im Übrigen erstaunt, dass ihm keine Gelegenheit geboten worden sei,
"den Sachverhalt aus seiner Sicht" zu schildern. Das Veterinäramt antwortete
dem Rechtsvertreter von A.________ am 4. November 2014 (Dienstag darauf), dass
es vom Vertretungsverhältnis Kenntnis genommen habe; weiter hielt es fest:
"Akteneinsicht werden wir Ihnen zum uns richtig erscheinenden Zeitpunkt
gewähren.".

C.c. Am 7. November 2014 kürzte das Landwirtschaftsamt des Kantons Thurgau die
Direktzahlungen 2014 von A.________. Im anschliessenden Rekursverfahren wies es
am 13. März 2015 darauf hin, dass das Veterinäramt - entgegen den Einwendungen
von A.________ - am 6. Oktober 2014 das bisher partiell geltende auf ein
totales Tierhalteverbot ausgeweitet habe, womit klar gestellt sei, dass unter
diesem Titel keine Leistungen erfolgen könnten.

C.d. Am 6. Mai 2015 wies das Departement für Inneres und Volkswirtschaft des
Kantons Thurgau das von A.________ am 23. März 2015 eingereichte
Fristwiederherstellungsgesuch bezüglich der Verfügung des Veterinäramtes vom 6.
Oktober 2014 ab. Es begründete dies damit, dass der Gesuchsteller
eingeschriebene Sendungen - so etwa den Entscheid vom 8. August 2013 -
wiederholt nicht in Empfang genommen habe. Gestützt auf den Kontrollbericht vom
6. März 2014 habe er damit rechnen müssen, dass ihm im Nachgang zur Verfügung
vom 8. August 2013 ein totales Tierhalteverbot zugestellt werden könnte. Es
gelte deshalb die rechtliche Vermutung, wonach Verfügungen, die nicht abgeholt
würden, innert sieben Tagen nach dem erfolglosen Zustellversuch als eröffnet
gälten, weshalb die Rekursfrist am 3. November 2014 abgelaufen sei; eine
Fristwiederherstellung komme nicht in Frage.

C.e. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies am 28. Oktober 2015 die
hiergegen gerichtete Beschwerde ab: Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass bei
der Zustellung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Fehler aufgetreten und
die Abholungseinladung - entgegen den Angaben auf der Sendungsverfolgung der
Post - nicht ordnungsgemäss in das Postfach gelegt worden wären, seien nicht
ersichtlich und würden nicht geltend gemacht. A.________ habe bewusst die
Zustellung vereitelt, indem er die betreffende Sendung auf der Post nicht
abgeholt habe, obwohl er nicht ortsabwesend gewesen sei. Angesichts seiner
Haltung gegenüber den Behörden und des Umstands, dass er wiederholt bereits
früher behördliche Sendungen/Verfügungen nicht entgegengenommen habe, seien
sein Verhalten und die Behauptung, dass kein Prozessrechtsverhältnis bestanden
habe, rechtsmissbräuchlich. Nach Treu und Glauben habe er im Oktober 2014 mit
der Zustellung einer Verfügung rechnen müssen, nachdem im März und August 2014
ÖLN-Kontrollen auf seinem Hof durchgeführt worden seien. Die siebentägige
Abholfrist habe am Dienstag, 14. Oktober 2014, geendet und die 20-tägige
Rekursfrist am 15. Oktober 2014 zu laufen begonnen, womit sie am Montag, 3.
November 2014, abgelaufen sei, ohne dass A.________ rekurriert hätte. Eine
Fristwiederherstellung falle ausser Betracht, da er nicht als schuldlos gelten
könne.

D.

D.a. A.________ beantragt vor Bundesgericht, den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 28. Oktober 2015 aufzuheben und ihm
die Wiederherstellung der Rekursfrist gegen die Verfügung des Veterinäramtes
vom 6. Oktober 2014 zu gewähren. Eventuell sei die Sache zur Neubehandlung an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Die kantonalen Behörden hätten gegen Treu und
Glauben verstossen, indem sie ihn bzw. seinen Rechtsvertreter auf die Anfrage
vom 28. Oktober 2014 hin nicht auf das am 6. Oktober 2014 verfügte totale
Tierhalteverbot aufmerksam gemacht hätten. Er habe erst aufgrund eines
Schreibens des Rechtsdienstes des Departements für Inneres und Volkswirtschaft
vom 19. März 2015 (zugestellt am 20. März 2015) bezüglich der Kürzungen der
Direktzahlungen für das Jahr 2014 von diesem Kenntnis erhalten. Das
Veterinäramt habe mit seiner Antwort vom 4. November 2015 absichtlich die
Möglichkeit vereitelt, noch rechtzeitig gegen das totale Tierhalteverbot
vorgehen zu können. Gestützt auf den Bericht der ÖLN-Kontrollstelle vom 12.
August 2014 habe er nicht damit rechnen müssen, dass ihm am 6. Oktober 2014,
ohne angehört worden zu sein, ein totales Tierhalteverbot auferlegt würde,
zumal er am 6. Oktober 2014 weniger als 60 Pferde in seinem Bestand gehabt
habe.

D.b. Das Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau
beantragt, die Beschwerde und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren abzuweisen. Das Veterinäramt
hält an seinen Ausführungen in den kantonalen Verfahren fest. Das
Verwaltungsgericht verweist auf die Darlegungen in seinem Entscheid und
bezeichnet die Behauptung von A.________, immer geltend gemacht zu haben, dass
keine Abholungseinladung in sein Postfach gelegt worden sei, als aktenwidrig.

D.c. Mit Verfügung vom 9. Februar 2016 hiess der Abteilungspräsident das
Gesuch, eine vorsorgliche Massnahme zu treffen, in dem Sinne gut, als er das
Veterinäramt des Kantons Thurgau anwies, von Vollzugshandlungen bis zum
bundesgerichtlichen Entscheid abzusehen.

Erwägungen:

1.
Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens bildet die Frage, ob die
kantonalen Behörden im Zusammenhang mit dem von ihnen am 6. Oktober 2014
angeordneten totalen Tierhalteverbot verfassungsmässige Verfahrensrechte des
Beschwerdeführers verletzt und ihm im Sinne einer formellen Rechtsverweigerung
(Art. 29 BV) verunmöglicht haben, die entsprechende Verfügung richterlich
überprüfen zu lassen. Da gegen das Tierhalteverbot die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegeben wäre, gilt dies auch für den
damit verbundenen Prozessentscheid des Departements für Inneres und
Volkswirtschaft des Kantons Thurgau, auf den entsprechenden Rekurs nicht
einzutreten, bzw. das diesen Entscheid bestätigende angefochtene Urteil
(Prinzip der Einheit des Verfahrens). Auf die grundsätzlich form- und
fristgerecht eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 90 BGG) des
Verwaltungsgerichts als Vorinstanz ist einzutreten (vgl. Art. 82 i.V.m. Art. 83
[e contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 89 BGG). Keine eigenständige
Bedeutung kommt unter diesen Umständen der vom Beschwerdeführer ergänzend
eingereichten subsidiären Verfassungsbeschwerde zu, da das Bundesgericht die
Verletzung von verfassungsmässigen Rechten auch im Rahmen der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten prüft (Art. 95 lit. a BGG; vgl. BGE 137
V 57 E. 1.3 S. 60; 136 II 5 E. 1.4 S. 9; Urteil 2C_75/2013 vom 29. August 2013
E. 1.2). Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist deshalb nicht einzutreten
(vgl. Art. 113 BGG).

2.

2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die
Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen - soweit
entscheidwesentlich - bloss berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich
unrichtig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist
(Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Die beschwerdeführende Person muss
rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der festgestellte Sachverhalt bzw.
die beanstandete Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft erscheint (Art.
42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; 133
III 350 E. 1.3 S. 351 f.). Auf rein appellatorische Kritik an der
Sachverhaltsermittlung bzw. an der Beweiswürdigung geht das Bundesgericht nicht
ein (BGE 136 II 101 E. 3 S. 104 f.).

2.2. Die vorliegende Eingabe genügt diesen Begründungsanforderungen nicht in
allen Punkten: Der Beschwerdeführer beschränkt sich teilweise darauf, lediglich
die bereits vor der Vorinstanz erhobenen, von dieser jedoch verworfenen
Einwände zu wiederholen und allgemein zu behaupten, ihm sei Unrecht geschehen.
Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu einzelnen Einwänden setzt er
sich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nur am Rande und oft
lediglich in appellatorischer Weise auseinander. Auf die entsprechenden - nicht
rechtsgenügend begründeten - Darlegungen wird im Folgenden nicht weiter
eingegangen (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; "qualifizierte Rüge- und
Substanziierungspflicht": BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; BGE 133 IV 286 E. 1.4
u. 6.2).

3.

3.1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelten behördliche Sendungen
in Prozessverfahren nicht erst dann als zugestellt, wenn der Adressat sie
tatsächlich in Empfang nimmt. Es genügt, wenn die Sendung in den Machtbereich
des Adressaten gelangt, sodass er sie zur Kenntnis nehmen kann. Wird der
Empfänger einer eingeschriebenen Briefpostsendung oder Gerichtsurkunde nicht
angetroffen und wird daher eine Abholeinladung in seinen Briefkasten oder in
sein Postfach gelegt, so gilt die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt, in
dem sie auf der Poststelle abgeholt wird. Geschieht dies nicht innert der
Abholfrist, die sieben Tage beträgt, wird die Sendung am letzten Tag dieser
Frist als eröffnet vermutet. Diese sogenannte "Zustellfiktion" rechtfertigt
sich, weil für die an einem Verfahren Beteiligten nach dem Grundsatz von Treu
und Glauben die Pflicht besteht, dafür zu sorgen, dass ihnen behördliche Akte
eröffnet werden können. Die Rechtsprechung gilt während eines hängigen
Verfahrens, wenn die Verfahrensbeteiligten mit der Zustellung eines
behördlichen oder gerichtlichen Entscheides oder einer Verfügung mit einer
gewissen Wahrscheinlichkeit rechnen müssen (Erfordernis des hängigen
Prozessrechtsverhältnisses; BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399; 119 V 89 E. 4b/aa
S. 94; Urteile 2P.120/2005 vom 23. März 2006 E. 3, publ. in ZBl 108/2007 S. 46
ff.; 2C_284/2014 vom 2. Dezember 2014 E. 4 u. 5; 2C_128/2012 vom 29. Mai 2012
E. 2; 6B_704/2015 vom 16. Februar 2016 E. 4; 2C_1040/2012 vom 21. März 2013 E.
4; 8C_804/2013 vom 19. September 2014 E. 2). Sowohl die Zustellpflicht der
Behörde als auch die Empfangspflicht der Verfahrensbeteiligten sind  vernünftig
, d.h. weder mit übertriebener Strenge noch mit ungerechtfertigtem Formalismus,
zu handhaben (BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399; 119 V 89 E. 4b/aa S. 94; 115 Ia
12 E. 3a S. 15).

3.2. Die verfahrensrechtliche Obliegenheit, die Zustellung von behördlichen
Akten zu ermöglichen, dauert nicht unbeschränkt lange. Als Zeitraum, während
dem die Zustellfiktion aufrechterhalten werden darf, ohne dass
verfahrensbezogene Handlungen erfolgen, werden in der Literatur mehrere Monate
bis etwa ein Jahr genannt; dauert die Untätigkeit der Behörde länger an, kann
nach dieser Meinung die Zustellfiktion nicht mehr greifen (vgl. ANDREAS
GÜNGERICH, in: Seiler et al. [Hrsg.], Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl.
2015, N. 6 ff. zu Art. 44 BGG; JEAN-MAURICE FRÉSARD, in: Corboz et al. [Hrsg.],
2. Aufl. 2014, N. 10 ff. zu Art. 44 BGG; ANNETTE DOLGE, in: Spühler et al.
[Hrsg.], Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2013, N. 3 zu Art. 44 BGG; AMSTUTZ/
ARNOLD, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], BSK Bundesgerichtsgesetz, 2.
Aufl. 2011, N. 21 ff. zu Art. 44 BGG; YVES DONZALLAZ, La notification en droit
interne suisse, Berne 2002, S. 501).

3.3. Der Beschwerdeführer war an zahlreichen Verwaltungsverfahren beteiligt,
dabei ging es jeweils um tierschutz-, abwasser- und subventionsrechtliche
Probleme (Direktzahlungen). Am 8. August 2013 erliess das Veterinäramt ein
Teiltierhalteverbot, welches es am 6. Oktober 2014, d.h. über ein Jahr nach
seinem ersten Entscheid, auf ein Vollverbot ausdehnte. Im Hinblick hierauf
kommt die Zustellfiktion im konkreten Fall nicht zur Anwendung. Der
Beschwerdeführer durfte davon ausgehen, dass die Behörden vor dem Erlass
weiterer tierschutzrechtlicher Anordnungen ihn kontaktieren und ihm die
Gelegenheit geben würden, um sich vor der Zustellung einer entsprechenden
erstinstanzlichen Verfügung äussern zu können. Nach über einem Jahr, während
dem ihm die Chance geboten werden sollte, mit einem Teiltierhalteverbot seinen
landwirtschaftlichen Betrieb weiter aufrecht erhalten zu können, durfte ihm die
Zustellfiktion - mangels eines durch die zuständige Behörde konkret eröffneten
und gegen ihn anhängig gemachten  tierschutzrechtlichen Verfahrens - nicht
entgegengehalten werden. Das Teiltierhalteverbot schloss das frühere
Kontrollverfahren ab und stellte als mögliche Sanktion die Ersatzvornahme in
Aussicht; es vermochte indessen nicht die Grundlage für das Fortbestehen eines
Prozessrechtsverhältnisses hinsichtlich eines vollumfänglichen Verbots zu
begründen. Ob ein für die Zustellfiktion hinreichendes Prozessrechtsverhältnis
besteht, ist in Bezug auf den jeweiligen Streitgegenstand zu prüfen. Der
Beschwerdeführer musste vorliegend nicht mit einer Weiterführung des
Prozessrechtsverhältnisses rechnen, welches zur Verfügung vom 6. Oktober 2014
Anlass gab. Hieran ändert - entgegen der Ansicht der Vorinstanz - nichts, dass
die Firma X.________ GmbH im März und August 2014 auf seinem Hof Kontrollen
bezüglich des "Ökologischen Leistungsnachweises" durchführte. Der
Beschwerdeführer musste gestützt darauf und unter Beachtung des Umstandes, dass
er einen Anspruch hatte, vor Erlass einer neuen Verfügung durch die zuständige
Behörde angehört zu werden (Art. 29 Abs. 2 BV; E. 4.2 hiernach), nicht
annehmen, dass ein neues  tierschutzrechtliches Prozessrechtsverhältnis
begründet worden war; für die Anordnung eines Tierhalteverbots war weder die
ÖLN-Kontrollstelle noch das Landwirtschaftsamt, sondern das Veterinäramt
zuständig. Die Zustellfiktion durfte somit mangels eines hinreichend klar
definierten Prozessrechtsverhältnisses nicht auf das umstrittene Verfahren
angewendet werden.

4.

4.1. Dies gilt umso mehr, wenn die verfahrensrechtliche Situation gesamthaft in
die Beurteilung miteinbezogen wird: Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers
hat - nach Medienberichten über das mögliche (Voll-) Tierhalteverbot - am 28.
Oktober 2014 um Akteneinsicht für alle vergangenen und zukünftigen Verfahren
ersucht. Zu diesem Zeitpunkt lief die Rekursfrist gegen den Entscheid vom 6.
Oktober 2014 noch bis zum 3. November 2014, falls die Zustellfiktion zur
Anwendung gekommen wäre. Die Eingabe des Rechtsvertreters erfolgte unter
anderem unter dem Titel "Prüfung eines Tierhalteverbots" und enthielt einen
Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer überrascht sei, dass ihm "keine
Gelegenheit gegeben wurde, den Sachverhalt aus seiner Sicht darzustellen".

4.2. Das Veterinäramt antwortete ihm am Tag nach Ablauf der Rekursfrist mit der
knappen Feststellung: "Akteneinsicht werden wir ihnen zum uns richtig
erscheinenden Zeitpunkt gewähren". Das Schreiben verkannte damit den
individualrechtlichen Gehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör und auf
Akteneinsicht; die Gewährung dieser Rechte liegt nicht im Belieben der Behörden
(vgl. Art. 29 Abs. 1 und 2 BV). Der durch Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistete
Grundsatz des rechtlichen Gehörs dient der Sachaufklärung und garantiert den
betroffenen Personen ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht im
Verfahren. Bei einer Verletzung des Anspruchs ist wegen dessen formeller Natur
der angefochtene Entscheid grundsätzlich unabhängig von seiner inhaltlichen
Berechtigung aufzuheben (BGE 140 I 99 E. 3.8 S. 106); eine Heilung des Mangels
kommt im vorliegenden Fall nicht infrage, da keine Beschwerdeinstanz die
umstrittene Verfügung materiell geprüft hat. Die Parteien sollen sich unter
Kenntnis der relevanten Aktenlage (vgl. BGE 140 I 99 E. 3.4 S. 103 mit
Hinweisen) vor Erlass des Entscheids zur Sache äussern, erhebliche Beweise
beibringen, an der Erhebung von Beweisen mitwirken oder zumindest zum
Beweisergebnis Stellung nehmen können (BGE 139 II 489 E. 3.3; 137 II 266 E. 3.2
S. 270 mit Hinweisen). Die Behörde ist grundsätzlich verpflichtet, die ihr
angebotenen Beweismittel abzunehmen, wenn sie zur Abklärung des Sachverhalts
tauglich erscheinen. Sie muss die Vorbringen der Parteien tatsächlich hören,
prüfen und in der Entscheidfindung berücksichtigen (BGE 137 II 266 E. 2 S.
270).

4.3. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hatte Anspruch darauf, in die
Akten der seinen Mandanten betreffenden Verfahren Einsicht zu nehmen. War es
den Behörden aus organisatorischen Gründen nicht möglich, ihm diese rechtzeitig
zu Verfügung zu stellen, hätten sie ihn zumindest auf die noch laufende
Rekursfrist gegen das totale Tierhalteverbot vom 6. Oktober 2014 hinweisen
müssen, nachdem die Zustellfiktion nicht zur Anwendung kommen konnte, die
retournierte Verfügung sich bei den Akten befand und die durch die kantonalen
Behörden behauptete nachträgliche zusätzliche Zustellung der Verfügung per
A-Post unbewiesen geblieben ist. Es verstösst gegen das Gebot von Treu und
Glauben, an das sich auch die Behörden zu halten haben (Art. 9 BV; BGE 131 II
627 E. 6.1 S. 637), einem Akteneinsichtsgesuch nicht zu entsprechen und dem
Rechtsvertreter des Betroffenen erst einen Tag nach Ablauf der Rekursfrist mit
dem Hinweis zu antworten, dass er die Akten zu einem späteren Zeitpunkt werde
konsultieren können, wenn dies dem Veterinäramt seinerseits "richtig"
erscheine. Ein solches Verhalten verletzt - ohne dass hierfür sachliche Gründe
geltend gemacht werden können - den verfassungsmässigen Anspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 BV); ausserdem vereitelt es den Anspruch der
Verfahrenspartei, eine sie belastende Verwaltungsmassnahme richterlich auf ihre
Rechtmässigkeit hin überprüfen lassen zu können (Art. 29a BV).

4.4. Was die Vorinstanz hiergegen vorbringt, überzeugt nicht: Die
Zustellfiktion kam vorliegend - wie dargelegt - mangels des erforderlichen,
hinreichend konkretisierten Prozessrechtsverhältnisses nicht zur Anwendung.
Jeder Rechtssuchende hat Anspruch darauf, dass seine Verfahrensrechte gewahrt
bleiben und nicht durch ein Treu und Glauben verletzendes Verhalten der
Behörden vereitelt werden, auch wenn die betroffene Person in anderem
Zusammenhang ihrerseits Regelverstösse begangen haben sollte. Soweit die
Vorinstanz das Verhalten des Beschwerdeführers allgemein als
"rechtsmissbräuchlich" bezeichnet, weil er sich nicht kooperativ zeigte,
verkennt sie die Tragweite der verfassungsmässig garantierten Verfahrensrechte.
Warum es als rechtsmissbräuchlich gelten sollte, ein totales Tierhalteverbot,
zu dem der Betroffene sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht äussern konnte,
gerichtlich überprüfen lassen zu wollen, ist nicht ersichtlich.

4.5. Soweit die kantonalen Behörden darauf hinweisen, dass der Beschwerdeführer
über die nachträgliche Zustellung per A-Post vom Entscheid vom 6. Oktober 2014
Kenntnis gehabt haben müsse, handelt es sich - wie bereits dargelegt - um eine
reine Vermutung; die Zustellung per A-Post ist nicht bewiesen. Selbst wenn dies
aber der Fall wäre, hätte das Veterinäramt dem relativ spät - nach Berichten in
den Medien - beigezogenen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die verlangte
Akteneinsicht zu dem von ihm gewünschten Zeitpunkt gewähren bzw. ihn so
informieren müssen, dass er die Gelegenheit hätte wahrnehmen können, den Rekurs
wenigstens vorsorglich summarisch zu begründen (vgl. das Urteil 2C_319/2011 vom
26. Januar 2012 E. 6); hieran ändert nichts, dass es - wie die Vorinstanz
einwendet - bei der Medienberichterstattung um einen anderen (neuen) Fall von
Tierquälerei gegangen sein soll. Der Medienbericht vom 27. Oktober 2014 warf
die Frage nach einem totalen Tierhalte- und damit einem weitgehenden
Berufsverbot gegen den Beschwerdeführer auf; wenn der Rechtsvertreter sich tags
darauf über den Erlass bzw. das Bestehen einer solchen Massnahme informieren
lassen wollte und hierfür um Akteneinsicht ersuchte, durfte das Veterinäramt
ihm - nachdem die Rekursfrist noch bis zum 3. November 2014 lief - nicht
verschweigen, dass ein solches bereits (ohne rechtliches Gehör im
erstinstanzlichen Verfahren) am 6. Oktober 2014 verfügt worden war.

5.

5.1. Da der Nichteintretensentscheid des Departements für Inneres und
Volkswirtschaft bzw. das diesen schützende Urteil des Verwaltungsgerichts vom
28. Oktober 2015 in Verletzung der verfassungsmässigen Rechte des
Beschwerdeführers ergingen, sind sie aufzuheben und die Frist zur Anfechtung
der umstrittenen Verfügung antragsgemäss wiederherzustellen: Nach § 26 des
Gesetzes über die thurgauische Verwaltungsrechtspflege vom 23. Februar 1981 ist
dies auf begründetes Gesuch hin möglich, wenn den Säumigen oder seinen
Vertreter kein Verschulden trifft und das Gesuch innert 14 Tagen seit Wegfall
des Grundes eingereicht wird, der die Einhaltung der Frist verhindert hat.
Bestand kein hinreichend konkretisiertes Prozessrechtsverhältnis, welches die
Anwendung der Zustellfiktion zuliess, und informierte das Veterinäramt den
Anwalt auf dessen Anfrage hin nicht über das bereits ergangene, aber noch nicht
rechtskräftige Totaltierhalteverbot, ist das Hindernis, rechtzeitig Rekurs
erheben zu können, der Behördensphäre zuzurechnen; den Beschwerdeführer trifft
hinsichtlich der notwendigen Entschuldbarkeit für die Fristwiederherstellung
seinerseits kein oder nur ein untergeordnetes Verschulden. Mit den Ausführungen
des Beschwerdeführers ist - nachdem die kantonalen Behörden nichts anderes zu
belegen vermochten - davon auszugehen, dass er am 13. bzw. 20. März 2015 im
Rahmen des Verfahrens um die Direktzahlungen für das Jahr 2014 von der
Verfügung vom 6. Oktober 2014 Kenntnis erhalten und sein Gesuch vom 23. März
2015 damit rechtzeitig eingereicht hat, weshalb die Rekursfrist gegen die
Verfügung vom 6. Oktober 2014 in diesem Sinn wiederherzustellen ist.

5.2. Dem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens entsprechend sind keine
Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung des Beschwerdeführers ist als gegenstandslos
abzuschreiben. Der Kanton Thurgau hat ihn für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG). Das Verwaltungsgericht
des Kantons Thurgau wird die kantonale Kosten- und Entschädigungsfrage neu zu
beurteilen haben (vgl. Art. 67 BGG e contrario).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen
und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 28. Oktober 2015
aufgehoben. Die Rekursfrist gegen die Verfügung des Veterinäramtes des Kantons
Thurgau vom 6. Oktober 2014 wird wieder hergestellt.

1.2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.

2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als
gegenstandslos abgeschrieben.

2.2. Es werden keine Kosten erhoben.

2.3. Der Kanton Thurgau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

2.4. Zur Regelung der kantonalen Kosten- und Entschädigungsfrage wird die Sache
an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau zurückgewiesen.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juli 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar

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