Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.322/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_322/2016

Urteil vom 23. Mai 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Kocher.

Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________ geb. C.________, Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Andrea Silvio Mathis,

gegen

Steueramt des Kantons Aargau Sektion Verrechnungssteuer und
Wertschriftenbewertung.

Gegenstand
Verrechnungssteuer 2012 (Rückerstattung),

Beschwerde gegen das Urteil des Spezialverwaltungsgerichts des Kantons Aargau,
Steuern, vom 25. Februar 2016.

Erwägungen:

1.

1.1. A.A.________ ist Alleingesellschafter und seine Gattin, B.A.________ geb.
C.________, zuständig für das Rechnungswesen der X.________ GmbH, deren Sitz
sich im hier interessierenden Zeitraum in U.________/AG befand. Am 20. November
2012 beschloss die Gesellschafterversammlung die Ausrichtung einer Dividende
von Fr. 800'000.--, fällig am 31. Dezember 2012. Die X.________ GmbH
deklarierte die Dividende in ihrer Steuererklärung, füllte das Formular 110
ordnungsgemäss aus und überwies die Verrechnungssteuer von Fr. 280'000.--
(ausmachend 35 Prozent) an die ESTV. Die Restanz schrieb sie dem Kontokorrent
des Alleingesellschafters gut. Die Eheleute A.________-C.________ (nachfolgend:
die Steuerpflichtigen) deklarierten die 100-prozentige Beteiligung des
Ehemannes an der X.________ GmbH ordnungsgemäss im Wertschriftenverzeichnis zur
Steuererklärung 2012 (mit dem massgebenden Vermögenssteuerwert). Dagegen
liessen sie das Feld, in welchem die empfangene Dividende von Fr. 800'000.--
einzusetzen gewesen wäre, leer.

1.2. Mit Schreiben vom 28. Mai 2015 erkundigte sich das Steueramt des Kantons
Aargau (nachfolgend: KStA/AG) bei den Steuerpflichtigen hinsichtlich des
Steuerjahrs 2012 nach Erträgen aus der Beteiligung. Nach Eingang der verlangten
Auskünfte erliess das KStA/AG am 25. Juni 2015 einen Entscheid, worin es die
Rückerstattung der Verrechnungssteuer verweigerte. Das KStA/AG begründete dies
mit der unterlassenen Deklaration der empfangenen Dividende. Die Einsprache der
Steuerpflichtigen vom 8. Juli 2015 wies das KStA/AG am folgenden Tag ab.
Dagegen gelangten die Steuerpflichtigen an das Spezialverwaltungsgericht des
Kantons Aargau, Abteilung Steuern. Mit Entscheid 3-BV.2015.6 vom 25. Februar
2016 wies dieses die Beschwerde ab, wobei es sich hauptsächlich auf die jüngste
bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 23 VStG berief.

1.3. Mit Eingabe vom 14. April 2016 erheben die Steuerpflichtigen beim
Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie
beantragen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Verrechnungssteuer
von Fr. 280'000.-- sei ihnen zurückzuerstatten. Der Abteilungspräsident als
Instruktionsrichter hat weder einen Schriftenwechsel noch andere
Instruktionsmassnahmen angeordnet.

2.

2.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den verfahrensabschliessenden Entscheid
einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen
Rechts. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2,
Art. 89 Abs. 1, Art. 90 BGG i. V. m. Art. 56 VStG [SR 642.21]). Auf die
Beschwerde ist einzutreten.

2.2.

2.2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
insbesondere die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95
lit. a und b BGG). Bei der Prüfung verfügt das Bundesgericht über
uneingeschränkte (volle) Kognition und wendet es das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG).

2.2.2. Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht in jedem Fall
nur, falls eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und
ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht
gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 IV 57 E. 2.2 S. 60). Auf bloss allgemein
gehaltene, appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Entscheid tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 317 E. 5.4 S. 324; 141 IV 369 E. 6.3 S.
375).

2.2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz, wozu auch die Beweiswürdigung zählt (BGE 141 IV
369 E. 6.3 S. 375; 140 III 264 E. 2.3 S. 266), nur berichtigen oder ergänzen,
soweit sie offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich, sind oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG;
BGE 141 V 657 E. 2.1 S. 659 f.).

3.

3.1. Streitig und zu prüfen ist die Frage nach dem Anspruch auf die
Rückerstattung der Verrechnungssteuer in Höhe von Fr. 280'000.--. Im Zentrum
steht die Anwendung und Auslegung von Art. 23 VStG (Verwirkung des Anspruchs
von natürlichen Personen auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf
Kapitalerträgen und Lotteriegewinnen). Der "Deklarationsklausel" (so BERNHARD
ZWAHLEN, in: Zweifel/Beusch/ Bauer-Balmelli [Hrsg.], Kommentar zum VStG, 2.
Aufl. 2012, N. 1 zu Art. 23 VStG) zufolge verwirkt den Anspruch auf
Rückerstattung, wer "mit der Verrechnungssteuer belastete Einkünfte oder
Vermögen, woraus solche Einkünfte fliessen, entgegen gesetzlicher Vorschrift
der zuständigen Steuerbehörde nicht angibt".

3.2.

3.2.1. Das Bundesgericht legt die tatbeständliche Formulierung "... entgegen
gesetzlicher Vorschrift der zuständigen Steuerbehörde nicht angibt" in
langjähriger Praxis folgendermassen aus: Der Anspruch einer natürlichen Person
auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen und
Lotteriegewinnen ist verwirkt, wenn die steuerpflichtige Person die
verrechnungssteuerbelasteten Einkünfte nicht  spontan in der nächstfolgenden
Steuererklärung nach Fälligkeit der Leistung deklariert oder aber zumindest die
eingereichte Steuererklärung  spontan so frühzeitig ergänzt, dass die Einkünfte
von der Veranlagungsbehörde noch vor der definitiven Veranlagung berücksichtigt
werden können (BGE 113 Ib 128 E. 2b S. 130; 110 Ib 319 E. 6c/cc S. 327). Diese
langjährige, ausserordentlich gefestigte Praxis hat das Bundesgericht gerade in
jüngster Zeit immer wieder bestätigt (Urteile 2C_1083/2014 vom 20. November
2015 E. 2.2.1 [Kanton Basel-Stadt]; 2C_85/2015 vom 16. September 2015 E. 2.2
[Kanton Aargau]); 2C_172/2015 vom 27. August 2015 E. 4.1 [Kanton Genf], in:
RDAF 2015 II S. 495, StR 70/2015 S. 1000; 2C_949/2014 vom 24. April 2015 E. 3.1
(Kanton Tessin), in: RtiD 2015 II S. 497).

3.2.2. Die bundesgerichtliche Praxis verlangt damit eine spontane Erstmeldung
(im Rahmen der Steuererklärung) bzw. zumindest eine spontane Nachmeldung, die
so rechtzeitig erfolgt, dass die bislang noch nicht deklarierte
verrechnungssteuerbelastete Einkunft in der Veranlagungsverfügung auch
tatsächlich noch berücksichtigt werden kann. Ausschlussgründe einer
Rückerstattung bilden im Umkehrschluss etwa die Veranlagung nach
pflichtgemässem Ermessen (Art. 130 Abs. 2 DBG bzw. Art. 46 Abs. 3 StHG; dazu
erstmals BGE 113 Ib 128 E. 2b S. 130), ebenso aber auch abklärende Massnahmen,
welche die hierfür zuständige Behörde trifft, um zu erfahren, ob überhaupt
verrechnungssteuerbelastete Einkünfte angefallen sind (siehe dazu die
Konstellation im zit. Urteil 2C_85/2015 vom 16. September 2015 [Kanton
Aargau]). Sowohl bei einer Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen als auch
bei der "überholenden" steueramtlichen Abklärung fehlt es an einer
ursprünglichen Selbstdeklaration des betreffenden Vermögenswerts bzw. der
verrechnungssteuerbelasteten Einkunft. So oder anders genügt die
steuerpflichtige Person ihrer direktsteuerlichen Mitwirkungspflicht nicht (so
insbesondere Art. 124 Abs. 2 und Art. 125 Abs. 1 lit. c DBG bzw. Art. 42 Abs. 1
StHG). Von einer anspruchsbegründenden "spontanen" Deklaration im Sinne von
Art. 23 VStG kann unter solchen Umständen keine Rede sein.

3.3.

3.3.1. Die Vorinstanz gibt die herrschende bundesgerichtliche Praxis in allen
Teilen zutreffend wieder. Entsprechend folgert sie, dass eine "spontane
Nachdeklaration der Dividende (...) nach der Aufforderung der Vorinstanz
ohnehin nicht mehr möglich gewesen" wäre (Entscheid E. 8.1). Ob es überhaupt zu
einer Nachdeklaration (beim hierfür zuständigen Gemeindesteueramt, nicht beim
für die Rückerstattung zuständigen KStA/AG) gekommen ist, konnte die Vorinstanz
unter diesen Umständen berechtigterweise offen lassen. Ebenso wenig zu
beanstanden ist die beweiswürdigende Feststellung, wonach beide fachkundigen
Eheleute Kenntnis vom Dividendenbeschluss haben mussten, was - soweit überhaupt
von Belang - zumindest als fahrlässiges Verhalten zu qualifizieren wäre
(Entscheid E. 8.2).

3.3.2. Die Steuerpflichtigen holen in ihrer Begründung zwar weit aus und
präsentieren eine grosse Zahl von Argumenten, ohne aber die vorinstanzliche
Auslegung und Anwendung des massgebenden Bundesrechts erschüttern zu können.
Von vornherein keine Rolle spielen kann der Umstand, dass es sich bei der
ausschüttenden Kapitalgesellschaft um eine GmbH - und nicht eine AG - handelt.
Wenn auch die Transparenz hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse bei einer
GmbH naturgemäss höher ist, ändert dies an den gesetzlichen Vorgaben nichts.
Die Annahme, dass die Deklaration des verminderten "Net Asset Value" auf eine
Dividende hätte schliessen lassen, trifft sodann in dieser Form nicht zu.
Welche Faktoren letztlich zur Anhebung oder Verminderung des Substanzwerts
führen, kann der Steuererklärung nicht ohne Weiteres entnommen werden. Ebenso
wenig von Bedeutung ist die Art der Verbuchung der Dividende auf Stufe der GmbH
(konkret: Passivierung als Kreditor) oder der Umstand, dass die Dividende in
der privaten Steuererklärung "eben nicht mit Null angegeben, sondern einfach
das entsprechende Feld leergelassen wurde". Abgesehen davon, dass der
Tatbestand von Art. 23 VStG objektiviert gehalten ist, hätte es den
sachkundigen Eheleuten wohl bei minimaler Sorgfalt auffallen können, dass eine
Einkunft in Höhe von Fr. 800'000.-- undeklariert geblieben ist.

3.4. Die sorgfältige vorinstanzliche Auslegung und Anwendung von Art. 23 VStG
erweist sich als bundesrechtskonform, weshalb die Beschwerde zufolge
offensichtlicher Unbegründetheit abzuweisen ist. Für alles Weitere kann auf den
angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 109 BGG). Nach dem
Unterliegerprinzip haben die Steuerpflichtigen die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG), dies je
hälftig und unter solidarischer Haftbarkeit (Art. 66 Abs. 5 BGG). Dem in seinem
amtlichen Wirkungskreis obsiegenden Kanton Aargau steht keine
Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 5'000.-- werden je
hälftig und unter solidarischer Haftbarkeit den Beschwerdeführern auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Spezialverwaltungsgericht des
Kantons Aargau, Steuern, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 23. Mai 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Kocher

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