Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.282/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_282/2016

Urteil vom 18. Mai 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiberin Mayhall.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Franco Faoro,

gegen

Eidgenössische Technische Hochschule Zürich.

Gegenstand
Bachelor-Studiengang X.________ - Leistungsausweis ohne Abschluss (Ausschluss
aus dem Studiengang),

Beschwerde gegen die Zwischenverfügung
des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
vom 29. Februar 2016.

Erwägungen:

1.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
und Verbeiständung vom 29. Februar 2016 in einem Verfahren, welches der
Beschwerdeführer in der Hauptsache gegen das Urteil der
ETH-Beschwerdekommission vom 29. Oktober 2015 anhängig gemacht hat. Die
Vorinstanz hat zwar das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege grundsätzlich
gutgeheissen, aber die unentgeltliche Verbeiständung abgelehnt, weil der
Beschwerdeführer vor der ETH-Beschwerdekommission vertreten war, der
angefochtene Entscheid die Sach- und Rechtslage umfassend abhandle, die
Ausgangslage sich für den Beschwerdeführer damit übersichtlich darstelle und
die von ihm verfasste Rechtsschrift belege, dass er auf den Beizug eines
Rechtsvertreters nicht angewiesen sei; seine Befürchtung, einen Fehler zu
begehen, sei "bei sorgfältiger Beschwerdeführung unbegründet".

2.
In dem Umfang, wie das vorinstanzliche Hauptverfahren insbesondere
organisatorische Fragen im Zusammenhang mit Prüfungen und nicht eine
eigentliche Bewertung der intellektuellen oder persönlichen Fähigkeiten des
Beschwerdeführers zum Gegenstand haben wird, steht einer in diesem Punkt bei
Bundesgericht erhobenen Beschwerde im Hauptverfahren und folglich einer bei
Bundesgericht erhobenen Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid der
Ausschlussgrund von Art. 83 lit. t BGG nicht entgegen (BGE 136 I 229 E. 1 S.
231; Urteile 2C_134/2014 vom 13. Februar 2014 E. 2.1; 2C_577/2009 vom 6. Januar
2010 E. 1.1; THOMAS HÄBERLI, Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2.
Aufl. 2011, N. 9 N. 299 zu Art. 83 BGG). Der das Verfahren vor der Vorinstanz
nicht abschliessende Zwischenentscheid ist geeignet, dem Beschwerdeführer einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil zu verursachen (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG;
BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338; 129 I 281 E. 1.1 S. 283 f.; 126 I 207 E. 2.a S.
210). Auf die Beschwerde ist einzutreten und sie ist, weil offensichtlich
begründet, im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG mit summarischer
Begründung gutzuheissen.

3.
Die bedürftige Partei hat gestützt auf Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BV einen Anspruch
darauf, dass ihr auf Gesuch hin ein unentgeltlicher Rechtsvertreter bestellt
wird, falls dies zur Wahrung ihrer Rechte notwendig erscheint. Die
Notwendigkeit für die Rechtswahrung ist in aller Regel erfüllt, wenn die
Interessen der bedürftigen Partei in schwerwiegender Weise betroffen sind und
die Angelegenheit Tat- und Rechtsfragen aufwirft, die den Beizug eines
Rechtsvertreters erforderlich machen. Als Grundsatz gilt dabei, dass je
schwerer ein Verfahren in die Rechtsstellung einer Person einzugreifen droht,
umso eher die Gebotenheit einer Bestellung eines unentgeltlichen
Rechtsvertreters zu bejahen ist (BGE 139 I 206 E. 3.3.1 S. 214; 130 I 180 E.
3.3.2 S. 185; Urteil I 911/06 vom 2. Februar 2007 E. 4; SEILER, in: Kommentar
zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, N. 40).

4.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer als bedürftig im Sinne der
verfassungsrechtlichen Minimalgarantie von Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BV zu gelten
und sein Gesuch nicht wegen Aussichtslosigkeit seiner Beschwerde im
Hauptverfahren zum Vornherein abgewiesen werden kann (zur Gewichtung dieses
Kriteriums bei der Verbeiständung GEISER, in: Basler Kommentar zum
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 30 zu Art. 64 BGG). Hinsichtlich der
Notwendigkeit der Bestellung eines Rechtsvertreters zur Wahrung der Rechte des
Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass das in der Hauptsache anhängige
Verfahren insbesondere die Möglichkeit, an der ETH nicht bestandene Prüfungen
im Studiengang X.________ aus gesundheitlichen Gründen wiederholen zu können,
zum Gegenstand hat, und aus diesem Grund geeignet ist, die Rechtsstellung des
Beschwerdeführers stark zu beeinträchtigen. Nach ständiger bundesgerichtlicher
Praxis (oben, E. 3) spricht bereits dieser Umstand für die Bestellung eines
unentgeltlichen Rechtsvertreters und sind nicht, wie die Vorinstanz
unzutreffenderweise erwog, erhöhte Anforderungen an deren Erforderlichkeit zu
stellen. Diese wegen der möglichen schweren Beeinträchtigung der Rechtsstellung
erforderliche Bestellung eines Rechtsbeistandes wird, entgegen der Auffassung
der Vorinstanz, nicht dadurch aufgewogen, dass der Beschwerdeführer im
erstinstanzlichen Verfahren rechtskundig vertreten war, sich gebührend
vernehmen lassen konnte und der erstinstanzliche Entscheid ausführlich
begründet ist, hängt doch der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens davon ab,
inwiefern dieser erstinstanzliche Entscheid einer juristischen Prüfung
standhält (GEISER, a.a.O., N. 32 [erster Spiegelstrich] zu Art. 64 BGG). Dass
das Verfahren vor der Vorinstanz durch die Untersuchungs- und zumindest
teilweise durch die Offizialmaxime (Art. 12, Art. 62 VwVG in Verbindung mit
Art. 37 VGG) beherrscht wird, die Eventualmaxime grundsätzlich keine Anwendung
findet (Art. 32 Abs. 2 VwVG in Verbindung mit Art. 37 VGG), und der
Beschwerdeführer nach Auffassung der Vorinstanz verständliche Aussagen zum
Streitgegenstand machen kann, lässt die Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung auch deswegen nicht als überflüssig erscheinen, weil das von der
Vorinstanz zu erlassende Urteil, soweit es eine eigentliche Bewertung der
Fähigkeiten des Beschwerdeführers zum Gegenstand haben wird, letztinstanzlich
ist (Art. 83 lit. t BGG; zur Gewichtung der möglichen Folgen für die
Rechtsstellung, der Anwendbarkeit der Untersuchungs- und Offizialmaxime sowie
der Rechtsstellung ausführlich BGE 130 I 180 E. 3 S. 182 ff.; Urteil I 911/06
vom 2. Februar 2007 E. 6, E. 7).

5.
Die Beschwerde ist damit gutzuheissen und der angefochtene Entscheid
aufzuheben, soweit dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Verbeiständung
verweigert wurde; Rechtsanwalt Faoro ist als unentgeltlicher Vertreter zu
bestellen. Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben
(Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Hingegen ist der Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen, wobei zu beachten ist, dass die
Beschwerdegegnerin den (gravierenden) Verfahrensfehler der Vorinstanz nicht
veranlasst und im bundesgerichtlichen Verfahren auch keinen Antrag gestellt
hat. Die Parteientschädigung ist daher von der Vorinstanz auszurichten (Art. 68
Abs. 1, 2 und 4 BGG; Urteil 5A_61/2012 vom 23. März 2012 E. 4). Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren
ist damit gegenstandslos.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
29. Februar 2016 wird insofern aufgehoben, als damit das Gesuch des
Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtsverbeiständung abgewiesen wurde. Das
Gesuch um unentgeltliche Verbeiständigung im vorinstanzlichen Verfahren wird
gutgeheissen und dem Beschwerdeführer wird für das vorinstanzliche Verfahren
Rechtsanwalt Franco Faoro als Rechtsbeistand beigegeben.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- auszurichten.

4. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als
gegenstandslos abgeschrieben.

5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Mai 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Zünd

Die Gerichtsschreiberin: Mayhall

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