Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.281/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_281/2016

Urteil vom 5. April 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
Beschwerdeführerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Georg Kramer,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,
Sicherheits- und Justizdepartement des
Kantons St. Gallen.

Gegenstand
Familiennachzug / vorläufige Aufnahme,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 25. Februar 2016.

Erwägungen:

1. 
Die 1982 geborene serbische Staatsangehörige A.________ heiratete 1998 in
Serbien einen Landsmann. Die Ehe wurde 2001 geschieden. Das Ehepaar hatte die
Tochter B.________, geboren am 1999. Diese wurde bei der Scheidung unter die
elterliche Obhut des Vaters gestellt; sie wuchs in Serbien auf und schloss dort
die obligatorische Schulzeit ab. A.________ ihrerseits zog am 12. Oktober 2009
in die Schweiz, wo sie am 20. Oktober 2009 einen Schweizer Bürger heiratete;
gestützt darauf erhielt sie eine Aufenthaltsbewilligung. Am 10. August 2010
wurde die eheliche Gemeinschaft aufgegeben; die Scheidung wurde am 11. Oktober
2011 ausgesprochen. Das Migrationsamt des Kantons St. Gallen erklärte sich
angesichts der psychischen Erkrankung des geschiedenen Schweizer Ehemannes
bereit, den Fall von A.________ dem Bundesamt (heute: Staatssekretariat) für
Migration im Hinblick auf eine Härtefallbewilligung zu unterbreiten.
Am 13. Januar 2014 übertrug das zuständige serbische Amtsgericht gestützt auf
einen Bericht des lokalen Jugendamtes vom 21. November 2013 das Sorgerecht über
B.________ auf A.________. B.________ lebte von März bis Juni 2014 bei einer
Halbschwester in Serbien. Am 22. Juni 2014 reiste sie im Alter von 15 Jahren
und drei Monaten zu ihrer Mutter in die Schweiz, welche am 25. Juni 2014 für
sie um Nachzug ersuchte. B.________ wurde im August 2014 in U.________
eingeschult. Am 13. Oktober 2014 wies das Migrationsamt des Kantons St. Gallen
das Nachzugsgesuch ab und verfügte die Wegweisung der Tochter; zudem ordnete es
an, dass allfällige Rechtsmittelverfahren im Ausland abzuwarten wären. Im
Rekursverfahren lehnte das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St.
Gallen die Gewährung des Aufenthalts während des Rekursverfahrens ab (12.
November resp. 8. Dezember 2014); die Beschwerde gegen diese prozessleitende
Massnahme wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen am 29. Januar 2015
ab. Der rechtskräftigen vorläufigen Ausreiseverpflichtung wurde indessen keine
Folge geleistet. Das Departement wies den Rekurs in der Sache selbst am 24.
August 2015 ab; mit Entscheid vom 25. Februar 2016 wies das Verwaltungsgericht
des Kantons St. Gallen die gegen den Rekursentscheid erhobene Beschwerde ab.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. April 2016
beantragen A.________ und B.________ dem Bundesgericht, der Entscheid des
Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und das Nachzugsgesuch für B.________ sei
gutzuheissen; eventuell sei das Migrationsamt anzuweisen, aufgrund des
Vorliegens von Wegweisungshindernissen beim Staatssekretariat für Migration um
vorläufige Aufnahme für B.________ zu ersuchen.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.

2. 

2.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit bzw. die Zulässigkeit eines
Rechtsmittels zwar von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 138 I 475 E. 1
S. 476; 138 III 46 E. 1, 471 E. 1 S. 475; BGE 137 III 417 E. 1). Ist jedoch die
Zulässigkeit eines Rechtsmittels zweifelhaft, beschlägt die der Beschwerde
führenden Partei obliegende Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG
grundsätzlich auch die Eintretensvoraussetzungen; die für deren Vorliegen
massgeblichen Aspekte müssen diesfalls aufgezeigt werden (vgl. BGE 134 II 45 E.
2.2.3 S. 48; 133 II 249 E. 1.1 S. 251, 353 E. 1 S. 356, 400 E. 2 S. 404; s.
auch BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47). Hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels vom
Bestehen eines Rechtsanspruchs ab, ist ein potenzieller Anspruch in
vertretbarer Weise geltend zu machen (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332; 136 II 177
E. 1.1 S. 179; Urteil 2C_859/2015 vom 6. Oktober 2015 E. 2.1).

2.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gemäss Art.
83 lit. c BGG unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts
betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht
einen Anspruch einräumt (Ziff. 2), betreffend die vorläufige Aufnahme (Ziff. 3)
und betreffend die Wegweisung (Ziff. 4). Die Zulässigkeit der vorliegenden
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hängt mithin davon ab, ob
die Beschwerdeführerinnen in vertretbarer Weise einen Bewilligungsanspruch
geltend machen.
Die Beschwerdeführerin 1 hat nach Feststellung im angefochtenen Entscheid bloss
eine Aufenthaltsbewilligung. Der für ihre Tochter beantragte Familiennachzug
beruht somit auf Art. 44 AuG. Im Unterschied zu Art. 42 und 43 AuG verschafft
Art. 44 AuG dem Kind eines bloss über eine Aufenthaltsbewilligung verfügenden
Elternteils keinen Rechtsanspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung (vgl. BGE 137 I 284 E. 2.1 S. 287). Ebenso fehlt dem
Kind die Möglichkeit, eine Bewilligung nach Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des
Familienlebens) zu beanspruchen, wäre doch unabdingbare Voraussetzung dafür,
dass der nachziehende Elternteil über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der
Schweiz verfügte, was bei blosser Aufenthaltsbewilligung nicht der Fall ist, es
sei denn, diese beruhe ihrerseits auf einem Rechtsanspruch (vgl. BGE 139 I 330
E. 1.2 S. 323; 137 I 284 E. 1.2 und 1.3 S. 886 f.; 135 I 143 E. 1.3.1 S. 145
f.; 130 II 281 E. 3.1 S. 285). Das Verwaltungsgericht hält ausdrücklich fest,
dass Art. 44 AuG vorliegend keinen Nachzugsanspruch einräume; dass es bei der
Prüfung eines Nachzugs nach Art. 44 AuG ausdrücklich Art. 8 EMRK
berücksichtigt, ändert daran nichts. Es obliegt den Beschwerdeführerinnen,
Umstände aufzuzeigen, die vorliegend dafür sprechen würden, dass trotz blosser
Aufenthaltsbewilligung der Mutter ein Bewilligungsanspruch der Tochter bestehe
(vorne E. 2.1). Dies tun sie nicht. Namentlich erwähnen sie Art. 83 lit. c
Ziff. 2 BGG nicht. Sie haben nicht in vertretbarer Weise einen Anspruch auf
Bewilligungserteilung im Familiennachzug geltend gemacht.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist offensichtlich
unzulässig. Es ist noch zu prüfen, ob das Rechtsmittel als subsidiäre
Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden kann (Art. 113 ff. BGG).

2.3. Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG); solche Rügen bedürfen spezifischer
Geltendmachung und Begründung (Art. 106 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 117 BGG).
Zur Verfassungsbeschwerde ist berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art.
115 lit. b BGG). Steht dem Ausländer kein Anspruch auf die beantragte
ausländerrechtliche Bewilligung zu, ist er durch deren Verweigerung nicht in
rechtlich geschützten Interessen betroffen, weshalb ihm die Legitimation zur
Anfechtung des negativen Bewilligungsentscheids bzw. eines diesen bestätigenden
Rechtsmittelentscheids in der Sache selbst fehlt (BGE 133 I 185).
Trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst ist der Ausländer allerdings
zur Rüge berechtigt, ihm zustehende Verfahrensgarantien seien verletzt worden.
Nicht zu hören sind dabei aber Vorbringen, die im Ergebnis auf die Überprüfung
des Sachentscheids abzielen; so ist die Rüge unzulässig, Beweisanträge seien
wegen willkürlicher antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt worden (vgl. BGE
114 Ia 307 E. 3c S. 313; 129 I 217 E. 1.4 S. 222; 126 I 81 E. 7b S. 94; 118 Ia
232 E. 1c S. 236; zur Weiterführung dieser so genannten "Star-Praxis" unter der
Herrschaft des Bundesgerichtsgesetzes s. BGE 135 II 430 E. 3.2 S. 436 f.; s.
auch BGE 138 IV 78 E. 1.3 S. 80; spezifisch zum Ausländerrecht BGE 133 I 185 E.
6.2 S. 198 f. und BGE 137 II 305 E. 2 S. 308).
Die Beschwerdeführerinnen rügen die Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV sowie von
Art. 12 KRK, welch letzterer gleich wie Art. 47 Abs. 4 zweiter Satz AuG die
Anhörung von Kindern vorsieht (wobei es sich bei Art. 12 KRK allenfalls ohnehin
nicht um ein als solches anrufbares verfassungsmässiges Recht handelt, vgl.
Urteil 5A_746/2014 vom 30. April 2015 E. 4). Das Verwaltungsgericht kam zur
Auffassung, dass eine eigene Anhörung der Beschwerdeführerin 2 nicht
erforderlich sei, um zu massgeblichen entscheidwesentlichen Erkenntnissen zu
kommen. Es handelt sich bei dieser Einschätzung um eine antizipierte
Beweiswürdigung, deren Überprüfung auf eine wie gesehen unzulässige Beurteilung
der Hauptsache hinausläuft. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde kann sodann
nicht unmittelbar die Verletzung kantonalrechtlicher Prozessregeln
(Untersuchungsgrundsatz usw.) gerügt werden (BGE 141 I 36 E. 1.3 S. 41; 138 I
225 E. 3.1 und 3.2 S. 227 f.; 137 V 57 E. 1.3 S. 60 f.;136 I 49 E. 1.4.1 S. 53,
65 E. 1.3.1 S. 68, je mit Hinweisen).

2.4. Soweit im Zusammenhang mit dem Antrag betreffend vorläufige Aufnahme eine
Gehörsverweigerung geltend gemacht wird, gelten diesbezüglich vorab die
gleichen Einschränkungen wie hinsichtlich der Bewilligungsverweigerung (vgl.
BGE 137 II 305 E. 4 f.). Da das Verwaltungsgericht materiell geprüft und bejaht
hat, ob und dass eine Rückreise der Beschwerdeführerin 2 nach Serbien zumutbar
sei, ist ohnehin nicht nachvollziehbar dargelegt, worin im Hinblick auf eine
vorläufige Aufnahme eine Gehörsverletzung vorliegen könnte (vgl. Art. 106 Abs.
2 BGG).

2.5. Auf die unzulässige bzw. zulässiger Rügen entbehrende Beschwerde ist mit
Entscheid des Abteilungspräsidenten als Einzelrichter im vereinfachten
Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten.

2.6. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann schon
darum nicht entsprochen werden, weil die Beschwerde aussichtslos erschien (Art.
64 BGG) :
Damit sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführerinnen nach Massgabe von Art.
65 sowie Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 5 BGG aufzuerlegen.

 Demnach erkennt der Präsident:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden den Beschwerdeführerinnen unter
solidarischer Haftung auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 5. April 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Feller

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