Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.277/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]               
{T 0/2}
                             
2C_277/2016, 2C_278/2016

Urteil vom 25. Januar 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Stadelmann, Haag,
nebenamtlicher Bundesrichter Benz,
Gerichtsschreiber Matter.

Verfahrensbeteiligte
Stiftung X.________, als Alleinerbin von A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Rieder,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Schwyz.

Gegenstand
Staats- und direkte Bundessteuer 2008
(Abschreibungen),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungs-
gerichts des Kantons Schwyz, Kammer II,
vom 16. Februar 2016.

Sachverhalt:

A.
A.________ war Inhaber einer Einzelfirma. Für die Steuerperiode 2008 machte er
bei der Staats- und der direkten Bundessteuer Abschreibungen in der Höhe von
Fr. 690'063.05 zum Abzug von seinem steuerbaren Einkommen geltend. Die
zuständigen Steuerbehörden des Kantons Schwyz liessen den Abzug nicht zu, da
sich die Abschreibungen nicht auf das Geschäfts-, sondern das Privatvermögen
des Pflichtigen bezögen. Diese Beurteilung wurde auf Einsprache hin und
kantonal letztinstanzlich vom Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz bestätigt.

B.
A.________ war am 19. Juli 2015 verstorben. Die Stiftung X.________ hat als
Alleinerbin und Rechtsnachfolgerin von A.________ am 31. März 2016 beim
Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Sie
beantragt, den verwaltungsgerichtlichen Entscheid vom 16. Februar 2016
aufzuheben und die Sache im Sinne der vorliegenden Beschwerde zur
Neuveranlagung an das Verwaltungsgericht oder die Kantonale Steuerverwaltung
zurückzuweisen.

C.
Die Kantonale und die Eidgenössische Steuerverwaltung (diese nur hinsichtlich
der direkten Bundessteuer) schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das
Verwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

I. Prozessuales

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid betreffend
die direkten Steuern des Kantons und des Bundes. Dagegen steht gemäss Art. 82
ff. BGG in Verbindung mit Art. 73 ff. des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990
über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG,
SR 642.14) und mit Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
direkte Bundessteuer (DBG, SR 642.11) die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht offen. Der Einzelunternehmer ist im
kantonalen Verfahren mit seinen Anträgen nicht durchgedrungen, weshalb die
Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin zur Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert ist (Art. 89 Abs. 1 BGG).
Auf das form- und fristgerecht eingereichte Rechtsmittel ist somit einzutreten.

1.2. Das gilt auch insoweit, als die Beschwerdeführerin den vorinstanzlichen
Entscheid mit einer einzigen Beschwerdeeingabe anficht (vgl. dazu im Einzelnen
das Urteil 2C_603/2012, 2C_604/2012 vom 10. Dezember 2012 E. 1). Für die
Staats- und die direkte Bundessteuer eröffnet das Bundesgericht zwei getrennte
Verfahren (2C_277/2016 und 2C_278/2016), die jedoch praxisgemäss vereinigt
werden.

1.3. Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Rechtsschrift die Begehren und deren
Begründung zu enthalten; im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2
BGG). Die Vorbringen müssen sachbezogen sein, damit aus der Beschwerdeschrift
ersichtlich ist, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid
beanstandet wird.

II. Direkte Bundessteuer

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die hier zu beurteilende
Erwerbstätigkeit sei eine selbständige im Sinne von Art. 18 Abs. 1 DBG; die
Abschreibungen hätten sich auf das Geschäftsvermögen der Einzelfirma bezogen
und seien nach Massgabe von Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. a DBG abzugsfähig
gewesen. Das hat das Verwaltungsgericht jedoch verneint und die Abschreibungen
stattdessen dem Privatvermögen zugeordnet, was einen steuermindernden Abzug
verunmögliche.

2.2. Die vorinstanzliche Beurteilung stimmt mit den durch die
bundesgerichtliche Rechtsprechung festgelegten Kriterien zur Unterscheidung
zwischen selbständiger Erwerbstätigkeit und privater Vermögensverwaltung (vgl.
dazu u.a. BGE 125 II 113 E. 5a S. 121; 122 II 446 E. 3a S. 449; 121 I 259 E. 3c
S. 263; je m.w.H.) in mehrfacher Hinsicht nicht überein:

2.2.1. Per 31. Dezember 2008 deklarierte der Einzelunternehmer im
Wertschriftenverzeichnis insgesamt ca. 50 Darlehen in der Höhe von Fr.
15'000.-- bis Fr. 6 Mio. mit einer Gesamtdarlehenssumme von über Fr. 30 Mio..
Wesentliche Indizien für eine gewerbsmässige und über eine private
Vermögensverwaltung hinausgehende Darlehensgewährung sind - entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht nur die Vielzahl und der Umfang der
Darlehen. Dafür spricht u.a. auch, dass der Betroffene Ende 2012 sämtliche
Darlehen durch Verkauf bzw. Abtretung an eine GmbH übertrug, deren einziger
Gesellschafter er war und welche fortan die Vergabe der Darlehen übernahm (vgl.
Urteil 2C_42/2015 vom 10. September 2015 E. 3.2).

2.2.2. Weiter erscheinen die Risiken, die der Unternehmer einging, als
beträchtlich. Gemessen an seinem steuerbaren Vermögen von Fr. 85'788'000.--
(vgl. den angefochtenen Entscheid, S. 2 unten) erreichten die Darlehen Ende
2008 mehr als ein Drittel. Soweit ersichtlich wurden die Darlehensgeschäfte
hauptsächlich mit Unternehmen bzw. Unternehmensinhabern geschlossen. Unter den
Darlehensnehmern waren mehr als ein Dutzend Kapitalgesellschaften. Die
Kreditgewährung war dementsprechend mit Risiken verbunden, die im Rahmen einer
schlichten Vermögensverwaltung - etwa bei der Anlage in Obligationen -
regelmässig gemieden werden.
Dank Zinserträgen aus den Darlehen in der Höhe von rund Fr. 1.5 Mio. im Jahr
2008 erzielte der Unternehmer zudem eine angemessene Rendite. Es kann nicht
ernsthaft daran gezweifelt werden, dass die Darlehen grundsätzlich mit der
Absicht der Gewinnerzielung gewährt wurden.

2.2.3. Insgesamt sprengt die für eine natürliche Person aussergewöhnlich
umfangreiche Beschäftigung des Einzelunternehmers auf dem Gebiet der
Kreditgewährung den Rahmen einer schlichten Vermögensverwaltung deutlich. Das
Gesamtbild aller Umstände der Kreditgewährung spricht für eine gewerbsmässige
Tätigkeit auf dem Gebiet der Kreditvergabe.

2.3. Dagegen argumentiert das Verwaltungsgericht weiter, der Einzelunternehmer
habe die gewährten Darlehen zuvor überwiegend seinem Privatvermögen zugeordnet
und nur vereinzelt in die Bilanz der Firma aufgenommen. Auf die Deklaration in
der Steuererklärung und die beigelegte Jahresrechnung (Bilanz und
Erfolgsrechnung) müsse er sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie
dem daraus folgenden Verbot des widersprüchlichen Verhaltens behaften lassen.
Ein Widerruf der Steuererklärung sei nur unter besonderen Voraussetzungen
zulässig. Wenn der Betroffene im nachfolgenden Einsprache- und
Beschwerdeverfahren die Darlehen ausnahmslos in den Aktiven der Einzelfirma
aufgeführt und die Darlehenszinsen in der Erfolgsrechnung zu den Einkünften aus
selbständiger Erwerbstätigkeit gerechnet habe, so könne er aus diesen
nachträglichen Korrekturen nichts zu seinen Gunsten ableiten (vgl. E. 2.3 des
angefochtenen Entscheids).
Dem kann so nicht gefolgt werden. Zwar ist eine Bilanzänderung nach Einreichen
der Steuererklärung nicht mehr möglich, nur noch die Berichtigung einer
(handelsrechtswidrigen) Bilanz (vgl. PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, N 177 zu
Art. 18; MARKUS BERGER, Probleme der Bilanzberichtigung, ASA 70 S. 548). Im
Gegensatz dazu kann die Steuererklärung im offenen Veranlagungsverfahren
jederzeit rechtlich frei gewürdigt werden. Massgeblich ist, dass der
Einzelunternehmer die streitigen Abschreibungen auf Sacheinlagen bereits in
seiner Bilanz/Erfolgsrechnung 2008 aufgeführt und in seine Steuererklärung 2008
integriert hatte. Zu beurteilen ist somit, ob die in der Erfolgsrechnung
ausgewiesenen und in der Steuererklärung geltend gemachten Abschreibungen
zulässig sind.

3.

3.1. Wenn der Betroffene aber im Jahr 2008 eine selbständige Erwerbstätigkeit
ausübte, so war er grundsätzlich berechtigt, die entsprechenden besonderen
Abzüge geltend zu machen (Art. 27 ff. DBG). Gemäss Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2
lit. a DBG können als geschäfts- oder berufsmässig begründete Kosten namentlich
die ausgewiesenen Abschreibungen des Geschäftsvermögens abgezogen werden. Für
diese war er - wie für steuermindernde Tatsachen allgemein - beweisbelastet
(vgl. dazu u.a. BGE 133 II 153 E. 4.3 S. 158 f.; 121 II 257 E. 4c/aa S. 266 und
273 E. 3c/aa S. 284 mit Hinweisen; Urteile 2C_164/2013 vom 28. März 2014 E. 3.5
und 2C_1082/2012 vom 25. Oktober 2013 E. 2.3).

3.2. Die Beschwerdeführerin tritt vor Bundesgericht den Nachweis nicht an, dass
das hier zu beurteilende Geschäftsvermögen eine Werteinbusse erlitten habe. In
ihrer Beschwerdeschrift fehlen zu diesem Punkt jegliche Ausführungen, im
Gegensatz zu den Eingaben für den Einzelunternehmer im vorinstanzlichen
Verfahren (vgl. insb. Ziff. 14 S. 5 der Beschwerde vom 5. September 2014 und
Ziff. 15 S. 4 der Stellungnahme vom 29. Oktober 2014 zur Vernehmlassung der
kantonalen Steuerverwaltung). Der angefochtene Entscheid hat sich mit diesem
Punkt ebenfalls nicht befasst, weil das Verwaltungsgericht von nicht
abzugsfähigen Abschreibungen auf Privatvermögen ausgegangen ist.
Vor Bundesgericht hat die Beschwerdeschrift darzulegen, inwiefern der
angefochtene Entscheid Recht verletzt; insbesondere muss ersichtlich sein, in
welchen Punkten und weshalb der besagte Entscheid beanstandet wird. Hingegen
muss die Beschwerdeführerin sich nicht mit Punkten auseinandersetzen, welche in
diesem Entscheid gar nicht behandelt worden sind. Somit kann nicht gesagt
werden, dass die Beschwerde ungenügend begründet wäre (vgl. oben E. 1.3).
Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass ihr Rechtsvorgänger als
Selbständigerwerbender einen eigenen Geschäftsbetrieb geführt hätte, was es
erlaubt hätte, die verbuchten Abschreibungen ohne weiteren Nachweis
anzuerkennen (vgl. zum Begriff des Betriebs u.a. BGE 142 II 283 E. 3.2 u. 3.3
S. 287). Stattdessen geht es hier um eine - auf dem Gebiet der
Kreditvermittlung ausgeübte - sonstige selbständige Erwerbstätigkeit. Unter den
gegebenen Umständen kann das Bundesgericht nicht beurteilen, ob die
Abschreibungen hinreichend ausgewiesen sind. Angesichts der besonderen
Verfahrenssituation rechtfertigt es sich deshalb, die Sache für eine neue
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

III. Staats- und Gemeindesteuern

4.
Zum Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Art. 7 Abs. 1 u. Art. 8 StHG;
§ 19 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Schwyz vom 9. Februar 2000; StG/SZ;
SRSZ 172.200) und hinsichtlich der Abschreibungen (Art. 10 Abs. 1 lit. a StHG;
§ 29 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 StG/SZ) stimmen die für die Staatssteuer
massgeblichen Vorschriften mit denjenigen zur direkten Bundessteuer überein. Es
kann demnach auf die vorangehenden Erwägungen verwiesen werden.

IV. Kosten- und Entschädigungsfolgen

5.

5.1. Nach dem Gesagten sind die beiden Verfahren zu vereinigen und die
Beschwerden gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die
Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der vorstehenden Erwägungen an das
Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Dieses wird der Beschwerdeführerin
insbesondere Gelegenheit zu geben haben, ihre zur Begründetheit der
Abschreibungen bereits gemachten Ausführungen (vgl. oben E. 3.2) noch einmal zu
verdeutlichen.

5.2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Kanton Schwyz, der
Vermögensinteressen vertritt, kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs.
1 u. 4; Art. 68 Abs. 2 BGG). Ebenso wird das Verwaltungsgericht über die
Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens neu zu befinden
haben (Art. 67, Art. 68 Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Verfahren 2C_277/2016 und 2C_278/2016 werden vereinigt.

2. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend die direkte
Bundessteuer (2C_278/2016) wird gutgeheissen, der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 16. Februar 2016 aufgehoben und die
Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der vorstehenden Erwägungen an das
Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

3. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend die Staats-
und Gemeindesteuern (2C_277/2016) wird gutgeheissen, der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 16. Februar 2016 aufgehoben und die
Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der vorstehenden Erwägungen an das
Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

4. 
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 6'000.-- werden dem Kanton Schwyz
auferlegt.

5. 
Der Kanton Schwyz hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 6'000.-- auszurichten.

6. 
Zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens
wird die Sache an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz zurückgewiesen.

7. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz, Kammer II, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 25. Januar 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Matter

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