Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.229/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_229/2016

Urteil vom 29. April 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hess,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern,

Justiz- und Sicherheitsdepartement
des Kantons Luzern.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des
Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung,
vom 9. Februar 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der aus dem Kosovo stammende A.A.________ (geb. 1973) reiste am 5. März
1991 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein und erhielt eine
Aufenthaltsbewilligung, welche regelmässig verlängert wurde (zuletzt bis zum
29. November 2012). Am 27. April 2000 heiratete er seine Landsfrau
B.A.________. Die beiden haben drei Kinder, C.A.________ (geb. 2001),
D.A.________ (geb. 2003) und E.A.________ (geb. 2004). B.A.________ und die
Kinder sind ebenfalls im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung.
Am 19. Oktober 2011 wurde die Ehe geschieden; das Sorgerecht und die Obhut über
die Kinder verblieben bei der Mutter. Das damals eingeräumte gerichtsübliche
Besuchsrecht für A.A.________ wurde angesichts entstandener Schwierigkeiten im
März 2015 von der zuständigen Behörde für die Dauer von zwei Jahren ganz
aufgehoben. Auf Beschwerde hin genehmigte das Kantonsgericht Luzern am 2.
November 2015 eine Vereinbarung der geschiedenen Eheleute über ein begleitetes
Besuchsrecht, jeweils einen Samstag pro Monat während vier Stunden.
A.A.________ ist seit November 2003 bei der X.________AG als Taxichauffeur
angestellt. Gegen ihn bestehen 15 Betreibungen im Gesamtbetrag von etwas über
Fr. 23'000.-- und offene Verlustscheine in der Höhe von etwas über Fr.
25'000.--.

A.b. Am 25. Mai 2012 bestrafte das Kriminalgericht Luzern A.A.________ mit zwei
Jahren Freiheitsstrafe bedingt wegen Vergewaltigung gemäss Art. 190 Abs. 1 StGB
und wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffengesetz. A.A.________ hatte
im Februar 2010 - unter Einsatz eines Brotmessers als Drohmittel - seine
(Noch-) Ehefrau vergewaltigt. Die Verurteilung wurde zweitinstanzlich vom
Kantonsgericht und auch vom Bundesgericht (Urteil 6B_567/2014 vom 14. Oktober
2014) geschützt.

B.
Mit Verfügung vom 9. März 2015 wies das Amt für Migration des Kantons Luzern
das Gesuch von A.A.________ um eine weitere Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung ab und wies ihn aus der Schweiz weg. Die hiegegen
erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheid des kantonalen
Justiz- und Sicherheitsdepartements vom 13. August 2015, Urteil des
Kantonsgerichts Luzern vom 9. Februar 2016).

C.
Mit "Beschwerde (Art. 82 ff.) " vom 14. März 2016 beantragt A.A.________ dem
Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichts vom 9. Februar 2016 aufzuheben,
auf eine Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung bzw. Wegweisung zu
verzichten, und ihn - den Beschwerdeführer - bloss zu verwarnen (Art. 96 Abs. 2
AuG). Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Gleichzeitig
wird um "vollumfängliche" unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
ersucht.

D.
Mit Verfügung vom 15. März 2016 wurde der Beschwerde - antragsgemäss -
aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die Akten sind beigezogen, ein
Schriftenwechsel ist nicht durchgeführt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen Entscheide über ausländerrechtliche Bewilligungen ist die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, falls das Bundesrecht
oder das Völkerrecht einen Rechtsanspruch auf deren Erteilung bzw. Verlängerung
einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Für das Eintreten genügt,
wenn die betroffene Person in vertretbarer Weise darlegt, dass potenziell ein
solcher Anspruch besteht (BGE 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f. mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer lebt seit vielen Jahren in der Schweiz und hat drei
minderjährige Kinder. Er beruft sich in vertretbarer Weise auf Art. 8 EMRK
(Schutz des Familien- bzw. Privatlebens); ein diesbezüglicher Anspruch ist in
solchen Konstellationen materiell zu prüfen (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S.
286 sowie Urteil 2C_512/2013 vom 17. Februar 2014 E. 3.1); ob und in welchem
Umfang der behauptete Anspruch tatsächlich besteht, bildet Gegenstand dieser
materiellen Beurteilung und nicht des Eintretens (vgl. BGE 137 I 305 E. 2.5 S.
315; 136 II 177 E. 1.1 S. 179; Urteil 2C_195/2014 vom 12. Januar 2015 E. 1.1,
nicht publ. in: BGE 141 II 1).

1.2. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG
geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Mit einer Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können diese nur dann gerügt werden,
wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich sind (BGE 133 II 249 E.
1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398) oder auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG beruhen. Zudem ist vom Beschwerdeführer aufzuzeigen, dass
die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.

2.1. Das Kantonsgericht erwog, aufgrund der rechtskräftig gewordenen
Verurteilung vom 25. Mai 2012 wegen Vergewaltigung sei die gesetzliche
Voraussetzung für eine Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung
(Verurteilung zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe) grundsätzlich erfüllt.
Einen Anspruch auf ein Anwesenheitsrecht gestützt auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK
(Garantien des Familien- bzw. Privatlebens) verneinte es, prüfte aber im Rahmen
einer Interessenabwägung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) trotzdem, ob die
Bewilligungsverweigerung im Lichte der entsprechenden Konventionsgarantien
verhältnismässig sei. Dabei berücksichtigte es die Dauer der Anwesenheit des
Beschwerdeführers, den Grad seiner Integration sowie die ihm und seiner Familie
drohenden Nachteile (namentlich auch das Alter der Kinder und die massiv
eingeschränkte Besuchsrechtsregelung). Das Kantonsgericht kam zum Schluss, die
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei verhältnismässig. Der
Beschwerdeführer habe es sich selber zuzuschreiben, dass er die Beziehung zu
seinen Kindern in Zukunft in erschwerter, jedoch nicht unzumutbarer Weise
(überwindbare Distanz zum Herkunftsland, technische Kommunikationsmittel)
aufrechterhalten müsse.

2.2. Was der Beschwerdeführer dem Bundesgericht vorträgt, ist nicht geeignet,
den angefochtenen Entscheid als bundesrechts- bzw. konventionswidrig erscheinen
zu lassen:
Zunächst beruft er sich auf den durch Art. 8 EMRK garantierten Schutz des
Familienlebens. Diesbezüglich mangelt es indessen schon am gefestigten
Anwesenheitsrecht der geschiedenen Ehefrau und der gemeinsamen Kinder, welche
alle nur im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung sind, was für eine Berufung auf
diese Garantie grundsätzlich nicht ausreicht (vgl. BGE 135 I 143 E. 1.3.1 S.
145 f.). Der Beschwerdeführer macht zwar - dem Kantonsgericht widersprechend -
geltend, die Kinder und deren Mutter hätten ein gefestigtes Anwesenheitsrecht;
inwiefern diese eine Aufenthaltsbewilligung besitzen sollten, die ihrerseits
auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruht, lässt sich mit den Ausführungen in
der Beschwerdeschrift (Rz. 25 und 26) aber nicht dartun. Unabhängig davon
erscheint die Feststellung der Vorinstanz, die Beziehung zu seinen Kindern
werde zeitweise gar nicht und zum heutigen Zeitpunkt nur sehr beschränkt
gelebt, nicht offensichtlich unrichtig (vgl. vorne lit. A.a). Sie entzieht -
angesichts des Umstandes, dass diese eingeschränkte Beziehung auch vom
Herkunftsland aus gepflegt werden kann (vorne E. 2.1) - den Ausführungen des
Beschwerdeführers, die Nichtverlängerung der Bewilligung stehe in krassem
Gegensatz zum Kindeswohl und sei damit unverhältnismässig, die Grundlage.
Für sich selber beruft sich der Beschwerdeführer sodann auf die ebenfalls durch
Art. 8 EMRK geschützte Garantie des Privatlebens und erwähnt seine lange
Anwesenheit in der Schweiz und seine gute berufliche Integration. Aus seinen
Ausführungen zu den notorisch unregelmässigen Arbeitszeiten als Taxifahrer und
zu seinem Bekanntenkreis geht aber nicht hervor, dass er - zumal eine
langjährige Anwesenheit für sich allein nicht genügt (vgl. Urteil 2C_536/2013
vom 30. Dezember 2013 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 140 II 129; ferner BGE 130 II
281 E. 3.2.1 S. 286) - über die als Anspruchsgrundlage erforderlichen besonders
intensiven, über eine normale Integration hinausgehenden privaten Bindungen
gesellschaftlicher oder beruflicher Natur bzw. über entsprechende vertiefte
soziale Beziehungen zum ausserfamiliären bzw. ausserhäuslichen Bereich verfügt
(vgl. ebenda mit Hinweis auf BGE 126 II 425 E. 4c/aa S. 432); solche sind bei
ihm, der erst im Alter von 17 ½ Jahren in die Schweiz einreist war und nicht
als so genannter "Ausländer der zweiten Generation" gilt, auch nicht
ersichtlich (vgl. zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen vorne lit. A.a., am
Ende).
Zudem wäre angesichts der gravierenden Delinquenz auch ein Eingriff in das
Privatleben verhältnismässig, wozu auf die rechtskonformen Ausführungen der
Vorinstanz verwiesen werden kann (Art. 109 Abs. 3 BGG).
Ebenso wenig unverhältnismässig erscheint die Nichtverlängerung der Bewilligung
im Lichte des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bisher noch nie
ausländerrechtlich verwarnt worden ist (Art. 96 Abs. 2 AuG). Angesichts der
Natur und Schwere des begangenen Delikts (Anlasstat im Sinne von Art. 121 Abs.
3 lit. a BV [dazu bzw. zur sog. "praktischen Konkordanz" vgl. BGE 139 I 16 E.
4.2, 4.3 und 5.3, 31 E. 2.3.2 S. 34]) musste vorliegend keine
ausländerrechtliche Verwarnung angeordnet werden.

3.
Auch die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe ihm in
verfassungswidriger Weise (Art. 29 Abs. 3 BV) die unentgeltliche Rechtspflege
verweigert, ist unbegründet: In E. 6.3 des angefochtenen Urteils legt die
Vorinstanz ausführlich dar, aus welchen Gründen sie dem Beschwerdeführer die
unentgeltliche Rechtspflege verweigerte. Zu seinen Gunsten hat sie dabei weder
seine lange Anwesenheitsdauer noch dessen Festanstellung und seine damit
verbundene gute berufliche Integration übersehen. Zutreffenderweise hat sie
aber auch erwogen, pauschale Hinweise auf ein Abhängigkeitsverhältnis zu den
Familienangehörigen genügten der Substanzierungspflicht nicht. Zu Recht hat sie
sodann festgestellt, dass der bei ihr angefochtene Entscheid im Einklang mit
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung steht. Im Umstand, dass die Vorinstanz
die bei ihr erhobene Beschwerde als aussichtslos bezeichnet hat, liegt daher
keine Verfassungsverletzung.

4.
Damit ist die Beschwerde im vereinfachten Verfahren (Art. 109 BGG) unter
Verweisung auf den vorinstanzlichen Entscheid für alles Übrige abzuweisen.
Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 BGG).
Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann aus den in
E. 3 genannten Gründen auch für das bundesgerichtliche Verfahren nicht
entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4.
Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. April 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein

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