Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.184/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_184/2016

Urteil vom 25. Februar 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Schneider-Koch,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern.

Gegenstand
Ausländerrecht; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 20.
Januar 2016.

Erwägungen:

1. 
A.________, 1966 geborener Staatsangehöriger von Pakistan, reiste am 19. April
1989 in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch, das bereits am 6. November
des gleichen Jahres abgewiesen wurde. Er heiratet am 10. November 1989 eine
Schweizer Bürgerin, worauf er - im Kanton Bern - eine Aufenthaltsbewilligung
erhielt. Aus dieser Ehe ging die Tochter B.A.________, geboren 1990, hervor.
Bei der am 25. März 1993 ausgesprochenen Scheidung wurde B.A.________ der
Mutter zur Pflege und Auferziehung zugesprochen. Nach seinem Umzug in den
Kanton Luzern erhielt A.________ dort eine Aufenthaltsbewilligung. 1999 kam
ausserehelich die Tochter C.A.________ zur Welt, welche wie ihre Mutter
Schweizer Bürgerin ist. 2011 wurde der Sohn D.A.________ geboren, welcher mit
seiner Mutter in England lebt.
Am 24. Februar 2000, am 14. Mai 2004 sowie am 17. Mai 2011 verweigerte das Amt
für Migration des Kantons Luzern die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung
an A.________. 2004 war der Betroffene wegen strafrechtlicher Verurteilungen
ausländerrechtlich verwarnt worden. Ab 2010 wurde ihm die
Aufenthaltsbewilligung jeweilen unter der Auflage erneuert, sich von der
Sozialhilfe abzulösen. Am 6. November 2012 und am 9. Juli 2013 wurde die
Bewilligung jeweilen nur noch um sechs Monate verlängert; die Ausländerbehörde
erklärte dazu, dass sie mit der Ergreifung ausländerrechtlicher Massnahmen
zuwarten werde, bis rechtskräftig über die IV-Berechtigung entschieden sei. Mit
rechtskräftigem Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 12. September 2013 wurde
bestätigt, dass dem Betroffenen keine IV-Leistungen zustehen. Am 23. April 2014
verlängerte das Amt für Migration des Kantons Luzern die Aufenthaltsbewilligung
von A.________ im Sinne einer letzten Chance um weitere sechs Monate. Mit
Verfügung vom 26. Februar 2015 lehnte es eine Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung aufgrund von fortgesetztem Sozialhilfebezug ab und
verfügte die Wegweisung. Eine Beschwerde gegen diese Verfügung an das Justiz-
und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern blieb erfolglos. Mit Urteil vom
20. Januar 2016 wies das Kantonsgericht Luzern die gegen den Entscheid des
Justiz- und Sicherheitsdepartements vom 28. August 2015 erhobene Beschwerde in
der Hauptsache ab; die Beschwerde wurde insofern gutgeheissen, als das
Departement das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
abgewiesen hatte. Für das Verfahren vor dem Kantonsgericht selber wies dieses
das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 24. Februar 2016
beantragt A.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichts sei
aufzuheben, soweit die Anträge nicht gutgeheissen worden seien; es sei
festzustellen, dass die Nichtverlängerung bzw. die Nichtwiedererteilung der
Aufenthaltsbewilligung unverhältnismässig sei und Bundesrecht bzw. die EMRK
verletze; es sei festzustellen, dass eine Wegweisung nicht zumutbar sei und
Bundesrecht bzw. die EMRK verletze; dem Beschwerdeführer sei die
Aufenthaltsbewilligung zu verlängern bzw. diese sei ihm aufgrund des
schwerwiegenden Härtefalles wieder zu erteilen; es sei in jedem Fall von einer
Wegweisung abzusehen; eventuell sei die Angelegenheit an die Vorinstanz bzw.
das Justiz- und Sicherheitsdepartement zurückzuweisen; dem Beschwerdeführer sei
auch für das Verfahren vor dem Kantonsgericht die vollumfängliche
unentgeltliche Rechtspflege unter Beizug des unterzeichneten Rechtsanwalts zu
gewähren.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.
Mit dem vorliegenden instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

2. 

2.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit bzw. die Zulässigkeit eines
Rechtsmittels gemäss Art. 29 Abs. 1 BGG von Amtes wegen und mit freier
Kognition (BGE 138 I 475 E. 1 S. 476; 138 III 46 E. 1, 471 E. 1 S. 475; BGE 137
III 417 E. 1), ohne dabei an die Bezeichnung des Rechtsmittels durch die
Parteien gebunden zu sein. Ist jedoch die Zulässigkeit eines Rechtsmittels
zweifelhaft, beschlägt die der Beschwerde führenden Partei obliegende
Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG grundsätzlich auch die
Eintretensvoraussetzungen; die für deren Vorliegen massgeblichen Aspekte müssen
diesfalls aufgezeigt werden (vgl. BGE 134 II 45 E. 2.2.3 S. 48; 133 II 249 E.
1.1 S. 251, 353 E. 1 S. 356, 400 E. 2 S. 404; s. auch BGE 138 III 46 E. 1.2 S.
47). Hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels vom Bestehen eines
Rechtsanspruchs ab, ist ein potenzieller Anspruch in vertretbarer Weise geltend
zu machen (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332; 136 II 177 E. 1.1 S. 179; neuestens
etwa Urteile 2C_983/2015 vom 5. November 2015 E. 2.1 und 2C_978/2015 vom 3.
November 2015 E. 1.2; mit Hinweisen).

2.2. Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts
unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das
Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt.

2.2.1. Einen gesetzlichen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
hat der Beschwerdeführer nicht; namentlich verschafft Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG
keinen Anspruch auf Erteilung einer Härtefallbewilligung (vgl. BGE 137 II 345
E. 3.2.1 S. 348 e contrario; Urteil 2C_104/2015 vom 31. Januar 2015 E. 2.2; mit
Hinweisen). Der Beschwerdeführer will sich indessen auf Art. 8 EMRK bzw. Art.
13 BV (Recht auf Achtung des Familien- wie auch des Privatlebens) berufen.

2.2.2. Die ältere Tochter des Beschwerdeführers B.A.________ ist volljährig;
mangels eines substanziierten oder auch nur behaupteten eigentlichen
diesbezüglichen Abhängigkeitsverhältnisses kann er sich im Hinblick auf das
ausländerrechtliche Bewilligungsverfahren im Zusammenhang mit dieser familiären
Beziehung nicht anspruchsbegründend auf Art. 8 EMRK berufen (s. dazu BGE 137 I
154 e 3.4.2; 129 II 11 E. 2 S. 14; 120 Ib 257 E. d - f S. 260 ff.; 115 Ib E. 2
S. 4 ff.; zuletzt Urteil 2C_133/2016 vom 9. Februar 2016 E. 2.3, mit weiteren
Hinweisen). Die jüngere Tochter steht kurz vor dem 17. Geburtstag und ist noch
minderjährig; zu ihr pflegt der Beschwerdeführer aber seit einiger Zeit kaum
Kontakte; es wird bloss in Aussicht gestellt, dass künftig nach der Pubertät
von C.A.________ "eine Intensivierung des Kontaktes absehbar" sei. Aus einer
derart gestalteten familiären Beziehung eines nicht sorgeberechtigten Vaters zu
seinem Kind lässt sich unter dem Aspekt Familienleben kein ausländerrechtlicher
Bewilligungsanspruch ableiten (vgl. BGE 139 I 315 E. 2.5 S. 321 f.).
Der Beschwerdeführer will eine Bewilligungsverlängerung wegen seiner langen
Anwesenheit in der Schweiz auf der Grundlage des Rechts auf Achtung des
Privatlebens beanspruchen. Dazu bedürfte es besonders vertiefter, über eine
normale Integration hinausgehender Bindungen gesellschaftlicher oder
beruflicher Natur bzw. vertiefter sozialer Beziehungen zum ausserfamiliären
bzw. ausserhäuslichen Bereich; in der Regel genügen hierfür eine lange
Anwesenheit und die damit verbundenen Beziehungen noch nicht; erforderlich ist
eine eigentliche Verwurzelung in die hiesigen Verhältnisse (BGE 130 II 281 E.
3.2 S. 286). Nach der Darstellung des Kantonsgerichts war der im Alter von 23
Jahren eingereiste Beschwerdeführer wenig konstant ins Berufsleben
eingegliedert. Er bezog seit seiner Einreise Sozialhilfe in der Grössenordnung
von 350'000 Franken; gemäss verbindlicher (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG)
Feststellung der Vorinstanz wird er seit März 2015 wiederum mit
wirtschaftlicher Sozialhilfe unterstützt, ohne dass hierfür nachvollziehbar
gesundheitliche Gründe vorliegen würden. Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV
verschaffen dem Beschwerdeführer auch unter dem Aspekt Privatleben keinen
Bewilligungsanspruch (s. dazu ergänzend E. 5 des angefochtenen Urteils).

2.3. Die Unzulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten in Bezug auf die Wegweisung ergibt sich aus Art. 83 lit. c
Ziff. 4 BGG.

3. 
Ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig, bleibt
noch zu prüfen, ob das Rechtsmittel als subsidiäre Verfassungsbeschwerde
entgegengenommen werden kann.

3.1. Mit Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte
gerügt werden (Art. 116 BGG). Entsprechende Rügen bedürfen spezifischer
Geltendmachung und Begründung (Art. 106 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 117 BGG;
qualifizierte Rügepflicht, vgl. BGE 137 II 305 E. 3.3 S. 310 f., mit
Hinweisen).
Zur Verfassungsbeschwerde ist gemäss Art. 115 lit. b BGG nur berechtigt, wer
ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des
angefochtenen Entscheids hat. Im Bereich des Ausländerrechts ist die
Beschwerdeberechtigung bei Fehlen eines Rechtsanspruchs auf eine Bewilligung
zur Anfechtung des negativen Bewilligungsentscheids nicht gegeben, soweit
dieser in materieller Hinsicht angefochten werden soll (grundlegend BGE 133 I
185). Trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst ist der Ausländer
allerdings zur Rüge berechtigt, ihm zustehende Verfahrensgarantien, namentlich
der Anspruch auf rechtliches Gehör, seien verletzt worden.

3.2. Der Beschwerdeführer hat unter keinem Titel einen Rechtsanspruch auf
Bewilligungsverlängerung und ist insofern in der materiellen Bewilligungsfrage
selber nicht zur Verfassungsbeschwerde legitimiert. Die Beschwerde richtet sich
auch gegen die Wegweisung. Der Ausländer, der keine ausländerrechtliche
Bewilligung hat bzw. welchem die Bewilligung nicht verlängert worden ist, ist
grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet; die Wegweisung ist die übliche Folge
des Fehlens einer Bewilligung (Art. 64 Abs. 1 lit. a und c BGG). Er kann
indessen mit Verfassungsbeschwerde gegen einen Wegweisungsentscheid die
Verletzung besonderer verfassungsmässiger Rechte wie Schutz des Lebens, Schutz
vor grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung usw. geltend
machen; dazu ist er legitimiert, weil diese speziellen Grundrechte ihm
unmittelbar ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 115 lit. b
BGG verschaffen (BGE 137 II 305 E. 3.3 S. 310). Solche Rügen werden vorliegend
indessen nicht erhoben, und es fehlt an einer gültigen Anfechtung der
Wegweisung.

3.3. Legitimiert ist der Beschwerdeführer zur Rüge, die Verweigerung der
unentgeltlichen Rechtspflege durch das Kantonsgericht verletze Art. 29 Abs. 3
BV. Er macht dazu geltend, aufgrund der Anwesenheit von über 25 Jahren und der
fortgeschrittenen sozialen Integration mit engem Familienbezug könne es nicht
sein, dass ein Gesuch als aussichtslos bezeichnet werde; die Sache müsse
zumindest durch eine unabhängige kantonale Instanz beurteilt werden können; die
Vorinstanz habe daher Bundesrecht verletzt, indem sie das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege mit der Begründung der Aussichtslosigkeit
abgewiesen habe.
Das Kantonsgericht hat zwar die bei ihm eingereichte
Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Bezug auf die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege durch seine Vorinstanz gutgeheissen und dieser vorgehalten, dass
sie die dortige Beschwerde nicht als aussichtslos hätte werten dürfen. Was das
bei ihm gestellte Gesuch betrifft, hat es in E. 9.1 dargelegt, warum und
inwiefern sich die Lage vor ihm als zweiter Beschwerdeinstanz in Bezug auf die
Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels anders präsentierte als vor
dem Justiz- und Sicherheitsdepartement. Zu diesem zentralen Aspekt der
vorinstanz lichen Begründung lässt sich der Beschwerdeschrift nichts entnehmen;
die vorstehend wiedergegebenen Vorbringen des Beschwerdeführers zu Art. 29 Abs.
3 BV sind unter diesen Umständen nicht geeignet, eine Verletzung dieses
verfassungsmässigen Rechts darzutun.

4. 
Als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist das eingereichte
Rechtsmittel unzulässig. Soweit der Beschwerdeführer - beschränkt - zur
subsidiären Verfassungsbeschwerde legitimiert wäre, werden keine hinreichenden
Rügen vorgetragen.
Auf die Beschwerde ist mit Entscheid des Abteilungspräsidenten als
Einzelrichter im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten.

5. 
Dem auch für das bundesgerichtliche Verfahren gestellten Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann schon darum nicht
entsprochen werden, weil die gestellten Rechtsbegehren aussichtslos erschienen.
Damit sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) dem Beschwerdeführer als
unterliegende Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG).

 Demnach erkennt der Präsident:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4.
Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Februar 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Feller

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