Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.166/2016
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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2C_166/2016            

 
 
 
Urteil vom 27. Oktober 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Mösching. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________ AG, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch PricewaterhouseCoopers AG. 
 
Gegenstand 
MWST; Vorsteuerabzug, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, 
vom 20. Januar 2016 (A-5099/2015). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ AG ist seit dem 1. Januar 2010 im Register der
mehrwertsteuerpflichtigen Personen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung
(ESTV) eingetragen. Die Gesellschaft erwirtschaftet ihre Umsätze in erster
Linie aus der Vermietung von Liegenschaften an Privatpersonen und Unternehmen.
An der Rue U.________ xx in V.________ (bzw. seit dem 1. Januar 2015
W.V.________) besass sie eine Betriebsliegenschaft, welche bis im Februar 2014
mit Mehrwertsteueroption vermietet wurde. Im Jahr 2014 wurde mit dem Abbruch
dieser Liegenschaft begonnen. Die A.________ AG beabsichtigt, ab dem Jahr 2017
auf dem genannten Grundstück in W.V.________ in mehreren Etappen und über eine
Zeitspanne von 10 bis 25 Jahren eine neue Überbauung zu erstellen. Sie ersuchte
mit Schreiben vom 26. November 2014 die ESTV um Auskunft, ob sie auf den im
Zusammenhang mit den Abbrucharbeiten anfallenden, steuerbelasteten Vorumsätzen
den Vorsteuerabzug geltend machen könne. Die ESTV teilte ihr am 17. März 2015
mit, dass auf den Kosten für den Abbruch kein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe,
weil die geplanten Neubauten ausschliesslich im nach Art. 21 Abs. 2 Ziff. 21
MWSTG (SR 641.20) von der Steuer ausgenommenen Bereich genutzt würden. Die
A.________ AG bestritt daraufhin mit Schreiben vom 8. April 2015 den Standpunkt
der ESTV und verlangte den Erlass einer anfechtbaren Verfügung. In der Folge
erliess die ESTV am 17. Juni 2015 eine Verfügung in welcher sie feststellte,
dass "die im Zusammenhang mit dem Abbruch der Altliegenschaft an der Rue
U.________ xx in V.________ bezogenen Eingangsleistungen (...) die A.________
AG aufgrund der künftigen Nutzung zu Wohnzwecken nicht zum Vorsteuerabzug"
berechtigen. 
 
B.  
Gegen diese Verfügung reichte die A.________ AG am 19. August 2015 eine als
"Einsprache" bezeichnete Eingabe bei der ESTV ein und stellte den
Verfahrensantrag, dass diese Eingabe als Sprungbeschwerde gemäss Art. 83 Abs. 4
MWSTG an das Bundesverwaltungsgericht weiterzuleiten sei. Die ESTV leitete die
Eingabe der A.________ AG mit Schreiben vom 20. August 2015 als
Sprungbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiter. Im Verfahren vor
Bundesverwaltungsgericht machte die A.________ AG zudem neu geltend, dass die
geplante Überbauung nicht ausschliesslich privaten Wohnzwecken dienen, sondern
auch Büroräumlichkeiten und Arztpraxen enthalten soll. 
 
C.  
Das Bundesverwaltungsgericht hiess mit Urteil vom 20. Januar 2016 die
Beschwerde gut und hob die Verfügung der ESTV vom 17. Juni 2015 auf. Es stellte
fest, dass die im Zusammenhang mit dem Abbruch der Altliegenschaft der
A.________ AG an der Rue U.________ xx in V.________ (bzw. seit 1. Januar 2015
W.V.________) bezogenen Leistungen unter den weiteren gesetzlichen
Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug berechtigen. 
 
D.  
Mit Eingabe vom 19. Februar 2016 erhebt die ESTV Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die
A.________ AG im Umfang der künftigen Nutzung zu Wohnzwecken nicht berechtigt
ist, die Mehrwertsteuer, welche im Zusammenhang mit dem Abbruch der
Altliegenschaft an der Rue U.________ xx in V.________ bezogenen Leistungen
lastet, als Vorsteuer geltend zu machen. 
Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die A.________
AG beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen und das Urteilsdispositiv des
Bundesverwaltungsgerichts sei zu bestätigen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Beim streitbetroffenen Urteil handelt es sich um einen
verfahrensabschliessenden Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Er kann beim Bundesgericht mit
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angefochten werden (Art.
82 lit. a, Art. 83, Art. 86 Abs. 1 lit. a, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 BGG). Die
ESTV ist dazu legitimiert (Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 141 MWSTV).
Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 42
und Art. 100 BGG).  
 
1.2. Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und Art. 96 BGG
geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (
Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde
vorgebrachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann
die Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es
kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz
abweichenden Begründung abweisen. Trotz Rechtsanwendung von Amtes wegen prüft
es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (
Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), an sich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die
rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 135 II 384 E. 2.2.1
S. 389; 134 III 102 E. 1.1 S. 104; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).  
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzlichen
Feststellungen können nur berichtigt werden, sofern sie entweder offensichtlich
unrichtig, d. h. willkürlich ermittelt worden sind (Art. 9 BV; BGE 137 II 353
E. 5.1 S. 356) oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen
(Art. 105 Abs. 2 BGG). Zudem hat die beschwerdeführende Partei aufzuzeigen,
dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein
kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234). Der Sachverhalt hat
sich während des Verfahrens insofern verändert, als die Beschwerdegegnerin vor
dem Bundesverwaltungsgericht neu geltend machte, die auf ihrem Grundstück zu
erstellende Überbauung solle nicht mehr ausschliesslich zu privaten Wohnzwecken
genutzt werden (vgl. B). Aus prozessökonomischen Gründen - die ESTV hatte
bereits kundgetan, dass sie auch unter diesen Umständen den Vorsteuerabzug
nicht zulassen werde - hat die Vorinstanz auf die Zurückweisung der Sache an
die ESTV verzichtet. Das Vorgehen der Vorinstanz wird von keiner Partei
beanstandet und ist zulässig (THOMAS FLÜCKIGER, in: Praxiskommentar
Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2016, N. 15 zu Art. 8 VwVG unter Verweis
auf BGE 113 V 198 E. 3d S. 203 f.). Anwendung findet das totalrevidierte neue
Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20).  
 
2.  
Angefochten ist der Beschwerdeentscheid über eine Feststellungsverfügung der
ESTV. Nach Art. 82 Abs. 1 MWSTG trifft die ESTV von Amtes wegen oder auf
Verlangen der steuerpflichtigen Person "alle für die Steuererhebung
erforderlichen Verfügungen". Eine Verfügung ist von Amtes wegen oder auf
Verlangen der steuerpflichtigen Person auch zu treffen, wenn für einen
bestimmten Fall vorsorglich die amtliche Feststellung der Steuerpflicht, der
Steuerforderung, der Grundlagen der Steuerbemessung, des anwendbaren
Steuersatzes oder der Mithaftung beantragt wird oder als geboten erscheint.
Bereits in der gesetzesvertretenden Verordnung des Bundesrates vom 22. Juni
1994 über die Mehrwertsteuer (Art. 51 Abs. 1 lit. f MWSTV 1994 [AS 1994 1464])
wie auch des Bundesratsbeschlusses vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer
(Art. 5 Abs. 1 lit. a WUStB [BS 6 173]) bestand ein Anspruch auf
Feststellungsverfügung im Entscheidverfahren. Damit ist im
Mehrwertsteuerverfahren eine Feststellungsverfügung zulässig, sofern ein
schutzwürdiges Interesse an einer Feststellung besteht (Art. 25 Abs. 2 VwVG; SR
172.021; vgl. dazu Urteil 2C_982/2014 vom 1. September 2015 E. 2). Schutzwürdig
ist das Interesse, wenn der Steuerpflichtige bei Verweigerung der Feststellung
Vorkehren treffen oder unterlassen würde und ihm dadurch Nachteile entstünden
(RHINOW/KOLLER/KISS/THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Öffentliches Prozessrecht, 3. Aufl.
2014, S. 366 Rz. 1279). Das ist vorliegend der Fall. Die
Sachurteilsvoraussetzungen sind gegeben. 
 
3.  
Gestützt auf Art. 130 Abs. 1 BV und Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MWSTG erhebt der Bund
eine allgemeine Verbrauchssteuer nach dem System der Netto-Allphasensteuer mit
Vorsteuerabzug (Mehrwertsteuer). Damit wird die Besteuerung des
nichtunternehmerischen Endverbrauchs im Inland bezweckt (Art. 1 Abs. 1 Satz 2
MWSTG). 
 
3.1. Der Inlandsteuer (Art. 1 Abs. 2 lit. a MWSTG) unterliegen die im Inland
durch steuerpflichtige Personen gegen Entgelt erbrachten Leistungen. Diese sind
steuerbar, soweit das Gesetz keine Ausnahme vorsieht (Art. 18 Abs. 1 MWSTG).
Die aus der Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zum Gebrauch
oder zur Nutzung erzielten Umsätze sind grundsätzlich von der Steuer
ausgenommen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 21 MWSTG). Die im Negativkatalog von Art. 21
Abs. 2 MWSTG genannten Leistungen sind von Gesetzes wegen ausgenommen, es sei
denn, die steuerpflichtige Person habe im Sinne von Art. 22 MWSTG für die
Versteuerung der Leistung optiert (sog. "Option im objektiven Sinn"; BGE 140 II
495 E. 2.2.2 S. 498). Ausgeschlossen ist eine Option jedoch bei der Überlassung
eines Grundstücks zum Gebrauch, wenn dieses vom Empfänger ausschliesslich für
private Zwecke genutzt wird (Art. 22 Abs. 2 lit. b MWSTG). Aufgrund von Art. 28
Abs. 1 MWSTG kann die steuerpflichtige Person im Rahmen ihrer unternehmerischen
Tätigkeit, unter Vorbehalt der Art. 29 und 33 MWSTG, die ihr auferlegten
Vorsteuern abziehen. Kein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht namentlich bei
Leistungen und bei der Einfuhr von Gegenständen, die für die Erbringung von
Leistungen verwendet werden, die ihrerseits von der Steuer ausgenommen sind und
für deren Versteuerung nicht optiert worden ist (Art. 29 Abs. 1 MWSTG).  
 
3.2. Eine von der Steuer ausgenommene Überlassung eines Grundstücks oder eines
Grundstückteils liegt vor, wenn die betreffenden Räumlichkeiten allein durch
den Mieter für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit genutzt werden (Urteil
2C_531/2008 vom 5. Juni 2009, E. 4.4 und 5.1; vorbehaltlich der Bestimmungen
von Art. 21 Ziff. 21 lit. a bis f MWSTG). Ziff. 8.4.1.2 und Ziff. 8.6 der
MWST-Branchen-Info 04 Baugewerbe vom Januar 2010 (nachfolgend: MBI 04), Ziff.
1.3 und Ziff. 4.1 der MWST-Branchen-Info 17 Liegenschaftsverwaltung/Vermietung
und Verkauf von Immobilien vom Januar 2010 (nachfolgend: MBI 17) sowie Ziff.
1.5.2.2 der MWST-Info 09 Vorsteuerabzug und Vorsteuerkorrekturen vom Januar
2010 sehen vor, dass erstens die steuerpflichtige Person bei der Erstellung
eines Bauwerks und/oder Objekts auf den Bezügen der betreffenden Gegenstände
und Dienstleistungen bereits während der Planungs- und Bauphase den
Vorsteuerabzug vornehmen kann, sofern sie das Bauwerk und/oder Objekt im
Hinblick auf steuerbare Leistungen erstellt, und zweitens konsequenterweise
Aufwendungen, welche im Zusammenhang mit der Erzielung von nicht optierbaren
Leistungen anfallen, von vornherein nicht bzw. nie zum Vorsteuerabzug
berechtigen (vgl. dazu auch PHILIPP ROBINSON, in: Bundesgesetz über die
Mehrwertsteuer [nachfolgend: Komm. MWSTG], Zweifel/Beusch/Glauser/Robinson
[Hrsg.], N. 22 zu Art. 29 MWSTG).  
 
3.3. Gemäss Ziff. 10 MBI 04 ist eine steuerpflichtige Person, die Boden für von
der Steuer ausgenommene Zwecke verwendet, in Bezug auf die Aufwendungen für die
Roherschliessung - wie z.B. auch für den Totalabbruch oder die Bodensanierung -
im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Laut
Ziff. 1.3 MBI 17, welche sich auf erschlossenen oder unerschlossenen, aber
nicht bebauten Boden bezieht, dürfen, "sofern bereits beim Erwerb von Boden
oder später bei der Erschliessung eindeutig ist, dass der Boden ganz oder
teilweise für Bauten verwendet wird, die für von der Steuer ausgenommene (nicht
optierbare) Vermietungen oder Verkäufe sowie für private Zwecke (bei Inhabern
einer Einzelunternehmung) verwendet werden, [...] die anfallenden Vorsteuern
von Beginn weg nicht bzw. nur anteilsmässig geltend gemacht werden".  
 
4.  
Fraglich ist, ob die Leistungen, welche die Beschwerdegegnerin im Zusammenhang
mit dem Abbruch ihrer Betriebsliegenschaft bezogen hat, (teilweise) im Sinne
von Art. 29 Abs. 1 MWSTG für Leistungen verwendet wurden, die von der Steuer
ausgenommen sind und für deren Versteuerung nicht optiert wurde. 
 
4.1.  ROBINSON, Komm. MWSTG, a.a.O., N. 20 zu Art. 29 MWSTG fasst die
Problematik folgendermassen zusammen: Umstritten sind Sachverhalte, bei denen
zunächst nur Vorsteuern anfallen und die Erbringung von nach Art. 21 Abs. 1
MWSTG nicht steuerbaren Leistungen zeitlich verschoben erfolgt. Wichtigstes
Anwendungsbeispiel sind Wohnliegenschaften, während deren Erstellung
vorsteuerbelastete Leistungen bezogen werden, die Leistungserbringung
(Vermietung oder Verkauf) jedoch erst nach Fertigstellung der Gebäude erfolgen
kann. Wird in einem solchen Sachverhalt davon ausgegangen, dass die
Rechtsgrundlage für die Reduktion des Vorsteuerabzugs erst in dem Zeitpunkt
gegeben ist, in dem die Leistungserbringung stattfindet, kann der
Vorsteuerabzug während der Bauzeit in vollem Umfang geltend gemacht werden. Der
Vorsteuerabzug ist bei dieser Auslegung erst im Zeitpunkt des Verkaufs
beziehungsweise der Erstvermietung (sofern die Leistungserbringung ohne Option
für die Versteuerung erfolgt) zu korrigieren, und zwar auf Grundlage von Art.
31 MWSTG (Eigenverbrauch). Wird hingegen die "zukünftig beabsichtigte
Verwendung" als massgebend erachtet, ist ein Vorsteuerabzug im beschriebenen
Sachverhalt gar nicht möglich, insb. dann, wenn es sich bei den zukünftigen
Leistungen um solche handelt, für die nach Art. 22 Abs. 2 MWSTG eine Option
ausgeschlossen ist. Ist die zukünftige Verwendung aber noch unsicher, müsste
auch bei dieser Auslegung der Vorsteuerabzug solange möglich sein, bis Klarheit
über diese Frage besteht.  
 
4.2. Vor diesem Hintergrund ermittelte die Vorinstanz unter Auslegung von Art.
29 Abs. 1 MWSTG die Voraussetzungen, unter welchen Leistungen im Sinne dieser
Bestimmung für steuerausgenommene und nicht optierte Leistungen verwendet
werden. Angesichts des französischen Wortlauts mit der Wendung "Les prestations
et l'importation de biens  affectés à la fourniture de prestations exclues du
champ de l'impôt" erscheine es als grundsätzlich denkbar, dass der in dieser
Vorschrift statuierte Ausschluss des Vorsteuerabzugs auch bereits bei einer
bloss beabsichtigten und mittelbaren Verwendung der Eingangsleistung für eine
steuerausgenommene Ausgangsleistung greift, z.B. dann, wenn beabsichtigt ist,
die Eingangsleistung für eine zukünftige steuerausgenommene Ausgangsleistung zu
verwenden, ohne dass die Eingangsleistung in die Zusammensetzung der
Ausgangsleistung einfliessen wird. Aufgrund des deutschen und italienischen
Wortlauts ("verwenden" resp. "utilizzati") könne jedoch nur dann von einer
Verwendung der Eingangsleistungen für eine Ausgangsleistung im Sinne von Art.
29 Abs. 1 MWSTG gesprochen werden, wenn zwischen der Eingangsleistung und der
Ausgangsleistung im Sinne eines inneren Zusammenhangs eine zeitliche und
sachliche (z.B. auch räumliche) Nähe bestehe. Die Entstehungsgeschichte der
Norm, deren Sinn und Zweck sowie die systematische Stellung würden keinen
Anlass dazu geben, von der gestützt auf den Wortlaut vorgenommenen
Interpretation des Gesetzes abzuweichen (vgl. E. 3.3 des vorinstanzlichen
Entscheids).  
 
4.3. Sodann bestehe laut Vorinstanz beim Vorhaben der Beschwerdegegnerin aus
verschiedenen Gründen nur ein loser Konnex zwischen der abgebrochenen
Betriebsliegenschaft sowie der geplanten Neuüberbauung bzw. der künftigen
Leistungserbringung mit den Neubauten. Die für einen Ausschluss des
Vorsteuerabzugs nach Art. 29 Abs. 1 MWSTG erforderliche zeitliche und sachliche
Nähe zwischen den von der Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit dem Abbruch
bezogenen Leistungen und den mit der Neuüberbauung vorgesehenen (und nicht
optierbaren) Leistungen sei deshalb zu verneinen. Einerseits werde das Gelände
der Betriebsliegenschaft nicht vollumfänglich für die geplante Neuüberbauung
genutzt. Andererseits dienten die neuen Gebäude anderen Zwecken als die
Betriebsliegenschaft. Zudem würden die Neubauten nicht im Anschluss an die
Abbrucharbeiten erstellt.  
 
4.4. Nach Ansicht der ESTV verletzt der Entscheid der Vorinstanz Bundesrecht,
insbesondere verstosse er gegen Art. 29 Abs. 1 MWSTG und missachte die
Wettbewerbsneutralität als durch die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 i.V.m. Art.
94 BV) grundrechtlich geschütztes Prinzip der Besteuerung. Die Vorinstanz habe
der Beschwerdegegnerin einen Vorsteuerabzug gestattet, zu welchem Letztere gar
nicht berechtigt sei. Die Vorinstanz habe Art. 29 Abs. 1 MWSTG falsch
ausgelegt, in dem sie sich auf zwei zusätzliche Bedingungen (zeitliche und
sachliche Nähe) abgestützt habe, welche notwendig seien, damit überhaupt von
einer Verwendung der Eingangsleistungen für eine Ausgangsleistung im Sinne von 
Art. 29 Abs. 1 MWSTG gesprochen werden dürfe. Bei dieser Auslegung habe die
Vorinstanz dem französischen Wortlaut der Bestimmung zu wenig Rechnung
getragen, ("affecter" meine Zweckbestimmung). Gestützt auf diesen hänge die
Verknüpfung zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung nur von einem Kriterium ab;
dem eindeutig geäusserten Willen der Steuerpflichtigen, welcher als
unumstösslicher Verwendungszweck im Sinne von Art. 29 Abs. 1 MWSTG gelte.
Schliesslich sei die Absicht, Wohnbauten zu errichten, Auslöser für den Beginn
der Abbrucharbeiten gewesen. Diese Auslegung äussere sich zwar nicht dazu, ab
welchem Zeitpunkt der Ausschluss des Vorsteuerabzugs greife, doch erachtet es
die ESTV am sinnvollsten, diesen gleich von Beginn weg zu verweigern und nicht
wie eingangs geschildert nachträglich eine Korrektur des Vorsteuerabzugs
vorzunehmen.  
 
5.  
Die von der ESTV aufgeworfene Frage, wie Art 29 Abs. 1 MWSTG auszulegen sei,
kann vorliegend offen gelassen werden, besteht doch bereits aus anderen,
nachfolgend darzulegenden Gründen kein Anlass, den Vorsteuerabzug nicht zu
gewähren. 
 
5.1. Im MWSTG ist im Bereich der unternehmerischen Tätigkeit für den Anspruch
auf Vorsteuerabzug keine Verknüpfung von vorsteuerbelasteter Vorleistung mit
einer bestimmten Ausgangsleistung mehr erforderlich. Es liegt eine systematisch
grundsätzlich andere Regelung als im aMWSTG vor. Der Ausschluss des Anspruchs
auf Vorsteuerabzug nach Art. 29 Abs. 1 MWSTG ist eine ausdrückliche Ausnahme
vom Grundsatz des Art. 28 Abs. 1 MWSTG, wonach eine steuerpflichtige Person im
Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit einen Anspruch auf Vorsteuerabzug
besitzt (ROBINSON, in: Komm. MWSTG, a.a.O., N. 5 f. zu Art. 29 MWSTG).  
 
5.2. Vorliegend steht der Abzug von Vorsteuern, welche im Zusammenhang mit den
Abbrucharbeiten auf der Betriebsliegenschaft der Beschwerdegegnerin anfielen,
zur Diskussion. Die ESTV und die Vorinstanz haben sich bei der Beurteilung, ob
diese Vorsteuern zum Abzug zuzulassen sind, auf die zukünftige
Leistungserbringung konzentriert. Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden.
Sowohl die ESTV wie auch die Vorinstanz berücksichtigen nicht, dass hier nicht
Vorsteuern auf den Kosten eines Neubaus zur Diskussion stehen, sondern solche
auf dem Abbruch eines bisher unbestrittenermassen zur Erzielung
mehrwertsteuerpflichtiger Umsätze bestimmten und künftig nicht mehr benötigten
Betriebsgebäudes. Würde die Beschwerdegegnerin dieses Betriebsgebäude im Rahmen
ihrer unternehmerischen Tätigkeit abbrechen, um das Grundstück in seinen
natürlichen Zustand zurückversetzen und dieses anschliessend an einen Bauherrn
zu verkaufen, anstatt es selbst zu bebauen, wären die getätigten Aufwendungen
ohne Weiteres in vollem Umfang abzugsfähig (CAMENZIND/HONAUER/ VALLENDER/JUNG/
PROBST, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz, 3. Aufl. 2012, S. 464 Rz. 1295). Die
selben mehrwertsteuerrechtlichen Folgen wie beim Verkauf würden sich auch bei
der Beendigung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit ergeben. Abbau-,
Rückbau- oder Aufräumarbeiten gehören noch zur unternehmerischen Tätigkeit,
auch wenn in dieser Phase keine Einnahmen aus Leistungen mehr erzielt werden.
Sind solche Arbeiten mit Vorsteuer belastet, ist diese grundsätzlich im Rahmen
von Art. 28 MWSTG abzugsfähig (CLAUDIO FISCHER, in: Komm. MWSTG, N. 9 zu Art.
14 MWSTG). Ausschlaggebend für den Vorsteuerabzug ist in den genannten Fällen
die Verwendung des fraglichen Objekts durch den Steuerpflichtigen. Der Umstand,
dass die Beschwerdegegnerin weder beabsichtigt das fragliche Grundstück nach
Beendigung der Abbrucharbeiten zu veräussern noch ihre unternehmerische
Tätigkeit aufzugeben, sondern das Grundstück - teilweise - neu überbauen
möchte, kann in Bezug auf den vorliegend ausschliesslich zur Diskussion
stehenden Vorsteuerabzug auf den Abbrucharbeiten nicht zu einem anderen
Ergebnis führen.  
 
5.3. Allgemein durchläuft ein Gebäude bei einer unternehmerischen Tätigkeit
verschiedene Phasen unabhängig davon, ob es für unterschiedliche Zwecke oder
von mehreren Eigentümern verwendet wird. Es wird erstellt, betrieben und
schliesslich abgebrochen (oder verkauft). Diese tatsächlichen Verhältnisse sind
im Rahmen der mehrwertsteuerlichen Betrachtung zu berücksichtigen, wobei sich
die konkrete Zugehörigkeit zu einer der drei Phasen aus Sicht des jeweiligen
Eigentümers ergibt, welcher Steuersubjekt ist. Der Abbruch eines Gebäudes
stellt somit den letzten Abschnitt der unternehmerischen Tätigkeit dar, falls
sich das Objekt weiterhin im Eigentum desjenigen befindet, welcher es zuvor
genutzt hatte. Mit dem Abbruch wird der Zustand des Grundstücks, wie er vor dem
Bau der Betriebsliegenschaft vorgelegen hat, wiederhergestellt. Insbesondere
erfolgt im Rahmen der Abbrucharbeiten üblicherweise eine Reinigung des Bodens
und die Beseitigung weiterer Immissionen, die aufgrund der bisherigen Nutzung
der Liegenschaft entstanden sind. Diese Arbeiten fallen - vorausgesetzt sie
erfolgen nicht durch einen neuen Eigentümer - unabhängig von einer allfälligen
Weiternutzung der Liegenschaft an und gelten deshalb nicht als für die
Erbringung einer nachfolgenden Leistung verwendet. Sie erfüllen dementsprechend
die Anforderungen von Art. 29 Abs. 1 MWSTG gar nicht erst, ungeachtet davon, ob
sie schliesslich in Leistungen, die von der Steuer ausgenommen sind und für
deren Versteuerung nicht optiert worden ist, einfliessen oder nicht.  
Anders wäre die Situation zu beurteilen, falls ein neuer Eigentümer die
Liegenschaft erwirbt, abbricht und neuen Zwecken zuführt; diesfalls würde der
Abbruch aus Sicht des Eigentümers zur Lebensphase "Erstellung" - im Hinblick
auf die neue Verwendung - des Objektes gehören: der neue Eigentümer befindet
sich am Anfang seiner unternehmerischen Tätigkeit. Totalabbruch sowie die
Bodensanierung gehören dabei zur Roherschliessung eines Grundstücks, welche im
Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigen, wenn sie
nicht für von der Steuer ausgenommene Zwecke verwendet werden (Ziff. 10 MBI 04,
vgl. auch Ziff. 8.4.1.2 MBI 04). 
Ein Blick auf die einzelnen fraglichen Leistungen im vorliegenden Fall
bestätigt diese Einschätzung. Ein wesentlicher Teil der Abbrucharbeiten
entfällt auf ein Renaturisierungsprojekt, mit welchem Beton der alten Gebäude
entfernt wird und die durch das Grundstück fliessende Z.________ wieder
oberirdisch verläuft. Zudem soll nicht das ganze Gelände der
Betriebsliegenschaft für die Wiederbebauung vorbereitet werden. 
 
5.4. Vorliegend ist unbestritten, dass sich die Eigentumsverhältnisse am Objekt
nicht geändert haben. Damit gehört der Abbruch als letzte Phase zur
vorangehenden Nutzung der Liegenschaft. Nachdem die abgebrochene Liegenschaft
bis anhin für gewerbliche Zwecke genutzt wurde, ist ein Vorsteuerabzug demnach
möglich. Wären die fraglichen Bauten vorher hingegen für private Wohnzwecke
genutzt worden, würden die Abbrucharbeiten nicht zum Vorsteuerabzug
berechtigen, da sie im Zusammenhang mit einer von der Steuer ausgenommenen
Tätigkeit stünden (so auch CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER/JUNG/ PROBST, a.a.O., S.
464 Rz. 1295). Es ist nicht prinzipiell ausgeschlossen, dass sich im Einzelfall
eine andere Betrachtungsweise für bauliche Massnahmen ergeben kann, bei welchen
die Gebäudestrukturen intakt bleiben (z.B. eine unmittelbare Umnutzung des
bestehenden Fabrikgebäudes in Lofts oder bei einer Umwandlung eines Hotels in
Wohnungen). Ein derartiger Sachverhalt liegt hier jedoch unbestrittenermassen
nicht vor.  
 
5.5. Das hier skizzierte Vorgehen hat einerseits den Vorteil, dass eine
Qualifizierung der Abbrucharbeiten unabhängig von den weiteren
unternehmerischen Überlegungen der Steuerpflichtigen vorgenommen werden kann.
Andererseits erübrigen sich nachträgliche Korrekturen, falls die neue Baute zu
einem anderen als dem ursprünglich vorgesehenen Zweck verwendet werden sollte.
Ebenfalls entkräftet es die Kritik der ESTV, dass bei der Gewährung des
Vorsteuerabzugs wie sie die Vorinstanz vorgenommen hat, eine
Wettbewerbsverzerrung vorliege. Zur Veranschaulichung führte die ESTV folgendes
Beispiel an: Würden die beiden Bauherren A und B auf zwei nebeneinander
liegenden Parzellen nach Abbruch ihrer bisher unternehmerisch genutzten
Altliegenschaft ein Mehrfamilienhaus bauen, so sei es durchaus möglich, dass
nach dem von der Vorinstanz angewandten Massstab der zeitlichen und sachlichen
Nähe einer der Bauherren die Vorsteuern geltend machen könne und der andere
nicht. Und zwar selbst dann, wenn beide zum selben Zeitpunkt mit dem Abbruch
beginnen würden. Stellt man bei der Beurteilung des Vorsteuerabzugs jedoch auf
die bisherige Nutzung der Liegenschaft ab, werden die beiden fiktiven Bauherren
gleich behandelt. Eine Wettbewerbsverzerrung liegt somit nicht vor.  
 
6.  
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die weiteren Vorbringen der ESTV oder
auf die Begründung der Vorinstanz einzugehen. Die Beschwerde erweist sich als
unbegründet. Sie ist abzuweisen und der angefochtene Entscheid zu bestätigen. 
 
6.1. Bei diesem Ausgang hat die ESTV, die in ihrer Eigenschaft als
Abgabegläubigerin Vermögensinteressen im Sinne von Art. 66 Abs. 4 BGG verfolgt,
die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 i. V. m. Art.
66 Abs. 1 BGG).  
 
6.2. Die ESTV hat der Steuerpflichtigen eine angemessene Parteientschädigung
auszurichten.  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden der
Eidgenössischen Steuerverwaltung auferlegt. 
 
3.   
Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat der Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.--
auszurichten. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung I, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Oktober 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Mösching 

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