Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.164/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_164/2016

Urteil vom 21. April 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Kocher.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Glatthard,

gegen

Amt für Steuern Uri.

Gegenstand
Erbschaftssteuer, Kosten und Parteientschädigung,

Beschwerde gegen das Urteil
des Obergerichts des Kantons Uri,
Verwaltungsrechtliche Abteilung,
vom 26. Februar 2016.

Erwägungen:

1.

1.1. Am 28. Februar 2013 verschied B.________, dessen letzter steuerrechtlicher
Wohnsitz sich in U.________/UR befand. Frau A.________ (nachfolgend: die
Steuerpflichtige) konnte aus dessen Nachlass Leistungen aus
Lebensversicherungen von rund Fr. 95'000.-- erben. Mit Blick darauf veranlagte
das Amt für Steuern des Kantons Uri mit Verfügung vom 11. Dezember 2013 eine
Erbschaftssteuer in Höhe von Fr. 19'320.--. Die Steuerkommission des Kantons
Uri wies die Einsprache der Steuerpflichtigen am 9. April 2014 ab und hob
gleichzeitig die Erbschaftssteuer geringfügig an.

1.2. Gegen den Einspracheentscheid gelangte die Steuerpflichtige an die
Verwaltungsrechtliche Abteilung des Obergerichts des Kantons Uri (Beschwerde
vom 12. Mai 2014 mit modifizierten Anträgen vom 8. September 2015). Die
obergerichtliche Prüfung ergab, dass die Steuerpflichtige während mindestens
fünf Jahren in gemeinsamem Haushalt und eheähnlichem Verhältnis zusammen mit
dem Verstorbenen bzw. Erblasser gelebt hatte. Mit Blick auf Art. 158 Abs. 1
lit. c des Gesetzes vom 26. September 2010 über die direkten Steuern im Kanton
Uri (StG/UR; RB 3.2211) führte dies zur Befreiung von der subjektiven
Steuerpflicht. In der Sache hiess das Obergericht mit Urteil vom 26. Februar
2016 (OG V 14 35) die Beschwerde gut und hob es den angefochtenen Entscheid
auf.

1.3. In Abkehr vom Unterliegerprinzip (Art. 209 Abs. 1 StG/UR e contrario)
auferlegte das Obergericht der Steuerpflichtigen indes die Kosten des
obergerichtlichen Verfahrens (Spruchgebühr von Fr. 2'500.-- nebst einer
Schreibgebühr von Fr. 260.--). Es liess sich dabei vom Gedanken leiten, dass
die Kosten auch einer obsiegenden Partei ganz oder teilweise auferlegt werden
können, wenn sie bei pflichtgemässem Verhalten schon im Veranlagungs- oder im
Einspracheverfahren zu ihrem Recht gekommen wäre (Art. 209 Abs. 2 StG/UR). Die
Steuerpflichtige habe im Verfahren vor der Veranlagungs- und Einsprachebehörde
lediglich knappe Behauptungen vorgebracht und namentlich die Steuerkommission
an andere Behörden verwiesen. Es wäre der Steuerpflichtigen, so das Obergericht
weiter, schon frühzeitig möglich gewesen, einen Rechtsbeistand beizuziehen, was
sie freilich unterlassen habe.

1.4. Mit Eingabe vom 14. April 2016 erhebt die Steuerpflichtige beim
Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie
beantragt, es sei zum einen die Teilrechtskraft des Dispositivs des
angefochtenen Entscheids vom 26. Februar 2016 festzustellen (Ziffern 1 und 2),
zum andern der Kostenentscheid (Ziffern 3 und 4) aufzuheben und die Sache zur
Neuverlegung von Kosten und Entschädigungen an die Steuerkommission
zurückzuweisen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid, soweit Ziffern 3
und 4 des Dispositivs betreffend, aufzuheben, der Steuerpflichtigen die Kosten
des obergerichtlichen Verfahrens zu erlassen und ihr für das dortige Verfahren
eine Parteientschädigung zuzusprechen.

1.5. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter hat weder einen
Schriftenwechsel noch andere Instruktionsmassnahmen angeordnet.

2.

2.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den verfahrensabschliessenden Entscheid
einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen
Rechts. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83, 86 Abs. 1 lit. d und Abs.
2, Art. 90 BGG [SR 173.110]). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.2.

2.2.1. Abgesehen von Art. 95 lit. c, d und e BGG, die hier nicht einschlägig
sind, untersucht das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung kantonalen
Rechts nur auf Verfassungs- und Völkerrechtskonformität hin (Art. 95 lit. a und
b BGG; BGE 141 I 36 E. 5.4 S. 43). Dabei steht die Prüfung der Verletzung des
Willkürverbots im Vordergrund (Art. 9 BV; BGE 141 I 49 E. 3.4 S. 53).

2.2.2. Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht in jedem Fall
nur, falls eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und
ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht
gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 IV 57 E. 2.2 S. 60). Auf bloss allgemein
gehaltene, appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Entscheid tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 317 E. 5.4 S. 324; 141 IV 369 E. 6.3 S.
375).

2.2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz, wozu auch die Beweiswürdigung zählt (BGE 141 IV
369 E. 6.3 S. 375; 140 III 264 E. 2.3 S. 266), nur berichtigen oder ergänzen,
soweit sie offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich, sind oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG;
BGE 141 V 657 E. 2.1 S. 659 f.).

3.

3.1. Streitig und zu prüfen ist im bundesgerichtlichen Verfahren einzig noch
die Auslegung und Anwendung von Art. 209 Abs. 2 StG/UR. Dieser lautet:

"Der obsiegenden beschwerdeführenden Partei werden die Kosten ganz oder
teilweise auferlegt, wenn sie bei pflichtgemässem Verhalten schon im
Veranlagungs- oder Einspracheverfahren zu ihrem Recht gekommen wäre oder wenn
sie die Untersuchung des Obergerichts durch trölerisches Verhalten erschwert
hat."

In der kantonalen Praxis scheinen kaum oder keine Entscheide zu dieser Norm
ergangen zu sein. Bei Auslegung von Art. 209 Abs. 2 StG/UR bezieht die
Vorinstanz sich jedenfalls nicht auf die eigene Rechtsprechung, sondern auf die
Doktrin zum weitgehend gleichlautenden § 151 Abs. 2 des Steuergesetzes des
Kantons Zürich vom 8. Juni 1997 (StG/ZH; LS 631.1). Gemäss FELIX RICHNER/WALTER
FREI/ STEFAN KAUFMANN/HANS ULRICH MEUTER, Kommentar zum harmonisierten Zürcher
Steuergesetz, 3. Aufl. 2013, N. 16 zu § 151 StG/ZH bedingt die Norm, dass die
obsiegende Partei wesentliche Sachverhaltselemente oder Beweismittel verspätet
vorgebracht hat.

3.2. Als "verspätet" und mithin pflichtwidrig im Sinne von Art. 209 Abs. 2 StG/
UR bzw. § 151 Abs. 2 StG/ZH hat etwa eine Aktenedition zu gelten, die - trotz
vorbestehender Möglichkeit und Zulässigkeit - nicht im frühestmöglichen
Zeitpunkt, das heisst im Veranlagungs- oder Einspracheverfahren, sondern erst
im Beschwerdeverfahren erfolgt. Mithin hat das Unterliegerprinzip dem
Verursacherprinzip zu weichen, sobald in retrospektiver Optik festzustellen
ist, dass spätestens die Einsprachebehörde in selber Weise wie die
Beschwerdebehörde entschieden hätte, wenn ihr nur alle entscheidwesentlichen
Fakten vorgelegen hätten, für deren Vorlage die steuerpflichtige Person
mitwirkungspflichtig war.

3.3. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
(Art. 105 Abs. 1 BGG) führten "massgeblich (...) die mit der Beschwerde
eingereichten Beweismittel" zur Gutheissung der Beschwerde. Die Möglichkeit der
Edition hätte, so die Vorinstanz weiter, freilich schon früher bestanden. Die
Vorinstanz spricht von "mehreren Gelegenheiten" und bezeichnet diese konkret.
Die Steuerpflichtige habe es aber mit knappen Behauptungen bewenden lassen und
sich noch im Schreiben vom 6. März 2014, mithin während des
Einspracheverfahrens damit begnügt, die Steuerkommission an andere Amtsbehörden
zu verweisen. Darüberhinaus würdigt die Vorinstanz das Verhalten des
Verstorbenen und der Steuerpflichtigen, die beide in der jeweiligen
Steuererklärung den Bestand eines Konkubinats verneint hatten und
registerrechtlich offenbar an unterschiedlichen Adressen (wenn auch im selben
Gebäude) gemeldet waren.

3.4. Die Steuerpflichtige wirft der Vorinstanz vor, Auslegung und Anwendung von
Art. 209 Abs. 2 StG/UR in willkürlicher Weise vorgenommen zu haben. Sie
begründet ihre Sichtweise im Wesentlichen damit, dass sie die erheblichen
Sachverhaltselemente schon im Einspracheverfahren eingebracht und diese im
Beschwerdeverfahren nur noch verdeutlicht bzw. umfassender dokumentiert habe.
Zur Frage danach, ob der Verstorbene und sie im Konkubinat gelebt hätten, habe
sie "konkret Stellung" genommen und vier Zeugen genannt, sie habe auf die
Situation im Wohnhaus hingewiesen und dargetan, dass ein gemeinsamer
Telefonanschluss bestanden habe. Mithin sei sie ihrer Mitwirkungspflicht
rechtzeitig und umfassend nachgekommen, während es die Verwaltungsbehörden
unterlassen hätten, sie umfassend über die erforderlichen Beweismittel zu
instruieren. Als juristische Laiin habe sie alles vorgekehrt, was von ihr
vernünftigerweise habe erwartet werden dürfen, zumal im Einspracheverfahren
kein Anwaltszwang herrsche.

3.5. Die Steuerpflichtige muss sich entgegenhalten lassen, dass die gemeinhin
wesentlichen Informationsquellen - so die Steuererklärung und die
schriftenpolizeiliche Anmeldung - gegen den Bestand eines qualifizierenden
Verhältnisses sprachen. So beschränkte Art. 158 Abs. 1 lit. c StG/UR in der
ursprünglichen, bis zum 1. Januar 2016 geltenden Fassung die Befreiung von der
subjektiven Steuerpflicht ausdrücklich auf die "Zuwendungen an Personen, die im
Zeitpunkt der Zuwendung oder des Todestages (...) seit mindestens fünf Jahren
in einem gemeinsamen Haushalt mit (...) dem Erblasser (...) in einem
eheähnlichen Verhältnis gelebt haben". Zumindest das Tatbestandselement des
gemeinsamen Haushaltes musste sich bei der gegebenen Aktenlage als kritisch
darstellen.

3.6. Vorliegend geht es einzig um die Frage der Kostenverlegung. Vor diesem
Hintergrund erscheint es jedenfalls nicht als geradezu unhaltbar, wenn die
Vorinstanz zum Ergebnis kommt, pflichtgemässes Verhalten der Steuerpflichtigen
hätte darin bestanden, schon im Einspracheverfahren in deutlich vermehrtem
Umfang zur Erhebung des Sachverhalts beizutragen. Die grosse Zahl der
Beweismittel, welche die Steuerpflichtige im Beschwerdeverfahren nachreichte
(siehe Beschwerde, Seite 8), hätte sich mühelos schon in früheren Stadien
einbringen lassen. Steuermindernde oder steuerausschliessende Tatsachen sind
nach der steuerlichen Normentheorie von der steuerpflichtigen Person
nachzuweisen (BGE 140 II 248 E. 3.5 S. 252; Urteil 2C_16/2015 vom 6. August
2015 E. 2.5.4, in: ASA 84 S. 254, StE 2015 A 21.12 Nr. 16, StR 70/2015 S. 811),
zumal die Veranlagungsbehörde auf die Richtigkeit einer Steuererklärung
vertrauen darf. Die vorinstanzliche Beweiswürdigung erscheint jedenfalls nicht
als geradezu unhaltbar und ist daher von Verfassungs wegen nicht zu
beanstanden. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und ist
abzuweisen. Für alles Weitere kann auf den angefochtenen Entscheid verwiesen
werden (Art. 109 BGG).

4.
Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 65 i. V. m. 66 Abs. 1 BGG) sind die Kosten
des bundesgerichtlichen Verfahrens der Steuerpflichtigen aufzuerlegen. Dem
Kanton Uri, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, steht keine
Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'500.-- werden der
Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons
Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. April 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Kocher

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