Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.160/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_160/2016

Urteil vom 15. November 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiberin Mayhall.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung, vom 13. Januar 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.A.________, geboren 1968, Staatsangehöriger Serbiens, war von 1991 bis 2000
mit B.A.________, geboren 1971, verheiratet; aus der Ehe gingen zwei Töchter
hervor, geboren 1992 und 1995.
Am 3. Juni 2000 heiratete A.A.________ eine serbische Staatsangehörige, die
seit 1999 über die Niederlassungsbewilligung in der Schweiz verfügte.
A.A.________ erhielt am 1. März 2001 die Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib
bei seiner Ehefrau, am 20. Februar 2006 wurde ihm die Niederlassungsbewilligung
erteilt. Die Ehe wurde jedoch am 26. Juli 2006 geschieden, A.A.________
heiratete am 4. September 2006 erneut seine erste Ehefrau und stellte am 11.
September 2006 ein Gesuch um Nachzug von Ehefrau und den beiden Kindern.
Mit Verfügung vom 10. September 2008 widerrief die Sicherheitsdirektion des
Kantons Zürich die Niederlassungsbewilligung von A.A.________ und wies das
Gesuch um Familiennachzug ab. Einen Rekurs gegen den Widerruf der
Niederlassungsbewilligung hiess der Regierungsrat des Kantons Zürich mit
Beschluss vom 3. Oktober 2012 teilweise gut; er bestätigte zwar den Widerruf
der Niederlassungsbewilligung, ordnete aber an, dass A.A.________ die
Aufenthaltsbewilligung zu erteilen sei. Am 15. August 2013 erhielt A.A.________
sodann erneut die Niederlassungsbewilligung.

B. 
Am 9. Juli 2014 ersuchte A.A.________ um Bewilligung des Familiennachzugs für
seine Ehefrau B.A.________. Das Migrationsamt des Kantons Zürich wies dieses
Gesuch mit Verfügung vom 16. Dezember 2014 ab. Zur Begründung führte das
Migrationsamt aus, die gesetzliche Nachzugsfrist von fünf Jahren sei nicht
eingehalten, und für einen nachträglichen Familiennachzug bestünden keine
wichtigen Gründe.
Einen gegen diese Verfügung gerichteten Rekurs wies die Sicherheitsdirektion
des Kantons Zürich am 19. Mai 2015 ab, ebenso entschied das Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich am 13. Januar 2016.

C. 
A.A.________ hat am 17. Februar 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht
erhoben. Sinngemäss beantragt er, den Nachzug der Ehefrau zu bewilligen.
Die Sicherheitsdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
verzichten auf Vernehmlassung, das Staatssekretariat für Migration stellt
Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Der angefochtene Entscheid wurde von einer letzten kantonalen Gerichtsinstanz
in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts erlassen und schliesst das
kantonale Verfahren ab, weshalb die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten grundsätzlich offen steht (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1
lit. d, Art. 90 BGG). Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde
unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend
Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen
Anspruch einräumt. Das Begehren des Beschwerdeführers beruht auf einem
gesetzlichen Rechtsanspruch, nämlich auf Art. 43 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom
16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG;
SR 142.20), wonach ausländische Ehegatten von Personen mit
Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung haben. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten steht damit offen. Auf die Verfassungsbeschwerde als
subsidiäres Rechtsmittel (Art. 113 BGG) ist dagegen nicht einzutreten.

2. 

2.1. Während gemäss Art. 43 Abs. 1 AuG ausländische Ehegatten einer Person mit
Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung haben,  kann dem Ehegatten einer Person mit
Aufenthaltsbewilligung unter bestimmten Voraussetzungen diese Bewilligung
erteilt werden (Art. 44 AuG). Der Anspruch auf Familiennachzug muss gemäss Art.
47 Abs. 1 AuG innert fünf Jahren geltend gemacht werden; ein nachträglicher
Familiennachzug wird nur bewilligt, wenn wichtige familiäre Gründe geltend
gemacht werden (Abs. 4). Die Fristen beginnen bei Familienangehörigen von
Ausländerinnen und Ausländern mit der Erteilung der Aufenthalts- oder
Niederlassungsbewilligung oder der Entstehung des Familienverhältnisses (Art.
47 Abs. 3 lit. b AuG) zu laufen, allerdings erst mit dem Inkrafttreten des
Ausländergesetzes - am 1. Januar 2008 (AS 2007 5489) -, sofern vor diesem
Zeitpunkt die Einreise erfolgte oder das Familienverhältnis entstand (Art. 126
Abs. 3 AuG).
Die Nachzugsfrist von Art. 47 Abs. 1 AuG gilt unabhängig davon, ob die
ausländische Person über die Niederlassungs- oder die Aufenthaltsbewilligung
verfügt und ob ein Anspruch auf Familiennachzug besteht oder nicht (BGE 137 II
393 E. 3.3 S. 395). Ein Statuswechsel von einer Aufenthalts- zur
Niederlassungsbewilligung löst keine neue Frist aus, wenn ein fristgerechtes
Gesuch zuvor nicht gestellt worden ist. Anders verhält es sich allerdings, wenn
dieses Gesuch gestellt, es aber abgelehnt worden ist. Diesfalls ist den
Betroffenen nicht verwehrt, erneut um Nachzug zu ersuchen, sobald sich ihr
ausländerrechtlicher Status ändert und damit auch die Nachzugsvoraussetzungen
bessere sind, namentlich wenn mit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung
oder gar der Einbürgerung ein Rechtsanspruch auf Nachzug entsteht (Art. 42 und
43 AuG). Allerdings muss sowohl das erste Gesuch wie auch das spätere innerhalb
der gesetzlichen Frist eingereicht worden sein (BGE 137 II 393 E. 3.3 S. 397).

2.2. Der Beschwerdeführer hat bereits im Jahre 2006, noch vor Inkrafttreten des
Ausländergesetzes, um Familiennachzug ersucht. In jenem Zeitpunkt verfügte er
über die Niederlassungsbewilligung. Diese ist allerdings am 10. September 2008
widerrufen worden, wobei das Nachzugsgesuch abgewiesen wurde. Der
Beschwerdeführer focht diesen Widerruf an, nicht zugleich aber auch die
Verweigerung des Familiennachzugs. Die kantonalen Behörden leiten daraus ab,
dass er freiwillig auf den Familiennachzug verzichtet habe und sein Gesuch vom
9. Juli 2014 die Nachzugsfrist von fünf Jahren, gerechnet ab Inkrafttreten des
Ausländergesetzes anfangs 2008, nicht wahre.
Dieser Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden. Der erstinstanzliche
Widerruf der Niederlassungsbewilligung bewirkt zwar nicht, dass diese entfiel,
hat der Beschwerdeführer dagegen doch ein Rechtsmittel eingelegt und bestand
insofern bei Inkrafttreten des Ausländergesetzes formell noch ein gesetzlicher
Nachzugsanspruch. Ein erstinstanzlicher Widerruf einer Bewilligung bewirkt aber
immerhin einen ausländerrechtlichen Schwebezustand, der dazu führt, dass
regelmässig keine Nachzugsbewilligung erteilt wird, bis auf dem Rechtsmittelweg
über den Widerruf entschieden ist (BGE 127 II 60 E. 1c S. 63 f.; 126 II 269 E.
2d S. 272 f.). Zwar hätte der Beschwerdeführer zusammen mit dem Widerruf der
Niederlassungsbewilligung auch die Verweigerung des Familiennachzugs anfechten
können. Dass er das nicht getan hat, kann ihm für die Wahrung der
Nachzugsfristen aber nicht entgegengehalten werden. Denn diese setzen zwar
voraus, dass das Gesuch gestellt wird, sobald ein solches möglich ist,
verlangen aber nicht, dass auch Rechtsmittel ergriffen werden. Im Falle einer
Abweisung eines Nachzugsgesuchs ist einer betroffenen Familie nicht verwehrt,
bei Verbesserung des ausländerrechtlichen Status erneut ein Gesuch zu stellen.
Die Voraussetzung für ein erfolgversprechendes Gesuch war hier wieder erfüllt,
als am 3. Oktober 2012 der Regierungsrat des Kantons Zürich zwar den Widerruf
der Niederlassungsbewilligung bestätigte, zugleich aber die Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung anordnete. Erst in diesem Zeitpunkt war der
ausländerrechtliche Status des Beschwerdeführers nicht mehr in der Schwebe und
konnte er wieder mit der Aussicht auf Erfolg gestützt auf Art. 44 AuG ein
Familiennachzugsgesuch stellen. Die fünfjährige Nachzugsfrist ist mit dem
Gesuch um Nachzug der Ehefrau vom 11. September 2006 und vom 9. Juli 2014
gewahrt.

2.3. Das Migrationsamt des Kantons Zürich ist damit anzuweisen, der Ehefrau des
Beschwerdeführers die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.

3. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist demnach
gutzuheissen, während auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht
einzutreten ist.
Entsprechend diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66
Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer jedoch für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Für die
Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens ist die
Angelegenheit an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zurückzuweisen (Art.
67, Art. 68 Abs. 5 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen, das
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Januar 2016
aufgehoben und das Migrationsamt des Kantons Zürich angewiesen, der Ehefrau des
Beschwerdeführers die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.

2. 
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3. 
Es werden keine Kosten erhoben.

4. 
Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

5. 
Für die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens
wird die Angelegenheit an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

6. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. November 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Mayhall

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