Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.159/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_159/2016

Urteil vom 26. September 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Genner.

Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt René Hegner,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Migration des Kantons Schwyz,
Regierungsrat des Kantons Schwyz.

Gegenstand
Ausländerrecht (Widerruf der Aufenthaltsbewilligung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz,
Kammer III, vom 22. Dezember 2015.

Erwägungen:

1.

1.1. A.________ (geb. 1974) ist kosovarischer Staatsangehöriger. Am 12. März
1991 reiste er im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein und erhielt
die Aufenthaltsbewilligung. Aus der am 19. Januar 1994 mit seiner Landsfrau
B.________ (Einreise in die Schweiz am 26. August 1995) geschlossenen Ehe
gingen drei Kinder hervor: C.________ (geb. 1997), D.________ (geb. am 1998)
und E.________ (geb. 2001). Ehefrau und Kinder verfügen ebenfalls über die
Aufenthaltsbewilligung.

1.2. Zwischen dem 19. Oktober 1994 und 6. Oktober 2004 ergingen gegen
A.________ insgesamt 14 Verfügungen und Strafbefehle, vorwiegend wegen
Strassenverkehrsdelikten, in einem Fall wegen Drohung. Aufgrund der zahlreichen
Verurteilungen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit,
Lenkens eines Personenwagens in nicht betriebssicherem Zustand und Verursachens
von Unfällen wurde A.________ der Führerausweis mehrmals entzogen, letztmals am
31. Januar 2003 auf unbestimmte Zeit.
Am 23. November 2004 drohte die Fremdenpolizei (heute: Amt für Migration) des
Kantons Schwyz A.________ die Wegweisung aus der Schweiz an, falls er erneut
gerichtlich bestraft werden oder sein Verhalten zu anderen berechtigten Klagen
Anlass geben sollte.
Es folgten sieben weitere Sanktionen und Verurteilungen:

- 6. Dezember 2004: Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit wegen Lenkens eines
Personenwagens in angetrunkenem Zustand;
- 15. August 2005: Busse von Fr. 60.-- wegen Widerhandlung gegen das
Transportgesetz;
- 10. August 2007: Busse von Fr. 200.-- wegen Übertretung des
Betäubungsmittelgesetzes;
- 12. August 2008: Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 40.-- und Busse von
Fr. 500.-- wegen Angriffs;
- 3. Dezember 2009: Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je Fr. 60.-- und Busse
von Fr. 1'000.-- wegen Führens von Motorfahrzeugen in qualifiziert
angetrunkenem Zustand, privilegiert angetrunkenem Zustand und unter
Drogeneinfluss, mehrfachen Führens eines Motorfahrzeugs trotz
Führerausweisentzugs sowie mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes;
- 24. September 2010: Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- wegen
Beschäftigung von ausländischen Personen ohne Bewilligung und Förderung des
rechtswidrigen Aufenthalts;
- 9. Mai 2011: Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je Fr. 50.-- und Busse von Fr.
1'000.-- wegen einfacher Körperverletzung und Drohung.
Am 18. Mai 2011 verwarnte das Amt für Migration A.________ erneut und drohte
ihm die Wegweisung an.
Es folgten weitere drei Verurteilungen:

- 4. Oktober 2012: Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- wegen
Hinderung einer Amtshandlung und Vergehen gegen das Waffengesetz sowie
mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes;
- 28. März 2014: Busse von Fr. 500.-- wegen grober Belästigung und der Störung
des Polizeidienstes (kantonales Strafrecht);
- 14. April 2014: Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- wegen Drohung.

1.3. Am 1. Oktober 2014 widerrief das Amt für Migration die
Aufenthaltsbewilligung und wies A.________ aus der Schweiz weg. Die dagegen
eingereichten kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Beschluss des
Regierungsrates des Kantons Schwyz vom 9. Juni 2015; Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 22. Dezember 2015).

1.4. A.________ erhebt am 17. Februar 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten beim Bundesgericht mit den Anträgen, den angefochtenen
Entscheid aufzuheben und vom Widerruf der Aufenthaltsbewilligung abzusehen;
eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht, der Regierungsrat, das Amt für Migration und das
Staatssekretariat für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
A.________ hat am 10. Juni 2016 repliziert. Am 18. Februar 2016 ist der
Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung beigelegt worden.

2.

2.1. Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts
unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das
Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt. Der Beschwerdeführer
hat keinen bundesgesetzlichen Anspruch auf Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung (vgl. Art. 44 AuG [SR 142.20]). Er beruft sich auf das
Recht auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK, unter
Bezugnahme auf die intakte Ehe mit seiner seit 1995 in der Schweiz lebenden
Gattin und die beiden (im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils noch unmündigen)
jüngeren Kinder.
Eine Anrufung von Art. 8 Ziff. 1 EMRK ist nur zulässig (und damit ein
völkerrechtlicher Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung nur gegeben), wenn der Familienangehörige, welcher das
Aufenthaltsrecht vermitteln soll, seinerseits über ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht verfügt. Ein solches liegt vor, wenn der Familienangehörige
im Besitz des Schweizer Bürgerrechts oder einer Niederlassungsbewilligung ist
oder eine Aufenthaltsbewilligung hat, die ihrerseits auf einem festen
Rechtsanspruch beruht (BGE 135 I 143 E. 1.3.1 S. 145 f.). Ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht der Ehefrau kann gestützt auf das Recht auf Achtung des
Privatlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK darin erblickt werden, dass sie im
Zeitpunkt des angefochtenen Urteils seit 20 Jahren in der Schweiz lebte, über
einen ungetrübten Leumund verfügt und drei Kinder hat, die hier sozialisiert
werden bzw. worden sind (vgl. Urteil 2C_42/2011 vom 23. August 2012 E. 1). Auf
die Beschwerde ist somit einzutreten.

2.2. Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, so dass sie im Verfahren
nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung zu
erledigen ist.

3.

3.1. Gemäss Art. 62 lit. c AuG kann die zuständige Behörde die
Aufenthaltsbewilligung widerrufen, wenn die ausländische Person erheblich oder
wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im
Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere
Sicherheit gefährdet.

3.2. Die Auffassung des Beschwerdeführers, Art. 62 lit. c AuG dürfe nicht als
Auffangtatbestand zu Art. 62 lit. b AuG zur Anwendung gelangen, ist
unzutreffend, weil bei dieser Auslegung der Widerrufsgrund von Art. 62 lit. c
AuG obsolet wäre. Der Tatbestand von Art. 62 lit. b AuG steht hier nicht zur
Diskussion, weshalb ein Widerruf der Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 62 lit.
c AuG zu prüfen ist. Dieser Tatbestand setzt - im Gegensatz zum Widerruf der
Niederlassungsbewilligung gestützt auf Art. 63 lit. b AuG - keinen
schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung voraus.
Auch Straftaten von geringer Schwere können einen Widerruf der
Aufenthaltsbewilligung rechtfertigen, wenn die wiederholte Begehung zeigt, dass
die betroffene Person nicht willens oder nicht fähig ist, die Rechtsordnung zu
respektieren (Urteile 2C_426/2015 vom 7. Juni 2016 E. 2.3; 2C_851/2014 vom 24.
April 2015 E. 3.3). Dasselbe gilt bei Missachtung von gesetzlichen Vorschriften
und behördlichen Verfügungen gemäss Art. 80 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom
24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR
142.201) sowie bei mutwilliger Nichterfüllung der öffentlich-rechtlichen oder
privatrechtlichen Verpflichtungen gemäss Art. 80 Abs. 1 lit. b VZAE. Der
Tatbestand des Verstosses gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung kann
demnach bereits bei einer erheblichen, mutwilligen Verschuldung erfüllt sein
(Urteil 2C_526/2015 vom 15. November 2015 E. 3.1).

3.3. Angesichts der insgesamt 24 strafrechtlichen Verurteilungen oder
Administrativmassnahmen steht ausser Frage, dass der Beschwerdeführer erheblich
und wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz
verstossen und damit den Widerrufsgrund von Art. 62 lit. c AuG gesetzt hat.
Inwiefern die Vorinstanz von einem offensichtlich unrichtigen Sachverhalt
ausgeht, ist nicht ersichtlich. Die Vorinstanz würdigt den Sachverhalt
lediglich anders als der Beschwerdeführer. Dabei verkennt sie keineswegs, dass
14 der insgesamt 24 strafrechtlichen Verurteilungen und Administrativmassnahmen
im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils zwischen 11 und 21 Jahren zurücklagen
(die jeweiligen Begehungszeitpunkte werden zudem im angefochtenen Urteil
angegeben). Die Vorinstanz weist aber in der Vernehmlassung zutreffend darauf
hin, dass nach einer ersten Verwarnung die Eingriffsschwelle im Rahmen von Art.
62 lit. c AuG gegenüber einem erstmaligen Setzen von Widerrufsgründen abgesenkt
wird, weshalb eine zweite Verwarnung nur ausnahmsweise erfolgt (Urteil 2C_526/
2015 vom 15. November 2015 E. 4.6). Obwohl hier - entgegen der Behauptung des
Beschwerdeführers - keine Besserung im Verhalten eingetreten ist und dieser
ungeachtet der Verwarnung vom 23. November 2004 weiter delinquierte, wobei die
Schwere der Delikte zunahm (Angriff, begangen am 16. Dezember 2007, schwerere
Strassenverkehrsdelikte, begangen zwischen 2004 und 2009, sowie einfache
Körperverletzung, begangen am 4. Juli 2007), sprach das Amt für Migration am
18. Mai 2011 eine zweite Verwarnung aus. Es ist evident, dass die drei im Jahr
darauf folgenden Verurteilungen das Fass zum Überlaufen brachten, wenngleich es
sich "nur" um zwei kleinere Geldstrafen und eine Busse handelte.
Die Vorinstanz erwähnt sodann die Schulden des Beschwerdeführers, welche sich
im Juli 2014 auf rund Fr. 83'000.-- beliefen. Trotz Bemühungen, einen Teil der
Schulden zurückzuzahlen, hatten sich diese infolge Sozialhilfebezugs
gleichzeitig wieder erhöht. Eine Reduktion der Schuldenlast konnte nach den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG) nur dank
des Kapitalschnitts eines Gläubigers erreicht werden.

4. 
Zu prüfen bleibt die Verhältnismässigkeit des Widerrufs im Sinn von Art. 96
Abs. 1 AuG und Art. 8 Ziff. 2 EMRK.

4.1. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts ist
offensichtlich, nachdem der Beschwerdeführer 24 Mal bestraft oder durch Entzug
des Führerscheins sanktioniert werden musste und zudem Schulden hat. Zwei
formelle Verwarnungen vermochten ihn nicht von weiterem deliktischen Verhalten
abzuhalten. Der Beschwerdeführer scheint offensichtlich nicht gewillt, sich an
die hiesige Rechtsordnung zu halten.

4.2. Das Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz ergibt sich
aus der Dauer seiner Anwesenheit (über 24 Jahre) und aus der Tatsache, dass
seine Ehefrau und die beiden (im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils noch
unmündigen) Kinder hier leben. Die wirtschaftliche Integration in der Schweiz
ist nicht gelungen; die Vorinstanz erachtet einen erneuten Sozialhilfebezug
aufgrund der beruflichen Situation des Beschwerdeführers sogar als nicht
unwahrscheinlich. Die Trennung von der Ehefrau und den Kindern ist ein relativ
schwerer Eingriff in das Familienleben. Indessen wurden die Kinder geboren,
bevor der Beschwerdeführer das erste Mal verwarnt wurde. Mit seiner
unablässigen Delinquenz hat der Beschwerdeführer das Familienleben in der
Schweiz bewusst aufs Spiel gesetzt. Aufgrund des Alters der Kinder ist die
Pflege des Kontakts über die Grenzen hinweg problemlos möglich, was
selbstredend auch für die Ehefrau gilt. Der Beschwerdeführer hat seine Kindheit
und Jugend im Kosovo verbracht. Er beherrscht die Sprache und hat seine zwei
dort lebenden Schwestern jeweils einmal jährlich besucht. Ihm, der im Zeitpunkt
des angefochtenen Urteils 41 Jahre alt war, ist die Rückkehr in sein
Herkunftsland zumutbar.

4.3. Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung erweist sich damit als
verhältnismässig. Ergänzend kann auf die einlässliche Begründung im
angefochtenen Urteil verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).

5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht
zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz, Kammer III, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 26. September 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Genner

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