Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.11/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_11/2016

Urteil vom 10. Juni 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiber Matter.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch AS&T Attenhofer Steuerberatung & Treuhand,

gegen

Gemeinderat U.________,
Kantonales Steueramt Aargau.

Gegenstand
Grundstückgewinnsteuer 2007,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 10. November 2015.

Sachverhalt:

A. 
Im Jahr 2012 verkaufte A.________ seinen Miteigentumsanteil an zwei Parzellen
in U.________ und bezeichnete in seiner Steuererklärung für die
Grundstückgewinnsteuer eine Steuerberatungs- und Treuhandgesellschaft als
bevollmächtigte Vertreterin.

B. 
Am 12. Dezember 2013 veranlagte die Steuerkommission U.________ A.________ zu
einer Grundstückgewinnsteuer von Fr. 17'690.-- und stellte diese Verfügung
(mitsamt Rechnung) direkt dem Pflichtigen, nicht aber dessen Vertreterin zu.

C. 
Am 3. Juni 2014 erhob die Steuerberatungs- und Treuhandgesellschaft im Namen
von A.________ Einsprache, auf welche das Steueramt U.________ wegen Verspätung
nicht eintrat. Dagegen gelangte A.________ vergeblich an das
Spezialverwaltungsgericht, Abt. Steuern, und nachher an das Verwaltungsgericht
des Kantons Aargau.

D. 
Am 4. Januar 2016 hat A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht. Sinngemäss beantragt er, das
verwaltungsgerichtliche Urteil vom 10. November 2015 aufzuheben, soweit es den
Nichteintretensentscheid auf die Einsprache vom 3. Juni 2014 kantonal
letztinstanzlich bestätige, und die Sache zur materiellen Behandlung an die
Steuerkommission U.________ zu überweisen.

E. 
Das Kantonale Steueramt Aargau und das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau
schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Eidgenössische Steuerverwaltung
hat auf eine Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde ist zulässig (vgl. Art. 82 ff. BGG in Verbindung mit Art. 73 des
Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten
Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]).

2. 
Gemäss Art. 41 Abs. 3 StHG werden Veranlagungsverfügungen dem Steuerpflichtigen
schriftlich eröffnet und müssen sie eine Rechtsmittelbelehrung enthalten;
andere Verfügungen und Entscheide sind ausserdem zu begründen. Auf diese
Bestimmung hat sich das Verwaltungsgericht gestützt, um das Nichteintreten der
Steuerkommission auf die beinahe sieben Monate nach der Veranlagungsverfügung
eingereichte Einsprache wegen Verspätung als bundesrechtskonform zu schützen.

2.1. Die vorinstanzliche Beurteilung stimmt mit der beständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichts überein:

2.1.1. In seinem Urteil BGE 113 Ib 296, das in Anwendung einer früher gültigen
und für die Einkommenssteuer massgeblichen, aber mit Art. 41 Abs. 3 StHG
inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift erging, hält das Bundesgericht
folgenden Grundsatz fest: Hat der Steuerpflichtige einen vertraglichen
Vertreter bezeichnet, muss die Behörde ihre Verfügungen durch Zustellung an
diesen eröffnen (damit im Einklang: § 27 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Aargau
über die Verwaltungsrechtspflege [Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG/AG] vom
4. Dezember 2007). Tut sie das nicht, ist die Eröffnung mangelhaft und darf dem
Pflichtigen daraus kein Nachteil erwachsen (BGE 113 Ib 296 E. 2b S. 298;
Urteile 2C_883/2010 vom 7. April 2011 E. 2.1, in: StE 2011 B 92.7 Nr. 8; 2A.451
/1996 vom 21. Mai 1997 E. 2a in: ASA 67 S. 391; 2A.419/1990 vom 20. März 1992
E, 5 in: ASA 62 S. 622; 2A.45/1988 vom 30. August 1988 E. 3c in: ASA 59 S.
415).
Es genügt für die Gültigkeit des Vertretungsverhältnisses im
Veranlagungsverfahren, dass den Steuerbehörden ein solches
Vertretungsverhältnis bekannt ist (vgl. zum rechtsgenüglichen Nachweis des
Vertretungsverhältnisses: Urteile 2C_883/2010 E. 2.3; 2A.451/1996 E. 2). Die
Zustellung an den Pflichtigen selber kann aber nicht dazu führen, dass die
Veranlagung als nicht eröffnet gilt. Sie darf für ihn bloss keine Nachteile zur
Folge haben. Ob das mangelhafte Vorgehen der Behörden einen Hinderungsgrund
darstellt, der zur Wiederherstellung der Frist führt, ist aufgrund der gesamten
Umstände des konkreten Einzelfalles zu entscheiden (Urteile 2C_883/2010 E. 2.1;
2A.419/1990 E. 5).

2.1.2. Um eine mangelhafte Zustellung, aus welcher dem Pflichtigen keine
Nachteile erwachsen dürfen, handelt es sich insbesondere dann, wenn der
Pflichtige für längere Zeit ins Ausland verreist und an seiner schweizerischen
Adresse nicht mehr erreichbar ist, weshalb eine zulässige und Rechtswirkungen
entfaltende Eröffnung nur zuhanden des vom Pflichtigen klarerweise bezeichneten
und der Steuerbehörde bekannten Vertreters erfolgen kann (vgl. BGE 113 Ib 296
E. 2c S. 298 f.).
Ist dem Pflichtigen die Veranlagung aber unzweifelhaft zu Kenntnis gebracht
worden, kann er nicht erst nach Ablauf der Einsprachefrist, nachdem er die
Steuerrechnung beglichen hat, Einwände gegen die Veranlagung erheben (Urteil
2A.45/1988 E. 3c; siehe auch das Urteil 2A.419/1990 E. 5, wo ein
Hinderungsgrund und eine Wiederherstellung der Frist aufgrund der spezifischen
Umstände des Einzelfalls bejaht wurden).
Werden Mahnungen für die Einreichung der Steuererklärung nicht an die
Vertreterin, sondern an die Pflichtige versandt, so obliegen dieser unter dem
Gesichtswinkel von Treu und Glauben zumutbare Schritte, im Zweifelsfalle mit
ihrer Vertreterin oder mit der Behörde Verbindung aufzunehmen, um die Sachlage
zu klären. So hätte sie spätestens nach der zweiten Mahnung stutzig werden und
abklären müssen, warum die Mahnung ihr zugestellt worden ist. Sie kann sich in
einem solchen Fall nicht einfach darauf verlassen, dass ihr Vorgehen korrekt
und dasjenige der Steuerverwaltung falsch wäre (Urteil 2C_883/2010 E. 2.3).

2.2. Vorliegend ist unbestritten, dass das Vertretungsverhältnis der
zuständigen Steuerkommission bekannt und rechtsgenüglich nachgewiesen war.
Deshalb durfte der Pflichtige an sich davon ausgehen, dass die
Veranlagungsverfügung nicht direkt ihm (bzw. nur ihm) zugestellt würde. Wenn
das doch so geschah, war diese Eröffnung mangelhaft.
Andererseits - und im Gegensatz zum oben genannten Fall einer längeren
Abwesenheit im Ausland - erhielt der Beschwerdeführer unzweifelhaft Kenntnis
von der Veranlagung. Er konnte sich unter den konkret gegebenen Umständen nicht
bloss auf die Mangelhaftigkeit der Zustellung berufen und gänzlich untätig
bleiben. Vielmehr hatte er die ihm gemäss Treu und Glauben obliegende, durchaus
zumutbare Abklärung vorzunehmen.
Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, hätte der Beschwerdeführer
in der spezifisch zu beurteilenden Situation spätestens gegen Ende der
Einsprachefrist mit der von ihm beauftragten Steuerberatungs- und
Treuhandgesellschaft Kontakt aufnehmen müssen, um zu erfahren, ob in dieser
Angelegenheit etwas getan werden musste. Das unterliess er aber entgegen dem,
was zumutbarerweise von ihm hätte erwartet werden können. Deshalb hat die
Vorinstanz die erst knapp sechs Monate danach eingereichte Einsprache zu Recht
als verspätet eingestuft.

2.3. Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, vermag nicht zu einem anderen
Ergebnis zu führen.

2.3.1. Namentlich geht es an der Sache vorbei, wenn in der Beschwerdeschrift
vor Bundesgericht argumentiert wird, der Steuerberatungs- und
Treuhandgesellschaft könne kein Fehler oder Versäumnis vorgeworfen werden. Das
ist aber vom Verwaltungsgericht auch nicht behauptet worden. Vielmehr geht es
hier ausschliesslich darum, dass der Beschwerdeführer nach Erhalt der nur ihm
zugestellten Veranlagungsverfügung gegenüber der von ihm beauftragten
Vertreterin monatelang pflichtwidrig untätig blieb, so dass diese erst mehr als
ein halbes Jahr später von der Verfügung erfuhr.

2.3.2. Ebenso wenig trifft es zu, dass die Vorinstanz ihrer Beurteilung eine
bloss schematische Sichtweise zugrunde gelegt habe, ohne die spezifischen
Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen. Insbesondere hat das
Verwaltungsgericht nicht ausser Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer ein
Bauhandwerker albanischer Muttersprache ohne besondere rechtliche Kenntnisse
ist. Wie die von ihm abgeschlossenen Rechtsgeschäfte zeigen, verfügt er aber
offensichtlich über einige Erfahrung im wirtschaftlichen Verkehr, was sich auch
auf rechtliche Verfahrensabläufe zu erstrecken scheint. Deshalb hätte er
verstehen können und müssen, dass er nach Erhalt der Veranlagungsverfügung
nicht gänzlich untätig bleiben durfte.

2.3.3. Zu weit geht schliesslich die Bedeutung, welche der Beschwerdeführer §
28 Abs. 1 VRPG/AG beimisst. Gemäss dieser Bestimmung gilt für die Berechnung
der Fristen, deren Unterbruch und die Wiederherstellung gegen die Folgen der
Säumnis die Zivilprozessordnung. Daraus kann aber nichts geschlossen werden,
was der hier massgeblichen bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. oben E.
2.1) zuwiderlaufen würde. Diese Rechtsprechung ist auf die Besonderheiten der
jeweiligen Stellung der Behörde und des Steuerpflichtigen im
Veranlagungsverfahren ausgerichtet. Auch hat das Verwaltungsgericht die
höchstrichterliche Praxis im vorliegenden Verfahren so angewendet, dass das
angefochtene Urteil sich in allen Punkten als bundesrechtskonform erweist.

3. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen und wird der Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 65 f. BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau, 2. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 10. Juni 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Matter

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