Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1187/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]                  
{T 0/2}
                                
2C_1187/2016 / 2C_1188/2016

Urteil vom 2. Februar 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Kocher.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Bern.

Gegenstand
2C_1187/2016
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Bern, Steuerjahr 2010,

2C_1188/2016
direkte Bundessteuer, Steuerjahr 2010,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter, vom 21. Oktober 2016.

Erwägungen:

1.

1.1. A.________, geb. 1947, mussten aufgrund eines Unfalls beide Unterschenkel
amputiert werden, weshalb sie in der Steuererklärung 2010 behinderungsbedingte
Kosten von Fr. 36'253.-- geltend machte. Die Steuerverwaltung des Kantons Bern
(KSTV/BE) anerkannte hiervon lediglich den Teilbetrag von Fr. 16'391.--. Auf
Einsprache hin setzte die KSTV/BE mit Entscheiden vom 5. März 2013 das
steuerbare Einkommen auf beiden Ebenen um Fr. 1'500.-- herab. Im Beschwerde-
bzw. Rekursverfahren nahm die Steuerrekurskommission des Kantons Bern eine
weitere Reduktion um je Fr. 100.-- vor (Entscheide vom 13. Februar 2015) und
wies die Sache zur Neuveranlagung an die KSTV/BE zurück. Dagegen gelangte die
Steuerpflichtige an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern.

1.2. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, waren verschiedenartige Mehrkosten umstritten
(Mobiltelefonie, grösserer Wohnbedarf, Umbau des Badezimmers, Computer und
Drucker, Zeitschriftenabonnemente, erhöhte Stromkosten, Fahrkosten, Kleider und
Schuhe, Ersatzmöbel). Mit einzelrichterlichem Entscheid 100.2015.73/74 vom 21.
Oktober 2016 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab und bestätigte es
damit die Rückweisungsentscheide vom 13. Februar 2015.

1.3. Mit Eingabe vom 24. Januar 2017 erhebt die Steuerpflichtige beim
Bundesgericht Beschwerde. Sie beantragt sinngemäss die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids und die Zulassung der strittigen Positionen zum Abzug.
Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR
173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen abgesehen. Die Sache kann aufgrund
offensichtlicher Unbegründetheit im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs.
2 lit. a BGG entschieden werden.

I. Prozessuales

2.

2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten sind grundsätzlich gegeben (Art. 82 lit. a, Art. 83 e
contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 BGG; Art. 146 DBG
(SR 642.11] und Art. 73 StHG [SR 642.14]). Die Beschwerde ist mit Blick auf das
am 16. November 2016 gutgeheissene Gesuch um vorgezogene Wiederherstellung der
Frist (Art. 50 Abs. 1 BGG) fristgerecht erfolgt. Der angefochtene Entscheid
bestätigt einen unterinstanzlichen Rückweisungsentscheid. Da der KSTV/BE, an
welche die Sache zurückgewiesen wurde, lediglich obliegt, die Veranlagung an
die veränderten Umstände anzupassen (Herabsetzung des steuerbaren Einkommens um
Fr. 100.--; vorne E. 1.1), stellt sich der Zwischenentscheid als (Quasi-)
Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG dar. Er kann selbständig angefochten
werden (BGE 142 II 20 E. 1.2 S. 24). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Praxisgemäss eröffnet das Bundesgericht für die Bundessteuer und die Staats-
und Gemeindesteuern zwei Dossiers und vereinigt die beiden Verfahren.

2.2. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1
BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.5 S. 157) und mit uneingeschränkter (voller)
Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 141 V 234 E. 2 S. 236).

2.3. Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten (einschliesslich der
Grundrechte) und von kantonalem oder kommunalem und interkantonalem Recht prüft
das Bundesgericht dagegen nur, falls eine solche Rüge in der Beschwerde
überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge-
und Begründungsobliegenheit gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 99 E. 1.7.2
S. 106).

2.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.3 S.
156). Es kann die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nur berichtigen
oder ergänzen, soweit sie offensichtlich unrichtig - das heisst willkürlich -
sind oder auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen
(Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6 S. 144 f.).

II. Direkte Bundessteuer

3.

3.1. Von den Einkünften einer natürlichen Person können die allgemeinen Abzüge
vorgenommen werden. Darunter fallen auch die behinderungsbedingten Kosten der
steuerpflichtigen Person oder der von ihr unterhaltenen Personen mit
Behinderungen im Sinne des BehiG (SR 151.3), soweit die steuerpflichtige Person
die Kosten selber trägt (Art. 33 Abs. 1 lit. h bis DBG). Das subjektive
Tatbestandselement (behinderte Person) ergibt sich unmittelbar aus Art. 2 Abs.
1 BehiG, wogegen zum objektiven Element (behinderungsbedingte Kosten) das
Gesetz keine nähere Umschreibung kennt. Die Eidgenössische Steuerverwaltung
(ESTV) hat hierzu eine Verwaltungsverordnung erlassen. Das Kreisschreiben Nr.
11 vom 31. August 2005 betreffend Abzug von Krankheits- und Unfallkosten sowie
von behinderungsbedingten Kosten führt in Ziff. 4.2 folgendes aus:

"Als behinderungsbedingt gelten die notwendigen Kosten, die als Folge einer
Behinderung gemäss Ziff. 4.1 entstehen  (kausaler Zusammenhang) und weder
Lebenshaltungs- noch Luxusausgaben darstellen. Zu den  Lebenshaltungskosten
 sind die Aufwendungen zu zählen, die zur Befriedigung der persönlichen
Bedürfnisse dienen. Darunter fallen die üblichen Kosten für Nahrung, Kleidung,
Unterkunft, Gesundheitspflege, Freizeit und Vergnügen. Aufwendungen, die den
Rahmen üblicher und notwendiger Massnahmen übersteigen, nur aus Gründen der
persönlichen Annehmlichkeit anfallen oder besonders kostspielig sind 
(Luxusausgaben wie die Anschaffung eines Renn-Rollstuhls oder der Einbau eines
Schwimmbads), können nicht zum Abzug gebracht werden."

3.2. Das Bundesgericht weicht dem Grundsatze nach von einer
Verwaltungsverordnung nicht ab, falls deren generell-abstrakter Gehalt eine dem
individuell-konkreten Fall angepasste und gerecht werdende Auslegung der
massgebenden Rechtssätze zulässt, welche diese überzeugend konkretisiert (BGE
142 II 182 E. 2.3.3 S. 191). Was das Kreisschreiben Nr. 11/2005 betrifft, hat
das Bundesgericht sich diesem schon verschiedentlich angeschlossen (in der
jüngeren Vergangenheit etwa im Urteil 2C_588/2011 vom 16. Dezember 2011 E. 3.4,
in: StE 2012 B 27.5 Nr. 20). Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Fall von
dieser Praxis abzuweichen.

3.3. Die Steuerpflichtige legt ihre Lebenssituation ausführlich und an sich
nachvollziehbar dar. Sie unterlässt es dabei allerdings, die vorinstanzlichen
Feststellungen in einer Weise zu bestreiten, die den Anforderungen an die
qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit genügt (Art. 106 Abs. 2 BGG).
So unterbleiben jedwede Erörterungen unter dem Gesichtspunkt des
Verfassungsrechts, weshalb der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt als
unbestritten zu gelten hat und für das Bundesgericht daher verbindlich ist.
Dies trifft namentlich auf die Höhe der Fahrkosten zu, mit welcher sich die
Vorinstanz detailliert auseinandersetzt, ferner auf die nicht nachgewiesenen
Mehrkosten für die Bekleidung, weiter auf die Kosten der Neumöblierung, die im
vorangehenden Steuerjahr angefallen waren. Zu den geltend gemachten Umbaukosten
(Badezimmer) erwägt die Vorinstanz, der zugelassene Abzug von Fr. 1'298.--
entspreche der Aktenlage, da der Mehrbetrag von der IV übernommen worden sei.
Zudem hätte auch dieser Abzug nicht gewährt werden dürfen, da schon 2009 ein
Badumbau anerkannt worden sei. Eine Korrektur zu Lasten der Beschwerdeführerin
erfolgte jedoch nicht, so dass die Vorbringen der Beschwerdeführerin, das Bad
habe behinderungsbedingt erneut umgebaut werden müssen, gegenstandslos sind.
Was die Kosten des Mobiltelefons, jene für Computer und Drucker sowie für
Zeitschriften betrifft, ist es bundesrechtlich nicht zu beanstanden, von
Lebenshaltungskosten auszugehen. Auch nicht behinderte Personen vermögen diese
nicht abzuziehen (Art. 34 lit. a DBG). Schliesslich trifft es zu, dass weniger
die Grösse als vielmehr der Standard einer Wohnung darüber entscheidet, ob
diese behindertengerecht ist.

3.4. Die Beschwerde erweist sich damit, was die direkte Bundessteuer betrifft,
als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist.

III. Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Bern

4. 
Art. 9 Abs. 2 lit. hbis StHG, den der Kanton Bern in Art. 38 Abs. 12 lit. i StG
/BE überführt hat, stimmt in allen Teilen mit Art. 33 Abs. 1 lit. h bis DBG
überein. Es darf auf das Gesagte verwiesen werden.

IV. Kosten und Entschädigung

5. 
In Anbetracht der Umstände kann darauf verzichtet werden, der unterliegenden
Steuerpflichtigen die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Dem Kanton Bern, der in seinem amtlichen
Wirkungskreis obsiegt, ist keine Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 3
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Verfahren 2C_1187/2016 und 2C_1188/2016 werden vereinigt.

2. 
Die Beschwerde im Verfahren 2C_1188/2016 (direkte Bundessteuer, Steuerjahr
2010) wird abgewiesen.

3. 
Die Beschwerde im Verfahren 2C_1187/2016 (Staats- und Gemeindesteuern des
Kantons Bern, Steuerjahr 2010) wird abgewiesen.

4. 
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Kosten erhoben.

5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Februar 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Kocher

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