Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1155/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_1155/2016       

Urteil vom 3. April 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Verfahrensbeteiligte
Bank A.________ (vormals Bank B.________),
vertreten durch Rechtsanwälte Herr Dr. Roberto Dallafior und Herr Matthias
Gstoehl,
Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, 3003 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Staatshaftungsbegehren; Verfahrenssistierung,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 9.
November 2016.

Sachverhalt:

A.
Die Bank A.________ in Lissabon, Portugal, damals firmierend unter Bank
B.________, stellte am 20. Juli 2015 bei der Eidgenössischen
Finanzmarktaufsicht (FINMA) ein Schadenersatz-/ Staatshaftungsbegehren in Höhe
von Fr. 16'988'028.43 zuzüglich 5 % Zins seit dem 25. Juli 2014. Sie begründete
dies mit angeblich rechtswidrigen Handlungen der FINMA im Zusammenhang mit dem
Konkurs der Bank C.________.
Mit Zwischenverfügung vom 29. April 2016 verfügte die FINMA die Sistierung des
Schadenersatzverfahrens bis zum Abschluss der Strafverfahren der
Bundesanwaltschaft gegen ehemalige Verantwortliche der konkursiten Bank, der
Verwaltungsverfahren der FINMA gegen ehemalige Verantwortliche der konkursiten
Bank sowie bis zum Abschluss des Konkursverfahrens betreffend die Bank
C.________.

B.
Gegen diese Zwischenverfügung beschwerte sich die Bank A.________ beim
Bundesverwaltungsgericht und beantragte im Wesentlichen die Aufhebung der
Sistierung und die Anweisung an die FINMA, das Staatshaftungsverfahren an die
Hand zu nehmen.
Mit Urteil vom 9. November 2016 trat das Bundesverwaltungsgericht zufolge
Fehlens eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils auf die Beschwerde nicht
ein.

C.
Mit Eingabe vom 19. Dezember 2016 führt die Bank A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht und beantragt im
Wesentlichen erneut die Aufhebung der Sistierung und die Anweisung an die
FINMA, das Staatshaftungsverfahren an die Hand zu nehmen; eventualiter sei die
Sache zur erneuten Beurteilung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.
Während das Bundesverwaltungsgericht auf Vernehmlassung verzichtet, schliesst
die FINMA auf Abweisung der Beschwerde, soweit auf diese überhaupt einzutreten
sei.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2017 wurde der Beschwerdeführerin das
Vernehmlassungsergebnis mitgeteilt. Innert der hierfür angesetzten Frist
erfolgte keine weitere (fakultative) Eingabe.

Erwägungen:

1.

1.1. Beschwerden sind primär zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren
abschliessen (Art. 90 BGG), sei es insgesamt, sei es unter bestimmten
Voraussetzungen hinsichtlich eines Teils (Art. 91 BGG). Gegen selbständig
eröffnete Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand
betreffen (Art. 92 BGG), ist die Beschwerde nur zulässig, wenn diese
Zwischenentscheide einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können
(Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder die Gutheissung der Beschwerde sofort einen
Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder
Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit.
b BGG). Die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus
prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das
Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll. Die Ausnahme
ist restriktiv zu handhaben (BGE 138 III 94 E. 2.2 S. 95). Dabei hat die
Beschwerdeführerin die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG darzulegen (BGE
137 III 324 E. 1.1 S. 328 f.; 134 III 426 E. 1.2 S. 429), soweit diese nicht
offensichtlich erfüllt sind (BGE 136 IV 92 E. 4 S. 95 f.; 133 III 629 E. 2.3.1
S. 632).

1.2. Die Verfügung der FINMA vom 29. April 2016 ist klarerweise und
unbestrittenermassen ein Zwischenentscheid; Rechtsmittelentscheide betreffend
Zwischenentscheide bilden regelmässig ihrerseits wiederum Zwischenentscheide
(Urteile 2C_1009/2014 vom 6. Juli 2015 E. 1.3; 2C_1207/2012 vom 20. Dezember
2012 E. 1; 4A_542/2009 vom 27. April 2010 E. 3; vgl. BGE 134 IV 43 E. 2 S. 44
ff.). Dies gilt auch dann, wenn der angefochtene Rechtsmittelentscheid auf
Nichteintreten lautet: Zwar schliessen Nichteintretensentscheide grundsätzlich
ein Verfahren ab; betrifft der Nichteintretensentscheid aber eine Beschwerde
gegen eine Zwischenverfügung, kann er lediglich den Streit um den Gegenstand
der Zwischenverfügung und nicht das Hauptverfahren beenden: Ein solcher
Nichteintretensentscheid - wie vorliegend das angefochtene Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2016 - ist daher ein
Zwischenentscheid (vgl. BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382; Urteile 2C_1009/2014 vom
6. Juli 2015 E. 1.3; 5A_611/2014 vom 21. Oktober 2014 E. 1.2; 4A_542/2009 vom
27. April 2010 E. 3).

1.3. Dass die Gutheissung der Beschwerde im hier zu beurteilenden Fall sofort
einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit
oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1
lit. b BGG), ist offensichtlich nicht der Fall und es wird dies von der
Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.
Zu prüfen bleibt deshalb, ob die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
erfüllt sind, was - wie bereits ausgeführt - grundsätzlich davon abhängt, ob
der angefochtene Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken kann. Vorliegend gilt es indes auch der Besonderheit Rechnung zu
tragen, dass hier die Anfechtung einer angeordneten Verfahrenssistierung im
Streit liegt: Die Rechtsprechung unterscheidet diesbezüglich zwei
Konstellationen: Entweder wird (substantiiert) die durch die Sistierung
verursachte Verfahrensverzögerung gerügt (Verletzung des
Beschleunigungsgebots); diesfalls erfordert das Eintreten ausnahmsweise keinen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG.
Oder aber es werden anderweitige Einwendungen vorgetragen wie beispielsweise
das Argument, die Sistierung bis zum Abschluss eines anderen Verfahrens erweise
sich als nicht gerechtfertigt. Im letzteren Fall setzt das Eintreten auf die
Beschwerde einen irreversiblen Nachteil voraus, der auf Grund der
materiellrechtlichen Gegebenheiten zu beurteilen ist (BGE 138 III 190 E. 6 S.
192; 134 IV 43 E. 2.5 in fine S. 47; Urteil 8C_581/2014 vom 16. März 2015 E.
5.2, m.w.H.). Die blosse Verfahrensverlängerung oder -verteuerung stellt keinen
hinreichenden Nachteil dar (BGE 138 III 190 E. 6 S. 192; 137 III 380 E. 1.2.1
S. 382; 136 IV 92 E. 4 S. 95; 136 II 165 E. 1.2.1 S. 170; jeweils mit
Hinweisen).

2. 

2.1. Die Beschwerdeführerin erachtet die bisherige, rund eineinhalbjährige
Verfahrensdauer als nicht relevant, sondern behauptet vorliegend eine
Verletzung des Beschleunigungsgebotes primär aufgrund der zukünftig noch zu
erwartenden Verzögerung durch die Sistierung, welche sie mit mindestens zwölf
Jahren veranschlagt. Zudem erkennt sie drohende nicht wieder gutzumachende
Nachteile darin, dass nach mindestens zwölfjähriger Verfahrensdauer die
Sachverhaltserhebung deutlich erschwert sei und insbesondere wichtige Zeugen
nicht mehr oder nur noch eingeschränkt einvernommen werden könnten.
Schliesslich wendet die Beschwerdeführerin auch ein, für die Sisitierung
beständen keine hinreichenden Gründe.

2.2. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin überzeugen nicht:

2.2.1. Die Beschwerdeführerin legt ihrer Argumentation die Annahme zugrunde,
dass die Straf- und Verwaltungsverfahren gegen Verantwortliche der Bank
C.________ sowie das Konkursverfahren betreffend die Bank C.________ noch
mindestens zwölf Jahre dauern würden. Wie die FINMA in ihrer Vernehmlassung
zutreffend ausführt, handelt es sich dabei jedoch um eine reine Spekulation:
Die Beschwerdeführerin beschränkt sich in diesem Zusammenhang einerseits auf
die Behauptung, es sei gerichtsnotorisch, dass sich straf- und
verwaltungsrechtliche Untersuchungen im Allgemeinen und jene der
Bundesanwaltschaft im Besondern typischerweise über mehrere Jahre wenn nicht
sogar Jahrzehnte hinziehen würden. Andererseits führt sie aus, es handle sich
beim Konkurs der Bank C.________ um einen Fall höchster Komplexität mit
Berührungspunkten in zahlreichen Ländern und mit einer Vielzahl von
Geschädigten, weshalb auch beim Konkursverfahren mit einer langen Dauer zu
rechnen sei; beim Konkurs der Bank D.________ im Jahre 1991 hätten das Konkurs-
und das anschliessende Liquidationsverfahren immerhin 14 Jahre gedauert.
Hinsichtlich der mutmasslichen Dauer des Konkursverfahrens betreffend die Bank
C.________ ist der Beschwerdeführerin vorab entgegenzuhalten, dass sich die
Erfahrungen aus einem einzelnen, weit zurückliegenden Ereignis generell nicht
ohne Weiteres auf gegenwärtige oder zukünftige Verfahren übertragen lassen.
Zudem geht aus der Beschwerdebegründung hervor, dass die Bank C.________ im
Juli/August 2014 - d.h. noch vor der Konkurseröffnung per 19. September 2014 -
einen Teil ihres Geschäfts bzw. ihrer Kundenbeziehungen im Rahmen einer
Vermögensübertragung nach Art. 69 des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über
Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG; SR
221.301) an eine andere Bank übertragen hat, wodurch sich die Anzahl der
Gläubiger im jetzigen Konkursverfahren und damit die Komplexität desselben
reduziert. In ihrer Vernehmlassung vom 30. Januar 2017 stellt die FINMA denn
auch bereits die Auflage des Kollokationsplans innert der nächsten Wochen in
Aussicht.

2.2.2. Auch die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Nachteile
erscheinen nicht hinreichend substantiiert: Die von ihr befürchtete Erschwerung
bei der Sachverhaltserhebung und insbesondere bei der Befragung allfälliger
Zeugen beruht nämlich im Wesentlichen wiederum auf ihrer spekulativen Annahme
einer mindestens zwölfjährigen Verfahrensverzögerung. Im Übrigen ist die
Beschwerdeführerin diesbezüglich bei abstrakten Äusserungen geblieben; eine
genaue Bezeichnung, welche Person befragt werden müsste und inwiefern diese
Befragung bei einem Zuwarten verunmöglicht würde, nimmt sie nicht vor. Ähnlich
pauschal ist auch die Behauptung der Beschwerdeführerin, es müsse
"begründeterweise davon ausgegangen werden, dass die [FINMA] sie belastende
Umstände nicht abschliessend in Urkunden dokumentiert hat".

2.3. Somit sind die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
bzw. im Sinne der aufgezeigten bundesgerichtlichen Praxis (E. 1.3 hiervor)
nicht erfüllt, was ohne Weiteres das Nichteintreten auf die Beschwerde zur
Folge hat. Bei dieser Sachlage muss an sich nicht geprüft werden, ob sachliche
Gründe für die Sistierung des Staatshaftungsverfahrens bis zum Abschluss der
Straf- und Verwaltungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Bank C.________
sowie des Konkursverfahrens betreffend die Bank C.________ bestehen. Der
Vollständigkeit halber kann jedoch festgehalten werden, dass solche Gründe -
entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - sehr wohl ersichtlich sind:
Zum einen steht vor Abschluss des Konkursverfahrens noch gar nicht fest, wie
hoch die Konkursdividende ausfällt. Damit ist aber auch noch unbestimmt, ob und
falls ja in welchem Ausmass die Beschwerdeführerin überhaupt einen finanziellen
Schaden erlitten hat. Das Vorliegen eines Vermögensschadens bildet indes
Grundvoraussetzung eines Schadenersatzverfahrens und es erscheint wenig
sinnvoll, Ermittlungshandlungen einzuleiten und das Staatshaftungsverfahren
voranzutreiben, wenn über dessen essentielle Prämisse noch Unklarheit besteht.
Zum andern verweist die Vorinstanz mit Bezug auf die Straf- und
Verwaltungsverfahren gegen verantwortliche Personen der Bank C.________ in
nachvollziehbarer Weise auf Art. 19 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 2007
über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz,
FINMAG; SR 956.1), wonach eine Haftung der FINMA und der von ihr Beauftragten
nebst einer Verletzung von wesentlichen Amtspflichten (lit. a) insbesondere
auch voraussetzt, dass die betreffenden Schäden nicht auf Pflichtverletzungen
einer oder eines Beaufsichtigten zurückzuführen sind (lit. b). In diesem
Zusammenhang kommt auch dem Strafverfahren gegen den ehemaligen Verwaltungsrat
der Bank C.________, E.________, Bedeutung zu; dass dieser kurz vor Eröffnung
des Konkurses aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden ist, wie dies die
Beschwerdeführerin betont, ändert nichts daran, dass dieser während seiner
Amtszeit Pflichtverletzungen begangen haben könnte, welche Anlass zu den von
der Beschwerdeführerin beanstandeten Massnahmen der FINMA gegeben und zum
Eintritt eines allfälligen Schadens geführt haben. Auch insoweit erscheinen
Ermittlungshandlungen im Staatshaftungsverfahren nicht als zweckmässig, solange
Abklärungen hinsichtlich eines möglichen Haftungsausschlussgrundes im Gange
sind. Wohl trifft der Einwand der Beschwerdeführerin zu, dass der Inhalt der
Straf- und Verwaltungsverfahren gegen Verantwortliche der Bank C.________ nicht
völlig deckungsgleich ist mit Gegenstand und Beweisthema des von ihr
angestrengten Schadenersatzverfahrens; dennoch bestehen die aufgezeigten
Überschneidungen, welche eine einstweilige Sistierung des
Staatshaftungsverfahrens als sachgerecht erscheinen lassen.

3.
Nach dem Ausgeführten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Dem Ausgang des Verfahrens folgend, sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen
sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).

 

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. April 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Zähndler

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