Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1134/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_1134/2016

Urteil vom 23. Dezember 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführerin,
B.A.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Zwicky,

gegen

Amt für Migration und Zivilrecht des Kantons Graubünden, Fremdenpolizei,

Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden.

Gegenstand
Fremdenpolizei, Familiennachzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungs-
gerichts des Kantons Graubünden, 1. Kammer,
vom 25. Oktober 2016.

Sachverhalt:

A.
Die 1962 geborene kubanische Staatsangehörige A.A.________ reiste im Juli 2004
mit einem Touristenvisum in die Schweiz ein und blieb nach Ablauf von dessen
Gültigkeitsdauer illegal in der Schweiz. Am 1. Juni 2005 heiratete sie den 1938
geborenen Schweizer Bürger B.A.________; die beiden hatten sich über ein
Inserat kennen gelernt. Schon am 23. Juni 2005 reiste die Ehefrau in ihre
Heimat zurück. Das Gesuch von B.A.________ um Familiennachzug für sie wurde
zunächst am 24. Januar 2006 und in einem zweiten Umgang am 26. Januar 2007
abgewiesen; die Ausländerbehörde schloss aufgrund der gesamten Umstände auf
eine Ausländerrechtsehe, was das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
kantonal letztinstanzlich am 23. August 2007 bestätigte. Am 21. März 2011 und
weiter am 27. Mai 2011 stellte B.A.________ ein neues Gesuch um
Jahresaufenthaltsbewilligung und Familiennachzug für seine Ehefrau. Die
Ausländerbehörde qualifizierte das Gesuch als Wiedererwägungsgesuch und trat am
14. Juli 2011 mit der Begründung darauf nicht ein, dass keine Gründe für eine
geänderte Sach- oder Rechtslage gegenüber dem ursprünglichen Entscheid von 2007
vorgebracht worden seien. Auch die diesbezüglichen kantonalen Rechtsmittel
blieben erfolglos (zuletzt Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar
2012).
Am 3. Dezember 2014 ersuchte A.A.________ um Einreise in die Schweiz zwecks
dauernden Verbleibs bei ihrem Ehegatten. Das Amt für Migration und Zivilrecht
des Kantons Graubünden qualifizierte das Begehren als Wiedererwägungsgesuch und
trat darauf nicht ein, weil weder Wiedererwägungs- noch Widerrufs- noch
Revisionsgründe vorlägen; namentlich fand es, dass die Gestaltung des
dreimonatigen Visums-Aufenthalts der Ehegattin im Schengen-Raum zwischen
Oktober 2013 und Januar 2014 eher für eine Scheinehe denn für einen Ausbau der
ehelichen Beziehung und damit für eine Änderung der Verhältnisse sprechen
würde. Es trat daher mit Verfügung vom 8. April 2015 auf das Gesuch erneut
nicht ein. Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde an das Departement für
Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden blieb erfolglos (Entscheid vom 24.
Februar 2016), und mit Urteil vom 25. Oktober 2016 wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Graubünden die gegen den Entscheid des Departements erhobene
Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. Dezember 2016
beantragen A.A.________ und B.A.________ dem Bundesgericht, das Urteil des
Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und das Einreisegesuch vom 3. Dezember 2014
gutzuheissen; eventualiter sei der Abweisungsentscheid des Verwaltungsgerichts
aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde wird im Namen von B.A.________ sowie von A.A.________ erhoben.
Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der die Ehegatten vertretende
Rechtsanwalt von der Ehefrau gültig bevollmächtigt ist. Hingegen liess sie die
2011 ausgestellte Vollmacht für den Beschwerdeführer nicht gelten, weil dieser
seither verbeiständet worden war und der Beistand sein Einverständnis zur
Prozessführung bzw. zur Bestellung eines Rechtsanwalts nicht erteilt hatte. Ob
dies zum Nichteintreten auf die Beschwerde führt, soweit sie durch ihn erhoben
wird, kann offenbleiben. Da eine hinreichende Vollmacht der Ehefrau vorliegt,
ist zumindest insofern auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführerin, die seit 2005 mit einem Schweizer Bürger verheiratet
ist, wurde nie eine Aufenthaltsbewilligung erteilt, weil die Behörden die Ehe
als Ausländerrechtsehe/Scheinehe werteten; der erste diesbezügliche Entscheid
wurde 2007 rechtskräftig. Ein zweiter rechtskräftiger Entscheid von 2012
bestätigt, dass sich bis zu jenem Zeitpunkt daran nichts geändert hat und keine
Verpflichtung zur Wiedererwägung bzw. zu neuer Prüfung des Begehrens um
Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bestand. Vorliegend ist streitig, ob das
Amt für Migration und Zivilrecht des Kantons Graubünden das weitere Gesuch vom
3. Dezember 2014 zum Anlass hätte nehmen müssen, die Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung an die Ehefrau materiell zu prüfen.

3.
Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, dass das Gesuch vom 3. Dezember 2014
vor dem Verwaltungsgericht wie auch vor der Erstinstanz nicht unbefangen
geprüft worden sei, und rügen die Verletzung von Art. 30 BV und Art. 6 Ziff. 1
EMRK. Abgesehen davon, dass letztere Konventionsgarantie in
ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahren nicht zur Anwendung kommt (vgl. BGE
137 I 128 E. 4.4.2 S. 133 f.), erschöpft sich die Rüge in der Kritik, dass die
mit dem neuen Gesuch befassten Personen schon in früheren Verfahren über die
Natur der Ehe der Beschwerdeführer als Scheinehe befunden haben. Damit lässt
sich, wie das Verwaltungsgericht in E. 3 seines Urteils richtig feststellt,
eine Befangenheit der zum Entscheid berufenen Behördemitglieder nicht dartun (
BGE 114 Ia 278 E. 1; so ausdrücklich für das Verfahren vor Bundesgericht Art.
34 Abs. 2 BGG).

4.

4.1. Nach Abweisung eines Bewilligungsgesuchs ist die Behörde von Verfassungs
wegen (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV) nur dann verpflichtet, auf ein weiteres Gesuch
einzutreten, wenn die Umstände sich wesentlich geändert haben (BGE 136 II 177
E. 2.1 S. 181). Ob dabei von einem Wiedererwägungsgesuch oder von einem "neuen
Gesuch" gesprochen werden muss, ist unerheblich; die Bewilligungsfrage ist so
oder anders nur bei wesentlich veränderten tatsächlichen Verhältnissen
materiell neu zu prüfen. Wird nach einer Bewilligungsverweigerung wegen
Scheinehe bzw. rechtsmissbräuchlicher Berufung auf eine Ehe geltend gemacht, es
liege nun (wiederum) eine tatsächlich gelebte Ehe vor (sog. "amor
superveniens"), gelten erhöhte Anforderungen an diesen Nachweis (BGE 121 II 1
E. 2d S. 4). Es ist in überzeugender Weise darzutun, dass die Qualität der
Beziehung eine entscheidende Wendung genommen hat und nunmehr eine echte
Ehegemeinschaft vorliegt (Urteil 2C_883/2015 vom 5. Februar 2016 E. 3.4). Die
Anforderungen an den Nachweis des sog. "amor superveniens" sind entsprechend
höher, wenn ein solcher, nach ursprünglicher Bewilligungsverweigerung, bereits
einmal erfolglos behauptet worden ist (Urteil 2C_900/2016 vom 7. Dezember 2016
E. 2.2).

4.2. Die Beschwerdeführer verkennen weitgehend die Natur des vorliegenden
Rechtsstreits, wenn sie auf die Frage der Rechtsmissbrauchsehe grundsätzlich
eingehen und erwähnen, dass eine solche nicht leichthin angenommen werden darf
bzw. dass den Behörden die diesbezügliche Beweislast obliegt. Zu prüfen hatten
die kantonalen Behörden einzig, ob Gründe vorliegen, die nach der zuletzt im
Februar 2012 rechtskräftig erfolgten Feststellung einer blossen
Ausländerrechtsehe nunmehr eine andere Einschätzung der Natur der Ehe der
Beschwerdeführer rechtfertigten, was aufzuzeigen diesen oblag (vorstehend E.
3.1). Im Rahmen dieses eng begrenzten Prozessthemas begnügen sich die
Beschwerdeführer nun aber damit, auf die Ehedauer von elf Jahren hinzuweisen
und zu kritisieren, dass die Behörden weiterhin ihr eheliches Zusammenleben
verhinderten. Dass seit 2012 massgebliche Änderungen eingetreten sein sollen,
zeigen sie nicht auf. Namentlich lassen sie jegliche Auseinandersetzung mit E.
4e des angefochtenen Urteils vermissen, wo das Verwaltungsgericht sich mit dem
dreimonatigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Schengenraum befasst, für
die Ehegatten in dieser Phase eine gemeinsam verbrachte Zeit von bloss gut zwei
Wochen errechnet und aus dem Grund die Erhärtung bzw. Glaubhaftmachung eines
nunmehr ernsthaften Versuchs zur Führung und Vertiefung einer
Lebensgemeinschaft verneint. Auf diese Erwägung kann vollumfänglich verwiesen
werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Wenn das Verwaltungsgericht auf dieser Grundlage
die erforderliche massgebliche Veränderung der Verhältnisse seit 2012 nicht
erkennen mag, lässt sich ihm weder die Verletzung von Verfahrensgarantien (Art.
29 BV) noch eine Verletzung des Willkürverbots vorwerfen. Da die Ehe unter dem
Aspekt von Art. 13 BV, Art. 8 EMRK sowie Art. 42 resp. Art. 51 AuG gegenüber
der 2012 erfolgten Beurteilung nicht in einem neuen Licht erscheint und die
Beschwerdeführer den Anforderungen an den Nachweis des "amor superveniens"
offensichtlich nicht genügen, verletzt das angefochtene Urteil auch diese von
ihnen herangezogenen Normen nicht.

4.3. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen.

4.4. Es ist allein für den Beschwerdeführer ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung gestellt worden. Diesem könnte schon darum
nicht entsprochen werden, weil die Beschwerde aussichtslos erschien (Art. 64
BGG).
Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) werden gemäss Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG
in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es
rechtfertigen, kann das Bundesgericht darauf verzichten, Kosten zu erheben
(Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz BGG). Vorliegend rechtfertigen es die Umstände,
dem Beschwerdeführer keine Kosten aufzuerlegen (vgl. E. 1). Hingegen besteht
kein Grund, von der Beschwerdeführerin keine Kosten zu erheben.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für den
Beschwerdeführer wird abgewiesen.

3. 
Vom Beschwerdeführer werden keine Kosten erhoben.

4. 
Der Beschwerdeführerin werden Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- auferlegt.

5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden, 1. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Dezember 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Feller

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