Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1063/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_1063/2016       

Urteil vom 19. Juli 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Verfahrensbeteiligte
Matterhorn Gotthard Infrastruktur AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Peter Galli,

gegen

ARGE X.________ bestehend aus :

1. A.________ SA,
2. B.________ S.p.A.,
Beschwerdegegnerinnen,
beide vertreten durch Avvocato Riccardo Schuhmacher,

ARGE Y.________ bestehend aus :

1. C.________ AG,
2. D.________ AG,
Zuschlagsempfängerinnen.

Gegenstand
Oeffentliches Beschaffungswesen; Projekt "Update Furkatunnel, Los 12
Gewölbearbeiten im Tunnel, Baumeisterarbeiten", SIMAP-Meldungsnummer 891369,
SIMAP-Projekt-ID 127343,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II,
vom 6. Oktober 2016.

Sachverhalt:

A.
Die Matterhorn Gotthard Infrastruktur AG, deren Aktienmehrheit vom Bund
gehalten wird, ist Eigentümerin der Bahnanlagen der ehemaligen Furka Oberalp
Bahn und der ehemaligen Brig Visp Zermatt Bahn. Am 3. Juni 2015 schrieb sie das
Bauvorhaben "Update Furkatunnel, Los 12 Gewölbearbeiten im Tunnel,
Baumeisterarbeiten" im offenen Verfahren aus. Innert Frist gingen sechs
Angebote ein, darunter dasjenige der ARGE X.________ und dasjenige der ARGE
Y.________. Am 20. November 2015 erteilte die Matterhorn Gotthard Infrastruktur
AG (im Folgenden auch: Vergabestelle) den Zuschlag zu einem Preis von Fr.
15'655'406.-- an die beiden in der ARGE Y.________ zusammengeschlossenen
Unternehmungen. Der Vergabeentscheid wurde zudem am 24. November 2015 auf der
Internetplattform SIMAP publiziert.

B.
Gegen diesen Zuschlag erhob die ARGE X.________ Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht mit den Anträgen, die Zuschlagsverfügung vom 20./24.
November 2015 aufzuheben und den Zuschlag direkt an sie selber - die ARGE
X.________ - zu erteilen. Mit Urteil vom 6. Oktober 2016 entsprach das
Bundesverwaltungsgericht diesen Begehren und entschied antragsgemäss.

C.
Mit Eingabe vom 16. November 2017 führt die Matterhorn Gotthard Infrastruktur
AG beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
den Anträgen, das letztgenannte Urteil aufzuheben und den Vergabeentscheid vom
20./24. November 2015 wieder herzustellen bzw. die Gültigkeit und
Rechtmässigkeit des vorstehenden Zuschlages festzustellen.
Die Akten sind eingeholt, ein Schriftenwechsel ist nicht durchgeführt worden.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid erging auf dem Gebiet der öffentlichen
Beschaffungen. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das
Bundesgericht ist daher nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt und der geschätzte Wert des zu vergebenden
Auftrags den massgeblichen Schwellenwert des Bundesgesetzes vom 16. Dezember
1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; SR 172.056.1) oder des
Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und
der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen
Beschaffungswesens (SR 0.172.052.68) erreicht (Art. 83 lit. f BGG). Die beiden
Voraussetzungen - wovon hier die zweite offensichtlich gegeben ist und keiner
weiteren Erörterung bedarf (vgl. Art. 1 lit. b der Verordnung des
Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung [WBF] vom
23. November 2015 über die Anpassung der Schwellenwerte im öffentlichen
Beschaffungswesen für die Jahre 2016 und 2017 [SR 72.056.12]) - müssen
kumulativ erfüllt sein (BGE 141 II 14 E. 1.2 S. 20 f.; 133 II 396 E. 2.1 S.
398; Urteil 2C_919/2014 / 2C_920/2014 vom 21. August 2015 E. 2.2, nicht publ.
in: BGE 141 II 307). Im Rahmen ihrer Begründungspflicht hat die
Beschwerdeführerin darzutun, dass die Voraussetzung nach Art. 83 lit. f Ziff. 2
BGG erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 141 II 113 E. 1.2 S. 116 f.; 141
II 14 E. 1.2.2.1 S. 21).
Bei der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung muss es sich um eine
Rechtsfrage aus dem Gebiet des öffentlichen Beschaffungsrechts handeln (BGE 134
II 192 E. 1.3 S. 195). Die Anwendung rechtsprechungsgemässer Prinzipien auf
einen Einzelfall stellt keine Grundsatzfrage dar. Der blosse Umstand, dass die
aufgeworfene Rechtsfrage noch nie entschieden wurde, genügt nicht. Es muss sich
um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein
kann und die von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft
(BGE 141 II 14 E. 1.2.2.1 S. 21; 141 II 113 E. 1.4.1 S. 118 f.).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin bezeichnet vor dem Bundesgericht folgende Frage als
Grundsatzfrage:

"Darf das BVGER einem Beschwerdeführer bzw. einem Anbieter, von dem die
Vergabestelle im Beschwerdeverfahren substantiiert geltend gemacht hat, dass er
eine unmittelbar Menschenleben in Gefahr bringende ausschreibungswidrige
Offerte eingereicht und somit einen zwingenden Ausschlussgrund gesetzt hat,
einen Direktzuschlag erteilen, obschon der betreffende Anbieter den von der
Vergabestelle geltend gemachten Sachverhalt nicht bestreitet ?"

2.2. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid den erst im
bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren durch die Vergabestelle
gegen die dortige Beschwerdeführerin ARGE X.________ geltend gemachten
Ausschlussgrund der Gefährdung der Arbeiter (wonach die Gestaltung der
Arbeitsabläufe und der Teilbaustellen Notfallevakuationen und
Notfallhilfestellung massgeblich erschweren bzw. verhindern sollen), verworfen
und erwogen, der Argumentation, wonach die Offerte der ARGE X.________ wegen
Sicherheitsmängeln auschzuschliessen sei, könne nicht gefolgt werden (E. 5).
Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht einen durch die Vergabestelle
vorgenommenen Zuschlag von Fr. 680'000.-- (für zusätzliche, sich aber nicht aus
den Ausschreibungsunterlagen ergebende Transportleistungen) zum Angebotspreis
der ARGE X.________ (rund 15,2 Mio Franken) als ungerechtfertigt gestrichen (E.
6). Schliesslich hielt es dafür, dass die ARGE X.________ beim
Zuschlagskriterium "Genügende Qualifikation des Schlüsselpersonals"
(Baustellenchef, Bauführer, Polier[e]) für das Subkriterium NZ 1.2 "Bauführer"
die Note 4 (statt 3) hätte erhalten müssen (E. 7). Anschliessend errechnete die
Vorinstanz aufgrund der von ihr vorgenommenen Korrekturen der Bewertung der
ARGE X.________, dass diese auf Rang 1 zu liegen komme, was zu einer direkten
Vergabe an sie führe (E. 8).

2.3. Die Vergabestelle macht zum Zentrum ihrer Beschwerde die geltend gemachten
Sicherheitsmängel gemäss E. 5 des angefochtenen Urteils und nennt dem
Bundesgericht als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob das
Bundesverwaltungsgericht einem Anbieter den Zuschlag erteilen könne, der einen
zwingenden Ausschlussgrund gesetzt habe (vorne E. 2.1).

2.4. Diese Frage ist aber in der Rechtsprechung bereits beantwortet: Offerten,
die zwingende gesetzliche Anforderungen nicht erfüllen, sind auszuschliessen,
da nur Güter beschafft werden dürfen, welche den gesetzlichen Vorschriften
entsprechen (Urteil 2D_39/2014 vom 26. Juli 2014 E. 5.5 mit Hinweisen). Bei
Anforderungen, die sich nicht zwingend aus dem Gesetz, sondern aus den
Ausschreibungsunterlagen ergeben, ist es oft Auslegungsfrage, ob damit ein
Eignungs- oder ein Zuschlagskriterium gemeint ist. Die Vorinstanz hat in
Würdigung des eigenen Verhaltens der Vergabestelle erkannt, bei den von ihr
geltend gemachten Sicherheitsmängeln handle es sich nicht um ein zwingendes
Ausschlusskriterium, sondern um ein Zuschlagskriterium. Damit hat sie
allgemeine Grundsätze in einem Einzelfall angewendet. Die von der
Beschwerdeführerin zitierten Sicherheitsanforderungen, die sich aus den
Ausschreibungsunterlagen ergeben (vgl. Duplik der Vergabestelle an die
Vorinstanz [vom 22. April 2016], Ziff. 7 S. 16, mit Hinweis auf Beilage 24
[Auszug aus den Ausschreibungsunterlagen]) - hier insbesondere, dass jeweils
nur auf einer Seite der Tunnelventilation gearbeitet werden darf - sind zudem
auch nach Ansicht der Vorinstanz zwingend einzuhalten (angefochtenes Urteil S.
20). Gegenteiligenfalls hält sie zwar einen Ausschluss nicht für erforderlich,
jedoch verlangt sie, dass der Anbieter die Mängel vor der Ausführung auf eigene
Kosten behebt (ebenda). Mit anderen Worten geht die Vorinstanz von einer
Korrigierbarkeit der Mängel aus, was eine Einschätzungsfrage im konkreten Fall
darstellt und nicht Grundsatzfrage ist.

3.
Bei diesem Ergebnis ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht gestützt auf Art. 83 lit. f Ziff. 2 BGG
unzulässig. Es ist darauf nicht einzutreten.
Die Beschwerdeschrift kann auch nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde
entgegengenommen werden, da dieses Rechtsmittel gegen Entscheide des
Bundesverwaltungsgerichts nicht offen steht (vgl. Art. 113 ff. BGG).

4.
Ausgangsgemäss trägt die unterliegende Beschwerdeführerin die - praxisgemäss
reduzierten - Gerichtskosten (Art. 65 und Art. 66 BGG). Parteientschädigungen
sind nicht geschuldet, da die Beschwerdegegnerinnen und die
Zuschlagsempfängerinnen zwar anwaltlich vertreten waren, aber nicht zur
Vernehmlassung eingeladen wurden und ihnen somit kein entschädigungspflichtiger
Aufwand entstanden ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht
eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 7'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung II, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Juli 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein

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