Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1039/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]                  
{T 0/2}
                                
2C_1039/2016 / 2C_1040/2016

Urteil vom 22. November 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Aubry Girardin,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Kocher.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Zug,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
2C_1039/2016
Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Zug, Steuerjahre 2009/2010 und 2010/
2011,

2C_1040/2016
direkte Bundessteuer, Steuerjahre 2009/2010 und 2010/2011,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug,
Abgaberechtliche Kammer, vom 27. September 2016.

Erwägungen:

1.

1.1. Die X.________ AG mit Sitz in U.________/AG und Ort der Geschäftsleitung
in V.________/ZG (nachfolgend: die Steuerpflichtige) bezweckt den Betrieb eines
Treuhand-, Revisions- und Verwaltungsunternehmens. Als deren einziges Mitglied
des Verwaltungsrates wirkt A.________, der über Einzelunterschrift verfügt. Die
Steuerpflichtige war Alleinaktionärin der Y.________ ag mit Sitz in W.________/
ZH, der sie im Verlaufe der Zeit ein Darlehen über insgesamt Fr. 3'763'850.--
gewährte. Dies entsprach rund 70 Prozent der Bilanzsumme der Y.________ ag. Am
2. Juni 2004 wurde über die Y.________ ag der Konkurs eröffnet, ehe er am 16.
August 2004 mangels Aktiven eingestellt und die Gesellschaft am 23. November
2004 gelöscht wurde.

1.2. Nach der Konkurseröffnung trat B.________ freiwillig in das Passivdarlehen
von Fr. 3'763'850.-- ein. In den Büchern der X.________ AG blieb das
Aktivdarlehen zunächst in unverminderter Höhe bestehen (Konto 1450, "Darlehen
Y.________ ag"). Insbesondere kam es zu keiner Wertberichtigung. In den
Geschäftsjahren 2009/2010 und 2010/2011 schrieb die Steuerpflichtige alsdann
das Darlehen um Beträge von Fr. 5'000.-- und 209'500.-- ab. In beiden Jahren
blieb das Darlehen unverzinst.

1.3. Am 20. August 2015 veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Zug (KSTV/
ZG) die Steuerpflichtige für die Steuerjahre 2009/2010 und 2010/2011. Dabei
nahm sie folgende Aufrechnungen vor:

+-------------------------------------------------------+
|                                   |2009/2010|2010/2011|
|-----------------------------------+---------+---------|
|Gewinn gemäss Steuererklärung      |      675|      503|
|-----------------------------------+---------+---------|
|Privatanteil Geschäftsfahrzeug     |    1'874|    1'874|
|-----------------------------------+---------+---------|
|Aufrechnung "Abschreibung Darlehen"|    5'000|  209'500|
|-----------------------------------+---------+---------|
|Aufrechnung "Verzinsung Darlehen"  |   58'781|   52'980|
|-----------------------------------+---------+---------|
|Gewinn gemäss Veranlagungsverfügung|   66'330|  264'857|
+-------------------------------------------------------+

1.4. Die Einsprache der Steuerpflichtigen, die sich gegen sämtliche
Aufrechnungen gerichtet hatte, blieb erfolglos (Einspracheentscheid vom 8. März
2016), ebenso wie der Rekurs und die Beschwerde an das Verwaltungsgerichts des
Kantons Zug (Entscheid A 2016/7 der verwaltungsrechtlichen Abteilung vom 27.
September 2016). Streitig waren nur noch die im Zusammenhang mit der
Abschreibung und Verzinsung des Darlehens stehenden Aufrechnungen. Das
Verwaltungsgericht erkannte im Wesentlichen, das Vorgehen von B.________ müsse
als ausserordentlich ungewöhnlich bezeichnet werden. Ein nachvollziehbarer
Grund für die freiwillige Schuldübernahme sei nicht ersichtlich. Ein
schriftlicher Vertrag fehle, Sicherheiten seien nicht bestellt worden und eine
Verzinsung und Tilgung ausgeblieben. Aufgrund enger geschäftlicher
Verflechtungen zwischen der Steuerpflichtigen bzw. A.________ und B.________
müsse dieser als der Steuerpflichtigen nahestehend gelten. Die Abschreibung,
für welche plausible Gründe fehlten, zumal das Inkasso ausgeblieben seien,
stelle sich daher als geldwerte Leistung dar, zumal für die angeblich durch
B.________ erbrachten administrativen und EDV-Dienstleistungen (welche der
Tilgung hätten dienen können) kein Beweis vorliege. Entsprechend widerspreche
es Art. 313 Abs. 2 OR, dass das Darlehen zinslos geblieben sei. Die Aufrechnung
des Zinses gemäss Rundschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 28.
Januar 2010 und 3. Februar 2011 (2,25 Prozent auf dem durchschnittlichen
Darlehensbetrag) erweise sich als gerechtfertigt.

1.5. Mit Eingabe beim Bundesgericht vom 11. November 2016 erhebt die
Steuerpflichtige Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie
beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und der steuerbare Reingewinn
auf Fr. 2'549.-- (2009/2010) bzw. Fr. 2'377.-- (2010/2011) festzusetzen.

1.6. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG) hat
von Instruktionsmassnahmen abgesehen. Aufgrund offensichtlicher Unbegründetheit
ist die Sache im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 109 BGG zu entscheiden.

2.

2.1. Die Beschwerde betrifft einerseits die Staats- und Gemeindesteuer des
Kantons Zug, anderseits die direkte Bundessteuer. Aus diesem Grund sind
praxisgemäss zwei Dossiers zu eröffnen. Die beiden Verfahren betreffen
denselben Sachverhalt und werfen dieselben Rechtsfragen auf, weshalb sie ebenso
praxisgemäss zu vereinigen sind (Art. 71 BGG [SR 173.110] i. V. m. Art. 24 BZP
[SR 273]). Im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG erübrigt es sich,
getrennte Erörterungen zu den beiden Steuerarten vorzunehmen.

2.2. Die Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten sind erfüllt (Art. 42 Abs. 1 und 2, Art. 82 lit. a, Art. 83 e
contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1
BGG i. V. m. Art. 146 DBG [SR 642.11] und Art. 73 StHG [SR 642.14]).

2.3. Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten (einschliesslich der
Grundrechte) und von kantonalem oder kommunalem und interkantonalem Recht prüft
das Bundesgericht in jedem Fall nur, falls eine solche Rüge in der Beschwerde
überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge-
und Begründungsobliegenheit gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG). Soweit die
Beschwerdeschrift diesen Anforderungen nicht genügt, ist auf die Eingabe nicht
einzutreten (BGE 142 I 99 E. 1.7.2 S. 106).

2.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.3
S.156). Es kann die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, wozu auch die
Beweiswürdigung zählt (BGE 141 IV 369 E. 6.3 S. 375), nur berichtigen oder
ergänzen, soweit sie offensichtlich unrichtig - das heisst willkürlich - sind
oder auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art.
105 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6 S. 144 f.; 142 V 2 E. 2 S. 5).
Entsprechende Rügen sind nach den Vorgaben von Art. 106 Abs. 2 BGG zu
begründen.

3.
Streitig und zu prüfen sind die Aufrechnungen zum Aktivdarlehen (Abschreibung
und Verzinsung).

3.1. Im Recht der direkten Bundessteuer herrscht die behördliche
Untersuchungspflicht (Art. 130 Abs. 1 DBG), doch untersteht die
steuerpflichtige natürliche oder juristische Person einer weitreichenden
Mitwirkungspflicht (Art. 124 ff. DBG). Im Veranlagungsverfahren muss sie alles
Erforderliche vorkehren, um eine vollständige und richtige Veranlagung zu
ermöglichen (Art. 126 Abs. 1 DBG). Insbesondere hat sie die Steuererklärung
wahrheitsgemäss und vollständig auszufüllen (Art. 124 Abs. 2 DBG). Was sodann
das Beweisverfahren betrifft, sind steuerbegründende und steuererhöhende
Tatsachen nach der im Abgaberecht geltenden Normentheorie von der
Veranlagungsbehörde, steuermindernde und steuerausschliessende Tatsachen
dagegen von der steuerpflichtigen Person nachzuweisen (BGE 140 II 248 E. 3.5 S.
252; zum Ganzen Urteil 2C_372/2016 / 2C_374/2016 vom 7. Juni 2016 E. 2.2.1, in:
ASA 85 S. 78, StR 71/2016 S. 877). Dies alles trifft auch auf den Bereich der
harmonisierten kantonalen und kommunalen Steuern zu (insb. Art. 46 Abs. 1
StHG).

3.2. Die Vorinstanz kommt beweiswürdigend zum Ergebnis, für eine verminderte
Werthaltigkeit würden keine Anhaltspunkte geltend gemacht, solche seien auch
nicht ersichtlich. Die Steuerpflichtige habe nicht plausibel dargelegt, weshalb
das Aktivdarlehen im abgeschriebenen Umfang nicht mehr werthaltig sein soll
(vorne E. 1.4). Bei der Beweiswürdigung handelt es sich um eine Tatfrage, was
zur Folge hat, dass im bundesgerichtlichen Verfahren die qualifizierte Rüge-
und Begründungsobliegenheit herrscht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vorne E. 2.3 und
2.4). Vor Bundesgericht bringt die Steuerpflichtige unbelegte Ausführungen dazu
vor, dass B.________ zu ihren Gunsten "Gratisleistungen" erbracht habe (welche
das Darlehen im entsprechenden Umfang getilgt hätten). Die Begründung geht
mithin in Richtung einer Tilgung und nicht einer Abschreibung, was aber im
vorinstanzlichen Verfahren mit Tatsachen zu unterlegen gewesen wäre (vorne E.
3.2). Unklar bleibt alsdann auch die Tragweite des Hinweises, die geübte
Buchungspraxis sei dem früheren Bücherexperten durchaus bekannt gewesen und
nicht beanstandet worden. Unstreitig hat die Steuerpflichtige im
vorinstanzlichen Verfahren zur Abschreibung bzw. Tilgung des Darlehens
keinerlei Schriftstücke vorzulegen vermocht (Verträge, Arbeitsrapporte,
Pro-forma-Rechnungen usw.). Die Vorinstanz durfte daraus auf fehlende Tilgung
und spiegelbildlich die Werthaltigkeit des Darlehens schliessen. Dies bleibt,
nachdem die Steuerpflichtige in keiner Weise aufzeigt, inwiefern dies
verfassungswidrig sein sollte, für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs.
1 BGG; vorne E. 2.4).

3.3. Nachdem das Darlehen unvermindert werthaltig ist, ist der Abschreibung die
steuerrechtliche Anerkennung zu verweigern. Während das  Handelsrecht
 Höchstwerte zur Bewertung von Aktien festlegt (Art. 960a ff. OR 2011) und die 
Betriebswirtschaftslehre nach den "richtigen" Werten sucht, stehen 
steuerrechtlich die Mindestwerte (Bewertungsuntergrenzen) im Zentrum.
Abschreibungen auf Geschäftsvermögen sind steuerlich nur soweit anzuerkennen,
als sie auch tatsächlich geschäftsmässig begründet sind (Art. 27 Abs. 2 lit. a
bzw. Art. 58 Abs. 1 lit. b DBG und Art. 10 Abs. 1 lit. a bzw. Art. 24 Abs. 1
lit. a StHG). Daran fehlt es vorliegend aber, weshalb die Aufrechnung der
Abschreibungen 2009/2010 und 2010/2011 bundesrechtskonform erfolgt ist.

3.4. Die Frage nach der Nahestehendeneigenschaft von B.________ stellt sich
nur, aber immerhin im Zusammenhang mit der Verzinsung des Aktivdarlehens. Steht
der Borger der Darleiherin fern, so ist ein Nullzinssatz an sich nicht zu
beanstanden, da es sich unter diesen Vorzeichen um ein Geschäft unter Dritten
handelt. Dem von der Vorinstanz zitierten Art. 313 Abs. 2 OR lässt sich nur
entnehmen, dass im kaufmännischen Verkehr auch ohne Verabredung Zinse zu
bezahlen seien. Dies bedeutet nicht, dass es ausgeschlossen wäre,  unter
Dritten von einer Verzinsung abzusehen. Im Unterschied dazu liegt eine
geldwerte Leistung vor, wenn der Zinssatz auf einem Darlehen, das die
Gesellschaft einer  nahestehenden Person gewährt, unter dem marktüblichen Zins
liegt. Was "marktüblich" ist, darf von der Eidgenössischen Steuerverwaltung
festgelegt werden (zum Ganzen BGE 140 II 88). Die Vorinstanz ist eingehend der
engen Verflechtung zwischen B.________ einerseits und der Steuerpflichtigen
bzw. dem diese beherrschenden A.________ anderseits nachgegangen. Sie kam zum
Schluss, Darleiherin und Borger ständen einander nahe, weshalb der Zins
aufzurechnen sei. Auch dieser Beweiswürdigung ist die Steuerpflichtige vor
Bundesgericht in keiner Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Weise entgegengetreten.
Die Feststellungen der Vorinstanz bleiben daher für das Bundesgericht
verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG), weshalb die Aufrechnung des Zinses
bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist.

3.5. Die Beschwerde ist im Bereich beider Steuerarten unbegründet und
abzuweisen. Für alles Weitere kann auf den angefochtenen Entscheid verwiesen
werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).

4.

4.1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens erweist sich das Gesuch der
Steuerpflichtigen um Erteilung des Rechts zur unentgeltlichen Rechtspflege als
aussichtslos, weshalb es abzuweisen ist (Art. 64 BGG; BGE 138 III 217 E. 2.2.4
S. 218). Zudem haben juristische Personen keinen Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege ausser unter bestimmten Voraussetzungen (BGE 131 II 306 E. 5.2.1
S. 326), deren Vorliegen hier nicht dargetan ist.

4.2. Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG). Dem Kanton Zug, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist
keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Verfahren 2C_1039/2016 (Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zug,
Steuerjahre 2009/2010 und 2010/2011) und 2C_1040/2016 (direkte Bundessteuer,
Steuerjahre 2009/2010 und 2010/2011) werden vereinigt.

2. 
Die Beschwerde im Verfahren 2C_1040/2016 wird abgewiesen.

3. 
Die Beschwerde im Verfahren 2C_1039/2016 wird abgewiesen.

4. 
Das Gesuch um Erteilung des Rechts zur unentgeltlichen Rechtspflege wird
abgewiesen.

5. 
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 4'000.-- werden der
Beschwerdeführerin auferlegt.

6. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zug, Abgaberechtliche Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. November 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Kocher

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