Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1032/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_1032/2016       

Urteil vom 9. Mai 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Petry.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Wicki,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern.

Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 26.
September 2016.

Sachverhalt:

A.
A.________ ist kroatischer Staatsbürger und wurde 1978 in der Schweiz geboren.
Er ist im Besitz einer Niederlassungsbewilligung und Vater eines 2004 geborenen
Sohnes aus einer Beziehung mit einer portugiesischen Staatsangehörigen. Der
Sohn ist im Besitz einer Niederlassungsbewilligung EU/EFTA.
A.________ wurde in der Schweiz wiederholt und in erheblichem Ausmass
straffällig. Zwischen Juni 1995 und Januar 2009 erwirkte er insgesamt 39
Verurteilungen, wobei er mehrheitlich mit Bussen zwischen Fr. 60.-- und Fr.
700.-- u.a. wegen Strassenverkehrsdelikten, Ungehorsams im Betreibungs- und
Konkursverfahren sowie Widerhandlungen gegen das AHV-Gesetz bzw. das
Betäubungsmittelgesetz sanktioniert wurde.
In den Jahren 2002 und 2006 wurde A.________ vom Amt für Migration des Kantons
Luzern (hiernach: Migrationsamt) ausländerrechtlich verwarnt.
Mit Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Hochdorf vom 11. August 2009 wurde
A.________ wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten zwischen September
2007 und April 2009 zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr.
110.--, bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie einer Busse von Fr. 300.--
verurteilt.
Am 5. Juli 2011 verurteilte ihn die Staatsanwaltschaft 1 Luzern u.a. wegen
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Vergehens gegen das
Waffengesetz, Fahrens in fahrunfähigem Zustand sowie Nichtabgabe des
Führerausweises trotz behördlicher Aufforderung, begangen zwischen November
2010 und Juni 2011, zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je Fr. 30.--,
davon 135 Tagessätze bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren, und einer
Busse von Fr. 1'500.--.
Mit Verfügung vom 19. Oktober 2011 drohte das Migrationsamt A.________ den
Widerruf der Niederlassungsbewilligung an für den Fall, dass sein Verhalten
erneut zu Klagen Anlass geben und er wieder straffällig werden sollte.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern verurteilte ihn am 12. November 2014
wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zwischen Januar
2011 und Dezember 2012, teilweise begangen als schwerer Fall, zu einer
Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 15 Monate unbedingt bei einer Probezeit
von drei Jahren, und einer Busse von Fr. 100.--. Zudem wurde der mit
Strafbefehl der Staatsanwaltschaft 1 Luzern vom 5. Juli 2011 gewährte bedingte
Vollzug der ausgesprochenen Geldstrafe von 135 Tagessätzen zu je Fr. 30.--
widerrufen.

B.
Mit Verfügung vom 2. September 2015 widerrief das Migrationsamt die
Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies ihn auf den Zeitpunkt der
Beendigung des Strafvollzugs aus der Schweiz weg. Eine dagegen erhobene
Beschwerde beim Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern blieb
erfolglos (Entscheid vom 8. Januar 2016). Mit Urteil vom 26. September 2016
wies das Kantonsgericht Luzern die dagegen erhobene Beschwerde ebenfalls ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 10. November 2016
beantragt A.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Ihm sei die
Niederlassungsbewilligung zu belassen, eventualiter sei die Sache zu weiteren
Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem beantragt er die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im bundesgerichtlichen
Verfahren.
Während das Migrationsamt, das Justiz- und Sicherheitsdepartement und das
Staatssekretariat für Migration auf Vernehmlassung verzichten, beantragt das
Kantonsgericht die Abweisung der Beschwerde.
Mit Präsidialverfügung vom 11. November 2016 wurde der Beschwerde antragsgemäss
die aufschiebende Wirkung erteilt.

Erwägungen:

1.
Gegen den angefochtenen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid über den
Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zulässig (Art. 86
Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG; Art. 90 BGG), da der Beschwerdeführer
grundsätzlich einen Anspruch auf das Fortbestehen der Bewilligung geltend
machen kann (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4; Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e
contrario). Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde (vgl. Art.
42 und Art. 100 Abs. 1 BGG) des hierzu legitimierten Beschwerdeführers (Art. 89
Abs. 1 BGG) ist einzutreten.

2.

2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3 S. 415). In Bezug auf
die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und
Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 136
II 304 E. 2.5 S. 314).

2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich
unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117). Die
beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den
gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine
entsprechende Rüge ist rechtsgenüglich substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs.
2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen).

2.3. Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des
Sachverhalts in Zusammenhang mit der Legalprognose, seiner Verhaltensänderung,
dem Abhängigkeitsverhältnis zur Schwester sowie der Zumutbarkeit einer Rückkehr
nach Kroatien. In Wirklichkeit betrifft diese Kritik jedoch die rechtliche
Würdigung bzw. die Interessenabwägung der Vorinstanz, auf welche nachfolgend
eingegangen wird.

2.4. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als
erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (sogenannte "unechte Noven";
Art. 99 Abs. 1 BGG). Tatsachen oder Beweismittel, welche sich auf das
vorinstanzliche Prozessthema beziehen, sich jedoch erst nach dem angefochtenen
Entscheid ereignet haben oder entstanden sind, können von vornherein nicht
durch das angefochtene Urteil veranlasst worden sein. Diese sogenannten "echten
Noven" sind im bundesgerichtlichen Verfahren in jedem Fall unzulässig (BGE 139
III 120 E. 3.1.2 S. 123). Die vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen
sind nach dem vorinstanzlichen Urteil vom 26. September 2016 entstanden.
Folglich sind sie als echte Noven unbeachtlich.

3.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die
Vorinstanzen hätten zu Unrecht auf seine Befragung sowie die Anhörung seines
Sohnes und der Kindsmutter verzichtet. Aufgrund der fehlenden Anhörung sei der
Sachverhalt hinsichtlich der Beziehung zu seinem Sohn nicht hinreichend
erstellt worden.

3.1. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) lässt sich nicht
eine allgemeine Pflicht der Behörde zur Abnahme aller angebotenen Beweise
entnehmen. Die Abweisung eines Beweisantrags erweist sich als zulässig, wenn
die Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde sich ihre Meinung aufgrund zuvor
erhobener Beweise bereits bilden konnte und sie ohne Willkür in
vorweggenommener, antizipierter Beweiswürdigung annehmen darf, die gewonnene
Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht erschüttert (BGE 136 I
229 E. 5.3 S. 236).

3.2. Das Kantonsgericht hat sich bei der Beurteilung der Situation des
Beschwerdeführers vertieft mit den Akten auseinandergesetzt und keine
wesentlichen Umstände ausser Acht gelassen. Die ihm vorliegenden Informationen
zur persönlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers sind umfassend
genug und geeignet, um seine Feststellungen zu untermauern. Der
Beschwerdeführer hatte darüber hinaus im gesamten kantonalen Verfahren die
Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Er legt nicht dar, welche neuen
entscheidwesentlichen Informationen, die er nicht hätte schriftlich einbringen
können, sich aus seiner Befragung ergeben könnten. Ebenso wenig ist
ersichtlich, warum eine Befragung des Sohnes und der Kindsmutter nötig wäre, um
- wie der Beschwerdeführer geltend macht - den "genauen Umfang der Betreuung
durch den Beschwerdeführer" und "die Wichtigkeit der Fortsetzung des
persönlichen Kontakts mit dem Sohn" zu klären, konnten doch solche
Informationen schriftlich eingebracht werden. Im Übrigen hat die Vorinstanz
ohnehin nicht in Abrede gestellt, dass der Beschwerdeführer eine intakte und
gelebte Beziehung zu seinem minderjährigen Sohn unterhält. Insgesamt hat das
Kantonsgericht keine willkürliche antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen,
indem es auf eine persönliche Anhörung des Beschwerdeführers, seines Sohnes und
der Kindsmutter verzichtet hat. Auch vor Bundesgericht besteht hierzu kein
Anlass, weshalb der entsprechende Antrag (S. 19 der Beschwerdeschrift)
abzuweisen ist. Damit ist weder eine Gehörsverletzung noch eine unvollständige
Feststellung des Sachverhalts ersichtlich. Ebenso wenig liegt eine Verletzung
des Rechts auf eine wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13 EMRK vor.

4.
Der Beschwerdeführer ist kroatischer Staatsbürger. Mit Inkrafttreten des
Protokolls III am 1. Januar 2017 wurde das Abkommen zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999
(Freizügigkeitsabkommen; FZA; SR 0.142.112.681) auf Kroatien ausgedehnt (AS
2016 5233). Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer Vater eines in der Schweiz
niedergelassenen minderjährigen EU-Bürgers. Ob bzw. inwiefern der
Beschwerdeführer demzufolge Aufenthaltsansprüche aus dem FZA ableiten kann,
braucht vorliegend jedoch nicht geklärt zu werden, da - wie nachfolgend
dargelegt - auch bei Zugrundelegung des FZA der angefochtene Entscheid nicht zu
beanstanden ist.

5.

5.1. Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn die
ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer
solchen von mehr als einem Jahr, verurteilt worden ist (Art. 63 Abs. 1 lit. a
i.V.m. Art. 62 lit. b AuG in der bis am 30. September 2016 geltenden,
vorliegend noch massgeblichen Fassung; BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32). Entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers gilt der genannte Widerrufsgrund auch bei
Niederlassungsbewilligungen ausländischer Personen, die sich seit mehr als 15
Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhalten (Art. 63 Abs.
2 AuG). Er bildet zudem Voraussetzung für den Widerruf von EU/
EFTA-Niederlassungsbewilligungen (vgl. Art. 2 Abs. 2 AuG; Art. 5 und 23 Abs. 2
der Verordnung vom 22. Mai 2002 über die Einführung des freien Personenverkehrs
[VEP; SR 142.203]), wobei zusätzlich jedoch die Vorgaben von Art. 5 Abs. 1
Anhang I FZA zu beachten sind. Gemäss dieser Bestimmung dürfen die durch das
Abkommen gewährten Rechtsansprüche "nur durch Massnahmen, die aus Gründen der
öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind,
eingeschränkt werden". Nach Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG - auf welche Art.
5 Abs. 2 Anhang I FZA verweist - darf bei Massnahmen der öffentlichen Ordnung
oder Sicherheit ausschliesslich das persönliche Verhalten der betreffenden
Person ausschlaggebend sein; strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht
ohne Weiteres diese Massnahmen begründen. Rechtsprechungsgemäss darf daher eine
strafrechtliche Verurteilung nur insoweit als Anlass für eine Massnahme
herangezogen werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches
Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen
Ordnung darstellt. Art. 5 Anhang I FZA steht somit Massnahmen entgegen, die
(allein) aus generalpräventiven Gründen verfügt werden. Insoweit kommt es
wesentlich auf das Rückfallrisiko an. Verlangt wird eine nach Art und Ausmass
der möglichen Rechtsgüterverletzung zu differenzierende, hinreichende
Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer auch künftig die öffentliche Sicherheit
und Ordnung stören wird. Die Bejahung einer Rückfallgefahr setzt nicht voraus,
dass ein Straftäter mit Sicherheit weiter delinquieren wird; ebensowenig kann
für die Verneinung einer Rückfallgefahr verlangt werden, dass überhaupt kein
Restrisiko einer Straftat besteht (vgl. Urteil 2C_406/2014 vom 2. Juli 2015 E.
2.3 und 4.2). Betäubungsmittelhandel stellt rechtsprechungsgemäss eine schwere
Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 5 Anhang I FZA dar;
angesichts der grossen sozialen und wirtschaftlichen Gefahr, welche vom
organisierten Drogenhandel ausgeht, können Betäubungsmitteldelikte eine
Wegweisung im Bereich der Freizügigkeitsrechte rechtfertigen (Urteil 2C_1103/
2015 vom 21. Dezember 2016 E. 4.3.1; vgl. auch Urteil des EuGH vom 23. November
2010 C-145/09  Tsakouridis, Slg. 2010 I-11979 Randnr. 46 f.).

5.2. Hat der Ausländer einen Widerrufsgrund gesetzt und stellt er eine
hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung,
Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 5 Anhang I FZA dar, ist
schliesslich die Verhältnismässigkeit eines Widerrufs der
Niederlassungsbewilligung zu prüfen (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 Abs. 1 AuG).
Dies erfordert eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller
wesentlichen Umstände des Einzelfalls. Stellt der Widerruf der Bewilligung
einen Eingriff in das durch Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte Familienleben dar,
ergibt sich die Notwendigkeit einer Interessenabwägung auch aus Art. 8 Ziff. 2
EMRK. Danach ist ein solcher Eingriff statthaft, wenn er gesetzlich vorgesehen
ist und in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale oder öffentliche
Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der
Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral
oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Die Konvention
verlangt insofern eine Abwägung der sich gegenüberstehenden privaten Interessen
an der Bewilligungserteilung und den öffentlichen Interessen an deren
Verweigerung, wobei Letztere in dem Sinn überwiegen müssen, dass sich der
Eingriff als notwendig erweist (BGE 139 I 145 E. 2.2 S. 147 f.; 135 I 153 E.
2.2.1 S. 156).
Bei der Interessenabwägung sind namentlich die Schwere des Verschuldens, der
Grad der Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die der
betroffenen Person und ihrer Familie drohenden Nachteile zu beachten (BGE 139 I
31 E. 2.3.3 S. 34 ff. mit Hinweisen; 135 II 377 E. 4.3 S. 381). Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts sind umso strengere Anforderungen an eine
fremdenpolizeiliche Massnahme zu stellen, je länger eine ausländische Person in
der Schweiz anwesend war. Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der
sich schon seit langer Zeit hier aufhält, soll nur mit besonderer Zurückhaltung
widerrufen werden; jedoch ist dies bei wiederholter bzw. schwerer
Straffälligkeit selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn er hier geboren ist und
sein ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat (BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S.
19). Grundsätzlich aber unterliegt die Wegweisung eines straffällig gewordenen
Ausländers der sogenannten zweiten Generation erhöhten Anforderungen.
Rechtsprechungsgemäss sollte bei Angehörigen der zweiten Generation, welche
mehrmals straffällig geworden sind, deren Verurteilung (en) aber (noch) keinen
Widerrufsgrund im Sinn von Art. 62 lit. b oder c AuG darstellt bzw. darstellen,
in der Regel eine Verwarnung ausgesprochen werden mit dem Ziel, eine
aufenthaltsbeendende Massnahme zu vermeiden. Sodann kann eine Verwarnung auch
im Sinn einer "letzten Chance" ergehen, wenn der Widerrufsgrund zwar erfüllt
ist, die Interessenabwägung den Entzug der Bewilligung aber als
unverhältnismässig erscheinen lässt (Urteil 2C_94/2016 vom 2. November 2016 E.
3.3 und 3.4 mit Hinweisen).

6.

6.1. Durch die Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von
30 Monaten ist der Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG i.V.m. Art. 62
lit. b AuG erfüllt, was der Beschwerdeführer nicht bestreitet. Er macht
hingegen geltend, die Massnahme verletze seine Ansprüche aus dem FZA. Zudem
beanstandet er die Verhältnismässigkeitsprüfung durch die Vorinstanz. Er sei
ein Ausländer der zweiten Generation, für den die Schweiz faktisch das
Heimatland bilde. Zudem habe er einen Sohn in der Schweiz, zu dem er einen
engen Kontakt pflege. In diesem Zusammenhang macht er insbesondere eine
Verletzung von Art. 63 AuG und Art. 8 EMRK i.V.m. mit Art. 3 und 8 des
Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes
(Kinderrechtskonvention, KRK; SR 0.107) geltend.

6.2. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Kriminalgerichts Luzern vom 12.
November 2014 wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz,
teilweise begangen als schwerer Fall, zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten
verurteilt. Zwischen Januar 2011 und Dezember 2012 hat er sich der Verarbeitung
von 1'870 Gramm Kokain, des Verkaufs von über 750 Gramm Kokain an verschiedene
Abnehmer und des Besitzes von 158,7 Gramm Kokain schuldig gemacht. Darüber
hinaus gestand er ein, während fünf Jahren durchschnittlich ein Gramm Kokain
pro Woche konsumiert und während 20 Jahren regelmässig Marihuana geraucht zu
haben. Innerhalb der Drogenhierarchie stand er auf mittlerer Stufe und war
direkter Ansprechpartner für Lieferanten und für das Strecken der Drogen
zuständig. Zwei Personen haben Kokain in seinem Auftrag verkauft. Der
Beschwerdeführer handelte ohne Notlage bzw. aus rein finanziellen Motiven. Die
strafbaren Handlungen stellte er nicht aus eigenem Antrieb ein; sie nahmen erst
mit der polizeilichen Intervention im Dezember 2012 ein Ende. Zudem verübte er
die genannten Staftaten während noch laufender Probezeit. Zu beachten ist
ferner, dass der Beschwerdeführer zuvor bereits 41 Mal verurteilt worden war.
Auch wenn es sich bei den zahlreichen Verfehlungen mehrheitlich nicht um
gravierende Delinquenz handelt, lässt doch die Häufung der Straftaten, deren
Schwere zudem seit 2009 zugenommen hat, eine beängstigende Gleichgültigkeit
gegenüber der hiesigen Rechtsordnung erkennen. Weder die strafrechtlichen
Sanktionen noch drei ausländerrechtliche Verwarnungen haben den
Beschwerdeführer dazu veranlassen können, sein Verhalten zu ändern. Selbst im
Strafvollzug musste er wegen Drogen- und Alkoholkonsums diszipliniert werden.
Bei dieser Sachlage entsteht der Gesamteindruck eines uneinsichtigen,
hartnäckigen Wiederholungstäters, der die zahlreichen ihm eingeräumten Chancen
nicht genutzt hat und bei welchem sämtliche in einem Rechtsstaat zur Verfügung
stehenden Sanktionen wirkungslos erscheinen. In Anbetracht dieser Umstände
sowie der Art und Schwere der begangenen Betäubungsmitteldelikte ist von einer
hinreichend schweren und auch gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit und einem nicht unerheblichen Rückfallrisiko auszugehen. Folglich
steht Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA dem Widerruf der Niederlassungsbewilligung
nicht entgegen, soweit diese Bestimmung überhaupt anwendbar ist (vgl. E. 4).

6.3. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer seit 2012 nicht mehr
delinquiert haben soll, kann er entgegen seiner Auffassung nichts zu seinen
Gunsten ableiten. Er war bis Ende März 2016 im Strafvollzug, wo ein tadelloses
Verhalten von ihm erwartet werden durfte (BGE 139 II 121 E. 5.5.2 S. 128). Die
seitdem vergangene Zeitspanne ist zu kurz, um verlässlich auf ein zukünftiges
Wohlverhalten schliessen zu können.

6.4. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers hat das Kantonsgericht die
widerstreitenden Interessen sorgfältig gewichtet, in vertretbarer Weise
gegeneinander abgewogen und den Widerruf der Niederlassungsbewilligung des
Beschwerdeführers zu Recht als verhältnismässig bezeichnet. Der Entzug der
Niederlassungsbewilligung trifft den Beschwerdeführer als in der Schweiz
geborenen Ausländer der zweiten Generation, der sein gesamtes Leben hier
verbracht hat, zweifellos schwer. Er hat in der Schweiz die Schule besucht und
eine Berufslehre als Bodenleger absolviert. Seine wirtschaftliche Situation ist
jedoch als schlecht zu bezeichnen, da er hoch verschuldet ist (gemäss Akten
Verlustscheine im Gesamtbetrag von über Fr. 150'000.--). Angesichts seiner
zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen über einen Zeitraum von fast 20
Jahren kann auch seine soziale Integration keineswegs als erfolgreich
bezeichnet werden. Der Beschwerdeführer spricht Kroatisch und kennt sein
Heimatland offenbar von früheren Aufenthalten her, auch wenn diese lange
zurückliegen mögen. Unüberwindliche kulturelle Schranken sind nicht
ersichtlich. Die in der Schweiz angesammelte Berufserfahrung als Bodenleger
wird dem Beschwerdeführer beim Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz im
EU-Land Kroatien behilflich sein können. Insgesamt stehen einer Übersiedlung
des mit 38 Jahren noch vergleichsweise jungen Beschwerdeführers keine
unüberwindlichen Hindernisse entgegen.

6.5. Auch die Würdigung der familiären Verhältnisse führt nicht zu einem
anderen Ergebnis.

6.5.1. Aus der Beziehung zu seinem 13-jährigen Sohn, für welchen er bis anhin
kein Sorgerecht besitzt, kann der Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht
ableiten. Nach konstanter bundesgerichtlicher Praxis kann der nicht sorge- bzw.
obhutsberechtigte ausländische Elternteil den Kontakt zu seinem Kind von
vornherein nur in beschränktem Rahmen pflegen, nämlich durch die Ausübung des
ihm eingeräumten Besuchsrechts. Um dieses wahrnehmen zu können, ist in der
Regel keine dauernde Anwesenheit im Gastland erforderlich. Unter dem
Gesichtspunkt des Anspruchs auf Familienleben nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK ist es
grundsätzlich ausreichend, wenn das Besuchsrecht im Rahmen von Kurzaufenthalten
vom Ausland aus ausgeübt werden kann. Ein weitergehender Anspruch kann nur in
Betracht fallen, wenn in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht eine
besonders enge Beziehung zum Kind besteht, diese Beziehung wegen der Distanz
zum Herkunftsland der ausländischen Person praktisch nicht aufrechterhalten
werden könnte und deren bisheriges Verhalten in der Schweiz zu keinerlei Klagen
Anlass gegeben hat (sog. "tadelloses Verhalten"; zum Ganzen vgl. BGE 139 I 315
E. 2.2 S. 319 mit Hinweisen). Die Vorinstanz ging von einer engen affektiven
Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn aus. Von einer
intensiven Vater-Sohn-Beziehung in wirtschaftlicher Hinsicht kann jedoch nicht
gesprochen werden, da der Beschwerdeführer gemäss den - unbestrittenen -
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen seinen Verpflichtungen in Bezug auf
die Kinderunterhaltsbeiträge nur ungenügend nachkam. Schliesslich ist die
Voraussetzung des tadellosen Verhaltens beim Beschwerdeführer aufgrund seiner
strafrechtlichen Verurteilungen klarerweise nicht erfüllt. Im Übrigen ist ihm
zumutbar, die Beziehung zu seinem Sohn über die modernen Kommunikationsmittel
zu pflegen und sein Besuchsrecht im Rahmen von Kurzaufenthalten vom Ausland her
auszuüben, wobei allenfalls die Modalitäten des Besuchsrechts geeignet aus-
bzw. umzugestalten sind.

6.5.2. Auch aus der Beziehung zu seiner Schwester kann der Beschwerdeführer
kein Aufenthaltsrecht ableiten. Dass ihn diese, wie er geltend macht, immer
stark unterstützt bzw. ihm geholfen habe, eine Struktur aufzubauen, belegt noch
kein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne von Art. 8 EMRK, aus welchem sich ein
Aufenthaltsrecht ergeben könnte (vgl. BGE 139 II 393 E. 5.1 S. 402; 135 I 143
E. 3.1 S. 148; 129 II 11 E. 2 S. 13).

6.6. Soweit sich der Beschwerdeführer auf BGE 139 I 31 beruft und geltend
macht, dass der vorinstanzliche Entscheid gegen die Strassburger Rechtsprechung
verstosse, weil die vorliegend zur Diskussion stehende Strafe nicht drei Jahre
erreiche, kann ihm nicht gefolgt werden. Im betreffenden Entscheid wird zur
Praxis des EGMR ausgeführt, dass bei Betäubungsmitteldelikten (ohne Konsum)
regelmässig das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts
überwiegt, falls keine besonderen persönlichen oder familiären Bindungen im
Aufenthaltsstaat bestehen; ist die betroffene Person ledig und kinderlos, setzt
sich tendenziell das öffentliche Fernhalteinteresse durch, sofern das Strafmass
drei Jahre Freiheitsstrafe erreicht oder weitere erhebliche Delikte
hinzukommen. Das Bundesgericht hat jedoch ebenfalls betont, dass die
entsprechende Grenze von drei Jahren nur als Richtwert dienen kann und immer
die Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend sind. Auch wenn vorliegend die
verfahrensauslösende Verurteilung nicht drei Jahre erreicht, erweist sich in
Anbetracht der deliktischen Laufbahn des Beschwerdeführers, welcher über einen
Zeitraum von fast 20 Jahren über 40 Mal strafrechtlich sanktioniert wurde, der
Eingriff in sein Privat- und Familienleben als gerechtfertigt.
Auch aus dem Urteil 2C_1000/2013 vom 20. Juli 2014 kann der Beschwerdeführer
nichts zu seinen Gunsten ableiten. Im genannten Fall war der Betroffene vor der
verfahrensauslösenden Straftat "nur in sehr untergeordneter Weise
strafrechtlich in Erscheinung getreten", was vorliegend offensichtlich nicht
der Fall ist.

7.

7.1. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz zu Recht das öffentliche Interesse am
Widerruf der Niederlassungsbewilligung als höher gewichtet als die privaten
Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib in der Schweiz. Der
angefochtene Entscheid verletzt weder Bundes- noch Konventionsrecht. Folglich
ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen.

7.2. Da angesichts der Dauerdelinquenz des Beschwerdeführers und mit Blick auf
die bundesgerichtliche Rechtsprechung die Gewinnaussichten der Prozessbegehren
von Anfang an beträchtlich geringer waren als die Verlustgefahren, erweist sich
die Beschwerde als aussichtslos, so dass das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG; BGE 129 I
129 E. 2.3.1 S. 135 f.). Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der
unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig. Der finanziellen Situation des
Beschwerdeführers wird durch reduzierte Gerichtskosten Rechnung getragen (Art.
66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs.
1-3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4.
Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Mai 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Petry

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