Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1018/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_1018/2016       

Urteil vom 22. Mai 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Genner.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt.

Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Weg-weisung,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
als Verwaltungsgericht
vom 21. September 2016.

Sachverhalt:

A.
A.________ (geb. 1956), türkischer Staatsangehöriger, reiste am 7. November
2003 in die Schweiz ein. Am 6. November 2008 wurde ihm die
Niederlassungsbewilligung erteilt.

B.
Am 7. Januar 2014 stellte das Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt A.________
den Widerruf der Niederlassungsbewilligung in Aussicht und gewährte ihm das
rechtliche Gehör. A.________ äusserte sich am 7. April 2014 zum vorgesehenen
Entscheid. Am 13. Mai 2014 widerrief das Migrationsamt die
Niederlassungsbewilligung wegen dauernden und erheblichen Sozialhilfebezugs und
wies A.________ aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben
erfolglos (Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons
Basel-Stadt vom 2. Oktober 2015, Urteil des Appellationsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 21. September 2016). In beiden Fällen wurde zudem das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen.

C.
A.________ erhebt am 4. November 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten beim Bundesgericht mit den Anträgen, das angefochtene Urteil
"vollumfänglich" aufzuheben und auf den Widerruf der Niederlassungsbewilligung
und die Wegweisung zu verzichten; eventuell sei eine Verwarnung auszusprechen
und subeventuell sei ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Ferner
ersucht A.________ um Gewährung der unentgeltliche Rechtspflege (Verzicht auf
Erhebung der Gerichtskosten).
Mit Präsidialverfügung vom 7. November 2016 ist der Beschwerde antragsgemäss
aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen den Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts betreffend den
Widerruf der Niederlassungsbewilligung steht die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a BGG), weil
grundsätzlich ein Anspruch auf den Fortbestand der Niederlassungsbewilligung
gegeben ist (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S.
4). Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs.
1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht, und der Beschwerdeführer ist zur
Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten, soweit sie den
Widerruf der Niederlassungsbewilligung betrifft.

1.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig
gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend die Wegweisung
(Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG). Der entsprechende Antrag kann auch nicht als
subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 BGG entgegengenommen werden,
weil keine entsprechenden Verfassungsrügen erhoben werden (vgl. Art. 116 BGG).
Auf den Antrag betreffend Wegweisung ist nicht einzutreten.

2.

2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich
unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Die
beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den
gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine
entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen; auf rein appellatorische
Kritik an der Sachverhaltsfeststellung geht das Bundesgericht nicht ein (BGE
139 II 404 E. 10.1 S. 445 f.).

2.2. Die Sachverhaltsfeststellung oder Beweiswürdigung einer Verwaltungs- oder
Gerichtsbehörde ist (nur) als willkürlich zu bezeichnen, wenn die Behörde den
Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn
sie ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel
unberücksichtigt gelassen oder wenn sie auf Grundlage der festgestellten
Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 142 II 433 E. 4.4 S.
444; 137 III 226 E. 4.2 S. 234; 136 III 552 E. 4.2 S. 560).

3.

3.1. Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG (SR 142.20) kann die
Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn die ausländische Person oder
eine Person, für die sie zu sorgen hat, dauerhaft und in erheblichem Mass auf
Sozialhilfe angewiesen ist. Sozialversicherungsleistungen unter Einschluss der
Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
sowie Familienzulagen sind keine Sozialhilfe im Sinn von Art. 63 Abs. 1 lit. c
(bzw. Art. 62 lit. e) AuG (BGE 141 II 401 E. 6.2.3 S. 409; 135 II 265 E. 3.7 S.
272 mit Hinweis). Nach geltender Praxis ist der Widerrufsgrund nach Art. 63
Abs. 1 lit. c AuG erfüllt, wenn konkret die Gefahr einer fortgesetzten und
erheblichen Sozialhilfeabhängigkeit besteht; blosse finanzielle Bedenken
genügen nicht. Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen ist auch
die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht abzuwägen. Ein
Widerruf soll in Betracht kommen, wenn eine Person hohe finanzielle Leistungen
erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft für
ihren Lebensunterhalt sorgen wird (Urteile 2C_120/2015 vom 2. Februar 2016 E.
2.1; 2C_1058/2013 vom 11. September 2014 E. 2.3).

3.2. Liegt ein Widerrufsgrund vor, ist zu prüfen, ob die Massnahme
verhältnismässig ist (Art. 96 Abs. 1 AuG, allenfalls Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Die
Hintergründe, warum eine Person sozialhilfeabhängig wurde, müssen beim
Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit in den Entscheid miteinbezogen
werden (Urteil 2C_1058/2013 vom 11. September 2014 E. 2.5). Ob und inwieweit
die betroffene Person ein Verschulden an der Sozialhilfebedürftigkeit trifft,
bildet nicht eine Frage der Erfüllung des Widerrufsgrundes, sondern der
Verhältnismässigkeit (Urteile 2C_120/2015 vom 2. Februar 2016 E. 3.1; 2C_456/
2014 vom 4. Juni 2015 E. 3.3 am Ende).
Ist eine Massnahme begründet, aber den Umständen nicht angemessen, so kann die
betroffene Person unter Androhung dieser Massnahme verwarnt werden (Art. 96
Abs. 2 AuG). Die Verwarnung ergeht im Sinn einer "letzten Chance", wenn der
Widerrufsgrund zwar erfüllt ist, die Interessenabwägung den Entzug der
Bewilligung aber als unverhältnismässig erscheinen lässt (Urteil 2C_94/2016 vom
2. November 2016 E. 3.4). Als milderes Mittel im Vergleich zum Widerruf bietet
sich die Verwarnung insbesondere bei Personen an, die schon sehr lange in der
Schweiz leben oder hier geboren sind, weil bei diesen das Interesse am Erhalt
der Bewilligung naturgemäss hoch ist. Aber auch in diesen Fällen kann eine
Verwarnung - je nach Höhe des öffentlichen Interesses - entfallen (vgl. Urteil
2C_480/2013 vom 24. Oktober 2013 E. 4.5.3). Der Verwarnung, welche ein
Rechtsverhältnis bewirkt und anfechtbar ist, kann eine Ermahnung vorausgehen.
Diese ist ein Realakt und enthält in der Regel eine blosse Information über die
Rechtslage: Die betroffene Person wird darüber aufgeklärt, welche Rechtsfolgen
eintreten könnten, wenn sie ihr Verhalten nicht ändert. Sowohl die Verwarnung
nach Art. 96 Abs. 2 AuG als auch die Ermahnung sind darauf ausgerichtet,
bereits angedrohte oder mögliche Rechtsfolgen abzuwenden.

4.

4.1. Die Vorinstanz erwog, der Beschwerdeführer habe zwischen dem 1. September
2009 und dem 11. September 2015 Sozialhilfeleistungen von insgesamt Fr.
145'904.10 erhalten. Damit sei die vom Bundesgericht definierte Limite von Fr.
80'000.-- in fünf Jahren bei weitem überschritten. Die Vorinstanz kommt somit
zum Schluss, der Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG sei erfüllt.

4.2. Sodann erwog die Vorinstanz, die Sozialhilfeabhängigkeit sei überwiegend
selbstverschuldet. Sie nimmt dabei Bezug auf ein (nicht näher bezeichnetes)
Gutachten vom 21. Dezember 2012, in dem ab 2011 eine 100%-ige Arbeitsfähigkeit
des Beschwerdeführers für sämtliche leichten bis mittelschweren
wechselbelastenden Tätigkeiten festgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer
habe seine verbleibende Arbeitsfähigkeit nicht verwertet und seine Chancen auf
dem Arbeitsmarkt verschlechtert, indem er sich immer wieder längere Zeit in der
Türkei aufgehalten habe.
Weiter erwog die Vorinstanz, der Beschwerdeführer sei erst im Alter von 47
Jahren in die Schweiz gekommen und mit den sozialen und kulturellen Gebräuchen
seines Heimatlandes bestens vertraut. Vor seiner Immigration in die Schweiz sei
er als Lastwagenchauffeur und Kranführer tätig gewesen. In seiner Stellungnahme
vom 18. März 2011 habe er denn auch erklärt, er wolle sich in seiner Heimat ein
neues Leben aufbauen, und habe um die Aufrechterhaltung seiner
Niederlassungsbewilligung ersucht. Er habe offensichtlich Verbindungen in die
Türkei aufrechterhalten; so habe er zumindest in den Jahren 2012 und 2013
mehrere Monate dort verbracht. Zudem lebe seine Ehefrau in der Türkei, so dass
er relativ rasch wieder ein Beziehungsnetz aufbauen könne. Schliesslich sei dem
Beschwerdeführer die Integration in der Schweiz nicht gelungen: Zwischen 2010
und 2015 sei er 13 Mal betrieben worden für einen Betrag von insgesamt Fr.
10'902.05, und im September 2015 sei er mit elf offenen Verlustscheinen über
insgesamt Fr. 11'538.90 verzeichnet gewesen. Die Verschuldung lasse sich nur
damit erklären, dass der Beschwerdeführer über seinen Verhältnissen gelebt
habe, werde er doch seit 2009 von der Sozialhilfe unterstützt. Zudem sei er am
28. Juni 2012 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer Geldstrafe
von zehn Tagessätzen zu Fr. 30.-- sowie einer Busse von Fr. 800.-- verurteilt
worden. Auch die sprachliche Integration sei mangelhaft, und der
Beschwerdeführer bewege sich vornehmlich unter türkischstämmigen Personen.

5.
Zur Frage, ob der Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG erfüllt ist,
äussert sich der Beschwerdeführer nicht eindeutig. Soweit er geltend macht, ein
Verschulden an der Sozialhilfeabhängigkeit sei bei der Prüfung von Art. 63 Abs.
1 lit. c AuG zu berücksichtigen, ist ihm nicht zu folgen (vgl. E. 3.2). Die
Vorinstanz hat das Vorliegen des Widerrufsgrundes im Ergebnis zu Recht bejaht:
Der allein lebende Beschwerdeführer hat Unterstützungsbeiträge von rund Fr.
145'900.-- bezogen, und aufgrund seiner langen Abwesenheit vom Arbeitsmarkt und
seines Alters ist davon auszugehen, dass die Sozialhilfeabhängigkeit auch in
Zukunft andauern würde.

6.

6.1. Im Rahmen der Verhältnismässigkeit sind die öffentlichen Interessen an der
Beendigung des Aufenthalts den privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz
gegenüberzustellen.
Der Beschwerdeführer hat erwachsene Kinder, die in der Schweiz leben. Seine
Ehefrau lebt in der Türkei. Das Recht auf Achtung des Privat- und
Familienlebens nach Art. 8 EMRK ist somit nicht tangiert (BGE 135 I 143 E.
1.3.2 S. 146) und die Interessenabwägung ausschliesslich im Rahmen von Art. 96
Abs. 1 AuG vorzunehmen.

6.2. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts ist erheblich:
Der Beschwerdeführer hat bereits eine hohe Summe an Sozialhilfegeldern bezogen.
Dies wird sich fortsetzen, denn eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt erscheint im
heutigen Zeitpunkt nahezu ausgeschlossen. Im Rentenalter wäre der
Beschwerdeführer auf Ergänzungsleistungen angewiesen, welche die öffentliche
Hand ebenfalls belasten (vgl. Urteil 2C_562/2016 vom 14. Dezember 2016 E.
3.1.2).

6.3. Zunächst ist zu prüfen, ob die Vorinstanz ein überwiegendes
Selbstverschulden des Beschwerdeführers an seiner Sozialhilfeabhängigkeit zu
Recht bejaht hat.

6.3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, bei der IV-Stelle Basel-Stadt sei ein
Verfahren um Zusprechung einer Invalidenrente hängig. Falls ihm eine
Viertelsrente zugesprochen würde, könnte er diese nicht beziehen, wenn sich
sein Wohnsitz in der Türkei befinde. In diesem Zusammenhang beantragt der
Beschwerdeführer, die Akten der IV-Stelle Basel-Stadt beizuziehen.
Im Verfahren vor der Vorinstanz wurde kein hängiges Verfahren bei der
Invalidenversicherung erwähnt; auch das angefochtene Urteil enthält dazu keine
Ausführungen. Aus den Akten geht hervor, dass ein Antrag auf Zusprechung einer
Invalidenrente am 1. Juli 2013 abgewiesen worden und die Verfügung
unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist. Vor Bundesgericht spricht der
Beschwerdeführer zwar mehrmals von einem hängigen Leistungsgesuch, macht aber
nicht geltend, dass die Vorinstanz ein neues Verfahren um Zusprechung einer
Invalidenrente zu Unrecht nicht berücksichtigt hätte. Das Vorbringen ist als
unzulässiges Novum (ob im Sinn von Art. 99 Abs. 1 BGG oder als echtes Novum,
kann offen bleiben) zu qualifizieren, so dass sich weitere Ausführungen
erübrigen.

6.3.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe aktuelle Arztzeugnisse
und -berichte nicht berücksichtigt und auf "veraltete Gutachten aus dem Jahre
2012" abgestellt. Die (neueren) Arztberichte seien willkürlich gewürdigt
worden.
Es trifft zu, dass ein medizinisches Gutachten nach vier Jahren nicht mehr
aktuell ist. Die Vorinstanz durfte aber zumindest mit Bezug auf das erste Jahr
nach Erstellung des Gutachtens vom 21. Dezember 2012 auf dessen Ergebnisse
verweisen, soweit sie für die Beurteilung des Selbstverschuldens verwertbar
sind. Für die Frage, ob der Beschwerdeführer seine Sozialhilfeabhängigkeit
(teilweise) selbst verschuldet hat oder durch Krankheit an der Arbeitsaufnahme
gehindert wurde, ist der gesamte Zeitraum des Sozialhilfebezugs zu betrachten,
nicht nur der Gesundheitszustand im Zeitpunkt des Widerrufs. Die Vorinstanz hat
das Arbeitsunfähigkeitszeugnis vom 12. November 2013, ausgestellt vom Hausarzt
des Beschwerdeführer s, aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und
Patient mit Vorsicht gewürdigt, was nicht zu beanstanden ist. Sie weist ferner
darauf hin, dass der Beschwerdeführer von Oktober 2012 bis April 2013 bei einer
Reinigungsfirma gearbeitet und nicht deklarierte Löhne von insgesamt Fr.
12'053.40 erwirtschaftet habe; anscheinend wurde der Beschwerdeführer deswegen
von der Sozialhilfebehörde gemassregelt. Einen weiteren Bericht des Hausarztes
vom 2. Juni 2016 würdigte die Vorinstanz ausführlich und kam zum Schluss, ein
Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers werde damit nicht
dargetan.

6.3.3. Die Vorinstanz hat sachliche Gründe angeführt für ihre Interpretation
der ärztlichen Berichte. Von einer willkürlichen Beweiswürdigung (vgl. E. 2.2)
kann nicht gesprochen werden. Wenn sie aufgrund der erwähnten Feststellungen
zum Schluss kam, der Beschwerdeführer hätte sich trotz gesundheitlicher
Einschränkungen mehr um die Integration in den Arbeitsmarkt bemühen können und
müssen, ist dies nicht zu beanstanden.

6.4. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der
Schweiz sind als eher gering einzustufen: Er ist erst im Alter von 47 Jahren
eingereist, hat sich 13 Jahre hier aufgehalten und ist mit einer Landsfrau
verheiratet, welche in der Türkei lebt; seine in der Schweiz lebenden Kinder
sind erwachsen. Neben dem Sozialhilfebezug ist der Beschwerdeführer durch
Verschuldung, bei der Sozialhilfebehörde nicht deklariertes Einkommen und eine
strafrechtliche Verurteilung wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln
aufgefallen. Seine Integration kann weder in wirtschaftlich-beruflicher noch in
sozialer Hinsicht als erfolgreich bezeichnet werden.

6.5. Dem Beschwerdeführer kann auch darin nicht gefolgt werden, dass eine
Reintegration in der Türkei für ihn unzumutbar wäre. Zwar dürfte aufgrund des
Alters (60 Jahre im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils) eine berufliche
Eingliederung mit Schwierigkeiten verbunden sein. Indessen hat der
Beschwerdeführer starke Verbindungen zu seinem Heimatland aufrecht erhalten und
reist regelmässig dorthin. Im Jahr 2011 plante er gar, sich wieder in der
Türkei niederzulassen. Inwiefern sein Gesundheitszustand einer Rückkehr
entgegenstehen würde, vermochte der Beschwerdeführer nicht darzutun. Auch das
Vorbringen, der Zugang zu medizinischer Versorgung wäre ihm aufgrund seiner
Herkunft und politischen Gesinnung verwehrt, ist in keiner Weise substanziiert.
Nachdem der Beschwerdeführer den grössten Teil seines Lebens in der Türkei
verbracht hat und auch seine Ehefrau dort lebt, kann ihm die Rückkehr zugemutet
werden.

6.6. Der Beschwerdeführer moniert, er sei nie formell verwarnt worden. Ob eine
Verwarnung Wirkungen zeitige oder nicht, sei nicht entscheidend.

6.6.1. Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer nie ausländerrechtlich verwarnt
worden ist:
Aus den Akten geht hervor, dass die von der Vorinstanz erwähnte "Stellungnahme"
vom 18. März 2011 (vgl. E. 4.2 zweiter Abschnitt) ein Gesuch des
Beschwerdeführers an das Justiz- und Polizeidepartement ist. Darin teilte der
Beschwerdeführer mit, er wolle in die Türkei zurückkehren, da er in der Schweiz
keine Arbeitsstelle finde und es ihm psychisch immer schlechter gehe. Zudem
wäre er in der Türkei in zwei Jahren pensioniert. Für den Fall, dass es in
seiner Heimat nicht gut gehen sollte, ersuche er um Aufrechterhaltung seiner
Niederlassungsbewilligung.
Zu jenem Zeitpunkt war kein ausländerrechtliches Verfahren gegen den
Beschwerdeführer im Gang. Aber wenige Tage nach Einreichung des Gesuchs, am 29.
März 2011, teilte das Migrationsamt dem Beschwerdeführer mit, es habe
feststellen müssen, dass er Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe beziehe,
und wies ihn darauf hin, dass die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden
könne, wenn er - der Beschwerdeführer - oder eine Person, für die er zu sorgen
habe, dauerhaft und in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen sei. Im
Anschluss war der Wortlaut von Art. 62 lit. a und b AuG sowie von Art. 63 AuG
(komplett) abgedruckt.

6.6.2. Das Schreiben des Migrationsamts vom 29. März 2011 enthält weder Angaben
zur Höhe der bezogenen Sozialhilfebeiträge noch eine Aussage darüber, ob der
Widerrufsgrund bereits erfüllt war; dementsprechend fehlt auch eine Androhung
der Rechtsfolge. Der Beschwerdeführer wurde lediglich über die Rechtslage
informiert, die aufgrund seiner Sozialhilfeabhängigkeit einschlägig werden
könnte. Das Schreiben ist somit nicht als Verwarnung im Sinn von Art. 96 Abs. 2
AuG, sondern als Ermahnung zu qualifizieren.

6.6.3. Wenngleich es im Fall von Sozialhilfebezug durch ausländische Personen
in der Regel angebracht ist, als Vorstufe zu einer Entfernungsmassnahme eine
Verwarnung auszusprechen (vgl. E. 3.2 zweiter Abschnitt), durfte das
Migrationsamt im vorliegenden Fall darauf verzichten. Weil das öffentliche
Interesse an der Beendigung des Aufenthalts das private Interesse des
Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz klar überwiegt, erscheint es nicht
unverhältnismässig, wenn das Migrationsamt die Niederlassungsbewilligung
widerrufen hat, ohne den Beschwerdeführer zu verwarnen und den Widerruf
anzudrohen; zudem war er immerhin auf die möglichen Folgen des fortgesetzten
Sozialhilfebezugs hingewiesen worden.

6.7. Zusammenfassend erweist sich der Widerruf der Niederlassungsbewilligung
als verhältnismässig. Aus diesem Grund ist der Eventualantrag, es sei eine
Verwarnung auszusprechen, abzuweisen. Auf den Subeventualantrag, es sei eine
Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, ist nicht einzutreten, weil diesbezüglich
kein Anspruch besteht (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG).

7.
Der Beschwerdeführer beantragt, das angefochtene Urteil vollumfänglich
aufzuheben, was die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege durch die
Vorinstanz mit einschliesst. Indessen unterliegt die Anrufung dieses
verfassungsrechtlichen Anspruchs (Art. 29 Abs. 3 BV) einer qualifizierten
Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Da der Beschwerdeführer die Anfechtung des
Urteils in diesem Punkt mit keinem Wort substanziiert, ist darauf nicht
einzugehen.

8.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

8.1. Bei diesem Verfahrensausgang hätte der Beschwerdeführer die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat indessen um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege nach Art. 64 Abs. 1 BGG ersucht. Angesichts der
Tatsache, dass der Beschwerdeführer das Recht auf Achtung des Privat- und
Familienlebens nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK nicht anrufen konnte, waren dem
Rechtsmittel grundsätzlich wenig Erfolgsaussichten beschieden. Die
Verhältnismässigkeitsprüfung fiel eindeutig zu Gunsten des öffentlichen
Interesses an der Beendigung des Aufenthalts aus, nicht zuletzt wegen der
mangelhaften Integration. Dass der Beschwerdeführer nicht verwarnt wurde, war
in der vorliegenden Konstellation nicht entscheidend. Die Beschwerde erweist
sich damit als aussichtslos. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist
abzuweisen und die (umständehalber reduzierten) Gerichtskosten sind dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen.

8.2. Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht und dem Staatssekretariat für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Mai 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Genner

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