Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1015/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]                  
{T 0/2}
                                
2C_1015/2016 / 2C_1016/2016

Urteil vom 14. November 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Kocher.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Bern.

Gegenstand
2C_1015/2016
Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Bern,
Steuerjahr 2006 und frühere Jahre, Revisionsgesuch,

2C_1016/2016
direkte Bundessteuer, Steuerjahr 2006 und
frühere Jahre, Revisionsgesuch,

Beschwerde gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter,
vom 15. September 2016.

Erwägungen:

1.

1.1. A.________ (nachfolgend: der Steuerpflichtige) hat steuerrechtlichen
Wohnsitz in U.________/FR. In einem Steuerverfahren, das er gegen den Kanton
Bern führt, trat das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche
Abteilung, mit Entscheid 100.2016.115/116U vom 15. September 2016
einzelrichterlich auf Beschwerden nicht ein, die dieser gegen Entscheide der
Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom 15. März 2016 betreffend
Nichteintreten auf Revisionsgesuche gerichtet hatte.

1.2. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern sandte den Entscheid vom 15.
September 2016 an den Wohnsitz des Steuerpflichtigen in U.________/FR. Die für
diese Ortschaft zuständige Poststelle (V.________/FR) retournierte den
eingeschriebenen Brief nach ungenütztem Ablauf der Abholfrist an das
Verwaltungsgericht. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2016 wandte der
Steuerpflichtige sich an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, wobei er
ausführte, er halte sich derzeit in W.________/VS auf und sei nur über Umwege
in den Besitz des Entscheids gelangt. Er habe der Schweizerischen Post am 20.
September 2016 einen vorübergehend gültigen Nachsendeauftrag erteilt, wonach
seine Post nach W.________/VS weiterzuleiten sei. Dies habe zumindest im Fall
des Entscheids vom 15. September 2016 nicht geklappt. Er habe die
Abholungseinladung, die ihm erst durch die Hilfestellung seiner ehemaligen
Lebenspartnerin zugekommen sei, am 22. September 2016 an die Poststelle
V.________/FR gesandt und diese darum ersucht, dass das ihm zur Abholung
angezeigte Schreiben, von dessen Inhalt er keine Kenntnis gehabt habe, nach
W.________/VS weitergeleitet werde. Die Poststelle von V.________/FR sei auch
dieser Anweisung nicht nachgekommen. Aus diesen Gründen, die er nicht zu
vertreten habe, ersuche er darum, dass ihm für das bundesgerichtliche Verfahren
eine neue Frist angesetzt werde.

1.3. Der Einzelrichter beantwortete das Schreiben vom 22. Oktober 2016 am 26.
Oktober 2016 dahingehend, dass eine Erstreckung der dreissigtägigen Frist
ausgeschlossen sei und es ebenso wenig in Frage kommen könne, den bereits
eröffneten Entscheid vom 15. September 2016 erneut zu eröffnen. Weiterleitungen
unterständen der Verantwortlichkeit der weiterleitenden Person und vermöchten
den Lauf der Frist nicht zu beeinflussen. Ein etwaiges Gesuch um
Wiederherstellung der Beschwerdefrist sei an das Bundesgericht zu richten.

1.4. Mit Schreiben vom 1. November 2016 (Poststempel unleserlich) gelangt der
Steuerpflichtige an das Bundesgericht. Er ersucht um Wiederherstellung der
Beschwerdefrist gegenüber dem Entscheid 100.2016.115/116U vom 15. September
2016 und begründet dies damit, dass er für das zweimalige Fehlverhalten der
Schweizerischen Post nicht verantwortlich gemacht werden können.
Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG) hat von
Instruktionsmassnahmen abgesehen.

2.

2.1. Das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist betrifft einerseits
die Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Bern, anderseits die direkte
Bundessteuer. Aus diesem Grund sind praxisgemäss zwei Dossiers zu eröffnen. Die
beiden Verfahren betreffen denselben Sachverhalt und werfen dieselben
Rechtsfragen auf, weshalb sie ebenso praxisgemäss zu vereinigen sind (Art. 71
BGG [SR 173.110] i. V. m. Art. 24 BZP [SR 273]).

2.2. Die Sachurteilsvoraussetzungen der vorliegenden Gesuche sind unter
Vorbehalt des Nachfolgenden erfüllt.

2.3. Gemäss Art. 100 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde gegen einen Entscheid innert
30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht
einzureichen. Die Beschwerdefrist beginnt am Tag nach der Mitteilung des
anzufechtenden Entscheids zu laufen (Art. 44 Abs. 1 BGG). Als gesetzlich
bestimmte Frist kann die Beschwerdefrist nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1
BGG). Im Fall einer Mitteilung, die nur gegen Unterschrift des Adressaten oder
der Adressatin oder einer anderen berechtigten Person überbracht wird, gilt die
Zustellung spätestens am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen
Zustellungsversuch als erfolgt (Art. 44 Abs. 2 BGG). Die derart umschriebene
Zustellungsfiktion findet freilich nur Anwendung, falls die Adressatin oder der
Adressat mit der Zustellung der Mitteilung überhaupt hat rechnen müssen. Dies
trifft zu, wenn zuvor ein Verfahrensverhältnis begründet worden war. Ein
solches verpflichtet die Parteien, sich nach Treu und Glauben zu verhalten und
unter anderem dafür zu sorgen, dass behördliche Akte, die das Verfahren
betreffen, ihnen zugestellt werden können (BGE 141 II 429 E. 3.1 S. 431 f.; 139
IV 228 E. 1.1 S. 230; 138 III 225 E. 3.1 S. 227; je mit Hinweisen). Von einer
verfahrensbeteiligten Person wird namentlich verlangt, dass sie für die
Nachsendung ihrer an die bisherige Adresse gelangenden Korrespondenz besorgt
ist, dass sie der Behörde gegebenenfalls längere Ortsabwesenheiten mitteilt
oder eine Stellvertretung ernennt (BGE 139 IV 228 E. 1.1 S. 230, mit
Hinweisen).

2.4. Ist eine Partei - durch einen anderen Grund als die mangelhafte Eröffnung
-  unverschuldeterweise abgehalten worden, fristgerecht zu handeln, so wird die
Frist wiederhergestellt, sofern die Partei unter Angabe des Grundes innert 30
Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte
Rechtshandlung nachholt (Art. 50 Abs. 1 BGG).

3.

3.1. Es geht aus den dem Bundesgericht vorliegenden Unterlagen nicht restlos
hervor, wie es sich mit dem Fristenlauf genau verhalten hat. Der
Steuerpflichtige spricht davon, die Poststelle habe den Entscheid am 26.
September 2016, mithin einem Montag, an das Verwaltungsgericht zurückgesandt.
Dies deutet angesichts der siebentägigen Abholfrist darauf hin, dass diese
Frist am Montag, 19. September 2016 begann. Der Steuerpflichtige macht nicht
geltend, die Poststelle habe den Entscheid vorzeitig retourniert. Seinem
eigenen Bekunden zufolge erging der vorübergehend gültige Nachsendeauftrag
(erst) am 20. September 2016, also wohl nach dem mutmasslichen Beginn der
Abholfrist.

3.2. Der Ablauf kann indes offen bleiben. Entscheidend ist, dass der
Steuerpflichtige mit seinen Beschwerden vom 15. März 2016 ein
Prozessrechtsverhältnis begründete und aufgrund dessen jederzeit mit einem
Entscheid zu rechnen hatte. Er bediente sich zumindest während Teilen der
laufenden Frist eines Nachsendeauftrags, was ihn von der ursprünglichen
Pflicht, für die Entgegennahme besorgt zu sein, nicht entbindet. Das
fehlerhafte Verhalten Dritter hinsichtlich der Zustellung ist der
steuerpflichtigen Person ebenso zuzurechnen wie eigenes Fehlverhalten. Es
verhält sich diesbezüglich gleich wie etwa im Bereich der Leistung des
Gerichtskostenvorschusses durch eine Bank, die dem Auftrag nicht rechtzeitig
nachkommt (vgl. Urteil 2C_222/2014 vom 10. März 2014 E. 2.2, in: ASA 82 S.
661).

3.3. Der Steuerpflichtige macht sodann geltend, er müsse das Gesuch um
Wiederherstellung aufgrund einer akuten Erkrankung stellen. Worin die Krankheit
besteht, bleibt offen und unbelegt. Auch dies ist aber von keiner weiteren
Bedeutung, nachdem es dem Steuerpflichtigen jedenfalls möglich war, einen
Nachsendeauftrag zu erteilen. Die versäumte Frist findet ihren Grund nicht in
einer Erkrankung, sondern im Umstand, dass die Nachsendung, sollte der Auftrag
überhaupt rechtzeitig erteilt worden sein, missglückte.

3.4. Diese Umstände begründen kein "unverschuldetes Hindernis" im Sinne von
Art. 50 Abs. 1 BGG. Der Frage nach der Rechtzeitigkeit des
Fristwiederherstellungsgesuchs ist mithin nicht nachzugehen. Das Gesuch ist
sowohl für die Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Bern als auch die direkte
Bundessteuer abzuweisen.

3.5. Hinzu kommt, dass nach Art. 50 Abs. 1 zusammen mit dem
Wiederherstellungsgesuch auch die versäumte Rechtshandlung (mithin hier die
Beschwerde an das Bundesgericht) nachgeholt werden muss, was der
Steuerpflichtige jedoch unterlässt.

4.
Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens
in der Regel der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG), wobei auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden kann,
wenn es die Umstände rechtfertigen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Im vorliegenden
Verfahren ist ein Verzicht auf die Kostenerhebung angezeigt. Dem Kanton Bern,
der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt der Präsident:

1. 
Die Verfahren 2C_1015/2016 (Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Bern,
Steuerjahr 2006 und frühere Jahre) und 2C_1016/2016 (direkte Bundessteuer,
Steuerjahr 2006 und frühere Jahre) werden vereinigt.

2. 
Das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist im Verfahren 2C_1016/2016
wird abgewiesen.

3. 
Das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist im Verfahren 2C_1015/2016
wird abgewiesen.

4. 
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Kosten erhoben.

5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter, und der
Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. November 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Kocher

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