Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1013/2016
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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2C_1013/2016           

 
 
 
Urteil vom 21. September 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Gerichtsschreiberin Genner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kanton Aargau, handelnd durch den Regierungsrat, des Kantons Aargau, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Normenkontrollbegehren betreffend Dekret zur Erhöhung des Eigenmietwertes, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 3.
Kammer, vom 20. September 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 24. November 2015 beschloss der Grosse Rat des Kantons Aargau entsprechend
dem Antrag des Regierungsrates das Dekret über die Anpassung der Eigenmietwerte
per 1. Januar 2016 (SAR 651.140; nachfolgend: Dekret). Die Anpassung sollte für
jede Gemeinde gesondert gestützt auf im Anhang festgelegte Zu- und Abschläge in
Prozenten zu den bestehenden Eigenmietwerten vorgenommen werden. Das Dekret
wurde am 18. Dezember 2015 im kantonalen Amtsblatt publiziert und trat am 1.
Januar 2016 in Kraft. 
 
B.  
Am 10. März 2016 stellte A.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau
ein Normenkontrollbegehren mit den Anträgen, das Dekret einer prinzipalen
Normenkontrolle zu unterziehen, dieses als rechtswidrig zu erklären und
rückwirkend auf den 1. Januar 2016 aufzuheben. Mit Urteil vom 20. September
2016 wies das Verwaltungsgericht das Normenkontrollbegehren ab und auferlegte
A.________ Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 5'212.-- (Fr. 5'000.--
Staatsgebühr sowie Fr. 212.-- Kanzleigebühr und Auslagen). 
 
C.  
A.________ erhebt am 3. November 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und vorsorglich subsidiäre Verfassungsbeschwerde beim
Bundesgericht mit dem Antrag, das angefochtene Urteil "inkl. Kostenauferlegung"
aufzuheben und zur neuen Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. 
Das Verwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Der Regierungsrat
beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei sie
abzuweisen. A.________ hat am 3. Januar 2017 repliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde gegen einen Erlass, der im Kanton nicht angefochten werden
kann, ist innert 30 Tagen nach der nach dem kantonalen Recht massgebenden
Veröffentlichung des Erlasses beim Bundesgericht einzureichen (Art. 101 BGG).
Kennt das kantonale Recht - wie hier - ein Verfahren der abstrakten
Normenkontrolle (Normenkontrollbegehren gemäss § 70 Abs. 1 des Gesetzes des
Kantons Aargau vom 4. Dezember 2007 über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG/AG;
SAR 271.200]), ist zunächst dieses zu durchlaufen. Gegen den entsprechenden
Entscheid steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
grundsätzlich offen (Art. 83 lit. a BGG, Art. 87 Abs. 2 i.V.m. Art. 86 Abs. 1
lit. d BGG, Art. 90 BGG). Die Rechtsmittelfrist nach Art. 100 Abs. 1 BGG
beginnt mit der Eröffnung des letztinstanzlichen kantonalen
Normenkontrollentscheids zu laufen (BGE 128 I 155 E. 1.1 S. 158).  
 
1.2. Das Dekret wurde am 18. Dezember 2015 publiziert und trat am 1. Januar
2016 in Kraft. Der Beschwerdeführer reichte das Normenkontrollbegehren am 10.
März 2016 bei der Vorinstanz ein. § 70 Abs. 1 VRPG/AG sieht keine Frist für die
Einreichung eines Normenkontrollbegehrens vor, so dass die Vorinstanz die
Eingabe materiell behandelte. Der Beschwerdeführer, welcher in diesem Verfahren
unterlegen war, gelangte gegen das Urteil vom 20. September 2016 (eröffnet am
6. Oktober 2016) am 2. November 2016 an das Bundesgericht. Damit ist die
30-tägige Frist zur Einreichung der Beschwerde beim Bundesgericht nach Art. 100
Abs. 1 BGG eingehalten.  
 
1.3. Indessen weist der Regierungsrat zu Recht auf die bundesgerichtliche
Praxis hin, wonach Urteile betreffend kantonale Erlasse oder
Erlassbestimmungen, deren Anfechtung auf kantonaler Ebene unbefristet möglich
ist, vor Bundesgericht nur angefochten werden können, wenn das kantonale
Normenkontrollverfahren innert der "üblichen Rechtsmittelfrist" von 30 Tagen
nach Inkrafttreten des beanstandeten Erlasses angehoben worden ist (BGE 137 I
107 E. 1.4.2 und 1.4.4; 128 I 155 E. 1.1 S. 158 f.; 111 Ia 270 E. 2 S. 271 f.).
Diese Praxis wird in erster Linie mit der Rechtssicherheit begründet: Die
abstrakte Normenkontrolle durch das Bundesgericht soll nicht mehr stattfinden
können, wenn das kantonale Normenkontrollverfahren "erst Monate oder Jahre nach
der Publikation des angefochtenen Erlasses" bzw. "viele Monate oder gar Jahre
nach Inkrafttreten des Erlasses" eingeleitet worden ist (BGE 137 I 107 E. 1.4.3
mit Hinweisen). Ein kantonaler Erlass muss 30 Tage nach Inkrafttreten bei der
kantonalen Rechtsmittelinstanz angefochten werden, wenn ein späterer
Rechtsmittelzug an das Bundesgericht erhalten werden soll. Andernfalls hat es
mit dem kantonalen Gerichtsurteil sein Bewenden, und der Rechtsuchende wird auf
die inzidente Normenkontrolle verwiesen (BGE 137 I 107 E. 1.4.2 und 1.4.4).  
 
1.4. Weil der Beschwerdeführer das Normenkontrollbegehren erst am 10. März 2016
- nach Ablauf der Frist von 30 Tagen nach Inkrafttreten des Dekrets am 1.
Januar 2016 - eingereicht hat, ist eine Überprüfung des vorinstanzlichen
Urteils (also eine abstrakte Normenkontrolle) durch das Bundesgericht nicht
möglich. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
daher nicht eingetreten werden. Dies umfasst auch den kantonalen Entscheid
betreffend die Verfahrenskosten.  
 
1.5. Bezugnehmend auf den Antrag des Regierungsrates, auf die Beschwerde wegen
Nichteinhaltung der "üblichen Rechtsmittelfrist" im kantonalen Verfahren (vgl.
E. 1.2) nicht einzutreten, moniert der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe
ihn - einen juristischen Laien - "ins Messer laufen lassen", indem sie in ihrer
Rechtsmittelbelehrung keine Vorbehalte angebracht habe. In der Tat konnte der
(anwaltlich nicht vertretene) Beschwerdeführer nicht wissen, dass er die
Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesgericht in der Hauptsache verwirkt
hatte. Aus mangelhafter Eröffnung, insbesondere wegen unrichtiger oder
unvollständiger Rechtsmittelbelehrung oder wegen Fehlens einer vorgeschriebenen
Rechtsmittelbelehrung, dürfen den Parteien keine Nachteile erwachsen (Art. 49
BGG). Ob die Vorinstanz mir Blick auf die in E. 1.3 erwähnte Praxis, gemäss der
ein Nichteintretensentscheid absehbar war, ihr Urteil mit der regulären
Rechtsmittelbelehrung versehen durfte, kann aber offenbleiben: Jedenfalls hätte
der Beschwerdeführer das Rechtsmittel nach Kenntnisnahme der Vernehmlassung des
Regierungsrates zurückziehen können. Dem Umstand, dass der Beschwerdeführer
hinsichtlich des Normenkontrollbegehrens vergeblich an das Bundesgericht
gelangt ist, kann durch den Verzicht auf die Erhebung von Verfahrenskosten
Rechnung getragen werden. Gestützt auf Art. 66 Abs. 1 BGG sind dem
Beschwerdeführer für den Nichteintretensentscheid keine Gerichtskosten
aufzuerlegen.  
 
2.  
 
2.1. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil in der Sache ist
nicht zulässig, da Art. 113 BGG die Anfechung kantonaler Erlasse nicht vorsieht
(massgeblich für die Frage, ob ein Erlass oder ein Entscheid angefochten wird,
ist der materielle Steitgegenstand; dieser ist hier ein Erlass). Die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde kann sich diesfalls lediglich gegen
Verfassungsverletzungen richten, welche nicht im Erlass selbst begründet sind,
sondern sich auf das Verfahren vor der kantonalen Normenkontrollinstanz
beziehen (BGE 128 I 155 E. 1.1 S. 159 oben; 111 Ib 270 E. 2 S. 272). Dabei geht
es namentlich um Gehörsansprüche, deren Missachtung einer formellen
Rechtsverweigerung gleichkommt. Unzulässig sind - analog der "Star"-Praxis -
Vorbringen, die im Ergebnis wiederum auf eine materielle Überprüfung des
angefochtenen Entscheids abzielen, wie die Behauptung, die Begründung sei
unvollständig oder zu wenig differenziert bzw. die Vorinstanz habe sich nicht
oder in willkürlicher Weise mit den Argumenten der Partei auseinandergesetzt
und Beweisanträge in offensichtlich unhaltbarer antizipierter Beweiswürdigung
abgelehnt (BGE 137 II 305 E. 2 S. 308).  
 
2.2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Begründungspflicht als
Teilgehalt des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV geltend macht, wäre
die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach dem Gesagten grundsätzlich zulässig.
Es ergibt sich aber bereits aus dem Umfang und der Struktur des angefochtenen
Urteils, dass die Vorinstanz ihren Entscheid umfassend begründet hat. Eine
inhaltliche Überprüfung der Begründung ist wegen der Unzulässigkeit des
Rechtsmittels in der Sache nicht statthaft (vgl. E. 2.1). Auf die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde ist insoweit nicht einzutreten.  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerde gegen den Kostenentscheid kann als subsidiäre
Verfassungsbeschwerde im Sinn von Art. 113 BGG entgegengenommen werden. Gemäss 
Art. 115 lit. b BGG ist zur Verfassungsbeschwerde berechtigt, wer ein rechtlich
geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen
Entscheids hat. Der Beschwerdeführer erhebt sinngemäss die Willkürrüge, indem
er die Höhe der Gerichtsgebühr als "exorbitant" und die Begründung für das
materielle Urteil der Vorinstanz als "mangelhafte staatliche Handlung"
bezeichnet.  
 
3.2. Das Willkürverbot nach Art. 9 BV ist ein verfassungsmässiges Recht im Sinn
von Art. 116 BGG; es verschafft aber nach ständiger Praxis des Bundesgerichts
für sich allein keine geschützte Rechtsstellung. Zur Willkürrüge ist eine
beschwerdeführende Person somit nur legitimiert, wenn die gesetzlichen
Bestimmungen, deren willkürliche Anwendung sie geltend macht, ihr einen
Rechtsanspruch einräumen (BGE 137 II 305 E. 2 S. 308; HANSJÖRG SEILER, in:
Seiler/von Werdt/Güngerich/Oberholzer, Bundesgerichtsgesetz [BGG],
Handkommentar, 2. Aufl. 2016, N. 18 zu Art. 115 BGG).  
Die Rechtsprechung nimmt bei der Anfechtung der Kostenauflage generell ein
rechtlich geschütztes Interesse im Sinn von Art. 115 lit. b BGG an (BGE 129 II
297 E. 2.2 S. 300; Urteile 2C_901/2013 vom 20. Januar 2014 E. 1.2.1; 5D_205/
2011 vom 24. Januar 2012 E. 2.3.2; 2C_700/2008 vom 18. Juni 2009 E. 1.5). Der
Beschwerdeführer ist demnach zur Ergreifung der subsidiären
Verfassungsbeschwerde legitimiert. Die verfassungsrechtliche Kontrolle bleibt
jedoch beschränkt auf den Kosten- und Entschädigungspunkt; sie kann nicht dazu
führen, dass indirekt auch der Entscheid in der Sache überprüft wird (BGE 129
II 297 E. 2.2 S. 300). 
 
3.3. Die Höhe der Gerichtskosten ist im kantonalen Recht geregelt. Bei der
Festsetzung der Gerichtsgebühr verfügt das Gericht über einen grossen
Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift bei der Auslegung kantonaler
Normen nicht bereits dann ein, wenn sich die Gebühr als unangemessen erweist,
sondern nur, wenn das Ermessen über- bzw. unterschritten oder missbraucht und
damit Bundesrecht verletzt wird (BGE 141 I 105 E. 3.3.2 S. 109; 139 III 334 E.
3.2.5 S. 339 ff.).  
 
3.4. Die Vorinstanz hat ihren Entscheid "aufgrund der Bedeutung des Falls"
(vgl. E. I.3 des angefochtenen Urteils) in einer Fünferbesetzung beraten und
entschieden. Dadurch werden mehr Ressourcen gebunden als im Normalfall
(Dreierbesetzung). Sodann ist die abstrakte Normenkontrolle naturgemäss mit
erhöhtem Aufwand verbunden. Schliesslich ist das Steuerrecht eine komplexe
Materie, deren Bearbeitung im Regelfall mehr Zeit erfordert als die Bearbeitung
anderer verwaltungsrechtlicher Materien. Dies zeigt sich gerade beim
angefochtenen Urteil, welches insgesamt 18 Seiten umfasst und eine
differenzierte Gliederung aufweist.  
Bei dieser Ausgangslage kann eine Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- nicht als
willkürlich bezeichnet werden. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegen die
Auferlegung der Gerichtskosten von insgesamt Fr. 5'212.-- ist abzuweisen. 
 
3.5. Für die Überprüfung des Kostenentscheids sind dem unterliegenden
Beschwerdeführer (reduzierte) Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht
eingetreten. 
 
2.   
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 400.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. September 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner 

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