Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1008/2016
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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2C_1008/2016           

 
 
 
Urteil vom 14. November 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Errass. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokat Guido Ehrler, 
 
gegen  
 
Amt für Migration Basel-Landschaft, 
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 10. August 2016 (810 15 368). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (1972; Türke) reiste am 28. Juni 1980 in die Schweiz ein und erhielt
die Niederlassungsbewilligung. Er ist mit einer tschechischen Staatsangehörigen
verheiratet. Sie haben einen gemeinsamen Sohn (2004). Die Ehefrau von
A.________ hat zusätzlich noch eine Tochter (13. August 1998) aus einer
früheren Beziehung. 
Zwischen 2001 und 2012 kam A.________ mehrmals mit dem Gesetze in Konflikt. Am
21. Dezember 2012 verurteilte das Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft
A.________ wegen mehrfacher, teilweise qualifizierter Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz, mehrfachen Konsums von Betäubungsmitteln und mehrfachen
Verstosses gegen das Waffengesetz als teilweise Zusatzstrafe zu zehn Jahren
Freiheitsstrafe und einer Busse von Fr. 500.--. Das Kantonsgericht
Basel-Landschaft bestätigte in teilweiser Gutheissung der Berufung und der
Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft die erstinstanzlichen
Schuldsprüche, sprach A.________ in einem weiteren Anklagepunkt der
qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig, wies
die weitergehende Berufung der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft in Bezug auf
die Betäubungsmittelmenge ab und reduzierte die Freiheitsstrafe auf neun Jahre
(30. Juli 2013). Die von der Staatsanwaltschaft dagegen erhobene Beschwerde in
Strafsachen mit dem Antrag einer Verurteilung von 10 Jahren Freiheitsstrafe
hiess das Bundesgericht gut und wies die Angelegenheit zum neuen Entscheid an
das Kantonsgericht Basel-Landschaft zurück (Urteil 6B_1141/2013 vom 8. Mai
2014). Am 6. Oktober 2014 verurteilte dieses A.________ u.a. zu 10 Jahren
Freiheitsstrafe. Seit dem 22. Januar 2011 befindet sich A.________ im
Strafvollzug. Zwischen dem 1. Januar 1992 bis zum 6. November 2015 weist er
Betreibungen und Verlustscheine von je rund Fr. 200'000.-- und offene
Verlustscheine von rund Fr. 100'000.-- auf. 
 
B.  
Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs widerrief das Amt für Migration
Basel-Landschaft die Niederlassungsbewilligung von A.________ und ordnete
dessen Ausreise aus der Schweiz bei der bedingten Entlassung aus dem
Strafvollzug an. Die Beschwerde dagegen wies der Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft am 8. Dezember 2015 ab. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, wies die gegen den Beschluss des
Regierungsrates erhobene Beschwerde ab (10. August 2016). 
 
C.  
Vor Bundesgericht beantragt A.________, den Entscheid des Kantonsgerichts vom
10. August 2016 aufzuheben, festzustellen, dass die Wegweisung von Herrn
A.________ gegen Art. 8 EMRK verstösst, und eventualiter die Angelegenheit an
die als zuständig erachtete kantonale Behörde zur Einholung eines Gutachtens
zur Rückfallgefahr einzuholen. Zudem verlangt er die unentgeltliche
Rechtspflege. 
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und
Verwaltungsrecht, verzichtete auf Vernehmlassung, der Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft beantragt ohne Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde.
Das Staatssekretariat für Migration und das kantonale Amt für Migration haben
sich nicht vernehmen lassen. 
Mit Verfügung vom 2. November 2016 erteilte der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten (Art. 82, Art. 83 [BGE 135 II
1 E. 2.1.1 S. 4] i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art.
100 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). 
Der Beschwerdeführer beantragt, festzustellen, dass die Wegweisung EMRK widrig
sei. Nach Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG ist gegen Entscheide betreffend die
Wegweisung die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig.
Eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde wäre möglich, eine solche erhebt der
Beschwerdeführer allerdings nicht. Sollte er an Stelle der Wegweisung den
Widerruf gemeint haben, tritt das Feststellungsbegehren ohnehin hinter das
Gestaltungsurteil zurück (vgl. BGE 137 II 199 E. 6.5 S. 218 f.). 
 
2.  
 
2.1. Nach Auffassung des Beschwerdeführers stelle die Rückfallgefahr i.S.v.
Art. 5 Anh. I des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) das
zentrale Beweisthema des vorliegenden Verfahrens dar. In diesem Rahmen wirft
der Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, dass sie den Untersuchungsgrundsatz
verletzt habe, indem sie in antizipierter Beweiswürdigung auf die Einholung
verschiedener Gutachten verzichtet und weitere Eingaben nicht berücksichtigt
habe.  
 
2.2. Zunächst ist deshalb zu prüfen, ob das FZA überhaupt Anwendung findet. Die
Vorinstanzen gehen davon aus, dass sich der Beschwerdeführer als Ehemann einer
tschechischen Staatsangehörigen, die in der Schweiz ein Aufenthaltsrecht hat,
auf das FZA berufen könne (Art. 3 Abs. 2 lit. a Anh. I FZA). Der
Beschwerdeführer hat zwar eine tschechische Ehefrau, doch ist diese im
Familiennachzug über das Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1 121) in die Schweiz gekommen (Art. 105
Abs. 2 BGG). Damit der Beschwerdeführer sich als Drittstaatsangehöriger auf das
FZA berufen kann, müsste die Ehefrau ihrerseits einen originären
Aufenthaltsanspruch nach Art. 6, 12 oder 24 Anh. I FZA haben (BGE 129 II 249 E.
4.2 S. 260 i.i.). Anhaltspunkte, dass die Ehefrau als Arbeitnehmerin gearbeitet
haben könnte, finden sich zwar in den Akten, doch Abklärungen, ob die
Anforderungen des FZA tatsächlich gegeben sind, fehlen. Allerdings kann dies
hier offen bleiben. Am Ergebnis ändert sich nichts, gleichgültig ob Art. 5 Anh.
I FZA oder nur das AuG angewendet wird.  
 
3.   
 
3.1. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) lässt sich nicht
eine allgemeine Pflicht der Behörde zur Abnahme aller angebotenen Beweise
entnehmen. Die Abweisung eines Beweisantrags erweist sich als zulässig, wenn
die Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde sich ihre Meinung aufgrund zuvor
erhobener Beweise bereits bilden konnte und sie ohne Willkür in
vorweggenommener, antizipierter Beweiswürdigung annehmen darf, die gewonnene
Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht erschüttert (BGE 136 I
229 E. 5.3 S. 236).  
 
3.2. Die Vorinstanz hat - entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers -
durchaus zur Kenntnis genommen, dass dieser auch wegen Drogenkonsums verurteilt
wurde. Sie hat aber in Einklang mit dem Strafurteil in einlässlicher und
stringenter Darlegung festgehalten, dass eine wie vom Beschwerdeführer
behauptete Drogensucht ihn nicht befähigt hätte, in einer derart hohen Position
den Import von 10,54 kg reinem Kokain zu planen und zu organisieren. Abgesehen
davon könne - wie die Vorinstanz weiter ausführt - eine solche Menge von reinem
Kokain, welche dem Beschwerdeführer zugerechnet wurde, und dem dadurch
erzielbaren Gewinn offensichtlich nicht mehr von einfacher
Beschaffungskriminalität ausgegangen werden. Die Vorinstanz nimmt sodann auch
auf die regierungsrätlichen Ausführungen Bezug, warum auf ein Gutachten über
die Drogenabhängigkeit verzichtet wurde. Nach viereinhalb Jahren könne das
seinerzeitige Konsumverhalten nicht mehr überprüft und eruiert werden.  
Der Beschwerdeführer ist ferner u.a. gestützt auf das Urteil 2C_361/2014 vom
22. Oktober 2015 der Auffassung, dass ein Gutachten zur Rückfallgefahr zwingend
zu erstellen sei. Wie bereits die Vorinstanz festgehalten hat, besteht keine
Verpflichtung, eine solches einzuholen. Nach Auffassung des Beschwerdeführers
spricht für die Einholung eines Gutachtens, dass Erkenntnisse des Strafvollzugs
zur Rückfallgefahr der Einschätzung des Kantonsgerichts diametral
entgegengesetzt seien. Dies bildet indes entgegen seiner Auffassung keinen
Anlass, ein Gutachten einzuholen. Denn Strafrecht und Ausländerrecht verfolgen
unterschiedliche Ziele, eine positive Einschätzung und ein klagloses Verhalten
im Strafvollzug schliessen eine Rückfallgefahr und eine fremdenpolizeiliche
Ausweisung nicht aus (vgl. BGE 137 II 233 E. 5.2.2 S. 237). 
 
3.3. Insgesamt ist die antizipierte Beweiswürdigung und der Verzicht auf die
Abnahme der beantragten Beweise willkürfrei. Die Vorinstanz war deshalb ohne
Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV berechtigt, auf weitere Beweismassnahmen zu
verzichten.  
 
4.   
 
4.1. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer mit einer Freiheitsstrafe von
10 Jahren einen Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 Abs. 1
lit. b i.V.m. Art. 63 Abs. 2 AuG erfüllt.  
Dieser würde auch Grundlage für den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung EG
/EFTA bilden (vgl. Urteil 2C_116/2017 vom 3. Oktober 2017 E. 3.4.1; zur Methode
vgl. BGE 130 II 176 E. 3.2 S. 181; ZÜND/ ARQUINT HILL, Beendigung der
Anwesenheit, Entfernung und Fernhaltung [§ 8], in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/
Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 8.39). Diesbezüglich wäre zu
berücksichtigen, dass eine strafrechtliche Verurteilung nur insoweit als Anlass
für einen Bewilligungswiderruf herangezogen werden darf, als die ihr zugrunde
liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine
gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Nach den gemäss
Art. 5 Anh. I FZA zu beachtenden Grundsätzen ist für eine aufenthaltsbeendende
Massnahme freizügigkeitsrechtlich erforderlich, dass von der betroffenen Person
eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr ausgeht, die ein
grundlegendes Schutzinteresse der Gesellschaft berührt; ausschliesslich
generalpräventive oder wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigen eine
aufenthaltsbeendende Massnahme in Anwendung des Freizügigkeitsabkommens nicht
(vgl. EPINEY/BLASER, in: Amarelle/Nguyen [Hrsg.], Code annoté de droit des
migrations, Band III: FZA, 2014, N. 15 ff. zu Art. 4 FZA). Die entsprechende
Regelung schliesst nicht aus, den Grad der fortbestehenden Bedrohung aufgrund
des bisherigen Verhaltens abzuschätzen. Eine Rückfallgefahr besteht nicht nur,
wenn ein Straftäter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder
delinquieren wird; umgekehrt ist nicht erforderlich, dass überhaupt kein
entsprechendes Restrisiko mehr bestehen darf (vgl. das Urteil 2C_270/2015 vom
6. August 2015 E. 4.1 u. 4.2). Je schwerer die befürchtete bzw.
vernünftigerweise absehbare Verletzung wichtiger Rechtsgüter wiegt, umso
weniger ist die Möglichkeit eines Rückfalls freizügigkeitsrechtlich hinzunehmen
(BGE 139 II 121 E. 5.3 S. 125 f.; 136 II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 4.3.1 S.
185 f. mit Hinweisen; Urteil 2C_406/2014 vom 2. Juli 2015 E. 4.2). Als
schwerwiegend gelten etwa Beeinträchtigungen der physischen, psychischen und
sexuellen Integrität Dritter, der qualifizierte Drogenhandel aus rein
pekuniären Motiven und die organisierte Kriminalität sowie Terrorismus oder
Menschenhandel (BGE 139 II 121 E. 6.3 S. 130 f.). 
 
4.2. Aus dem strafrechtlichen Urteil ergibt sich, dass der Beschwerdeführer
zusammen mit seinen Mittätern den Kokainimport von der Dominikanischen Republik
in die Schweiz organisiert und geplant hat, er folglich in einer hierarchisch
höheren Position der Organisation gestanden und riskante Tätigkeiten anderen
Personen überlassen hat. Bei den deliktischen Handlungen handelte es sich um
wesentliche Tatbeiträge, aus denen seine erhöhte Stellung in der Organisation
folgt. Dabei ist der Beschwerdeführer äusserst professionell und mit hoher
krimineller Energie vorgegangen. Ihm wurde der strafrechtlich relevante Umgang
mit 10,54 kg reinem Kokain angelastet. Daraus folgt auch die äusserst hohe
Freiheitsstrafe, welche auf Veranlassung des Bundesgerichts aufgrund der
relevanten Strafzumessungsfaktoren von neun auf zehn Jahre korrigiert wurde.
Das Bundesgericht hat zudem bereits im Strafverfahren präzisierend
festgehalten, dass der Beschwerdeführer nicht nur für den Umgang mit 10,54 kg
reinen Kokains verurteilt wurde. Die zehnjährige Freiheitsstrafe umfasst
darüber hinaus das Anstaltentreffen zum Import von Kokaingemisch im
Kilogrammbereich und zum Anbau von rund 40 kg Marihuana, mehrfache
Widerhandlungen gegen das Waffengesetz sowie die mit Strafbefehl des
Bezirksstatthalteramtes Liestal geahndete Verkehrsregelverletzung und
Übertretung der Nationalstrassenabgabe-Verordnung. Insgesamt muss von einer
erheblichen kriminellen Energie und damit von einem schweren Verschulden
ausgegangen werden.  
 
4.3. Qualifizierter Drogenhandel aus rein finanziellen Motiven gilt als
besonders schwerwiegend; die Gesundheit vieler wird gefährdet (BGE 139 II 121
E. 6.3 S. 130 f.; siehe auch Urteil des EuGH vom 23. November 210 C-145/09 
Tsakouridis Rz. 46 f.). Angesichts dieser besonders schweren Verletzung eines
wichtigen Rechtsguts ist die Möglichkeit eines Rückfalls
freizügigkeitsrechtlich kaum hinzunehmen. Kommt hinzu, dass der
Beschwerdeführer sein kriminelles Verhalten im Laufe der Jahre kontinuierlich
gesteigert hat: U.a. Verstoss gegen das Waffengesetz (Klappmesser), massive
Geschwindigkeitsüberschreitungen (über 200km/h auf der Autobahn) trotz
Führerausweisentzug, mehrmalige bauliche Veränderungen des Motorrads bis
schliesslich zum Drogenhandel aus finanziellen Motiven. Auch kann sein
Verhalten mit rund 40 Jahren nicht mehr als Jugendsünde taxiert werden. Wie die
Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, lässt das bisherige Verhalten des
Beschwerdeführers nicht erwarten, dass eine zukünftige Gefährdung der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Daran vermögen
die Eingaben des Beschwerdeführers von Bekannten und der Ehefrau und den
Kindern nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer hat den Tatbeweis noch nicht
erbracht. Dieser wird auch nicht dadurch erbracht, dass der Beschwerdeführer
nunmehr in den Strafvollzug mittels elektronischen Fussfesseln übergetreten
ist. Denn Strafrecht und Ausländerrecht verfolgen unterschiedliche Ziele und
sind unabhängig voneinander anzuwenden. Der Straf- und Massnahmenvollzug hat
nebst der Sicherheitsfunktion eine resozialisierende bzw. therapeutische
Zielsetzung; für die Fremdenpolizeibehörden steht demgegenüber das Interesse
der öffentliche Ordnung und Sicherheit im Vordergrund, woraus sich ein im
Vergleich mit den Straf- und Strafvollzugsbehörden strengerer
Beurteilungsmassstab ergibt. So kann aus dem Umstand, dass ein Straftäter
bedingt aus dem Strafvollzug entlassen wurde, nicht bereits geschlossen werden,
es gehe keine Gefahr (im fremdenpolizeilichen Sinne) mehr von ihm aus. Auch
eine aus der Sicht des Massnahmenvollzugs positive Entwicklung oder ein
klagloses Verhalten im Strafvollzug schliessen eine Rückfallgefahr und eine
fremdenpolizeiliche Ausweisung nicht aus (BGE 137 II 233 E. 5.2.2 S. 236 f. mit
Hinweisen). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann er auch nichts
zu seinen Gunsten aus dem Urteil 2C_361/2014 vom 22. Oktober 2015 E. 4.3 i.f.
ableiten. Denn die referierte Stelle spricht von den Strafbehörden und nicht
von den Ausländerbehörden. Jene gingen davon aus, dass keine weiteren
Beeinträchtigungen wesentlicher Rechtsgüter zu erwarten wären, weshalb sie dem
Täter die Strafe in Form von Electronic Monitoring ermöglichten, was sich mit
der Einschätzung der kantonalen Richter aus fremdenpolizeilicher Sicht deckte.
Der Beschwerdeführer blendet zudem aus, dass er sich auch mit Electronic
Monitoring immer noch im Strafvollzug mit einzuhaltenden Zeiten und Begleitung
befindet. Abgesehen davon darf tadelloses Verhalten im Strafvollzug erwartet
werden (vgl. BGE 139 II 121 E. 5.5.2 S. 128 mit Hinweisen).  
 
4.4. Insgesamt kann mit der Vorinstanz eine Rückfallgefahr nicht ausgeschlossen
werden.  
 
5.  
 
5.1. Die aufenthaltsbeendende Massnahme muss verhältnismässig sein, was sich
auch aus Art. 13 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 36 Abs. 2 und 3 BV sowie Art. 8 Ziff. 2
EMRK ergibt (vgl. BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381). Zu berücksichtigen sind dabei
namentlich die Schwere des Delikts und des Verschuldens des Betroffenen, der
seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten des Ausländers während diesem,
der Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie
allgemein die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile (BGE 135 II 377 E. 4.3
S. 381 f.). Keines dieser Elemente ist für sich allein ausschlaggebend;
erforderlich ist eine Würdigung der gesamten Umstände im Einzelfall (vgl. das
Urteil 2C_116/2017 vom 3. Oktober 2017 E. 3.1 mit Hinweisen). Die
Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich schon seit langer Zeit
hier aufhält, soll nur mit Zurückhaltung widerrufen werden. Bei wiederholter
bzw. schwerer Straffälligkeit ist dies jedoch selbst dann nicht ausgeschlossen,
wenn der Ausländer hier geboren ist und sein ganzes bisheriges Leben im Land
verbracht hat (vgl. das Urteil 2C_562/2011 vom 21. November 2011 E. 3.3
[Widerruf der Niederlassungsbewilligung eines hier geborenen 43-jährigen
Türken]; Entscheide des EGMR i.S. Saljia gegen Schweiz vom 10. Januar 2017 [Nr.
55470/10] § 36 ff. [Anwesenheit von 20 Jahren und Verurteilung wegen
vorsätzlicher Tötung] sowie Trabelsi gegen Deutschland vom 13. Oktober 2011
[Nr. 41548/06] §§ 53 ff. [Ausweisung eines in Deutschland geborenen, wiederholt
straffällig gewordenen Tunesiers]). Bei schweren Straftaten und bei Rückfall
bzw. wiederholter Delinquenz besteht regelmässig ein wesentliches öffentliches
Interesse, die weitere Anwesenheit der Täterin oder des Täters zu beenden, da
und soweit sie hochwertige Rechtsgüter verletzt oder in Gefahr gebracht haben
bzw. sich von straf- und ausländerrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken
lassen und damit zeigen, dass sie auch künftig weder gewillt noch fähig
erscheinen, sich an die hiesige Rechtsordnung zu halten (BGE 139 I 16 E. 2.1 S.
18 f., 31 E. 2.1 S. 32 f.; 137 II 297 E. 3.3 S. 304; Urteile 2C_1086/2014 vom
11. Juni 2015 E. 2.1; 2C_843/2014 vom 18. März 2015 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
5.2. Ausgangspunkt des öffentlichen Interesses bildet die Tat. Dabei stellt das
Strafmass von 10 Jahren ein erhebliches migrationsrechtliches Verschulden dar.
Mit seinem bereits oben geschilderten Verhalten in seiner erhöhten Stellung in
der Organisation hat der Beschwerdeführer in Kauf genommen, eine Vielzahl von
Menschen zu gefährden. Er ist dabei äusserst professionell und mit hoher
krimineller Energie vorgegangen. Wie ebenfalls bereits festgehalten (vgl. E.
4.2), umfasst die zehnjährige Freiheitsstrafe eine Vielzahl von Taten und ist
nicht nur auf die hohe Menge des Importes zurückzuführen. Entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers stellen seine früheren strafrechtlich
relevanten Taten nicht nur SVG-Delikte dar. Wie die Vorinstanz zu Recht
festgehalten hat, ist das öffentliche Interesse an der Fernhaltung des
Beschwerdeführers somit als hoch einzustufen.  
 
5.3. Die Vorinstanz hat sich auch ausführlich mit seinen privaten Interessen
auseinander gesetzt, welche sehr gewichtig sind: Er lebt seit rund 37 Jahren in
der Schweiz und hat seit der Einreise in die Schweiz eine
Niederlassungsbewilligung. Er spricht deutsch; seine Eltern und Geschwistern
leben in der Schweiz. Er ist seit 13 Jahren mit einer EU-Bürgerin verheiratet
und lebt mit ihr in der Schweiz zusammen. Sie haben einen gemeinsamen Sohn. Der
Beschwerdeführer kümmerte sich auch um die nicht gemeinsame Tochter. Er ging
einer regelmässigen Arbeit nach und ist somit finanzieller Hauptversorger der
Familie. Allerdings sind trotzdem Betreibungen und Verlustscheine in einem
relativ hohen Betrag zu konstatieren. Insgesamt wäre es für ihn und seine
Familie sehr hart, wenn er die Schweiz verlassen müsste.  
 
5.4. Die Interessenabwägung ergibt Folgendes: Das öffentliche Interesse an der
Fernhaltung des Beschwerdeführers ist mit einem Freiheitsentzug von zehn Jahren
als sehr hoch einzuschätzen. Hochwertige Rechtsgüter sind verletzt worden. Auf
der privaten Seite stehen seine lange Anwesenheit von rund 37 Jahren, seine
Ehefrau mit dem gemeinsamen Sohn und der nichtgemeinsamen Tochter der Ehefrau.
Auch das Kindeswohl und das grundlegende Bedürfnis des Kindes, in möglichst
engem Kontakt mit beiden Elternteilen aufwachsen zu können, bildet einen
wesentlichen zu beachtenden Aspekt (vgl. BGE 143 I 21 E. 5.5.1 f. S. 29 f. und
5.5.4. S. 31). Damit sind die privaten Interessen primär ebenfalls gewichtig.
Allerdings hat der Beschwerdeführer, indem er delinquiert hat, aus eigenem
Antrieb seiner Familie gegenüber nicht die nötige Sorgsamkeit aufgebracht. Auch
dem Kindeswohl und dem grundlegenden Bedürfnis des Sohnes und der nicht
gemeinsamen Tochter, mit beiden Elternteilen zu leben, hat er mit seiner
Delinquenz ebenfalls nicht Rechnung getragen. Nichts zu seinen Gunsten kann er
zudem aus seinem Verhalten in der Zeit nach der (letzten) Tat ableiten:
Insbesondere wird eine gute Führung im Strafvollzug vom Strafgefangenen
generell erwartet und lässt - wie bereits von der Vorinstanz festgehalten -
angesichts der dort vorhandenen, verhältnismässig engmaschigen Betreuung keine
verlässlichen Rückschlüsse auf das künftige Verhalten in Freiheit zu. Weitere
Abstriche an den primär hohen gewichtigen privaten Interessen sind die nicht
von der Hand zu weisenden beträchtliche Beträge umfassenden Betreibungen und
Verlustscheine.  
Auch wenn der Beschwerdeführer in der Schweiz aufgewachsen ist, hier seine
prägenden Jahre verbracht, die Schule besucht und seine Ausbildung
abgeschlossen hat, wären die drohenden Nachteile bei einer Rückkehr in die
Türkei sicherlich gewichtig, aber nicht unzumutbar, wie die Vorinstanz
überzeugend dargelegt hat. Der Beschwerdeführer kennt sein Heimatland von
Ferienaufenthalten her, ist mit der türkischen Kultur sowie den Sitten und
Gebräuchen vertraut. Er hat Verwandte in der Türkei, die ihm helfen würden,
sich in der Türkei zurechtzufinden. Der Kontakt zwischen ihm und seiner Ehefrau
und seinem Sohn und der nicht gemeinsamen Tochter kann allerdings während einer
gewissen Zeit nur telephonisch und elektronisch sowie durch Ferienbesuche
aufrechterhalten werden. Diese Nachteile sind indes nicht derart, dass sie
zusammen mit den bereits dargestellten privaten Interessen das sehr gewichtige
öffentliche Interesse zu überwiegen vermöchten. Dem Beschwerdeführer ist es
nach Auffassung der Vorinstanz somit zumutbar, die Schweiz zu verlassen und in
seinem ihm nicht völlig unbekannten Heimatland mit Hilfe von Verwandten Fuss zu
fassen. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden, auch wenn der
Beschwerdeführer behauptet, er spreche gar nicht oder nur wenig türkisch. Es
ist nicht ersichtlich, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht möglich sein
sollte, seine Kenntnisse der türkischen Sprache - auch mit Hilfe seiner
Verwandten - noch zu verbessern (vgl. Urteil 2C_562/2011 vom 21. November 2011
E 4.3.4). Inwiefern sich die politische Lage und die allgemeine Instabilität zu
seinem Nachteil auswirken sollte, hat der Beschwerdeführer nicht ausgeführt und
ist auch nicht ersichtlich. 
 
6.  
Aus Art. 8 EMRK ergibt sich nichts anderes. 
 
7.  
Demnach erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen. Bei
diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer grundsätzlich
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege ist indes begründet, da der Beschwerdeführer
bedürftig ist und das Rechtsbegehren aufgrund der möglichen Anwendbarkeit des
FZA und seiner langen Anwesenheit in der Schweiz nicht als aussichtslos
erscheinen musste (Art. 64 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
wird gutgeheissen, und es wird dem Beschwerdeführer Advokat Guido Ehrler als
Rechtsbeistand beigegeben. Ihm wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'500.-- ausgerichtet. 
 
3.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und dem
Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. November 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Errass 

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