Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 1D.4/2016
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 2016
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1D_4/2016

Urteil vom 4. Mai 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Misic.

Verfahrensbeteiligte
A. A.________ und B. A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Willi Egloff,

gegen

Kanton Bern,
handelnd durch die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse
20, 3011 Bern,
Einwohnergemeinde Unterseen, 3800 Unterseen,
handelnd durch den Gemeinderat Unterseen, Amtshaus, Postfach 195, 3800
Unterseen.

Gegenstand
Verweigerung des Kantonsbürgerrechts,

Beschwerde gegen das Urteil vom 21. September 2016 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung.

Sachverhalt:

A. 
Am 11. Februar 2013 reichte das Ehepaar A.A.________ (geb. 1979, irakische
Staatsangehörige) und B.A.________ (geb. 1967, pakistanischer
Staatsangehöriger) bei ihrer Wohngemeinde ein Gesuch um Einbürgerung unter
Einbezug ihrer Tochter C.A.________ (geb. 2009) ein. Mit Beschluss vom 24. Juni
2013 sicherte der Gemeinderat der Einwohnergemeinde Unterseen ihnen das
Gemeindebürgerrecht zu. Am 13. August 2013 wurde die Gesuchssache dem
Zivilstands- und Bürgerrechtsdienst (ZBD) des Amts für Migration und
Personenstand des Kantons Bern (MIP) zur weiteren Bearbeitung zugestellt.

B. 
Am 24. November 2013 nahm das Stimmvolk des Kantons Bern die mit der kantonale
Volksinitiative "Keine Einbürgerung von Verbrechern und Sozialhilfeempfängern"
unterbreitete Änderung von Art. 7 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni
1993 (KV/BE; SR 131.212; vgl. BAG 14-004) an. Die revidierte Bestimmung trat am
11. Dezember 2013 in Kraft (Gewährleistung durch die Bundesversammlung am 11.
März 2015 vgl. BBl 2015 3035 ff.). Sie hat folgenden Wortlaut:
Art. 7 Bürgerrecht
1 Erwerb und Verlust des Kantons- und Gemeindebürgerrechts werden im Rahmen des
Bundesrechts durch die Gesetzgebung unter Vorbehalt folgender Grundsätze
geregelt.
2 Das Kantonsbürgerrecht beruht auf dem Gemeindebürgerrecht.
3 Nicht eingebürgert wird namentlich, wer:
a   wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist oder wer für
eine Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren rechtskräftig
verurteilt worden ist;
b   Leistungen der Sozialhilfe bezieht oder bezogene Leistungen nicht
vollumfänglich zurückgezahlt hat;
c   nicht nachweislich über gute Kenntnisse einer Amtssprache verfügt;
d   nicht nachweislich über ausreichende Kenntnisse des schweizerischen und
kantonalen Staatsaufbaus und seiner Geschichte verfügt;
e   nicht über eine Niederlassungsbewilligung verfügt.
4 Es besteht kein Anspruch auf Einbürgerung.

C. 
Am 20. Januar 2014 erteilte das damalige Bundesamt für Migration (BFM; heute:
Staatssekretariat für Migration [SEM]) die Einbürgerungsbewilligung des Bundes.
Mit Verfügung vom 17. Februar 2015 lehnte der Kanton Bern, handelnd durch die
Polizei- und Militärdirektion, die Erteilung des Kantonsbürgerrechts ab, da
A.A.________ und B.A.________ bezogene Leistungen der Sozialhilfe aus den
vergangenen zehn Jahren nicht vollumfänglich zurückbezahlt hätten, was nach der
neuen Verfassungsbestimmung Voraussetzung für eine Einbürgerung sei.
Gleichzeitig stellte der Kanton Bern das Erlöschen der Zusicherung des
Gemeindebürgerrechts durch die Einwohnergemeinde Unterseen fest.

D. 
Am 20. März 2015 erhoben A.A.________ und B.A.________ sowie C.A.________,
gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Mit Verfügung vom 2. September 2015 bezog
die Instruktionsrichterin den am 25. Juni 2015 geborenen Sohn D.A.________ der
Eheleute A.A.________ und B.A.________ in das Einbürgerungsverfahren ein. Mit
Urteil vom 21. September 2016 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.

E. 
Mit Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht beantragen A.A.________ und
B.A.________ sowie C.A.________ und D.A.________ die Aufhebung des Urteils des
Verwaltungsgerichts sowie der Verfügung der Polizei- und Militärdirektion (POM)
vom 17. Februar 2014. Es sei der Kanton Bern anzuweisen, ihnen das
Kantonsbürgerrecht zu erteilen.
Das Verwaltungsgericht hat sich vernehmen lassen und beantragt die Abweisung
der Beschwerde. Dazu haben sich die Beschwerdeführer geäussert. Der Gemeinderat
der Einwohnergemeinde Unterseen hat auf die Einreichung einer Stellungnahme
verzichtet.

Erwägungen:

1.

1.1. Beschwerden gegen letztinstanzliche Verfügungen der Kantone in
Einbürgerungsangelegenheiten richten sich nach den allgemeinen Bestimmungen
über die Bundesrechtspflege (Art. 51 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Erwerb und
Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952, Bürgerrechtsgesetz,
BüG; SR 141.0). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist
gegen Entscheide über die ordentliche Einbürgerung ausgeschlossen (Art. 82
i.V.m. Art. 83 lit. b BGG). Da kein anderes prinzipales Rechtsmittel des BGG
zulässig ist, steht subsidiär die Verfassungsbeschwerde grundsätzlich offen
(Art. 113 ff. BGG).

1.2. Mit Verfassungsbeschwerde kann nur die Verletzung von verfassungsmässigen
Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Hierfür gilt das strenge Rügeprinzip
(Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft in diesem Fall
nur klar und detailliert erhobene Rügen, während es auf ungenügend
substanziierte Rügen und appellatorische Kritik nicht eintritt (BGE 140 III 264
E. 2.3 S. 266).

1.3.

1.3.1. Zur Beschwerde ist nach Art. 115 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz
am Verfahren teilgenommen hat (lit. a), was vorliegend unbestritten ist, und
über ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des
angefochtenen Entscheids verfügt (lit. b). Das rechtlich geschützte Interesse
kann durch kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder unmittelbar durch
ein spezielles Grundrecht oder bundesverfassungsrechtliche Verfahrensgarantien
begründet sein (BGE 133 I 185 E. 4 S. 191 und E. 6.2 S. 199; 129 I 217 E. 1 S.
219; je mit Hinweisen).

1.3.2. Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung des Legalitätsprinzips (Art. 5
Abs. 1 BV), das kein verfassungsmässiges Recht, sondern ein
Verfassungsgrundsatz ist, nicht selbstständig, sondern zusammen mit dem
Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 51 Abs. 1 BV). Dazu sind sie nach der
Rechtsprechung berechtigt (vgl. statt vieler BGE 134 I 322 E. 2.1 S. 326;
Urteil des Bundesgerichts 8D_9/ 2013 vom 11. August 2014 E. 5.1). Ebenso können
sie sich als Partei im kantonalen Verfahren auf die Verletzung
bundesverfassungsrechtlicher Verfahrensgarantien berufen - wie hier auf das
Recht auf ein gerechtes Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV) -, deren Missachtung eine
formelle Rechtsverweigerung darstellt (BGE 138 I 305 E. 1.2 S. 308; 132 I 167
E. 2.1 S. 168).

1.3.3. Des Weiteren verschafft Art. 14 BüG der einbürgerungswilligen Person vor
dem Hintergrund der am 1. Januar 2009 auf Gesetzesebene eingeführten
Begründungspflicht (Art. 15b BüG) eine hinreichend klar umschriebene
Rechtsposition, die, wie vorliegend, die Beschwerdeführer dazu berechtigt, sich
im Verfahren vor Bundesgericht auf das Rechtsgleichheitsgebot und das
Willkürverbot zu berufen und geltend zu machen, sämtliche bundes- und
kantonalrechtlichen Einbürgerungsvoraussetzungen seien offensichtlich erfüllt,
weshalb sich die Nichteinbürgerung als rechtsungleich und klarerweise unhaltbar
erweise (zum Ganzen: BGE 138 I 305 E. 1.2-1.4 S. 308 ff. mit Hinweisen). Soweit
die Beschwerdeführer aus dieser Rechtsprechung jedoch einen Anspruch auf
Einbürgerung und damit ein Recht auf politische Mitwirkung (Art. 34 BV)
abzuleiten versuchen, ist darauf nicht einzutreten. Wiewohl ihre Rechtsposition
ihnen die Möglichkeit eröffnet, mit Verfassungsbeschwerde die Verletzung der
Rechtsgleichheit und des Willkürverbots zu rügen, ist dies nicht mit einem
Anspruch auf Einbürgerung gleichzusetzen und weder mit eidgenössischem noch
kantonalem Verfassungs- und Gesetzesrecht vereinbar (Art. 38 Abs. 2 BV, Art. 7
Abs. 4 KV/BE, Art. 15b BüG, Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes über das Kantons- und
Gemeindebürgerrecht des Kantons Bern vom 9. September 1996 [KBüG/BE; BSG
121.1]; auch nicht nach dem neuen Recht vgl. dazu PETER UEBERSAX, Das
Bundesgericht und das Bürgerrechtsgesetz, mit Blick auf das neue Recht, BJM 4/
2016, S. 169 ff., 174, 187). Grundrechtsträger der politischen Rechte ist
grundsätzlich, wem nach dem einschlägigen Recht des Bundes (Art. 136 BV, Art. 2
BPR), der Kantone (vgl. für den Kanton Bern Art. 55 KV/BE) oder der Gemeinden
politische Rechte zuerkannt werden (GEROLD STEINMANN, in: St. Galler Kommentar
BV, 3. Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 34 BV). Da die Beschwerdeführer das Schweizer
Bürgerrecht nicht besitzen und als Ausländer im Kanton Bern weder auf Kantons-
noch auf Gemeindeebene zur Ausübung politischer Rechte berechtigt sind, können
sie sich auch nicht auf Art. 34 BV berufen.

1.4. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist, unter Vorbehalt des in E. 1.2.3 Gesagten,
einzutreten.

1.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 118 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
auf einer Verletzung verfassungsmässiger Rechte beruht (Art. 116 i.V.m. Art.
118 Abs. 2 BGG). Wird Letzteres geltend gemacht, ist klar und detailliert
darzutun, inwiefern sie verfassungswidrig, insbesondere willkürlich, sein soll
(BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398, 585 E. 4.1 S. 588 f.; je mit Hinweisen).
Mit ihrem Vorbringen, die Tatsachendarstellung im angefochtenen Urteil sei
"äussert knapp ausgefallen", vermögen die Beschwerdeführer keine offensichtlich
unrichtige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts darzutun. Darauf ist
nicht einzutreten.

2.

2.1. Die Beschwerdeführer bestreiten die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 7
Abs. 3 lit. b KV/BE.

2.2.

2.2.1. Verfassungsbestimmungen können genügend bestimmt sein, um mit ihrem
Inkrafttreten ohne ausführende Gesetzgebung (ganz oder teilweise) mit Wirkungen
auch für Private unmittelbare Anwendung zu finden (BGE 139 II 243 E. 8 S. 249
mit Hinweis). Dies setzt voraus, dass Tatbestand und Rechtsfolgen genügend
genau formuliert sind: Das Legalitätsprinzip verlangt eine hinreichende und
angemessene Bestimmtheit der anzuwendenden Rechtssätze im Dienste des
Gesetzesvorbehalts, der Rechtssicherheit und der rechtsgleichen Rechtsanwendung
(BGE 139 II 243 E. 10 S. 252; 135 I 169 E. 5.4.1 S. 173; 132 I 49 E. 6.2 S. 58
f.; je mit Hinweisen). Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich
nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu
ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der Vorhersehbarkeit der im
Einzelfall erforderlichen Entscheidungen, von den Normadressaten, von der
Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von der erst bei der
Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (BGE
139 II 243 E. 10 S. 252; 136 I 87 E. 3.1 S. 90 f. mit Hinweisen).

2.2.2. Ob eine Verfassungsnorm direkt anwendbar ist, muss nötigenfalls durch
Auslegung ermittelt werden (BGE 139 II 243 E. 8 S. 249; 139 I 16 E. 4.2.3 S. 25
f. mit Hinweisen). Dabei gelten grundsätzlich dieselben methodischen Regeln wie
zur Auslegung von Normen des einfachen Gesetzesrechts (BGE 131 I 74 E. 4.1 S.
80; 128 I 327 E. 2.1 S. 330 mit Hinweisen), namentlich bei Verfassungsnormen,
die sich in Bezug auf Normdichte, Struktur und Stil nur unwesentlich von einer
Gesetzesbestimmung unterscheiden, wobei auch in solchen Konstellationen unter
Umständen verfassungsrechtlichen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist (BGE 139
I 16 E. 4.2 S. 24 ff.). Soweit mittels Auslegung die unmittelbare Anwendbarkeit
einer Verfassungsbestimmung auf den Einzelfall zu bejahen ist, liegt
materielles Verwaltungsrecht vor, das als Verfügungsgrundlage im
Staat-Bürger-Verhältnis herangezogen werden kann.

2.2.3. Während insbesondere die direkte Anwendbarkeit von verfassungsmässigen
Rechten unbestritten ist (vgl. auch - bei Vorliegen aussergewöhnlicher
Verhältnisse - die verfassungsunmittelbaren Verfügungsermächtigungen gemäss
Art. 121 Abs. 2, Art. 173 Abs1 lit. c, Art. 184 Abs. 3 und Art. 185 Abs. 3 BV),
wirft der Normtypus des sog. verfassungsförmigen Gesetzesrechts diesbezüglich
zahlreiche Fragen auf (vgl. PIERRE TSCHANNEN, Mehr Volk, weniger Staat: Direkt
anwendbare Verfassungsinitiativen im Bund, in: Festschrift Peter Hänni, 2015,
S. 131 ff.; YVO HANGARTNER, Unmittelbare Anwendbarkeit völker- und
verfassungsrechtlicher Normen, ZSR 126/2007 I S. 154 ff.; je mit weiteren
Nachweisen). Dabei handelt es sich um Bestimmungen, die, wie vorliegend,
aufgrund ihres Gehalts in ein Gesetz gehören, aber mittels Volksinitiative in
der Form des ausgearbeiteten Entwurfs in die Verfassung Eingang gefunden haben
und sofort nach dem Urnengang die Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und
Bürger regeln sollen. Verfassungsförmiges Gesetzesrecht steht in einem gewissen
Widerspruch zum herkömmlichen Vorgehen, wonach die Verfassung regelmässig nur
die Grundzüge einer Regelungsmaterie umschreiben und dem Gesetzgeber den Erlass
von konkretisierenden Normen überlassen soll (vgl. dazu PIERRE TSCHANNEN,
Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 4. Aufl. 2016, § 4 N. 9 ff.,
sowie die Bemerkungen von RETO FELLER in BVR 2016 S. 311 f.).

2.2.4. Das Bundesgericht hat die unmittelbare Anwendbarkeit von
Verfassungsbestimmungen unter bestimmten Voraussetzungen bejaht. Noch unter der
Geltung der Bundesverfassung von 1874 hielt es in BGE 117 Ib 243 E. 3b S. 247
fest, Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler
Bedeutung i.S.v. Art. 24sexies Abs. 5 aBV seien innerhalb der Schutzgebiete
"zwingend geschützt"; die Interessenabwägung und Verhältnismässigkeit sei
insoweit "in der abstrakten Rechtsnorm vorab entschieden worden." In BGE 120 Ib
390 E. 3a S. 392 erachtete es Art. 32quater Abs. 6 aBV betreffend das Verbot
des Hausierens mit geistigen Getränken sowie ihr Verkauf im Umherziehen als
direkt anwendbare Verfassungsnorm. In Bezug auf Art. 75b Abs. 1 BV, der den
Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für
Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf höchstens 20
Prozent beschränkt, hielt das Bundesgericht fest, dass auch ein nicht
unerheblicher Umsetzungsbedarf der sofortigen Anwendbarkeit des "harten Kerns"
einer Verfassungsbestimmung nicht entgegenstehe, und zwar selbst dann nicht,
wenn damit eine nicht unerhebliche Beschränkung von Grundrechten verbunden sei
(BGE 139 II 243 E. 10.5 S. 256 f.). Dagegen verneinte das Bundesgericht die
direkte Anwendbarkeit von Art. 121 Abs. 3-6 BV: Die Umsetzung der
Ausschaffungsinitiative stelle "heikle verfassungs- und völkerrechtliche
Probleme", da ein Ausweisungsautomatismus, wie er sich bei einer isolierten
Betrachtung aus Art. 121 Abs. 3-6 BV ableiten liesse, bzw. dessen Umsetzung die
völkerrechtlich gebotene Verhältnismässigkeitsprüfung der aufenthaltsbeendenden
Massnahme im Einzelfall ausschliesse und diesbezüglich im Widerspruch zu den
Menschenrechtskonventionen stehe (BGE 139 I 16 E. 4.3.3 S. 27). Sodann hielt
das Bundesgericht in einem lotterie- und wettrechtlichen Urteil fest, dass Art.
106 BV (in seiner neuen Fassung vom 11. März 2012) keine direkt anwendbaren
Bestimmungen enthalte (BGE 141 II 262 E. 2.2 S. 267 mit Verweis auf BGE 139 I
16 und 139 II 243).

2.3. Die Vorinstanz hat die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 3 lit. c
KV/BE wie folgt begründet (vgl. E. 3.3 des angefochtenen Entscheids) : Die Norm
sei klar formuliert und genügend bestimmt, um unmittelbare Rechtswirkungen
gegenüber einbürgerungswilligen Personen zu entfalten. Weder der Wortlaut noch
die Systematik oder die Materialien gäben Anlass dafür, sie als blossen
Gesetzgebungsauftrag zu verstehen. Vielmehr handle es sich um eine
Verfassungsnorm, deren Regelungsdichte mit einer formell-gesetzlichen
Bestimmung ohne weiteres vergleichbar sei. Daran ändere nichts, dass der
revidierte Art. 7 Abs. 1 KV/BE von "Grundsätzen" spreche, diesen mithin keine
absolute Geltung beimesse, sondern dem zuständigen Einbürgerungsorgan einen
Beurteilungsspielraum einräume. Ein Gesetzgebungsauftrag lasse sich daraus
jedoch nicht ableiten. Dass verwaltungsrechtliche Rechtssätze
Lebensverhältnisse nicht abschliessend und bis in jede Einzelheit regelten, sei
keine Seltenheit. Sie würden den rechtsanwendenden Behörden und Organen
regelmässig eigenständige, selbstverantwortlich zu konkretisierende
Handlungsspielräume vermitteln. Gleichwohl seien sie geeignet, unmittelbare
Verfügungsgrundlage zu bilden, ohne dass dadurch das Legalitätsprinzip bzw. der
Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt würde. Das Verwaltungsgericht halte die
relative Offenheit der Normierung auch mit Blick auf den hier fraglichen
Regelungstatbestand als sachgerecht: Auf die Einbürgerung bestehe kein
Rechtsanspruch; den kantonalen und kommunalen Einbürgerungsbehörden verbleibe
mit Bezug auf die Rechtsfolge ein gewisses Ermessen. Es rechtfertige sich daher
auch bei der Umschreibung der Tatbestandsvoraussetzungen eine gewisse Offenheit
der Normierung, um in dieser Hinsicht dem Beurteilungs spielraum der
Einbürgerungsbehörden Rechnung zu tragen (vgl. zum Ganzen auch bereits BVR
2016, 293 ff., 300 f.).

2.4. Diese vorinstanzlichen Ausführungen werden von den Beschwerdeführern nicht
bestritten. Sie wenden dagegen ein, zwar treffe es zu, dass die
Bundesversammlung die Verfassungsnorm genehmigt habe, jedoch mit dem
ausdrücklichen Hinweis, dass Art. 7 Abs. 3 KV/BE nur bundesrechtskonform sei,
wenn die Bestimmung als Gesetzgebungsauftrag verstanden und im Zusammenhang mit
Art. 7 Abs. 1 KV/BE sowie im Rahmen des Bundesrechts umgesetzt werde. Deshalb
sei der kantonale Gesetzgeber aufgerufen, eine Ausführungsgesetzgebung zu
erlassen, um eine bundesrechtskonforme Anwendung der neuen
Verfassungsbestimmung zu ermöglichen. Dies sei das Ziel der zurzeit laufenden
Revision des kantonalen Einbürgerungsgesetzes. Eine interne Wegleitung genüge
nicht. Aus diesem Grund könne Art. 7 Abs. 3 KV/BE auch noch keine Anwendung
finden. Mangels gesetzlicher Grundlage hätte daher das Einbürgerungsgesuch der
Beschwerdeführer aufgrund der vor der Verfassungsänderung geltenden Rechtslage
entschieden werden müssen.

2.5. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, die Bundesversammlung habe Art. 7
Abs. 3 KV/BE nur unter "Vorgaben" gewährleistet, findet in den Materialien
keine Stütze. Zwar wurde die Frage, ob die Verfassungsbestimmung unmittelbar
anwendbar sei, nicht thematisiert. Der Botschaft des Bundesrats vom 12.
November 2014 zur Gewährleistung u.a. der Verfassung des Kantons Bern (BBl 2014
9091 ff., 9094 ff.) lässt sich jedoch keine Verpflichtung entnehmen, dass der
kantonale Gesetzgeber zu Art. 7 KV/BE vorgängig und zwingend eine
Ausführungsgesetzgebung zu erlassen oder die Verhältnismässigkeit zu normieren
habe. Auch die Räte gingen davon aus, dass sich Art. 7 Abs. 3 lit. b KV/BE
bundesrechtskonform anwenden lasse (Amtl. Bull. NR 2015 270 ff., 271-273; Amtl.
Bull. SR 2015 72 ff., 74 f.). In der vorberatenden Kommission des Ständerats
wurde eine Gewährleistung mit Vorbehalten zwar diskutiert, aber letztlich
verworfen (vgl. Amtl. Bull. SR 2015 74). Entsprechend dem Antrag des
Regierungsrats des Kantons Bern erachtete die Bundesversammlung Art. 7 KV/BE
als genehmigungsfähig und erteilte die Genehmigung ohne Vorbehalte. Dessen
ungeachtet lässt der Bundesrat in seiner Botschaft auch ein gewisses Unbehagen
durchscheinen, wenn er davon ausgeht, Art. 7 Abs. 3 sei nicht ausnahmslos
anzuwenden und habe deshalb dem kantonalen Gesetzgeber und den
rechtsanwendenden Behörden einen Spielraum für eine bundesrechtskonforme
Anwendung zu belassen (BBl 2014 9096). Aus diesem Grund hat der Regierungsrat
zwischenzeitlich das Vernehmlassungsverfahren zur Änderung des kantonalen
Einbürgerungsgesetzes eröffnet und es wurden bereits die kantonale
Einbürgerungsverordnung sowie die einschlägige Wegweisung teilweise revidiert
(dazu sogleich E. 2.6).

2.6. Auch aus der Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zur Totalrevision des
kantonalen Einbürgerungsgesetzes, bei der es primär um die Anpassung an die
neuen bundesrechtlich Vorgaben im Bereich des Einbürgerungsrechts geht (die am
1. Januar 2018 in Kraft treten; AS 2016 2561 ff.; nachfolgend: nBüG), kann -
entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - nicht geschlossen werden, der
Regierungsrat des Kantons Bern sei davon ausgegangen, dass Art. 7 KV/BE nicht
unmittelbar anwendbar sei. Vielmehr hat dieser zwecks verfassungskonformer
direkter Anwendung der neuen Bestimmung die kantonale Verordnung über das
Einbürgerungsverfahren vom 1. März 2006 (EbüV/BE; BSG 121.111) angepasst und
die einschlägige Wegleitung teilweise geändert. Dies ist nicht zu beanstanden,
zumal Art. 7 Abs. 1 KV/BE auf den Rahmen des Bundesrechts verweist, was so zu
verstehen ist, dass die Grundrechte der Bundesverfassung im Einzelfall zu
beachten sind. Konkretisierungsbedürftig war einzig, wie lange früher erfolgte
Sozialhilfebezüge in zeitlicher Hinsicht zu berücksichtigen seien. Dies konnte
der Kanton zulässigerweise auf Verordnungsstufe vornehmen.
Damit sind, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, die rechtsanwendenden
Behörden befugt und verpflichtet, Art. 7 Abs. 3 lit. b KV/BE auch ohne
umfassenderes Ausführungsrecht anzuwenden, wobei sie im Rahmen der
Verfassungskonkretisierung im Einzelfall die Bundesrechts- und
Grundrechtskonformität bei der Normanwendung sicherzustellen haben. Die hier
einschlägige Verordnung, die Rechtssatzcharakter hat und amtlich publiziert
wurde, verpflichtet Einbürgerungswillige insbesondere, im Rahmen der
Gesuchseinreichung den Behörden Auskünfte über aktuelle und bis zehn Jahre
zurückliegende Sozialhilfebezüge zu erteilen (Art. 3 Abs. 2 EbüV/BE) und
Bescheinigungen über den Nichtbezug von Sozialhilfeleistungen in den
vergangenen zehn Jahren oder deren Rückzahlung einzureichen (Art. 11 Abs. 2
lit. h EbüV/BE). Die Zehn-Jahres-Frist konkretisiert die Verhältnismässigkeit
in zeitlicher Hinsicht (vgl. dazu nachfolgend E. 4.4). Die von den
Beschwerdeführern beanstandete Wegleitung hält fest, dass der (nicht
selbstverschuldete oder selbstverschuldete) Sozialhilfebezug, wenn er wegen
einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder während der
Minderjährigkeit erfolgt ist,  kein Einbürgerungshindernis darstellt (ein
allfälliger Sozialhilfebezug durch die Eltern wird Minderjährigen nicht
angerechnet). Damit wird kein neues Recht gesetzt, sondern das
Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) und die Rechtsprechung des
Bundesgerichts (BGE 135 I 49) konkretisiert. Insoweit erweist sich das
Vorbringen der Beschwerdeführer, die Wegleitung stelle "autonome Rechtssetzung"
dar und entbehre einer gesetzlichen Grundlage, als unbegründet.

2.7. Nach dem Gesagten ist somit die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 7 Abs.
3 lit. b KV/BE zu bejahen. Die Verfassungsnorm ist im Sinne der referierten
bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügend bestimmt, so dass sie auch ohne
Ausführungsgesetzgebung auf einbürgerungswillige Personen Anwendung finden
kann, zumal nicht in bestehende Rechtspositionen und umso weniger in
Grundrechte eingegriffen wird und sich die hier angefochtene
Verfassungsbestimmung in den vorbestehenden verfassungsrechtlichen Rahmen
einpassen lässt. Art. 7 Abs. 1 KV/BE verweist ausdrücklich auf das Bundesrecht,
so dass im Einzelfall insbesondere der Verhältnismässigkeit Rechnung getragen
werden kann (vgl. dazu nachfolgend E. 3.4) und allenfalls auch andere
Verfassungsgehalte einfliessen können. Wie die Vorinstanz zudem zutreffend
hervorhebt, besteht zwischen der kantonalen Verfassungsnorm und zu anderem
Recht mit Verfassungsrang insoweit kein unlösbares Spannungsverhältnis, weshalb
eine Umsetzung oder Klärung durch den kantonalen Gesetzgeber nicht erforderlich
ist.

3.

3.1. Die Beschwerdeführer bringen sodann vor, Art. 7 Abs. 3 lit. b KV/BE
verstosse gegen das aus der Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV) abgeleitete
Differenzierungsgebot, da Personen, die Sozialhilfe beziehen oder bezogene
Sozialhilfe nicht vollumfänglich zurückerstattet haben, generell und ohne
Ansehung des Einzelfalls die Einbürgerung verweigert werde. So sehe Art. 12
Abs. 2 nBüG vor, dass der Situation von Personen, welche die
Integrationskriterien aufgrund einer Behinderung oder Krankheit oder anderen
gewichtigen persönlichen Umständen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen
erfüllen könnten, angemessen Rechnung zu tragen sei. Diese Differenzierungen
seien im aktuellen bernischen Einbürgerungsrecht nicht erwähnt und müssten vom
kantonalen Gesetzgeber erst noch formuliert werden.

3.2. Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) ist verletzt,
wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche
Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden
Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt,
die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Gleiches muss nach Massgabe
seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit
ungleich behandelt werden. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein
vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu
verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden, je nach den
herrschenden Anschauungen und Verhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen
dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter Gestaltungsspielraum (statt
vieler BGE 142 II 425 E. 4.2 S. 427 mit Hinweisen; vgl. auch GIOVANNI BIAGGINI,
Kommentar BV, 2007, N. 10 f. zu Art. 8 BV; HÄFELIN/HALLER/KELLER/THURNHERR,
Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 9. Aufl. 2016, N. 750 ff.; BERNHARD
WALDMANN, in: Basler Kommentar BV, 2015, N. 26 ff. zu Art. 8 BV; je mit
zahlreichen weiteren Nachweisen).

3.3. Die Vorinstanz hat ausgeführt, Art. 7 Abs. 3 lit. b KV/BE erfasse sowohl
aktuellen Sozialhilfebezug als auch die Nichtrückzahlung früherer Bezüge. Die
Bestimmung unterscheide nicht danach, ob jemand schon lange oder erst seit
Kurzem nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sei, und auch nicht, ob mangels
Selbsterhaltungsfähigkeit oder aus Bequemlichkeit Sozialhilfe bezogen worden
sei oder nicht. Inwieweit hierin eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots in
dem Sinne liegen sollte, dass Ungleiches nicht nach Massgabe seiner
Ungleichheit ungleich behandelt werde, sei nicht ersichtlich. Die
Mindestkriterien nach Art. 7 Abs. 3 KV/BE, welche für die Einbürgerung zu
erfüllen seien, beträfen die Integration der einbürgerungswilligen Person in
die schweizerischen Verhältnisse. Insgesamt bringe die Verfassungsnorm zum
Ausdruck, dass die Einbürgerung als Abschluss eines erfolgreichen
Integrationsprozesses zu verstehen sei. Die hier umstrittene Bestimmung spreche
den Teilaspekt einer wirtschaftlichen Integration in zwei Tatbestandsvarianten
an. Der Einbürgerung der Beschwerdeführer stehe allein die Tatsache entgegen,
dass sie innert der massgeblichen zeitlichen Schranke bezogene Sozialhilfe
nicht zurückbezahlt hätten. Dieses Hindernis treffe grundsätzlich auch
Ausländerinnen und Ausländer, die im Sinn der von den Beschwerdeführern
angesprochenen Vergleichsgruppe aus Bequemlichkeit Sozialhilfe beziehen würden;
sollten Personen sich dereinst gleichwohl von der Sozialhilfe lösen, stünde
ebenfalls das weitere Hindernis der Nichtrückzahlung im Raum. Soweit
Gesuchsteller demgegenüber dauerhaft von Sozialhilfe leben sollten, sei ihnen
die Einbürgerung ohnehin verwehrt. Die Norm setze daher nicht auf unzulässige
Weise unterschiedliche Sachverhalt gleich. Im Übrigen seien keine Umstände
geltend gemacht oder erkennbar, die auf eine Diskriminierung hindeuten würden.

3.4. Die Beschwerdeführer setzen sich in ihrer Beschwerdeschrift mit diesen
vorinstanzlichen Erwägungen überhaupt nicht auseinander und erfüllen insoweit
die im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde zu erfüllenden Anforderungen nicht
(vgl. E. 1.2 hiervor). Auf ihre Rüge, Art. 8 Abs. 1 BV sei verletzt, ist daher
nicht einzutreten. Mit Blick auf die nachfolgenden Erwägungen ist jedoch
Folgendes anzumerken: Soweit die Beschwerdeführer in Art. 12 Abs. 2 nBüG eine
hinreichende Differenzierungs-Klausel erblicken, ist darauf hinzuweisen, dass
diese Bestimmung noch nicht in Kraft getreten ist (vgl. E. 2.6 hiervor). Sodann
hat die Vorinstanz unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 3 BV)
sehr wohl Differenzierungen in Bezug auf Härtefälle vorgenommen. Dies hat sie
in E. 8 des angefochtenen Entscheids ausführlich dargelegt. Soweit die
Beschwerdeführer vorbringen, in ihrem Fall sei eine Härte auszumachen, weil sie
vor vielen Jahren einmal Sozialhilfe bezogen haben, seither aber vollumfänglich
für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen würden, ist die Beurteilung der
Vorinstanz nicht zu beanstanden. Zu Recht führt sie aus, ein Härtefall sei nur
ausnahmsweise gegeben und müsse sich mit gewichtigen persönlichen Umständen
rechtfertigen lassen. Unter Berücksichtigung der durch übergeordnetes Recht
verlangten Differenzierung hat sie auch zutreffend ausführt, eine solche
Situation liege vor, wenn Betroffene aufgrund besonderer individueller
Verhältnisse, die für den Sozialhilfebezug ursächlich seien und nicht sie zu
vertreten hätten, für unabsehbare Zeit von der Einbürgerung ausgeschlossen
blieben. Solche Umstände sind vorliegend nicht gegeben: Die Beschwerdeführer
haben zuletzt im September 2006 Sozialhilfe bezogen. Dies ist zwar lange her;
allerdings ist das Einbürgerungshindernis nach Art. 7 Abs. 3 lit. b KV/BE seit
Ende September 2016 weggefallen, weshalb sie erneut um Einbürgerung ersuchen
können, ohne dass die seither bezogene Sozialhilfe ein Hindernis darstellen
würde. Ein Härtefall ist mithin nicht gegeben und auch nicht ersichtlich.

4.

4.1. Die Beschwerdeführer rügen in mehrfacher Weise einen Verstoss gegen das
Willkürverbot sowie den Grundsatz von Treu und Glauben im Verwaltungshandeln
(Art. 9 BV).

4.2. Wird das Willkürverbot angerufen, ist anhand der Erwägungen des
angefochtenen Entscheides darzutun, dass und inwiefern der angefochtene
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht
bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere
Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (
BGE 141 I 70 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen).

4.3. Die Beschwerdeführer bringen vor, massgeblicher Gesichtspunkt für die
Einbürgerung könne gemäss den bundesrechtlichen Vorgaben nur die erfolgreiche
Integration in die schweizerische Gesellschaft sein (Art. 11 nBüG), welche sich
wiederum in der Teilnahme am Wirtschaftsleben oder am Erwerb von Bildung
manifestiere (Art. 12 Abs. 1 lit. d nBüG). Gemäss Art. 7 Abs. 3 nBüG sei dieses
Kriterium nicht erfüllt, wenn in den drei Jahren vor der Gesuchstellung oder
während des Einbürgerungsverfahrens Sozialhilfe bezogen worden sei. Hingegen
erscheine die Zehn-Jahres-Frist sachfremd und willkürlich. Eine Person, die
während acht oder neun Jahren ohne fremde Hilfe für ihre wirtschaftliche
Existenz gesorgt habe, nehme offensichtlich am Wirtschaftsleben teil.

4.4. Nach der Rechtsprechung ist es den Kantonen grundsätzlich erlaubt, über
die in Art. 38 Abs. 2 BV ausdrücklich als Mindestvorschriften bezeichneten
Voraussetzungen des Bundes für die ordentliche Einbürgerung hinauszugehen.
Solange sich die Kantone an die Mindestnormen des Bundes halten, können sie in
diesem Sinne die Einbürgerung erleichtern, indem sie etwa im Unterschied zum
Bund einen Anspruch darauf vorsehen, oder sie erschweren, indem sie die
Voraussetzungen verschärfen. Diese Möglichkeit steht den Kantonen nicht nur bei
den materiellen, sondern auch bei den formellen Voraussetzungen zu. Art. 38
Abs. 2 BV schreibt insoweit keine einheitliche Rechtslage für die ganze Schweiz
vor, sondern belässt den Kantonen im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben
einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der
Einbürgerungsvoraussetzungen. Das wird sich trotz weiter gehender
Harmonisierung als bisher auch mit dem nBüG nicht völlig ändern; der Spielraum
für die Kantone wird zwar kleiner, nicht aber ganz aufgehoben (vgl. zum Ganzen
das Urteil des Bundesgerichts 1D_1/2014 vom 1. Oktober 2014 E. 3.6 mit
zahlreichen Hinweisen zum Schrifttum; ALBERTO ACHERMANN/BARBARA VON RÜTTE, in:
Basler Kommentar BV, N. 33 ff. zu Art. 38 BV; SOW DIEYLA/PASCAL MAHON, in:
Amarelle/Ngyuen [Hrsg.], Code annoté de droit des migrations, vol. V: Loi sur
la nationalité [LN], 2014, N. 23 ff. zu Art. 38 BV; UEBERSAX, a.a.O., S. 196
ff.). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist es dem Kanton Bern daher
bundesverfassungsrechtlich nicht untersagt, gegenüber Art. 7 Abs. 3 nBüG -
selbst wenn diese Bestimmung bereits in Kraft wäre (E. 2.6 und 3.4 hiervor) -
eine strengere Referenzperiode für den Nichtbezug von Sozialhilfeleistungen
vorzusehen. Auch die Limitierung der Rückzahlungspflicht auf zehn Jahre (vgl.
Art. 10 Abs. 2 lit. h EbüV; zum Rechtssatzcharakter bereits E. 2.6 hiervor)
kann nicht als unhaltbar bezeichnet werden, selbst wenn sich grosszügigere
Regelungen gut vertreten liessen; die bernische Lösung erscheint vertretbar,
zumal zahlreiche Forderungen des öffentlichen oder privaten Rechts nach Ablauf
dieser Frist absolut verjähren (vgl. beispielsweise Art. 45 Abs. 1 des Gesetzes
des Kantons Bern über die öffentliche Sozialhilfe [SHG/BE; BSG 860.1]; Art. 127
OR; Art. 123 Abs. 2 ZPO [Rückforderungsanspruch des Kantons betreffend
unentgeltliche Rechtspflege]; etc.). Soweit die Beschwerdeführer weiter
behaupten, es treffe nicht zu, dass die Bindung der Einbürgerung an die
Rückzahlung bezogener Sozialhilfe keinen Bezug zur wirtschaftlichen Integration
habe, setzen sie sich mit der ausführlichen und sorgfältigen Begründung der
Vorinstanz (vgl. E. 5.2 und 7.3 des angefochtenen Entscheids) nicht
rechtsgenüglich auseinander. Darauf ist nicht einzutreten.

4.5. Die Beschwerdeführer geben zu Bedenken, dass sowohl ihre frühere
Wohnsitzgemeinde Domat/Ems als auch der Kanton Graubünden die in den Jahren
2004-2006 im Umfang von Fr. 73'394.10 bezogene Sozialhilfe nie zurückgefordert
haben. Nach der Erlangung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit seien die
Beschwerdeführer weder rechtlich noch moralisch verpflichtet noch
wirtschaftlich in der Lage gewesen, den Betrag zurückzuerstatten. Trotzdem
seien sie in die schweizerische Gesellschaft bestens integriert, was die
positiven Einbürgerungsentscheide der Wohnsitzgemeinde und des Bundes
bestätigen würden. Der weit zurückliegende Bezug von Sozialhilfe könne folglich
einem Einbürgerungsgesuch in keiner Weise entgegenstehen. Dass die Behörden des
Kantons Bern nun plötzlich zum Ende des Verfahrens auf dieses bisher
irrelevante und in der Sache unverhältnismässige Kriterium abstellten, könne
nur als krasser Verstoss gegen Art. 9 BV qualifiziert werden.

4.6. Art. 7 Abs. 3 lit. b KV/BE verlangt als Einbürgerungvoraussetzung die 
vollumfängliche Rückzahlung bezogener Sozialhilfebeiträge, unabhängig davon, ob
die zuständigen Behörden eine Rückerstattung verfügt haben oder nicht. Würden
ausserkantonale Bezüge ausser Acht gelassen, liefe das auf eine Privilegierung
derjenigen Gesuchsteller hinaus, deren ausserkantonaler Sozialhilfebezug
ausgeblendet würde, während den einbürgerungswilligen ausländischen Personen,
die ausschliesslich im Kanton Bern Sozialhilfe bezogen hätten, dieser Bezug
vollumfänglich zugerechnet würde. Ob die Beschwerdeführer zur Rückzahlung
moralisch verpflichtet sind oder nicht, spielt im vorliegenden Zusammenhang
keine Rolle. Das Einbürgerungshindernis des Art. 7 Abs. 3 lit. b KV/BE gilt
nicht ewig, sondern ist, wie dargelegt, zeitlich begrenzt und entfällt im
Kanton Bern nach Ablauf von zehn Jahren für alle zahlungsfähigen Personen,
welche die in der Vergangenheit bezogene Sozialhilfe nicht zurückzahlen. Durch
die Rückzahlung wird die Einbürgerung lediglich befördert. Die Verweigerung des
Kantonsbürgerrechts ist auch nicht schon deshalb unverhältnismässig, weil die
Beschwerdeführer seit etlichen Jahren keine Sozialhilfe mehr beziehen. Dies
hiesse, wie die Vorinstanz zutreffend hervorhebt, die mit der
Verfassungsrevision getroffene Wertentscheidung zu unterlaufen.
Mit Blick auf die Chronologie der Ereignisse erweist sich auch der von den
Beschwerdeführern erhobene Vorwurf, die Behörden hätten sich ihnen gegenüber
willkürlich und treuwidrig verhalten, als unbegründet. Rund neun Monate nach
Einreichung ihres Einbürgerungsgesuchs bei der Einwohnergemeinde wurde der
revidierte Art. 7 KV/BE vom Stimmvolk des Kantons Bern angenommen. Damit
mussten die Beschwerdeführer bereits in einem relativ frühen Verfahrensstadium
zumindest in Erwägung ziehen, dass ihrem Gesuch angesichts ihres vergangenen
und nicht zurückbezahlten Sozialhilfebezugs kein Erfolg beschieden sein könnte,
zumal auch noch keine Einbürgerungsbewilligung des Bundes vorlag. Auch von
einem plötzlichen Meinungsumschwung seitens der Behörden kann keine Rede sein.
Als das Einbürgerungsgesuch der Beschwerdeführer im Mai 2014 bei der
zuständigen Stelle des Kantons hängig war, informierte diese über die
Änderungen im Einbürgerungsverfahren, forderte die fehlenden Dokumente ein
(Bescheinigung über den Nichtbezug von Sozialhilfeleistungen oder deren
Rückzahlung) und signalisierte gegenüber den Beschwerdeführern deutlich, dass
eine Weiterbearbeitung des Gesuchs nur in Frage komme, wenn die Voraussetzungen
der neuen Verfassungsbestimmung erfüllt seien. Damit konnten die
Beschwerdeführer spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr davon ausgehen, dass
Art. 7 Abs. 3 lit. b KV/BE für ihr Einbürgerungsgesuch "irrelevant" sei. Im
Dezember 2014 bestanden sie ausdrücklich auf der Weiterbehandlung ihres
Gesuchs, das im Februar 2015 abgelehnt wurde, und beschritten in der Folge und
auf eigenes Risiko den Rechtsweg. Zusammenfassend kann den Akten kein gegen
Art. 9 BV verstossendes Handeln entnommen werden, das den rechtsanwendenden
Behörden angerechnet werden könnte.

5.
Die Beschwerdeführer werfen der Vorinstanz schliesslich überspitzten
Formalismus vor und rügen insoweit eine Verletzung ihres Anspruchs auf ein
gerechtes Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV). Die Vorinstanz habe festgestellt, die
Voraussetzungen für eine Einbürgerung seien vorliegend erfüllt. Dessen
ungeachtet habe sie die Beschwerde abgewiesen und die Beschwerdeführer
aufgefordert, ein neues Einbürgerungsgesuch zu stellen, obwohl die
Zehn-Jahres-Frist im damaligen Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen sei.
Gemäss der Verfügung vom 17. Februar 2015 hat der Kanton das Kantonsbürgerrecht
einzig gestützt auf die Nichtrückzahlung bezogener Sozialhilfeleistungen i.S.v.
Art. 7 Abs. 3 lit. b KV/BE verweigert, ohne die  übrigen
 Einbürgerungsvoraussetzungen zu prüfen. Anlass zu Weiterungen bestand mit
Blick auf dieses Erkenntnis nicht. Dass die Beschwerdeführer sämtliche
Voraussetzungen erfüllen würden, kann dem angefochtenen Urteil nicht entnommen
werden. Zu diesem "klaren und unmissverständlichen Schluss" gelangte die
Vorinstanz gerade nicht. Das Verwaltungsgericht hat lediglich festgehalten, das
Einbürgerungshindernis der Rückzahlung früher bezogener Sozialhilfeleistungen
werde (unter Vorbehalt erneuter Sozialhilfebezüge) per Ende September 2016
dahinfallen. Es stehe den Beschwerdeführern nach diesem Zeitpunkt folglich
offen, erneut um Einbürgerung zu ersuchen. Davon, dass nur die für die
Einbürgerung "üblichen Formulare nochmals mit neuem Datum ausgefüllt" und
unverändert eingereicht werden müssen, "weil die Voraussetzungen ja erfüllt
seien", kann - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - keine Rede sein.
Die Prüfung der Frage, ob die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen vorliegend
erfüllt sind, wird die kantonale Behörde - nachdem das Einbürgerungshindernis
gemäss Art. 7 Abs. 3 lit. b KV/BE in zeitlicher Hinsicht nunmehr weggefallen
ist - erst jetzt an die Hand nehmen können. Damit erweist sich der gegen die
Vorinstanz gerichtete Vorwurf des überspitzten Formalismus als unbegründet. Ob
auch eine andere Vorgehensweise seitens der Vorinstanz vorstellbar gewesen
wäre, braucht im Rahmen der vorliegenden Verfassungsbeschwerde nicht geprüft zu
werden.

6. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer
kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren von Fr. 2'000.-- werden den
Beschwerdeführern auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Kanton Bern, dem
Einwohnergemeinde Unterseen und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Mai 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Misic

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben