Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 93/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_93/2015

Urteil vom 29. September 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Tomas Kempf,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 12. November 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geboren 1976, Mutter eines 2004 geborenen Sohnes, arbeitete ab
1. November 2002 als Mitarbeiterin Hauswirtschaft in einem Altersheim. Am 16.
Februar 2005 verlor sie bei der Zimmerreinigung, auf einem sich drehenden
Bürostuhl stehend, das Gleichgewicht und wollte mit einer abrupten Drehbewegung
der Wirbelsäule einen Sturz verhindern. In der Folge verspürte sie einen akuten
Lumbalschmerz und eine ischialgieforme Schmerzausstrahlung links. Ein MRI vom
1. März 2005 zeigte eine mediolaterale grosse Diskushernie L5/S2 links,
Nervenwurzel S1 links komprimierend, und eine kleine mediale subligamentäre
Diskushernie L4/5 ohne Neurokompression. Am 26. Oktober 2005 fand ein
operativer Eingriff statt. A.________ meldete sich am 13. Februar 2006 unter
Hinweis auf die Diskushernien bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich führte berufliche und medizinische
Abklärungen durch, zog die Akten der Pensionskasse bei und veranlasste eine
psychiatrische Abklärung bei Dr. med. B.________, Facharzt FMH für Psychiatrie.
Das entsprechende Gutachten erging am 7. November 2006. Nach Stellungnahmen des
Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD; Dr. med. C.________) vom 10. und 13.
November 2006 stellte die IV-Stelle A.________ mit Vorbescheid vom 17. November
2006 die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 23. Februar 2006 in
Aussicht. Gleichentags auferlegte sie A.________ im Rahmen der
Schadenminderungspflicht die Durchführung einer fachärztlichen psychiatrischen
Behandlung mit kontrollierter Medikamenteneinnahme sowie einer
physiotherapeutischen Kräftigungstherapie für den Rücken. Am 22. Februar 2007
verfügte sie entsprechend dem Vorbescheid.

A.b. Im Januar 2008 leitete die IV-Stelle ein amtliches Revisionsverfahren ein.
Sie ersuchte Hausarzt Dr. med. D.________, Allgemeine Medizin FMH, um einen
Bericht vom 3. März 2008 und A.________ um ergänzende Angaben zu den ihr
auferlegten Massnahmen. Am 23. September 2008 nahm RAD-Arzt E.________,
Facharzt FMH für Chirurgie, Stellung. Vorbescheidweise stellte die IV-Stelle am
27. Oktober 2008 die Rentenaufhebung wegen nicht erfüllter
Schadenminderungspflicht in Aussicht. Hiegegen liess die nunmehr anwaltlich
vertretene A.________ Einwände erheben. Die IV-Stelle holte Berichte ein des
Dr. med. D.________ (vom 2. Oktober 2009), des Dr. med. F.________, FMH für
Psychiatrie und Psychotherapie (vom 10. Oktober 2009) sowie der Klinik
G.________ (vom 15. Oktober 2009), und veranlasste eine Begutachtung im
ärztlichen Abklärungsinstitut H.________. Vom 26. April bis 8. Mai 2010 war
A.________ in der Rehaklinik I.________ hospitalisiert. Am 12. November 2010
liess A.________ der IV-Stelle eine massive gesundheitliche Verschlechterung
melden, am 16. Dezember 2010 unterzog sie sich einer Re-Diskektomie in der
Klinik J.________ (Bericht des Dr. med. K.________, Facharzt FMH für
Neurochirurgie, vom 5. Januar 2011). Das Gutachten des ärztlichen
Abklärungsinstituts H.________ erging am 28. März 2011. Nachdem A.________ und
RAD-Arzt C.________ Stellung genommen hatten, verfügte die IV-Stelle am 1.
Dezember 2011 die Rentenaufhebung. Eine dagegen erhobene Beschwerde von
A.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit
Entscheid vom 28. März 2013 in dem Sinne gut, als es die angefochtene Verfügung
aufhob und die Sache an die IV-Stelle zurückwies zur weiteren Abklärung,
namentlich des postoperativen Verlaufs nach dem Eingriff vom 16. Dezember 2010.

A.c. Die IV-Stelle holte zusätzliche Berichte ein des Dr. med. D.________ vom
10. Juni 2013sowie des Dr. med. F.________ vom 29. Juni 2013. Zudem veranlasste
sie eine polydisziplinäre Untersuchung, welche in der Medas stattfand
(Expertise vom 17. Februar 2014). Nach Stellungnahmen des RAD-Arztes Dr. med.
L.________, Facharzt Anästhesiologie FMH, vom 3. und 27. März 2014 und
durchgeführtem Vorbescheidverfahren verfügte die IV-Stelle am 5. Juni 2014 die
Aufhebung der Invalidenrente.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde von A.________ hiess das kantonale
Sozialversicherungsgericht mit Entscheid vom 12. November 2014 gut, hob die
angefochtene Verfügung auf und stellte fest, es bestehe weiterhin Anspruch auf
eine ganze Invalidenrente.

C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, die Bestätigung der
Verfügung vom 5. Juni 2014 und die Feststellung, dass kein Rentenanspruch
bestehe. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung an sie
zurückzuweisen.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen.
Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem
Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105
Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin
oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht,
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG).

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2 S. 550;
130 III 136 E. 1.4 S. 140).

2. 
Streitig ist die Weiterausrichtung der bisherigen Invalidenrente. Das kantonale
Gericht hat die einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt.

3.

3.1. Die Vorinstanz stellte fest, die ursprüngliche Rentenzusprache (Verfügung
vom 22. Februar 2007) habe sich im Wesentlichen auf das psychiatrische
Gutachten des Dr. med. B.________ vom 7. November 2006 gestützt und sei somit
wegen der Folgen einer reaktiven depressiven Entwicklung (dannzumal
mittelgradige depressive Episode; ICD-10 F32.1) einerseits, und einer
somatoformen Schmerzkomponente im Sinn einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung (ICD-10 F.45.4) anderseits erfolgt und damit zur Hälfte wegen
der Folgen sogenannt unklarer Beschwerden.

Die Frage nach einer revisionsrechtlich relevanten Veränderung beurteile sich
mit Bezug auf den durch die Depression begründeten Anteil der
Arbeitsunfähigkeit nach der allgemeinen Revisionsbestimmung von Art. 17 ATSG,
da es sich dabei um ein selbständiges Leiden handle. Gemäss dem beweiskräftigen
Medas-Gutachten sei eine leichte Verschlechterung ausgewiesen. Während Dr. med.
B.________ allein aufgrund der Depression von einer 50%igen Arbeitsunfähigkeit
ausgegangen sei, betrage diese nunmehr, unter Berücksichtigung der
Chronifizierung und der Therapieresistenz, 60 %. Psychosoziale Faktoren fielen
nicht mehr ins Gewicht, vielmehr werde die Arbeitsfähigkeit, nebst dem
somatischen Leiden im Bereich des Bewegungsapparates, durch ein psychisches
Leiden mit signifikantem Krankheitswert eingeschränkt.
Hinsichtlich der somatoformen Schmerzstörung falle eine Revision gemäss lit. a
Abs. 1 der vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2014 in Kraft gewesenen
Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision,
erstes Massnahmenpaket [AS 2011 5659; BBl 2011 2723 und 2010 1817];
nachfolgend: SchlB IVG) nicht generell ausser Betracht, nur weil nicht
ausschliesslich ein unklares Beschwerdebild gegeben sei. Nach der erneuten
Rückenoperation im Dezember 2010 hätten die Gutachter eine allein somatisch
begründete Leistungseinschränkung von 30 % attestiert. Unter Berücksichtigung
des depressiven Geschehens resultiere eine Arbeitsunfähigkeit von gesamthaft 76
%. Demnach stelle sich die Frage der Überwindbarkeit nur noch im Ausmass von 24
%. Mit den Medas-Gutachtern sei die Depression als schwere psychiatrische
Komorbidität einzustufen, welche eine willentliche Schmerzüberwindung
ausschliesse. Gestützt auf das Medas-Gutachten sei von einer im Wesentlichen
unveränderten gesundheitlichen Situation auszugehen, wobei darauf hinzuweisen
sei, dass ein gewisser Anteil der somatoformen Beschwerden derzeit habe
objektiviert werden können. Ob die Versicherte nunmehr als vollzeitlich
Erwerbstätige einzustufen wäre, könne offen bleiben.

3.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung sowie eine Verletzung von Art. 7 Abs. 2 ATSG und Art.
29 Abs. 2 BV. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Vorinstanz bezüglich
der Depressionsproblematik einen Revisionsgrund nach Art. 17 ATSG und bezüglich
der somatoformen Schmerzstörung einen Revisionsgrund nach den SchlB IVG geprüft
habe. Unklar bleibe, weshalb sich die Frage der Überwindbarkeit lediglich im
Umfang von 24 % der Arbeitsunfähigkeit stelle. Auch sei nicht begründet worden,
weshalb die depressive Störung als eigenständige Diagnose aufgefasst werde.
Namentlich fehle eine Auseinandersetzung mit dem psychiatrischen
Medas-Teilgutachten des Dr. med. M.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie
und Psychotherapie. Das Gericht habe bezüglich der psycho-sozialen Faktoren
lediglich erwähnt, diese seien in den Hintergrund getreten, obwohl seit Jahren
erhebliche psycho-soziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren bestünden, die
das depressive Zustandsbild unterhielten. Darin liege einer Verletzung der
Begründungspflicht. Eine relevante psychische Komorbidität wäre mit Blick auf
die erheblichen Ressourcen der Versicherten, welche ihr die Überwindung der
Depression ermöglichten, ohnehin zu verneinen. Schliesslich ergebe auch eine
Prüfung der sogenannten Förster-Kriterien, dass die Schmerzstörung
zumutbarerweise überwunden werden könne. Bei einer Arbeitsfähigkeit in einer
adaptierten Tätigkeit von 70 % resultiere bei einer Qualifikation als
vollzeitlich Erwerbstätige ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 19
%.

4. 
Ob die Verfügung vom 22. Februar 2007 auf einem sogenannten Mischsachverhalt,
das heisst auf einem sowohl objektivierbare wie nicht objektivierbare
Beschwerden umfassenden Geschehen beruhte, das unter den in BGE 140 V 197 E.
6.2.3 S. 200 vorgezeichneten Bedingungen mit Bezug auf die unklaren Beschwerden
der Revidierbarkeit gemäss den SchlB IVG unterlegen wäre, kann offen bleiben.
Nachdem die Medas-Ärzte in ihrem - vorinstanzlich zu Recht für beweiskräftig
erachteten (nachfolgende E. 6) - Gutachten vom 17. Februar 2014 eine
signifikante Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Versicherten (seit
der Begutachtung im ärztlichen Abklärungsinstitut H.________ vom 28. März 2011)
konstatiert und "mit Sicherheit" festgestellt hatten, die Versicherte sei
spätestens seit 1. Januar 2012 keinem Arbeitgeber mehr zumutbar (nachfolgende
E. 5), ist ohnehin ein Revisionsgrund nach Art. 17 Abs. 1 ATSG ausgewiesen.
Soweit das kantonale Gericht feststellte, gestützt auf die Erkenntnisse des
Medas-Gutachtens vom 17. Februar 2014 sei von einer im Wesentlichen
unveränderten gesundheitlichen Situation auszugehen, ist der angefochtene
Entscheid offensichtlich unrichtig und die entsprechende vorinstanzliche
Feststellung letztinstanzlich nicht bindend (E. 1 hievor).

5. 
Im Medas-Gutachten vom 17. Februar 2014 wurden folgende Diagnosen mit
Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit gestellt:

1.       Chronisches depressives Zustandsbild mit aktuell
mittelgradiger              depressiver Episode und mittelschwerem somatischem
Syndrom               (ICD-10 F33.11), sich entwickelnd in den letzten drei
Jahren.
2.       Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4),
sich              entwickelnd in den vergangenen neun Jahren.
3.       Chronifiziertes lumbovertebrales Syndrom (ICD-10
M54.06),                     bestehend seit mindestens neuen Jahren mit/bei
Status nach              zweimaliger Diskushernienoperation L5/S1 mit narbigen
Residuen              links paramedian bis links foraminal L5/S1 und
residuellem S1-              Reizsyndrom am linken Bein.
4.       Chronifiziertes, zervikospondylogenes Schmerzsyndrom bei
einer              deutlichen Fehlhaltung (ICD-10 M54.02), bestehend seit ca.
fünf              Jahren.
In somatischer Hinsicht kamen die Gutachter zum Schluss, für die bisherige
Tätigkeit als Mitarbeiterin im Reinigungsdienst oder ähnliche Arbeiten sei die
Versicherte definitiv vollständig arbeitsunfähig. Für leichte, angepasste
Verweistätigkeiten wäre sie rein somatisch acht Stunden pro Tag arbeitsfähig
mit einer schmerzbedingten Leistungseinschränkung von 30 %.
Im psychiatrischen Teilgutachten vom 20. Januar 2014 führte Dr. med. M.________
aus, die von der Versicherten beschriebenen psycho-sozialen Belastungen würden
als schwer eingestuft und seien geeignet, die festgestellte Schmerzverarbeitung
(sstörung) zu verursachen und aufrechtzuerhalten. Diagnostisch sei somit eine
anhaltende somatoforme Schmerzstörung eindeutig zu bejahen. Das chronifizierte
depressive Zustandsbild mit aktuell mittelgradiger depressiver Episode und
mittelschwerem somatischem Syndrom (ICD-10 F33.11) sei diagnostisch klar von
der Schmerzverarbeitungsstörung abgrenzbar. Therapeutisch sei keine bedeutsame
Verbesserung zu erwarten. D ie Arbeitsfähigkeit werde dadurch um 60 %
eingeschränkt. Die mit den Schmerzen verbundene Einschränkung sei zusätzlich
auf 40 % der noch erhaltenen Restleistungsfähigkeit (von 40 %) zu
veranschlagen. Darin enthalten sei die in der rheumatologischen Beurteilung
festgestellte schmerzbedingte Leistungseinbusse von 30 %. Aufgrund der
aktuellen psychiatrischen Befunde resultiere somit gesamthaft eine Reduktion
der Leistungsfähigkeit von 76 %.
In einer Gesamtschau führten die Gutachter - wie erwähnt (vorangehende E. 4) -
aus, spätestens seit 1. Januar 2012 sei die Versicherte aus psychiatrischer
Sicht keinem Arbeitgeber mehr zumutbar; ihr Gesundheitszustand habe sich im
Vergleich zur ABI-Begutachtung vom 28. März 2011 signifikant verschlechtert.

6.

6.1. Die vorinstanzliche Qualifikation des chronischen depressiven
Zustandsbilds als selbständiges, von der Schmerzstörung losgelöstes und daher
nicht nach den Regeln für somatoforme Schmerzstörung zu behandelndes Leiden ist
frei überprüfbare Rechtsfrage (Urteil 9C_140/2014 vom 7. Januar 2015 E. 3.2).

6.2.

6.2.1. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht ausführt, können zwar schwierige
Lebensumstände, wie sie im Fall der Versicherten zweifellos vorliegen
(namentlich die gegen ihren Willen erfolgte Emigration in die Schweiz sowie die
arrangierte, unglückliche und schwierige Ehe), geeignet sein, ein depressives
Zustandsbild zu bewirken und zu unterhalten. Soweit die psychische Störung
wieder verschwindet, wenn die Belastungsfaktoren wegfallen, fehlt es an einem
verselbständigten Gesundheitsschaden (z.B. Urteil 9C_736/2011 vom 7. Februar
2012 E. 2.3.3 mit Hinweisen). Hat sich aber ein eigenständiger,
invalidisierender Gesundheitsschaden entwickelt, spielt keine Rolle mehr, dass
psycho-soziale oder soziokulturelle Umstände bei der Entstehung einer
Gesundheitsschädigung eine wichtige Rolle spielten (BGE 141 V 281 E. 3.4.2.1 S.
292; Urteil 9C_776/2010 vom 20. Dezember 2011 E. 2.3.3).

6.2.2. Im konkreten Fall grenzte Dr. med. M.________ die depressive Störung
diagnostisch klar von der Schmerzproblematik ab (vorangehende E. 5). Hinweise
auf relevante Inkonsistenzen gibt es nicht. Die Gutachter kamen zusammenfassend
zum Schluss, psycho-soziale Faktoren stünden nur noch im Hintergrund und fielen
nicht mehr ins Gewicht. Es habe sich nunmehr eine verselbständigte
gesundheitliche Beeinträchtigung eingestellt. Die Arbeitsfähigkeit könne
angesichts des schweren, chronifizierten Zustandsbildes und nach jahrelanger
begleitender psychiatrischer Behandlung einschliesslich suffizienter
antidepressiver Medikation durch zumutbare therapeutische Massnahmen nicht mehr
signifikant verbessert werden. Rehabilitationsmassnahmen seien derzeit, und
wahrscheinlich auch in Zukunft, nicht mehr möglich. In Würdigung der konsequent
befolgten, aber erfolglos gebliebenen Depressionstherapie, die stark auf eine
Resistenz des Leidens hindeutet (vgl. Urteil 9C_917/2012 vom 14. August 2013 E.
3.2; vgl. auch Urteil 9C_818/2014 vom 15. August 2015 E. 4.2.2, wo - anders als
hier - keine optimale und nachhaltige Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten
erfolgte), der nach fachmedizinischer Einschätzung nicht mehr gewichtigen
sozialen Faktoren und der klaren diagnostischen Abgrenzbarkeit hat das
kantonale Gericht die depressive Störung mittelgradigen Ausmasses zutreffend
nicht lediglich als Begleiterscheinung der Schmerzfehlentwicklung eingeordnet,
sondern als selbständiges, davon losgelöstes Leiden qualifiziert (vgl. Urteil
8C_801/2014 vom 1. April 2015 E. 3.5). Folglich ist die Rechtsprechung zu den
somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden
(nunmehr BGE 141 V 281) nicht einschlägig (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.2 S. 298).

7.

7.1. Gegen die vorinstanzlich - zu Recht - als beweiskräftig erachtete
Beurteilung der Medas-Gutachter, wonach die Arbeitsunfähigkeit aus psychischen
Gründen 60 % betrage (vorangehende E. 5) hat die Beschwerdeführerin keine
(substantiierten) Einwände erhoben. Diesbezügliche Weiterungen erübrigen sich
umso mehr, als einer auf lege artis erfolgten Begutachtung beruhenden und unter
Berücksichtigung der normativen Vorgaben erfolgten medizinischen Feststellung
einer erheblichen Arbeitsunfähigkeit aus rechtlicher Sicht zu folgen ist,
sofern die rechtsanwendende Stelle - wie hier - nicht konkrete, fallgebundene
Gesichtspunkte zu nennen vermag, die im Rahmen der Folgenabschätzung eine im
Vergleich zum medizinisch-psychiatrischen Sachverständigen abweichende
Ermessensausübung gebieten (Urteil 9C_358/2014 vom 21. November 2014 E. 5).

7.2.

7.2.1. Das kantonale Gericht stellte fest, die somatisch bedingte Einschränkung
von 30 % und die Limitierung durch das depressive Geschehen führten zu einer
Arbeitsunfähigkeit von gesamthaft 76 %. Es erwog, weil im Nachgang zur zweiten
Rückenoperation vom Dezember 2010 ein Teil des ursprünglich als somatoform
eingestuften Beschwerdekomplexes nunmehr objektiviert werden könne, stelle sich
die Frage der Überwindbarkeit noch im Ausmass von 24 % (vorangehende E. 3.1).
Diese Schlussfolgerung ist nicht nachvollziehbar. Das kantonale Gericht ging
offenbar von der - irrigen - Annahme aus, eine Arbeitsunfähigkeit von 76 %
aufgrund objektivierbarer Beeinträchtigungen führe ohne Weiteres zu einer
möglichen Einschränkung wegen somatoformer Beschwerden von 24 %. Dies kann
indes von vornherein nur bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit zutreffen. Der
Versicherten wurde eine Gesamtarbeitsunfähigkeit von 76 % attestiert, die
Aufrechnung auf 100 % ist unzulässig.

7.2.2. Aus psychischen Gründen ist die Beschwerdegegnerin zu 60 %
arbeitsunfähig (E. 7.1). Dr. med. M.________ führte aus, die Schmerzproblematik
bewirke eine zusätzliche Einschränkung der (40%igen) Restarbeitsfähigkeit um
weitere 40 %, wobei darin die 30%ige Einschränkung aus somatischen Gründen
gemäss rheumatologischer Beurteilung bereits enthalten sei (E. 5 hievor). Diese
Beurteilung lässt sich vernünftigerweise nur so verstehen, dass die
schmerzbedingte Einschränkung von 40 % der Restarbeitsfähigkeit teilweise
organisch begründet ist (wobei allein aus somatischen Gründen eine
Leistungseinschränkung von 30 % besteht), und entsprechend - ebenfalls - nicht
der Schmerzrechtsprechung unterliegt. Ausgehend davon, dass bereits die
Einschränkungen wegen der Depression (60 %) und dem somatisch bedingten Teil
des Schmerzleidens eine Arbeitsunfähigkeit von über 70 % ergeben (wovon
angesichts der 30%igen Leistungsminderung wegen des Rückenleidens auszugehen
ist), kann unter Berücksichtigung des in E. 8 hienach Gesagten offen bleiben,
ob der verbleibende "somatoforme Komplex" nach der hiefür einschlägigen
Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren
psychosomatischen Leiden gemäss BGE 141 V 281 invalidisierend wäre.

8. 
Der im letztinstanzlichen Verfahren modifizierte Einkommensvergleich der
Beschwerdeführerin ist nicht bundesrechtskonform. Die Beschwerdeführerin geht
davon aus, die Versicherte sei zwar als vollzeitlich Erwerbstätige zu
qualifizieren, als Validenlohn sei ihr aber nur das an die Verhältnisse im Jahr
2014 angepasste Einkommen beim letzten Arbeitgeber anzurechnen, wo sie mit
einem aus invaliditätsfremden, betrieblichen Gründen nicht steigerbaren Pensum
von 80 % tätig war. Fällt eine im Gesundheitsfall überwiegend wahrscheinliche
Pensumserhöhung aus betrieblichen Gründen ausser Betracht, geht es indes nicht
an, als Validenlohn lediglich das tatsächlich mit einem kleineren Arbeitspensum
erzielte Einkommen zu berücksichtigen. Vielmehr ist davon auszugehen, die
Versicherte hätte eine zusätzliche Arbeitsstelle mit einem 20 %-Pensum gesucht
oder sich bei einem anderen Arbeitgeber um eine Vollzeitstelle bemüht (vgl.
Urteil 8C_7/2014 vom 10. Juli 2014 E. 7.2 mit Hinweisen). Sind Validen- und
Invalideneinkommen auf identischer statistischer Grundlage zu erheben, kann
sich eine allfällige schmerz (störungs) bedingte Limitierung der Versicherten
zum vornherein nicht auf den Rentenanspruch auswirken, nachdem bereits aus
psychischen (Depression) und somatischen (Rückenleiden) Gründen eine
Arbeitsunfähigkeit von über 70 % resultiert und somit der Anspruch der
Beschwerdegegnerin auf eine ganze Invalidenrente ausgewiesen ist (Art. 28 Abs.
2 IVG). Damit bleibt es im Ergebnis beim angefochtenen Entscheid.

9. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Versicherte hat Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. September 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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