Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 90/2015
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_90/2015

Urteil vom 2. Juni 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiber Attinger.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Rechtzeitigkeit der vorinstanzlichen Beschwerde),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 3. Dezember 2014.

Sachverhalt:
Mit Entscheid vom 3. Dezember 2014 trat das Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen auf die von A.________ gegen die rentenaufhebende Verfügung der
IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 9. Mai 2014 erhobene Beschwerde wegen
Fristversäumnisses nicht ein.
A.________ führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, der
vorinstanzliche Nichteintretensentscheid sei aufzuheben und das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen sei zu verpflichten, auf das
rechtzeitig erhobene Rechtsmittel einzutreten.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Gemäss Art. 60 Abs. 1 ATSG (SR 830.1) ist die Beschwerde innerhalb von 30 Tagen
nach der Eröffnung des Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen welche
eine Einsprache ausgeschlossen ist, einzureichen. Diese Frist kann nicht
erstreckt werden (Art. 40 Abs. 1 ATSG). Nach Art. 39 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 60 Abs. 2 ATSG ist die 30-tägige Frist nur gewahrt, wenn die Beschwerde
spätestens am letzten Tag der Frist beim erstinstanzlichen Versicherungsgericht
eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer
schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben wird.
Läuft die Frist unbenützt ab, so erwächst der Verwaltungsentscheid in
(formelle) Rechtskraft mit der Wirkung, dass das erstinstanzliche Gericht auf
eine verspätet eingereichte Beschwerde nicht eintreten darf (BGE 134 V 49 E. 2
S. 51).

3. 
Streitig ist einzig die Frage der Rechtzeitigkeit der vorinstanzlich
eingereichten Beschwerde.

3.1. Entgegen der Einwendung des Beschwerdeführers schreibt das ATSG den
IV-Stellen für die Eröffnung von Verfügungen keine bestimmte Zustellungsform
vor. Der Versand einer rentenaufhebenden Verfügung mittels  A-Post Plus ist
deshalb nicht zu beanstanden. Bei dieser Versandmethode wird der Brief mit
einer Nummer versehen und ähnlich wie ein eingeschriebener Brief mit A-Post
spediert. Im Unterschied zu den eingeschriebenen Briefpostsendungen wird aber
der Empfang durch den Empfänger nicht quittiert. Die Zustellung wird vielmehr
elektronisch erfasst, wenn die Sendung in das Postfach oder in den Briefkasten
des Empfängers gelegt wird. Auf diese Weise ist es möglich, mit Hilfe des von
der Post zur Verfügung gestellten elektronischen Suchsystems "Track & Trace"
die Sendung bis zum Empfangsbereich des Empfängers zu verfolgen (StR 67/2012 S.
301, 2C_570/2011 E. 4.2; StR 65/2010 S. 396, 2C_430/2009 E. 2.3). Im Falle des
Beschwerdeführers wurde die Sendung mit der Verfügung vom 9. Mai 2014 gemäss
vorliegendem Track&Trace-Auszug gleichentags aufgegeben und am Samstag, 10. Mai
2014, um 06.13 Uhr ins Postfach des Rechtsvertreters gelegt.

3.2. Nach der Rechtsprechung liegt - auch bei der Zustellungsart A-Post Plus -
ein Fehler bei der Postzustellung nicht ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit;
eine fehlerhafte Postzustellung ist allerdings nicht zu vermuten, sondern nur
anzunehmen, wenn sie aufgrund der Umstände plausibel erscheint; auf die
Darstellung des Adressaten, dass eine fehlerhafte Postzustellung vorliege, ist
dann abzustellen, wenn seine Darlegung der Umstände nachvollziehbar ist und
einer gewissen Wahrscheinlichkeit entspricht, wobei sein guter Glaube zu
vermuten ist; rein hypothetische Überlegungen des Adressaten, wonach die
Sendung einem Nachbarn in den Briefkasten (oder sonst einer Drittperson ins
Postfach) gelegt worden sein könnte, sind unbehelflich (StR 67/2012 S. 301,
2C_570/2011 E. 4.3 mit Hinweisen; Urteil 2C_165/2015 vom 21. Februar 2015 E.
2.3).

3.3. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers macht geltend, der streitige
Track&Trace-Ausdruck ("Sa 10.05.2014 06.13 Zugestellt via Postfach")
dokumentiere nicht etwa die Ablage der Briefsendung in sein Postfach, sondern
lediglich den Zeitpunkt, in welchem der Brief der Poststelle zugegangen sei.
Allen Mitarbeitern der Poststelle X.________ sei bekannt, dass er an Samstagen
jeweils keine Sendungen aus dem Postfach abholen komme. Die Angestellten
kümmerten sich zuerst um die Postfächer, von denen sie wüssten, dass sie
samstags geleert würden. Bei den andern Fächern, insbesondere auch bei seinem,
legten sie die Sendungen - da sie stets überlastet seien - erst später, sogar
meist erst im Verlaufe des Montags ins Postfach. Bei ihm erst recht, weil sie
wüssten, dass er am Montag seine Post jeweils nicht vor 10.00 Uhr abholen
komme. Die Befragung des Personals würde ergeben, dass die in Frage stehende
Verfügung erst im Verlaufe des Montagmorgens in sein Postfach gelangt sei. Die
vorinstanzliche Annahme, dass sich die Mitarbeiter der Poststelle X.________
nicht danach richteten, wann ein Postfachinhaber sein Fach leere, sei
willkürlich; die Bedürfnisse der Postfachkunden würden von dieser Poststelle
noch respektiert.

3.4. Die Darstellung des Rechtsvertreters ist alles andere als plausibel. So
wie der Rechtsanwalt die Abläufe in der Poststelle X.________ schildert, würde
die Postdienstleistung A-Post Plus, welche die zuverlässige elektronische
Sendungsverfolgung von der Postaufgabe bis zur Zustellung ermöglichen soll,
geradezu sinnlos. Jedenfalls kann der Vorinstanz weder Willkür noch eine
Gehörsverletzung vorgeworfen werden, wenn sie in antizipierter Beweiswürdigung
auf die beantragte Zeugenbefragung verzichtete, auf den Track&Trace-Auszug
abstellte und das darin bescheinigte Zustellungsdatum (Samstag, den 10. Mai
2014) als Eröffnungszeitpunkt der Rentenaufhebungsverfügung vom 9. Mai 2014
betrachtete. Dabei spielt es keine Rolle, ob tatsächlich bereits am Samstag,
10. Mai 2014, vom Verfügungsinhalt Kenntnis genommen wurde oder - wie der
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers geltend macht - erst am darauf folgenden
Montag. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Zustellung einer Sendung
nämlich nicht erforderlich, dass der Adressat sie tatsächlich in Empfang nimmt;
es genügt, wenn sie in seinen Machtbereich gelangt und er demzufolge von ihr
Kenntnis nehmen kann. Dies hat zur Konsequenz, dass Fristen bereits im
Zeitpunkt der ordnungsgemässen Zustellung und nicht erst bei tatsächlicher
Kenntnisnahme durch den Adressaten zu laufen beginnen (StR 65/2010 S. 396,
2C_430/2009 E. 2.4 mit Hinweis auf BGE 122 I 139 E. 1 S. 143, 115 Ia 12 E. 3b
S. 17 und 113 Ib 296 E. 2a S. 297 f.). Sämtliche weiteren Einwendungen des
Beschwerdeführers betreffend Verstoss gegen Treu und Glauben, überspitzten
Formalismus und Rechtsgleichheit wurden im Urteil 2C_1126/2014 vom 20. Februar
2015 E. 2.4, auf welches bereits in der Zwischenverfügung vom 23. April 2015
hingewiesen wurde, allesamt widerlegt.

3.5. Wurde die Rentenaufhebungsverfügung nach dem Gesagten am 10. Mai 2014
eröffnet, begann die 30-tägige Beschwerdefrist am 11. Mai 2014 zu laufen (Art.
38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 2 ATSG), wie das kantonale Gericht zu
Recht erkannt hat. Die Begründung des vorinstanzlichen Entscheids bedarf indes
insofern der Korrektur, als die Beschwerdefrist nicht am 9. Juni 2014, d.h. am
Pfingstmontag endete. Ist nämlich der letzte Tag der Beschwerdefrist ein
Samstag, ein Sonntag oder ein vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht
anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag; massgebend ist
das Recht des Kantons, in dem die Partei oder ihr Vertreter Wohnsitz oder Sitz
hat (Art. 38 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 2 ATSG). Sowohl der
Beschwerdeführer als auch sein Rechtsvertreter hat seinen Wohnsitz bzw. seinen
Sitz im Kanton Zürich. Der Pfingstmontag ist nach dem folglich massgebenden
zürcherischen Recht ein anerkannter Feiertag (§ 1 Abs. 1 lit. b des Ruhetags-
und Ladenöffnungsgesetzes vom 26. Juni 2000; LS 822.4). Demnach endete die
Beschwerdefrist am darauf folgenden Dienstag, den 10. Juni 2014. Dies ändert
aber nichts daran, dass die erst am 11. Juni 2014 eingereichte Beschwerde (um
einen Tag) verspätet war.

4. 
Die im Sinne von Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG offensichtlich unbegründete
Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen.

5. 
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
wurde mit Zwischenverfügung vom 23. April 2015 zufolge Aussichtslosigkeit der
Beschwerde abgewiesen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Ausgleichskasse des
Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. Juni 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Attinger

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben