Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 908/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_908/2015

Urteil vom 14. April 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin,

Personalfürsorgestiftung der B.________ AG.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
27. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ meldete sich im September 2013 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. U.a. gestützt auf das Gutachten der Frau Dr. med.
C.________, Fachärztin FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 30. Oktober
2014 samt Ergänzung vom 29. November 2014 verneinte die IV-Stelle des Kantons
Aargau mit Verfügung vom 9. Februar 2015 einen Rentenanspruch.

B. 
Die Beschwerde der A.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
nach Beiladung der Personalfürsorgestiftung der B.________ AG zum Verfahren mit
Entscheid vom 27. Oktober 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________
zur Hauptsache, der Entscheid vom 27. Oktober 2015 sei aufzuheben und die
IV-Stelle zu verpflichten, ihr ab 1. Januar 2014 eine Rente der
Invalidenversicherung auszurichten.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerdeführerin hat einen nach Erlass des angefochtenen Entscheids
erstellten ärztlichen Bericht vom 4. Dezember 2015 eingereicht. Dieses Dokument
hat aufgrund des Verbots, im Beschwerdeverfahren echte Noven beizubringen,
sowie aufgrund der Bindung des Bundesgerichts an den vorinstanzlich
festgestellten Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG) mit Beschränkung der Prüfung
in tatsächlicher Hinsicht auf die in Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG
festgelegten Beschwerdegründe grundsätzlich unbeachtet zu bleiben. Abgesehen
davon verwendet sie diesen Bericht lediglich im Sinne der Darlegung der eigenen
Sichtweise, wie die medizinischen Akten zu würdigen sind. Damit vermöchte sie
ohnehin nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz den Sachverhalt
offensichtlich unrichtig festgestellt oder die Beweise willkürlich gewürdigt
haben soll (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261; Urteil 9C_619/2014 vom 31. März 2015
E. 2.2).

2. 
Die Vorinstanz hat wie zuvor die Beschwerdegegnerin das Vorliegen eines
invalidisierenden Gesundheitsschadens verneint und dementsprechend die
Beschwerde gegen die rentenablehnende Verfügung abgewiesen, ohne eine
Invaliditätsbemessung vorzunehmen.

3. 
Die Beschwerdeführerin rügt, der vorinstanzliche Entscheid beruhe auf einem
bundesrechtswidrigen Krankheitsbegriff gemäss Art. 4 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 8
Abs. 1 ATSG. Weiter sei der Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61
lit. c ATSG) verletzt. Das psychiatrische Administrativgutachten vom 30.
Oktober 2014 samt Ergänzung vom 29. November 2014, worauf das kantonale
Versicherungsgericht abgestellt habe, ergründe nicht genügend die
notwendigerweise sich stellenden Fragen, insbesondere inwieweit die
diagnostizierte anhaltende mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.10) als
längere depressive Reaktion mit Verharren in Verbitterung aufrecht erhalten
bliebe, wenn die Anfang April 2013 ausgesprochene Kündigung weggedacht oder
rückgängig gemacht werden könnte.

4.

4.1. Unbestritten war die als kränkend empfundene Kündigung des langjährigen
Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber Auslöser der unmittelbar danach
aufgetretenen depressiven Symptomatik. Dies spricht nach der Rechtsprechung
gegen die Annahme einer rentenbegründenden Invalidität (BGE 127 V 294 E. 5a S.
299; Urteil 9C_559/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 3.3). Es trifft zwar zu, dass
es sich bei der Kündigung - mit den Worten der Beschwerdeführerin - um ein
"Sekundenereignis" handelt, und nicht um einen anhaltenden begleitenden
Umstand. Daraus kann indessen nicht gefolgert werden, die Depression habe sich
längst (noch vor Erlass der angefochtenen Verfügung; BGE 130 V 138 E. 2.1 S.
140) verselbständigt. Dagegen spricht, dass die depressive Episode nicht als
eigenständiges psychisches Leiden unabhängig von der Verbitterungsstörung
eingeordnet werden kann, vielmehr dieser gleich zu stellen ist, wie die
psychiatrische Gutachterin im Schreiben vom 29. November 2014 präzisierend
festhielt.

4.2. Im Weitern ist gemäss Expertise die Verbitterungsstörung nicht als neue
eigenständige psychiatrisch-nosologische Entität im eigentlichen Sinne zu
betrachten. Daraus hat die Vorinstanz zu Recht unter Hinweis auf das Urteil
8C_822/2013 vom 4. Juni 2014 E. 4.6 und BGE 130 V 396 gefolgert, das Leiden
lasse sich nicht zuverlässig der Diagnose eines anerkannten
Klassifikationssystems zuordnen, was die Annahme eines invalidisierenden
Gesundheitsschadens ausschliesst. Selbst wenn - ausnahmsweise - von diesem
Erfordernis abgesehen würde, wäre jedenfalls für die Bejahung des
invalidisierenden Charakters der Störung eine adäquate (Depressions-)
Behandlung unabdingbar, deren Scheitern das Leiden als resistent ausweisen
würde (vgl. BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197; 137 V 64 E. 5.2 S. 70). Eine solche
Therapie hat nach unbestrittener Feststellung der Vorinstanz zumindest bis zum
Zeitpunkt der Untersuchung vom 28. Oktober 2014 im Rahmen der Begutachtung
nicht stattgefunden. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass die
IV-Stelle "die Frage nach der zweckmässigen Behandlung steuern könnte, nämlich
durch das Erlassen von Therapieauflagen und Kontrolle dieser", ist nicht
ersichtlich, auf welche gesetzliche Grundlage sich eine solche Verpflichtung
stützen könnte. Unter diesen Umständen stellt sich die Frage der
Behandelbarkeit der Störung und deren Bedeutung für den invalidisierenden
Charakter des Leidens nicht (Urteil 9C_856/2013 vom 8. Oktober 2014 E. 5.1.2
mit Hinweis auf BGE 127 V 294 E. 4c S. 298).

4.3. Nach dem Gesagten sind die Rügen in der Beschwerde unbegründet. Der
vorinstanzliche Entscheid verletzt kein Bundesrecht.

5. 
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Personalfürsorgestiftung der B.________
AG, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. April 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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