Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 894/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_894/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 25. April 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer,
Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber Williner.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Bern,
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch das Sozialamt der Stadt Bern,
handelnd durch Fürsprecherin Nathalie Mewes,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 30. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1960 geborene A.________ meldete sich im April 2004 wegen "massiven
Depressionen und Somatisierung" bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern führte verschiedene erwerbliche und
medizinische Abklärungen durch, namentlich veranlasste sie eine bidisziplinäre
Begutachtung bei den Dres. med. B.________, FMH Neurochirurgie, und med.
C.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie (Teilgutachten vom 25. August
2005 und vom 6. September 2005), sowie eine Haushaltabklärung
(Abklärungsbericht vom 11. November 2005). Mit Verfügung vom 16. März 2006
sprach sie A.________ eine Viertelsrente der Invalidenversicherung ab Juli 2003
zu (Invaliditätsgrad 40 %). Nach erfolgter Härtefallprüfung wurde diese Rente -
bei gleich bleibendem Invaliditätsgrad - vorerst auf eine halbe (Verfügung vom
2. Juni 2006), schliesslich nach dem Tod ihres Ehemannes auf eine ganze Rente
erhöht (Verfügung vom 9. Oktober 2007).

A.b. Im Rahmen einer im Jahr 2007 eingeleiteten Rentenüberprüfung veranlasste
die IV-Stelle eine psychiatrische Verlaufsbegutachtung bei Dr. med. C.________
(Gutachten vom 12. September 2008) sowie eine neuerliche Haushaltabklärung
(Abklärungsbericht Haushalt vom 25. Mai 2009) und hob die bisher ausgerichtete
Rente auf Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats auf (Verfügung
vom 26. August 2009).

A.c. Im November 2011 ersuchte A.________ erneut um Leistungen bei der
Invalidenversicherung. Die IV-Stelle veranlasste wiederum Abklärungen,
insbesondere eine psychiatrische Begutachtung bei Dr. med. D.________, Facharzt
für Psychiatrie und Psychotherapie (Gutachten vom 31. Januar 2014) sowie eine
zusätzliche Stellungnahme vom 19. Mai 2014. Mit Vorbescheid vom 21. August 2014
stellte die Verwaltung die Abweisung des Leistungsbegehrens in Aussicht.
Nachdem A.________ dagegen hatte Einwände vorbringen lassen, verfügte die
IV-Stelle am 3. Dezember 2014 wie vorbeschieden.

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 30. Oktober
2015 gut, hob die angefochtene Verfügung vom 3. Dezember 2014 auf und sprach
A.________ ab Mai 2012 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu.

C. 
Die IV-Stelle Bern führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
und beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheids vom 30. Oktober 2015 und
die Bestätigung der Verfügung der IV-Stelle Bern vom 3. Dezember 2014. In
prozessualer Hinsicht sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde sowie des Gesuchs um
Erteilung der aufschiebenden Wirkung. Ferner sei ihr die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
beantragt Gutheissung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum handelt es
sich grundsätzlich um Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Gleiches
gilt für die konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_204/2009 vom 6. Juli 2009 E.
4.1, nicht publ. in BGE 135 V 254, aber in: SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164). Dagegen
ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln
nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393    E. 3.2 und 4 S. 397 ff.;
Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht
im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42
Abs. 2 BGG und    Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.; 133 II
249       E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1
BGG).

2. 
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit
Art. 4 Abs. 1 IVG), zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), zum Umfang des
Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG), zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei
teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode (Art. 28a Abs. 3 in
Verbindung mit Abs. 2 IVG sowie Art. 16 ATSG; BGE 137 V 334 E. 3.1.3 S. 338),
zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE
134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) zutreffend dargelegt. Gleiches
gilt in Bezug auf die Beurteilung der Invalidität bei
pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne
nachweisbare organische Grundlage (BGE 141 V 281) sowie die bei der
Rentenrevision geltenden Grundsätze, welche bei Neuanmeldungen analog Anwendung
finden (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV; BGE 130 V 71 E. 3.2.3 S.
77). Darauf wird verwiesen.

3. 
Prozessthema bildet die Frage, ob und inwieweit sich der Invaliditätsgrad der
Versicherten seit der rechtskräftigen Rentenaufhebung (Verfügung vom 26. August
2009) bis zur verfügungsweisen Neuprüfung vom 3. Dezember 2014 in - analog -
revisionsrechtlich erheblicher Weise verändert hat (Art. 17 Abs. 1 ATSG). Dabei
ist zu beachten, dass Anlass zur Rentenrevision jede wesentliche Änderung in
den tatsächlichen Verhältnissen gibt, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad
und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen. Allerdings stellt eine bloss
unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen
Sachverhalts keine revisionsbegründende Tatsachenänderung dar (BGE 112 V 371 E.
2b S. 372).

4. 
In formeller Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe die
revisionserhebliche Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen nur
oberflächlich und in Missachtung der Ausführungen der IV-Stelle in ihren
Rechtsschriften vom 18. Februar, vom 22. April und vom 16. Juli 2015 begründet
und demnach den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt. Entgegen
ihrer Auffassung, beschlägt dieser Einwand nicht den als verletzt gerügten
Untersuchungsgrundsatz oder die Beweiswürdigungsregeln, sondern den
Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) und die gerichtliche Begründungspflicht
(Art. 61 lit. h ATSG). Eine diesbezügliche Verletzung macht die
Beschwerdeführerin zu Recht nicht geltend: Massgeblich ist, dass das Gericht in
seiner Begründung die Überlegungen nennt, von denen es sich hat leiten lassen,
damit der Entscheid sachgerecht angefochten werden kann (vgl. BGE 138 IV 81 E.
2.2 S. 84; 136 I 229 E. 5.2 S. 236 mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat diese
Grundsätze eingehalten. Sie hat den medizinischen Sachverhalt in den beiden
massgebenden Vergleichszeitpunkten (vgl. BGE 133 V 108 E. 5 S. 110 ff.)
wiedergegeben und in E. 3.5.3 - wenn auch äusserst kurz und im Ergebnis
unhaltbar (vgl. E. 5 nachfolgend) - dargelegt, weshalb ihrer Ansicht nach eine
wesentliche Veränderung des Gesundheitszustands vorliegt. Die
Beschwerdeführerin hat den Entscheid denn auch sachgerecht anfechten können.
Ungenügend begründet ist vielmehr der Einwand der Beschwerdeführerin: Sowohl
Rüge als auch Begründung müssen in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein.
Der blosse Verweis auf gemachte Ausführungen in anderen Rechtsschriften, worauf
sich die IV-Stelle beschränkt hat, genügt nicht (BGE 141 V 416 E. 4).

5. 
Eine in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassende Prüfung des
Rentenanspruchs ohne Bindung an frühere Beurteilungen setzt einen
Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG voraus (BGE 141 V 9 E. 2.3 S.
11). Es fällt auf, dass die Vorinstanz die invalidenversicherungsrechtliche
Relevanz der somatoformen Schmerzstörung, wie sie im unbestritten
beweistauglichen Gutachten des Dr. med. D.________ diagnostiziert wurde, vorab
prüfte und zwar anhand der Rechtsprechung gemäss BGE 141 V 281. Mit dem
Vorliegen eines Revisionsgrundes und damit der Zulässigkeit der
(vorweggenommenen) freien Prüfung des Rentenanspruchs setzte sie sich vorgängig
nicht auseinander. Erst im Anschluss daran fügte das kantonale Gericht in
Erwägung 3.5.3 auf wenigen Zeilen an, es sei  zudemeine wesentliche
Verschlechterung des Gesundheitszustands seit der rentenabweisenden Verfügung
vom 26. August 2009 erstellt. Zur Begründung führte die Vorinstanz lediglich
aus, Dr. med. D.________ habe - im Gegensatz zu Dr. med. C.________ - neben
einer anhaltend mittelgradigen depressiven Episode neu auch eine anhaltend
somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und die Arbeitsunfähigkeit aufgrund
des Chronifizierungsgrades, der Komorbiditäten sowie der geringen
Copingstrategien der Beschwerdegegnerin höher eingeschätzt.

5.1. In Bezug auf das Vorliegen eines Revisionsgrundes wendet die
Beschwerdeführerin zu Recht ein, dass weder eine hinzugetretene Diagnose (BGE
141 V 9 E. 5.2 S. 12; Urteil 9C_754/2014 E. 4.2) noch die höhere Einschätzung
der Arbeitsfähigkeit (Urteil 9C_955/2012 E. 3.3.4) per se einen Revisionsgrund
darstellen. Richtig ist auch der Einwand, dass - wenn überhaupt (vgl. Urteil
9C_125/2015 vom 18. November 2015 E. 7.2.1 mit Hinweisen) - mit Blick auf die
Schmerzstörung nicht mehrere, sondern bloss eine einzige Komorbidität vorliegt,
nämlich eine mittelgradige depressive Episode. Bei der daneben von Dr. med.
D.________ diagnostizierten akzentuierten (ängstlich-vermeidenden,
selbstunsicheren und dependenten) Persönlichkeit (ICD-10 Ziff. Z73.1), handelt
es sich um eine Diagnose aus der Z-Kategorie (Kapitel XXI) des ICD-10 Systems.
Diese ist für Fälle vorgesehen, in denen Sachverhalte als "Diagnosen" oder
"Probleme" angegeben sind, die nicht als Krankheit, Verletzung oder äussere
Ursache unter den Kategorien A00-Y89 klassifizierbar sind. Diese Belastungen
fallen als solche nicht unter den Begriff des rechtserheblichen
Gesundheitsschadens (SVR 2012 IV Nr. 52 S. 188 E. 3.1 [9C_537/2011]) und
stellen somit - entgegen den gutachterlichen Ausführungen in der ergänzenden
Stellungnahme vom 19. Mai 2014 - von vornherein keine Komorbidität dar.

5.2. Soweit die Vorinstanz die veränderten Umstände mit dem
Chronifizierungsgrad und der geringen Copingstrategien der Beschwerdegegnerin
begründet, übersieht sie, dass einzig der Umstand fehlender
Schmerzbewältigungsstrategien nichts darüber aussagt, ob und inwieweit sich der
Gesundheitszustand als solcher verändert hat. Ebenso wenig lässt sich vom
Chronifizierungsgrad - sofern sich denn eine Chronifizierung überhaupt graduell
unterscheiden lässt - darauf schliessen, ob sich das gesundheitliche Bild oder
dessen erwerbliche Auswirkungen verändert haben. Einzig darauf kommt es bei der
Frage nach dem Vorliegen eines Revisionsgrundes aber an (Urteil 9C_288/2008 vom
16. Mai 2008 E. 5).

5.3. Die vom kantonalen Gericht festgestellte Verschlechterung des
Gesundheitszustandes ist somit unhaltbar. Auf eine Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz zur Prüfung dieses Streitpunktes kann indessen abgesehen werden,
weil der Sachverhalt hinreichend liquid (vgl. BGE 136 V 362 E. 4.1 S. 366) und
vom Bundesgericht im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 BGG von Amtes wegen
festzustellen ist.

6.

6.1. Der Rentenaufhebung vom August 2009 lagen namentlich das Gutachten des Dr.
med. C.________ vom 12. September 2008 sowie der Abklärungsbericht Haushalt vom
25. Mai 2009 zugrunde. Der Psychiater diagnostizierte eine (knapp)
mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom (ICD-10 Ziff. F32.11),
Schwierigkeiten bei der kulturellen Eingewöhnung (ICD-10 Ziff. Z60.3) sowie
Probleme in der primären Bezugsgruppe, insbesondere eine Familienzerrüttung
(ICD-10 Ziff. Z63.5). Der Anamnese der damaligen Expertise lässt sich
entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin über Schmerzen am ganzen Körper, vor
allem am Kopf und im Nacken, klagte. Sie verrichtete keine Arbeiten im
Haushalt, war - abgesehen von der Familie - sozial isoliert und zog sich bei
Krisen tagelang ins Bett zurück. Diese Angaben stehen in Einklang mit jenen im
Abklärungsbericht Haushalt vom 25. Mai 2009, worin zusätzlich darauf
hingewiesen wurde, die Beschwerdegegnerin unternehme Spaziergänge mit ihrer
Tochter, wozu sie jedoch täglich angehalten werden müsse.

6.2. Gemäss der Expertise des Dr. med. D.________, Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie, vom 31. Januar 2014 leidet die Beschwerdegegnerin nach wie vor
an einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom - nun
diagnostiziert im Rahmen einer rezidivierend-depressiven Störung, im Verlauf
unterschiedlichen Schweregrades (ICD-10 Ziff. F33.11) - sowie an einer
anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.40) vor dem Hintergrund
einer akzentuierten (ängstlich-vermeidenden, selbstunsicheren und dependenten)
Persönlichkeit (ICD-10 Ziff. Z73.1). Gemäss zusätzlicher Stellungnahme des Dr.
med. D.________ vom 19. Mai 2014 ist die Beschwerdegegnerin inzwischen auf ihre
Schmerzen fixiert, was im Rahmen der Begutachtung bei Dr. med. C.________ noch
nicht der Fall gewesen sei. Nach wie vor verbringt sie viel Zeit im Bett, macht
Ausflüge mit ihrer Tochter, hat - ausserhalb der Familie - keine sozialen
Kontakte und beteiligt sich nicht an den Hausarbeiten. Sie leidet auch
weiterhin primär an starken Kopf- und Nackenschmerzen, ist müde und kraftlos
und hat keine Motivation.

6.3. Ein Vergleich der beiden Sachverhalte zeigt, dass in Bezug auf den
Tagesablauf seit jeher ein - von den beiden Gutachtern fast identisch
beschriebenes (vgl. zuvor E. 6.1 und 6.2) - tiefes Aktivitätsniveau mit Rückzug
und Schonverhalten gegeben ist. Ebenfalls prägen unverändert medizinisch nicht
angehbare krankheitsfremde Faktoren (namentlich genannt unter anderem die
geringe kulturelle und sprachliche Integration, ein sekundärer Krankheitsgewinn
sowie die subjektive Krankheitsüberzeugung) das Bild, weshalb sich sowohl Dr.
med. C.________ wie auch Dr. med. D.________ gegen weitere medizinische
Massnahmen ausgesprochen haben und lediglich eine unklare bzw. ungünstige
Prognose zu stellen vermochten. In Bezug auf die -
invalidenversicherungsrechtlich ohnehin nicht relevanten - akzentuierten
Persönlichkeitsanteile wies Dr. med. D.________ explizit darauf hin, diese
hätten bereits im Zeitpunkt der Begutachtung bei Dr. med. C.________ bestanden,
seien von diesem aber nicht festgehalten worden. Ebenso sei damals dem
Chronifizierungsgrad nicht Rechnung getragen worden. Als neu gegenüber dem
Gutachten C.________ beschrieb Dr. med. D.________ einzig eine Fixierung auf
die Schmerzen. Eine Verschlechterung ist in dieser Schmerzfixierung nicht zu
erblicken, nachdem die Beschwerdegegnerin seit jeher Schmerzen am ganzen Körper
beklagt, primär bezogen auf Nacken und Kopf. Dass es früher zu schmerzfreien
Phasen gekommen wäre, geht aus den Akten nicht hervor. Nichts anderes hat in
Bezug auf das depressive Geschehen zu gelten: Beide Gutachter beschreiben
lediglich graduell unterschiedliche Schweregrade im Verlaufe der Zeit, ohne
dass es dabei je zu einer (zwischenzeitlichen) Remission gekommen wäre. Im
jeweiligen Gutachtenszeitpunkt gehen beide Experten von einem (knapp)
mittelschweren Geschehen aus.

6.4. Im Ergebnis beschränkt sich die Expertise des Dr. med. D.________ darauf,
trotz im Wesentlichen unverändert gebliebenem Gesundheitszustand eine
somatoforme Schmerzstörung zu diagnostizieren und die Arbeitsfähigkeit anders
einzuschätzen. Eine relevante Gesundheitsverschlechterung, d.h. eine solche,
die den Rentenanspruch berührt (vgl. BGE 141 V 9 E. 5.2; Urteil 9C_754/2014 vom
11. Juni 2015 E. 4.2), ist darin nicht zu erblicken. Weil es damit an einem
Revisionsgrund fehlt, bleibt kein Raum für eine in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht umfassende Prüfung des Rentenanspruchs.

7. 
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der
Beschwerde gegenstandslos.

8. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin
grundsätzlich die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihrem Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege kann - im Sinne der Kostenbefreiung - jedoch
entsprochen werden (Art. 64 BGG). Eine unentgeltliche Verbeiständung entfällt
indessen, da ihre Vertretung durch eine Institution der öffentlichen
Sozialhilfe erfolgt (Urteil 9C_30/2014 vom 6. Mai 2014 E. 3.2 mit Hinweis auf
BGE 126 V 11 E. 5 S. 13). Die Beschwerdegegnerin hat der Bundesgerichtskasse
Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 30. Oktober 2015
wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Bern vom 3.
Dezember 2014 bestätigt.

2. 
Der Beschwerdegegnerin wird die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der
Befreiung von den Gerichtskosten gewährt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. April 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Williner

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