Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 84/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_84/2015

Verfügung vom 17. März 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Meyer, als Einzelrichter,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Armin Linder,
Beschwerdeführer,

gegen

AXA Stiftung Berufliche Vorsorge, c/o AXA Leben AG, Paulstrasse 9, 8400
Winterthur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge (Gegenstandslosigkeit),

Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Versicherungsgerichts des Kantons
St. Gallen vom 17. Dezember 2014.

Sachverhalt:
Am 3. Dezember 2012 reichte A.________ beim Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen Klage gegen die AXA Stiftung Berufliche Vorsorge ein und beantragte
die Zusprechung von Leistungen (Invalidenrente, Kinderrente,
Beitragsbefreiung).

Am 26. Februar 2014 erhob A.________ beim selben Gericht Klage gegen die AXA
Versicherungen AG und beantragte, diese sei zu verpflichten, ihm die aus der
Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung geschuldeten
Krankentaggelder im Betrag von total    Fr. 198'674.-- zuzüglich 5 %
Verzugszins ab gewichtetem mittleren Verfall auszuzahlen.

Am 22. Mai 2014 sistierte das kantonale Versicherungsgericht das Verfahren
betreffend Leistungen der beruflichen Vorsorge bis zum rechtskräftigen
Entscheid im Verfahren betreffend Krankentaggelder.

Mit Zwischenentscheid vom 19. Juni 2014 stellte das Gericht fest, dass die
Forderung des Klägers auf Leistungen aus Zusatzversicherung (Krankentaggelder)
bei Klageerhebung nicht verjährt gewesen sei, wogegen die AXA Versicherungen AG
am 25. August 2014 beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen einreichte.

Mit Zwischenentscheid vom 17. Dezember 2014 verlängerte das kantonale
Versicherungsgericht die Sistierung des Verfahrens betreffend Leistungen der
beruflichen Vorsorge bis zum rechtskräftigen Entscheid des Verfahrens
betreffend Krankentaggelder, wogegen A.________ am 2. Februar 2015 Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw. subsidiäre Verfassungsbeschwerde
erhoben hat.

Mit Urteil 4A_471/2014 vom selben Tag hat das Bundesgericht die Klage vom 26.
Februar 2014 wegen Verjährung der geltend gemachten Taggeldforderungen
abgewiesen.

Erwägungen:

1. 
Mit dem Urteil 4A_471/2014 vom 2. Februar 2015 ist der Sistierungsgrund im
hängigen Prozess betreffend Leistungen der beruflichen Vorsorge weggefallen.
Die am selben Tag - vor Eröffnung dieses Erkenntnisses - eingereichte
Beschwerde gegen den Sistierungsentscheid vom 17. Dezember 2014 ist somit
gegenstandslos.

2. 
Der Instruktionsrichter entscheidet als Einzelrichter über die Abschreibung von
Verfahren zufolge Gegenstandslosigkeit, Rückzugs oder Vergleichs (Art. 32 Abs.
2 BGG). Er erklärt den Rechtsstreit (allenfalls nach Vernehmlassung der
Parteien) ohne weitere Parteiverhandlung als erledigt und entscheidet mit
summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor
Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 72 BZP i.V.m. Art. 71 BGG).

Dem Instruktionsrichter steht beim Entscheid über die Prozesskosten ein weites
Ermessen zu. Es ist in erster Linie auf den mutmasslichen Verfahrensausgang
abzustellen. Dabei geht es nicht darum, die Prozessaussichten im Einzelnen zu
prüfen und dadurch weitere Umtriebe zu verursachen. Es muss bei einer
summarischen Beurteilung der Aktenlage sein Bewenden haben, bei der nicht auf
alle Rügen einzeln und detailliert einzugehen ist. Auf dem Weg über den
Kostenentscheid soll nicht ein materielles Urteil gefällt und unter Umständen
der Entscheid in einer heiklen Rechtsfrage präjudiziert werden. Lässt sich der
mutmassliche Ausgang des Verfahrens nicht ohne Weiteres feststellen, ist auf
allgemeine prozessrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Danach wird in erster
Linie jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, die das gegenstandslos
gewordene Verfahren veranlasst hat oder bei der die Gründe eingetreten sind,
die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben (Urteil 4A_364/2014
vom 18. September 2014 E. 3 mit Hinweisen; Matthias Härri, in: Basler
Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 21 zu Art. 32 BGG).

3. 

3.1. Der Beschwerdeführer rügt in seiner Eingabe vom 2. Februar 2015
ausdrücklich eine Rechtsverzögerung. Seine diesbezüglichen Vorbringen können
nicht als offensichtlich unbegründet bezeichnet werden, sodass auf die
Beschwerde einzutreten gewesen wäre (BGE 135 III 127 E. 1.3 S. 129; Urteil
1B_362/2014 vom 9. Februar 2015 E. 1.3; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts
B 5/05 vom 17. Juli 2006 E. 3.2, in: SVR 2007 BVG Nr. 21 S. 72).

3.2.

3.2.1. Die Vorinstanz hat die Verfahrenssistierung im Wesentlichen damit
begründet, gemäss Ziff. 20.3 Abs. 3 des Vorsorgereglements verkürze sich die
vereinbarte Wartefrist von 24 Monaten betreffend Vorsorgeleistungen bei
kürzerer Taggelddauer entsprechend. Damit werde der Anspruchsbeginn von
Leistungen aus beruflicher Vorsorge mit jenen aus Krankentaggeldversicherung
koordiniert. In Bezug auf den Rentenbeginn sei somit das Ende des
Krankentaggeldanspruchs anspruchsbegründend. Über den Beginn der
Leistungsansprüche aus beruflicher Vorsorge könne daher erst entschieden
werden, wenn der Anspruch auf Leistungen aus Krankentaggeldversicherung
rechtskräftig beurteilt sei. Der Erlass eines Teilurteils über den Anspruch des
Klägers auf Leistungen aus beruflicher Vorsorge erst ab dem 25. Monat nach
Eintritt einer allfälligen Arbeitsunfähigkeit erscheine in Anbetracht der
unterschiedlichen Positionen der Parteien in praktisch sämtlichen Punkten nicht
sinnvoll, da dadurch wahrscheinlich keine Verfahrensbeschleunigung erreicht
werden könne.

3.2.2. Das erstinstanzliche Verfahren in Streitigkeiten zwischen
Vorsorgeeinrichtungen und Anspruchsberechtigten hat einfach und rasch zu sein
(Art. 73 Abs. 1 und 2 BVG). Der Prozess ist daher nur in Ausnahmefällen zu
sistieren, etwa wenn im gleichen Sachzusammenhang ein anderes Verfahren hängig
ist, dessen Ausgang von präjudizieller Bedeutung ist (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts B 5/05 vom    17. Juli 2006 E. 3.4, in: SVR 2007 BVG Nr.
21 S. 72). Der Beschwerdeführer bestreitet einen solchen Konnex im Verhältnis
zwischen (Taggeld-) Leistungen aus Zusatzversicherungen zur sozialen
Krankenversicherung nach Art. 243 Abs. 2 lit. f ZPO und (reglementarischen)
Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge. Entgegen der Auffassung der
Vorinstanz sei die Rechtskraft des Urteils in der Taggeldsache nicht
präjudiziell für die Beurteilung der Rentenklage. Dieser Schluss ergebe sich
schon daraus, dass die Rentenansprüche auch zu beurteilen wären, wenn etwa
zufolge Verjährung kein Taggeldanspruch bestünde. Es gehe um zwei voneinander
unabhängige, erledigungsfähige und erledigungsbedürftige Prozesse, welche
materiell und von der Rechtsnatur her verschiedene Ansprüche mit
unterschiedlichen tatbeständlichen Leistungsvoraussetzungen zum Gegenstand
hätten. Die Koordination habe nicht im Rahmen der beiden Gerichtsverfahren
stattzufinden, sondern sei bei Auszahlung der Leistungen zu berücksichtigen. In
dem Sinne gehe es beim Rentenstreit um eine Leistungszusprache unter Vorbehalt
der Koordination, welche sich nach Erledigung beider Prozesse von selbst
ergebe.

3.2.3. Sowohl der Standpunkt der Vorinstanz als auch derjenige des
Beschwerdeführers können nicht ohne weiteres als klar begründet bzw.
unbegründet bezeichnet werden. Darauf braucht indessen nicht weiter eingegangen
zu werden: Bei der Prüfung der Frage, ob der Anspruch auf Beurteilung innert
angemessener Frist nach Art. 29   Abs. 1 BV verletzt ist, ist auch zu
berücksichtigen, dass es dem Rechtsuchenden obliegt, im Rahmen des Zumutbaren
die zum Entscheid berufene Gerichtsbehörde, wenn nötig, darauf aufmerksam zu
machen, das Verfahren voranzutreiben oder allenfalls
Rechtsverzögerungsbeschwerde zu führen (Urteil 9C_83/2012 vom 9. Mai 2012      
E. 2.1 mit Hinweis; vgl. auch Urteil 9C_106/2013 vom 4. März 2013   E. 1.2). Im
Lichte dieser aus der prozessualen Sorgfaltspflicht und dem Grundsatz von Treu
und Glauben (BGE 125 V 373 E. 2b S. 375) abgeleiteten Regel ist vorliegend von
Bedeutung, dass der Schriftenwechsel im vorinstanzlich hängigen Streit um
Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge am 3. Juni 2013 abgeschlossen war.
Am         14. April 2014 unterbreitete die Gerichtsleitung den Parteien einen
"Prozess-Vergleich". Danach sollte in einem Teilurteil über den Anspruch des
Klägers auf Leistungen aus beruflicher Vorsorge erst ab dem 25. Monat nach
Eintritt einer allfälligen Arbeitsunfähigkeit befunden werden; die Frage nach
dem Leistungsanspruch in den 24 Monaten gemäss Ziff. 20.3 Abs. 3 des
Vorsorgereglements wäre erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils über
den Krankentaggeldanspruch zu entscheiden. Die beklagte Vorsorgeeinrichtung
lehnte den Vergleichsvorschlag ab (Eingabe vom 23. April 2014). Am 22. Mai 2014
sistierte das kantonale Berufsvorsorgegericht (formlos) das Verfahren bis zum
rechtskräftigen Entscheid im Prozess betreffend Krankentaggelder. Mit
Zwischenentscheid vom 19. Juni 2014 stellte die Vorinstanz als
Versicherungsgericht fest, dass die Krankentaggeldforderung bei Klageerhebung
nicht verjährt gewesen sei. Dagegen erhob der beklagte Versicherer am 25.
August 2014 Beschwerde in Zivilsachen. Am 17. November 2014 beantragte der
Beschwerdeführer die Fortsetzung des berufsvorsorgerechtlichen Verfahrens.
Dagegen befürwortete die Beschwerdegegnerin in ihrer Eingabe vom 3. Dezember
2014 nach wie vor die Sistierung des Verfahrens, wobei sie den von der
Gerichtsleitung ein zweites Mal vorgeschlagenen "Prozess-Vergleich" wiederum
ablehnte. Am 17. Dezember 2014 erliess die Vorinstanz den angefochtenen
Sistierungsentscheid.

Aufgrund des Verfahrensablaufs kann der Vorinstanz insofern keine
Rechtsverzögerung vorgeworfen werden, als sie sich um eine vom Beschwerdeführer
akzeptierte vermittelnde Lösung bemühte im Sinne der einstweiligen Beschränkung
des Prozessthemas (Anspruch des Klägers auf Leistungen aus beruflicher Vorsorge
erst ab dem 25. Monat nach Eintritt einer allfälligen Arbeitsunfähigkeit).
Umgekehrt hätte sich der Beschwerdeführer viel früher gegen die Suspendierung
des Verfahrens wehren können und müssen, wenn er der Auffassung war, dass der
Ausgang des Krankentaggeldstreits nicht von entscheidender Bedeutung war,
spätestens nach dem Zwischenentscheid vom 19. Juni 2014 betreffend die
Verjährungsfrage bzw. dessen Anfechtung beim Bundesgericht am 25. August 2014.
Bei Beschwerdeerhebung am    2. Februar 2015 war in diesem Verfahren (4A_471/
2014) der Schriftenwechsel längst geschlossen und die Parteien hatten sich im
Rahmen des Replikrechts am 22. Oktober und 10. November 2014 nochmals
geäussert. Es konnte somit mit einem baldigen Urteil gerechnet werden,
allenfalls sogar mit einem die Klage abweisenden Endentscheid (Art. 93 Abs. 1
lit. b BGG), womit der Sistierungsgrund dahingefallen wäre. Unter diesen
Umständen ist der Beschwerdeführer, selbst wenn man eine Rechtsverzögerung
bejahen wollte, jedenfalls als diejenige Partei zu betrachten, welche das
gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat. Er hat daher keinen Anspruch
auf Parteientschädigung. Sodann ist er grundsätzlich auch kostenpflichtig.
Praxisgemäss werden jedoch bei selbständigen Rechtsverzögerungsbeschwerden,
unter Vorbehalt der Mutwilligkeit, keine Gerichtskosten erhoben.

Demnach verfügt der Einzelrichter:

1. 
Das Verfahren wird infolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4. 
Diese Verfügung wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. März 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Einzelrichter: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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