Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 835/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_835/2015

Urteil vom 22. Dezember 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber Williner.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Bosshard,
Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Leistungen,
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 2. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1929 geborene A.________ bezog bis Ende April 2015 Ergänzungsleistungen zur
AHV-Altersrente. Auf dieses Datum hin stellte die Ausgleichskasse des Kantons
Bern die Leistungen mit der Begründung ein, er habe sein Vermögen seit Jahren
nicht wahrheitsgetreu deklariert und die Voraussetzungen zum Leistungsbezug
seien nicht mehr gegeben (Verfügung vom 13. April 2015). Mit Verfügung vom 17.
April 2015 verpflichtete die Ausgleichskasse A.________ zur Rückerstattung von
im Zeitraum zwischen April 2010 und Dezember 2014 zu viel ausgerichteten
Ergänzungsleistungen in der Höhe von Fr. 32'958.-. Auf Einsprache hin
reduzierte sie diesen Rückerstattungsbetrag um Fr. 2'106.-
(Ergänzungsleistungen für die Monate April bis Juni 2010) auf Fr. 30'852.-
(Einspracheentscheid vom 7. Juli 2015). Einer allfälligen Beschwerde gegen
diesen Entscheid entzog sie die aufschiebende Wirkung.

B. 
A.________ erhob beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Beschwerde und
beantragte, es sei von der Rückforderung der Ergänzungsleistungen abzusehen und
seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Mit Verfügung vom 2. Oktober 2015 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt primär, die Verfügung vom 2. Oktober 2015 sei aufzuheben und der
Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 7. Juli 2015 die aufschiebende
Wirkung zu erteilen. In formeller Hinsicht ersucht A.________ um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung im bundesgerichtlichen Verfahren.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit
freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen).

2.

2.1. Die Vorinstanz wies das Gesuch des Beschwerdeführers um Erteilung der von
der Ausgleichskasse zuvor entzogenen aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde
ab. Weil dieser Entscheid das Verfahren nicht abschliesst, liegt kein
Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG vor, sondern ein Vor- oder
Zwischenentscheid über die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme im Sinne von
Art. 93 BGG (BGE 137 III 324 E. 1.1 S. 327 f.). Derartige Zwischenentscheide
sind beim Bundesgericht unter anderem anfechtbar, wenn sie einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) und wenn
auch in der Hauptsache die Beschwerde an das Bundesgericht offensteht
(Grundsatz der Einheit des Prozesses; BGE 133 III 645 E. 2.2 S. 647 f.). Der
nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss
rechtlicher Natur sein, d.h. auch durch einen günstigen Endentscheid nicht mehr
behoben werden können. Eine rein tatsächliche oder wirtschaftliche Erschwernis
genügt in der Regel nicht (BGE 137 V 314 E. 2.2.1 S. 317 mit Hinweisen).
Vorsorgliche Massnahmen begründen einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil,
wenn dadurch ein bestimmtes Handeln verboten wird, welches faktisch nicht
nachträglich rückgängig gemacht werden kann. Als Beispiele können etwa ein
provisorischer Führerausweisentzug (Urteil [des Bundesgerichts] 1C_420/2007 vom
18. März 2008 E. 1, in: JdT 2008 I 466) oder allgemein Verbote, bestimmte
Handlungen vorzunehmen (vgl. Urteile [des Bundesgerichts] 4D_71/2007 vom 7.
Februar 2008 E. 1.1 und 5A_202/2007 vom 13. Juni 2007 E. 1.1
[Publikationsverbot]), genannt werden (vgl. auch BGE 134 I 83 E. 3.1 S. 86 f.;
Urteil [des Bundesgerichts] 2C_105/2012 vom 29. Februar 2012 E. 2.2.2 mit
Hinweisen). Grundsätzlich gilt, dass Zwischenentscheide, mit denen in eine
Rechtsstellung, namentlich in Grundrechte, eingegriffen wird, einen nicht
wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können, wenn dieser Eingriff faktisch
irreparabel ist (Urteil [des Bundesgerichts] 2C_105/2012 vom 29. Februar 2012
E. 2.2.2 in fine).

2.2. Praxisgemäss hat die beschwerdeführende Person im Einzelnen darzulegen,
inwiefern die Beschwerdevoraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt sind,
ansonsten, sofern deren Vorhandensein nicht auf der Hand liegt, auf die
Beschwerde mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten ist (BGE 137 III
324 E. 1.1 S. 327 ff.; 136 IV 92 E. 4 S. 95; je mit Hinweisen).

3.

3.1. Das kantonale Gericht begründete die Abweisung des Gesuchs um
Wiederherstellung der entzogenen aufschiebenden Wirkung damit, dass infolge
Aussichtslosigkeit der Beschwerde die Interessen des Beschwerdeführers in
Zusammenhang mit der fehlenden Verzinsung einer allfälligen Nachzahlung sowie
der Notwendigkeit, während der Dauer des Beschwerdeverfahrens die Sozialhilfe
in Anspruch nehmen zu müssen, nicht deutlich schwerer wiegten als das Interesse
der Verwaltung an der Vermeidung von Rückerstattungsforderungen.

3.2. Der Beschwerdeführer macht unter Hinweis auf BGE 103 V 407 (recte wohl:
BGE 130 V 407) geltend, die Vorinstanz habe Art. 97 AHVG willkürlich
angewendet, weil sie eine Rückerstattung betreffend unrechtmässig bezogener
Ergänzungsleistungen fälschlicherweise unter Art. 97 AHVG subsumiert habe.

4. 
Der Beschwerdeführer legt mit keinem Wort dar, inwiefern ihm durch den
angefochtenen Entscheid ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher
Natur drohen soll. Ein solcher liegt denn auch nicht auf der Hand, so dass er
von Amtes wegen zu berücksichtigen wäre (vgl. E. 2.2 hievor) : Es geht in dem
vor kantonalem Gericht hängigen Verfahren um die Rückerstattung unrechtmässig
bezogener Ergänzungsleistungen. Der von der Verwaltung ausgesprochene Entzug
der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 7.
Juli 2015 kann nur dann einen drohenden, nicht wieder gutzumachenden Nachteil
im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG darstellen, wenn mit der
vorinstanzlichen Bestätigung der Anordnung die Rückforderung sofort
vollstreckbar wird. Diese Rechtsfolge kann indessen nur eintreten, wenn der
Entzug des Suspensiveffekts ordentlicher Rechtsmittel gegen Verfügungen oder
Einspracheentscheide über die Rückerstattung unrechtmässig bezogener
Ergänzungsleistungen grundsätzlich zulässig ist (vgl. Urteil P 22/04 vom 13.
Juli 2004 E. 2.2.1, nicht publ. in: BGE 130 V 407, aber in: SVR 2005 EL Nr. 1
S. 1). Dies ist hier nicht der Fall, weil - wie der Beschwerdeführer richtig
einwendet - Einsprachen und Beschwerden gegen Verwaltungsakte betreffend die
Rückerstattung unrechtmässig bezogener Ergänzungsleistungen  von Gesetzes wegen
 aufschiebende Wirkung zukommt (BGE 130 V 407 E. 3.4 S. 413). Der angefochtene
Entscheid vermag somit nicht zu ändern, dass die Rückerstattung derweil nicht
vollstreckbar ist.

5. 
Die Beschwerde ist mangels eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne
von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG unzulässig, weshalb darauf nicht eingetreten
wird. Der Eintretensgrund von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG steht klarerweise nicht
zur Diskussion. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass es sich
beim angefochtenen Entscheid um eine prozessleitende Verfügung handelt. Weil
diese nicht in materielle Rechtskraft erwächst, bleibt es dem kantonalen
Gericht unbenommen, jederzeit auf den angefochtenen Entscheid zurückzukommen.

6. 
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der
Beschwerde gegenstandslos.

7. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Dezember 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Williner

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