Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 833/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_833/2015

Urteil vom 11. Juli 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
Helvetia Sammelstiftung für Personalvorsorge, St. Alban-Anlage 26, 4052 Basel,
Beschwerdeführerin,

gegen

Bafidia Pensionskasse, Entfelderstrasse 11, Postfach 2329, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin,

A.________.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
6. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ arbeitete vom 1. September 2004 bis 31. März 2005 bei der
B.________ AG und war dadurch bei der Helvetia Sammelstiftung für
Personalvorsorge (nachfolgend: Helvetia) berufsvorsorgeversichert.
Am 29. Februar 2008 überwies die Helvetia der Personalvorsorgestiftung
C.________ zugunsten von A.________ eine Austrittsleistung von Fr. 118'127.30.
Diese gelangte daraufhin über die Pensionskasse D.________ und die
Freizügigkeitsstiftung E.________ an die Bafidia Pensionskasse (nachfolgend:
Bafidia), bei welcher A.________ aufgrund eines Arbeitsverhältnisses bei der
F.________ AG inzwischen vorsorgeversichert ist.

A.b. Mit E-Mail vom 20. November 2014 gelangte die Helvetia an die
Personalvorsorgestiftung C.________. Sie informierte diese, sie habe in einer
Kontrolle festgestellt, dass sie A.________ am 1. April 2005 irrtümlich die
Freizügigkeitsleistung eines anderen Mitarbeiters in der Höhe von Fr.
103'427.10 gutgeschrieben habe. Sie ersuchte um Besprechung des weiteren
Vorgehens. In der Folge erfuhr die Helvetia, dass A.________ nicht mehr bei der
Personalvorsorgestiftung C.________, sondern bei der Bafidia vorsorgeversichert
war. Dementsprechend informierte sie auch die Bafidia über den ihr
unterlaufenen Fehler. Sie ersuchte die Bafidia um Rücküberweisung der
irrtümlich eingebauten Freizügigkeitsleistung von Fr. 103'427.10 zuzüglich Zins
(Schreiben vom 24. November 2014), worüber sie auch den Versicherten, mit
welchem sie bereits zuvor telefonisch Kontakt gehabt hatte, in Kenntnis setzte.
Die Bafidia stellte sich auf den Standpunkt, sie sei ohne Einwilligung des
A.________ nicht befugt, den Betrag rückzuvergüten, und A.________ sehe keinen
Rechtsgrund für eine Rückübertragung (E-Mail vom 12. Dezember 2014). Eine
Einigung kam nicht zustande.

B. 
Am 27. Januar 2015 erhob die Helvetia Klage mit dem Antrag, die Bafidia sei zu
verpflichten, ihr Fr. 103'427.10 zu bezahlen, zuzüglich Zins zu 5 % seit 16.
Januar 2015. A.________ wurde als Mitinteressierter zum Verfahren beigeladen.
Mit Entscheid vom 6. Oktober 2015 wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau die Klage ab.

C. 
Die Helvetia führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den
Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Bafidia zu
verpflichten, ihr Fr. 103'427.10 zu bezahlen, zuzüglich Zins zu 5 % seit 16.
Januar 2015. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Die Bafidia beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der zum Verfahren
beigeladene A.________ enthält sich eines formellen Antrags, schliesst aber
sinngemäss ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Das kantonale Gericht hielt gestützt auf die Sachverhaltsdarstellung in der
Klage und die eingereichten Beweismittel fest, dass die Helvetia dem Konto des
Versicherten am 1. April 2005 irrtümlich Fr. 103'427.10 gutschrieb und am 29.
Februar 2008 demzufolge eine um diesen Betrag zu hohe Austrittsleistung an die
Personalvorsorgestiftung C.________ überwies, welche über weitere Einrichtungen
(Pensionskasse D.________ und Freizügigkeitsstiftung E.________) schliesslich
an die Bafidia gelangte. A.________ bestreitet diesen vorinstanzlich
festgestellten Sachverhalt nicht. Die Bafidia macht geltend, sie könne dazu
nicht Stellung nehmen, weil sie in die behaupteten Vorgänge nicht involviert
gewesen sei. Die entsprechenden tatsächlichen Feststellung im angefochtenen
Entscheid sind nicht offensichtlich unrichtig und damit für das Bundesgericht
verbindlich.

3.

3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Helvetia von der Bafidia die
Rückerstattung von Fr. 103'427.10, welchen Betrag sie dem Konto des A.________
am 1. April 2005 irrtümlich gutschrieb, verlangen kann.

3.2. Dabei steht fest, dass die Helvetia bis zum Ausscheiden des Versicherten
grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, sein individuelles Konto um die
irrtümliche Eintragung - die versehentlich erfolgte Gutschrift von Fr.
103'427.10 - zu berichtigen und damit den gesetzlichen Zustand wieder
herzustellen (vgl. dazu auch BGE 130 V 414).

4.

4.1. Die Vorinstanz erwog, hinsichtlich der streitigen Rückerstattung stelle
sich in erster Linie die Frage der Passivlegitimation der Bafidia. Nach der
Rechtsprechung gemäss BGE 133 V 205 und 141 V 197 sei der beigeladene
Versicherte Gläubiger der irrtümlich gutgeschriebenen Freizügigkeitsleistung.
Der eingeklagte Anspruch auf Rückerstattung des zu Unrecht gutgeschriebenen
Betrags habe sich deshalb gegen ihn und nicht gegen die Beklagte zu richten.
Die Beklagte verwalte das ihr anvertraute Vorsorgevermögen lediglich für
Rechnung des Beigeladenen. Gestützt auf diese Überlegungen verneinte das
kantonale Gericht die Passivlegitimation der Bafidia und wies die Klage ab.

4.2. Nach Auffassung der Helvetia bedarf die Frage, welche Partei bei der
Rückforderung einer zu Unrecht überwiesenen Freizügigkeitsleistung zu belangen
sei, höchstrichterlicher Klärung. Der von der Vorinstanz beigezogene BGE 141 V
197 betreffe einen ganz anderen Sachverhalt; aus dem Urteil lasse sich für die
hier zu beurteilende Frage, ob Vorsorgeeinrichtungen Fehlbuchungen selbständig
korrigieren dürfen oder dazu die Zustimmung des Versicherten brauchen, nichts
ableiten.
Die Helvetia macht geltend, Korrekturen von Fehlbuchungen müssten gestützt auf
gesetzlich geregelte Tatbestände von Rückerstattungsansprüchen zwischen
Vorsorgeeinrichtungen wie Art. 3 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 2 FZG oder Art. 26
Abs. 4 BVG möglich sein. Die Vorsorgeeinrichtung sei die "Eigentümerin" der
Freizügigkeitsleistung und damit passivlegitimiert, wobei der Versicherte
selbstverständlich zur Stellungnahme aufgefordert und in einem Prozess
beigeladen werden könne bzw. solle. Wenn die Bestimmungen des FZG eine
genügende Rechtsgrundlage für die selbständige Rückforderung eines an eine
andere Vorsorgeeinrichtung irrtümlich überwiesenen Guthabens bildeten, könne
der Rückforderungsanspruch sich nicht nur gegen die direkt nachfolgende,
sondern gegen jede Vorsorgeeinrichtung, welche die Freizügigkeitsleistung in
diesem Zeitpunkt verwalte, richten. Auch die Verjährung stehe dem Anspruch
nicht entgegen, weil Freizügigkeitsleistungen rechtsprechungsgemäss
unverjährbar seien.

4.3. Die Bafidia stellt sich auf den Standpunkt, die Vorsorgeeinrichtung könne
eine ihr unterlaufene Falschbuchung bei einem Alterskonto nur korrigieren,
solange die versicherte Person noch bei ihr versichert sei. Mit der Überweisung
an eine neue Vorsorgeeinrichtung ändere sich dies. Die versicherte Person könne
zwar nicht frei über ihr Sparguthaben verfügen, wenn nicht ein
Barauszahlungsfall vorliege. Dennoch sei sie und nicht etwa die neue
Vorsorgeeinrichtung alleinige Gläubigerin der Austrittsleistung. Die Vorinstanz
habe deshalb zu Recht erkannt, dass sich der Rückforderungsanspruch gegen
A.________ richten müsse. Im Übrigen sei es unverständlich, dass die
Beschwerdeführerin den von ihr geltend gemachten Buchungsfehler aus dem Jahr
2005 erst im Jahr 2014 entdeckt habe. Derartige Fehler sollten korrigiert
werden können, aber nicht zeitlich unbeschränkt, sondern innerhalb der von Art.
35a BVG gesetzten Fristen.

4.4. A.________ bringt vor, er sei im Vertrauen auf die seit 2008 ausgestellten
Versicherungsausweise jeweils vom "korrekten Vorhandensein des entsprechenden
Vorsorgeguthabens" ausgegangen; er habe zu keiner Zeit Anlass gehabt, an den
Vorsorgeausweisen zu zweifeln. Es gehe nicht an, dass die Vorsorgeeinrichtung
eigene, auf Unsorgfalt zurückzuführende Fehler nach so langer Zeit zulasten
gutgläubiger Versicherter bereinige.

5.

5.1. Mit den Beiträgen, welche im Rahmen der beruflichen Vorsorge geleistet
werden, wird für den Versicherten ein individuelles Vorsorgeguthaben - das
Altersguthaben im Sinne von Art. 15 BVG - geäufnet. Dieses besteht gemäss Art.
15 Abs. 1 BVG aus den Altersgutschriften samt Zinsen für die Zeit, während
welcher der Versicherte der Vorsorgeeinrichtung angehört hat, oder längstens
bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters (lit. a) und den Altersguthaben
samt Zinsen, die von den vorhergehenden Einrichtungen überwiesen und dem
Versicherten gutgeschrieben worden sind (lit. b). Die Vorsorgeeinrichtung muss
für jeden Versicherten ein Alterskonto führen, aus dem das Altersguthaben nach
Art. 15 Abs. 1 BVG ersichtlich ist (Art. 11 Abs. 1 BVV 2 [SR 831.441.1]).

5.2. Versicherte, welche eine Vorsorgeeinrichtung verlassen, bevor ein
Vorsorgefall eintritt, haben Anspruch auf eine Austrittsleistung (Art. 2 Abs. 1
Freizügigkeitsgesetz [FZG; SR 831.42]), welche nach Art. 15 ff. FZG berechnet
wird und mit dem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung fällig wird (Art. 2 Abs.
3 FZG; BGE 129 V 440 E. 4 S. 441).
Entsprechend dem Ziel, den Vorsorgeschutz aufrechtzuerhalten, enthält das
Gesetz die folgende Regelung: Treten Versicherte in eine neue
Vorsorgeeinrichtung ein, hat die frühere Vorsorgeeinrichtung die
Austrittsleistung an die neue zu überweisen (Art. 3 Abs. 1 FZG). Versicherte,
die nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten, haben ihrer
Vorsorgeeinrichtung mitzuteilen, in welcher zulässigen Form
(Freizügigkeitspolice oder -konto; Art. 10 Abs. 1 FZV [SR 831.425]) - sie den
Vorsorgeschutz erhalten wollen (Art. 4 Abs. 1 FZG). Eine Mitwirkung der
Versicherten ist insofern vorgesehen, als sie der Vorsorgeeinrichtung vor dem
Austritt bekannt zu geben haben, an welche neue Vorsorgeeinrichtung oder an
welche Freizügigkeitseinrichtung die Austrittsleistung zu überweisen ist (Art.
1 Abs. 2 FZV). Sodann bestimmt Art. 11 Abs. 2 FZG, dass die Vorsorgeeinrichtung
die Austrittsleistung aus dem früheren Vorsorgeverhältnis sowie das
Vorsorgekapital aus einer Form der Vorsorgeschutzerhaltung für Rechnung des
Versicherten einfordern kann.
Muss die frühere Vorsorgeeinrichtung Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen
erbringen, nachdem sie die Austrittsleistung an die neue Vorsorgeeinrichtung
überwiesen hat, ist ihr diese Austrittsleistung soweit zurückzuerstatten, als
dies zur Auszahlung der Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen nötig ist
(Art. 3 Abs. 2 FZG).

5.3. Die in E. 5.2 dargelegten Bestimmungen zeigen auf, dass die Übertragung
oder Rückübertragung von Austrittsleistungen von einer Vorsorgeeinrichtung auf
eine andere als technischer Vorgang unmittelbar unter den Vorsorgeeinrichtungen
erfolgt. Eine Mitwirkung des Versicherten ist nur insofern vorgesehen, als er
bei Beendigung des Vorsorgeverhältnisses anzugeben hat, was mit der zu diesem
Zeitpunkt fällig werdenden Austrittsleistung zu geschehen hat: ob sie an eine
neue Vorsorgeeinrichtung zu übertragen ist (Art. 3 FZG), ob der Vorsorgeschutz
in anderer Form erhalten werden soll (Art. 4 FZG) oder ob ein
Barauszahlungstatbestand vorliegt (Art. 5 FZG). Gestützt auf die Angaben des
Versicherten erfolgt sodann in den hier allein interessierenden ersten beiden
Fällen die direkte versicherungstechnische Abwicklung unter den Einrichtungen.

5.4. Ist die Austrittsleistung nach Art. 3 Abs. 1 FZG durch die bisherige
Vorsorgeeinrichtung an die neue zu überweisen, so begründet dies nach der
Rechtsprechung gemäss BGE 133 V 205, auf welche sich der angefochtene Entscheid
stützt, kein eigenes Forderungsrecht der neuen Vorsorgeeinrichtung. Diese kann
nur Zahlung für den Vorsorgenehmer verlangen, mithin die Leistung auf Rechnung
des Vorsorgenehmers einfordern. Es besteht kein Gläubigerverhältnis zwischen
der neuen und der alten Vorsorgeeinrichtung; vielmehr bleibt der Versicherte
Gläubiger der Austrittsleistung (BGE 133 V 205 E. 4.6 S. 212 mit Hinweisen;
vgl. auch BETTINA KAHIL-WOLFF, in: Schneider/Geiser/ Gächter [Hrsg.],
Handkommentar zum BVG und FZG, 2010, N. 2 ff. zu Art. 11 FZG). Diese
Überlegungen führten im erwähnten BGE 133 V 205 E. 4.6 S. 211 f. zum Ergebnis,
dass die Vorsorgeeinrichtung anders als bei einer Verletzung des Art. 5 Abs. 2
FZG bei einer nach Art. 5 Abs. 1 FZG unzulässigen Barauszahlung nicht riskiert,
ein zweites Mal bezahlen zu müssen. Denn wenn sie ihre Leistung an den
Vorsorgenehmer direkt statt an die neue Vorsorgeeinrichtung erbringt, leistet
sie lediglich an eine falsche Zahlungsadresse. Die neue Vorsorgeeinrichtung
könnte nur auf Rechnung des Versicherten diejenige Leistung einfordern, welche
diesem gegenüber der bisherigen Vorsorgeeinrichtung zusteht. Der Versicherte
aber hat keinen Anspruch mehr, nachdem er selber die falsche Zahlung veranlasst
und die Austrittsleistung bereits erhalten hat; er kann weder für sich noch
zuhanden seiner allfälligen neuen Vorsorgeeinrichtung die Leistung ein zweites
Mal verlangen.
Entgegen der Vorinstanz ergibt sich aus BGE 133 V 205 indessen nichts für den
hier zu beurteilenden Fall, welcher die Rückforderung einer sich noch immer im
Vorsorgekreislauf befindenden, irrtümlich erfolgten Gutschrift und damit einen
ganz anders gelagerten Sachverhalt betrifft. Aus dem fehlenden
Gläubigerverhältnis zwischen den Vorsorgeeinrichtungen allein lässt sich nicht
bereits ableiten, dass die alte Vorsorgeeinrichtung sich für ihren
Rückforderungsanspruch an den Versicherten halten müsse. Vielmehr ist zu
prüfen, ob analog zum - unabhängig von einem Gläubigerverhältnis bestehenden -
Einforderungsrecht der neuen Vorsorgeeinrichtung für Rechnung des Versicherten
gemäss Art. 11 Abs. 2 FZG ein Rückforderungsrecht der alten Vorsorgeeinrichtung
zu Lasten der Rechnung des Versicherten besteht.

5.5. Zu Unrecht stützt sich die Vorinstanz des Weitern auf BGE 141 V 197,
welcher Entscheid den speziell geregelten, hier nicht zur Diskussion stehenden
Rückerstattungstatbestand des Art. 3 Abs. 2 FZG betrifft: In einem Fall, in
welchem eine frühere Vorsorgeeinrichtung Invalidenleistungen erbrachte, nachdem
sie die Austrittsleistung an eine Freizügigkeitseinrichtung überwiesen hatte,
stellte sich die Frage, ob die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung die
Rückerstattung der Austrittsleistung erzwingen kann bzw. muss. Das
Bundesgericht verneinte die Frage nach einer Auslegung der Bestimmung des Art.
3 Abs. 2 FZG und verwies darauf, dass der Vorsorgeeinrichtung allein die
Möglichkeit zustehe, die fehlende Rückerstattung mit einer Leistungskürzung zu
sanktionieren (Art. 3 Abs. 3 FZG).

5.6. Nach dem Gesagten steht fest, dass sich die Frage der Passivlegitimation -
entgegen dem angefochtenen Entscheid - gestützt auf die von der Vorinstanz
beigezogene bisherige Rechtsprechung nicht beantworten lässt.

6.

6.1. Der Rückerstattungspflicht unterliegen zu Unrecht - d.h. ohne gesetzlichen
oder bei nachträglich weggefallenem Grund - ausgerichtete Leistungen im Sinne
der Art. 13 ff. BVG (vgl. RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen
Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl. 2006, § 7 N. 88). Bis zum Inkrafttreten der
1. BVG-Revision waren zu Unrecht bezogene Leistungen nach reglementarischer
Grundlage und beim Fehlen einer solchen subsidiär nach den Bestimmungen über
die ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62 ff. OR) zurückzuerstatten (BGE 130
V 414 E. 2 S. 417; 128 V 50; vgl. auch ULRICH MEYER, Die Rückerstattung von
Sozialversicherungsleistungen, in: Ausgewählte Schriften, Thomas Gächter
[Hrsg.], 2013, S. 141 ff., 161 f.). Mit der Einführung des Art. 35a BVG (vgl.
dazu Botschaft zur Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG] vom 1. März 2000, BBl 2637 ff.,
2692) wurde im BVG erstmals eine gesetzliche Grundlage für die Rückerstattung
zu Unrecht bezogener Leistungen geschaffen:
Nach Art. 35a BVG sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Von
der Rückforderung kann abgesehen werden, wenn der Leistungsempfänger gutgläubig
war und die Rückforderung zu einer grossen Härte führt (Abs. 1). Der
Rückforderungsanspruch verjährt mit Ablauf eines Jahres, nachdem die
Vorsorgeeinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit Ablauf von
fünf Jahren seit der Auszahlung der Leistung (Abs. 2 erster Satz). Art. 35a BVG
ist auf die obligatorische und die weitergehende Vorsorge anwendbar (Art. 49
Abs. 2 Ziff. 4 BVG).

6.2. Die Bestimmung des Art. 35a BVG ist gegenüber anderen
Rückerstattungstatbeständen des BVG abzugrenzen (wie z.B. Art. 53e BVG
betreffend die Rückzahlung des Deckungskapitals bei Kündigung des
Versicherungsvertrags zwischen Vorsorgeeinrichtung und Versicherer etc.). Sie
bezieht sich nach ihrer Zielsetzung und systematischen Stellung im 6. Kapitel,
welches gemeinsame Bestimmungen für Vorsorgeleistungen im Sinne der Art. 13 ff.
BVG enthält, auf Vorsorgeleistungen im engen Sinne, d.h. auf Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenrenten (KAHIL-WOLFF, a.a.O., Rz. 1 und 5 zu Art.
35a BVG).

6.3. Freizügigkeitsleistungen dienen der Erhaltung des Vorsorgeschutzes und
damit ebenso der beruflichen Vorsorge. Sie stellen indessen keine Leistungen im
versicherungsrechtlichen und -technischen Sinne (wie Alters-, Hinterlassenen-
oder Invalidenrenten) dar, sondern sind die erworbene Finanzierungsgrundlage
für allfällig künftig entstehende Versicherungsleistungen (BGE 127 V 315 E. 3b
S. 318; HÜRZELER/BRÜHWILER, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR],
Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 2129 Rz. 168 und S. 2147 Rz. 221). Eine
direkte Anwendung der Bestimmung des Art. 35a BVG auf sie fällt nicht in
Betracht, weil eine entsprechende ausdrückliche Verweisung in Art. 25 FZG
fehlt. Aus Gründen der Einheitlichkeit rechtfertigt es sich aber, für die
Rückabwicklung von unrechtmässig erfolgten Überweisungen von
Austrittsleistungen an eine neue Vorsorgeeinrichtung Art. 35a BVG analogieweise
beizuziehen (vgl. KAHIL-WOLFF, a.a.O., Rz. 5 zu Art. 35a BVG; RIEMER/
RIEMER-KAFKA, a.a.O., § 7 N. 88).

6.4. Rückerstattungspflichtig gemäss Art. 35a Abs. 1 BVG ist der
Leistungsempfänger, wie sich aus Satz 2 der Bestimmung ergibt. Die
Rückerstattungspflicht trifft somit den Leistungsbezüger, gegebenenfalls seinen
gesetzlichen Vertreter, und im Fall des Todes seine Erben. Auch Drittpersonen
oder Behörden, an welche die Leistungen in rechtlich zulässiger Weise
ausbezahlt worden sind, können unter Umständen rückerstattungspflichtig sein
(z.B. bei Drittauszahlung von Kinderrenten; vgl. Art. 17 und 25 BVG). Anders
verhält es sich bei Drittpersonen (wie z.B. bei Banken), welche die Leistungen
lediglich im Auftrag des Berechtigten als Inkasso- oder Zahlstelle
entgegennehmen: Da diese keine Rechte und Pflichten (insbesondere keine
Meldepflicht) aus dem Vorsorgeverhältnis haben, rechtfertigt es sich nicht, sie
als rückerstattungspflichtig zu betrachten (BGE 110 V 10 E. 2b S. 14 f.;
KAHIL-WOLFF, a.a.O., Rz. 7 zu Art. 35a BVG; MEYER, a.a.O., S. 146). Mit Blick
auf die Rechte und Pflichten, welche die Vorsorgeeinrichtungen im Zusammenhang
mit der Überweisung von Freizügigkeitsleistungen beim Aus- und Eintritt eines
Versicherten haben (vgl. dazu E. 5.1-5.3 hiervor), kann die
Vorsorgeeinrichtung, die eine Freizügigkeitsleistung eines neu bei ihr
eintretenden Versicherten entgegennimmt, nicht als blosse Inkasso- oder
Zahlstelle betrachtet werden. Auch sie trifft damit grundsätzlich eine
Rückerstattungspflicht, ebenso wie sämtliche weiteren Vorsorgeeinrichtungen, an
welche eine entsprechende Freizügigkeitsleistung in der Folge übertragen wird.
Rückerstattungspflichtig ist damit die Vorsorgeeinrichtung, bei welcher sich
das Guthaben befindet.

6.5. Eine Anwendung dieser Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt
ergibt, dass eine Rückerstattungspflicht grundsätzlich auch die Bafidia trifft,
welche als neue Vorsorgeeinrichtung die (diese beinhaltende) Austrittsleistung
des Versicherten nach verschiedenen anderen (Vorsorge- und Freizügigkeits-)
Einrichtungen bei seinem Eintritt entgegennahm. Damit ist die
Passivlegitimation der Bafidia, entgegen dem angefochtenen Entscheid, zu
bejahen.

7.

7.1. Gemäss Art. 35a Abs. 2 Satz 1 BVG verjährt der Rückforderungsanspruch mit
Ablauf eines Jahres, nachdem die Vorsorgeeinrichtung davon Kenntnis erhalten
hat, spätestens aber mit Ablauf von fünf Jahren seit der Auszahlung der
Leistung. Bei der relativen einjährigen und der absoluten fünfjährigen Frist
zur Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs handelt es sich um
Verjährungsfristen im obligationenrechtlichen Sinne (BGE 142 V 20 E. 3.3 S.
25). Als solche können sie, im Unterschied zu Verwirkungsfristen, unterbrochen
werden (BGE 142 V 20 E. 2 S. 21 f.; BASILE CARDINAUX, Die Verjährung der
Berufsvorsorgeleistungen: Eine Bestandesaufnahme und ein Ausblick, in: Ueli
Kieser/Hans-Ulrich Stauffer [Hrsg.], BVG-Tagung 2013, Aktuelle Fragen der
beruflichen Vorsorge, S. 98; vgl. auch André Pierre Holzer, Verjährung und
Verwirkung der Leistungsansprüche im Sozialversicherungsrecht, Diss. Freiburg
2005, S. 72 ff.).

7.2. Zu welchem Zeitpunkt die Vorsorgeeinrichtung Kenntnis vom
Rückforderungsanspruch erhalten hat, was für den Beginn der einjährigen
relativen Verjährungsfrist entscheidend ist, kann offen gelassen werden, weil
der Anspruch jedenfalls zufolge Ablaufs der fünfjährigen absoluten Frist
verjährt ist: Letztere Frist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem die
Vorsorgeeinrichtung, welche die irrtümliche Gutschrift vornahm, die (diese
beinhaltende) Austrittsleistung an eine neue Vorsorge- oder eine
Freizügigkeitseinrichtung überweist. Dies war hier am 29. Februar 2008 der
Fall, als die Helvetia die Freizügigkeitsleistung des Beigeladenen an die
Personalvorsorgestiftung C.________ übertrug. Verjährungsunterbrechende
Handlungen sind weder ersichtlich noch geltend gemacht. Als die Helvetia im
November 2014 um Rückerstattung ersuchte, war ihr Anspruch mithin bereits
verjährt.

7.3. Zusammenfassend ergibt sich, dass die von der Helvetia gegen die Bafidia
am 27. Januar 2015 angehobene Klage auf Rückerstattung des A.________
irrtümlich gutgeschriebenen Betrages zufolge Verjährung abzuweisen ist.

8. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). Der
beschwerdegegnerischen Pensionskasse steht keine Parteientschädigung zu (Art.
68 Abs. 3 BGG; Urteil 9C_920/2008 vom 16. April 2009 E. 7 mit Hinweisen, nicht
publ. in: BGE 135 V 163, aber in: SVR 2009 BVG Nr. 30 S. 109).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, A.________, dem Versicherungsgericht des
Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 11. Juli 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann

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