Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 831/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_831/2015

Urteil vom 7. Dezember 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Margot Benz,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, St. Gallerstrasse
11, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
2. September 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ (geb. 1963), verheiratet, Mutter zweier erwachsener Kinder, gelernte
Büroangestellte und seit 2006 selbstständigerwerbende Gastwirtin des
Restaurants B.________, war auf Grund eines Gutachtens der Medizinischen
Abklärungsstelle (MEDAS) vom 25. September 2009 wegen Depressionen bei einem
Invaliditätsgrad von 63 % ab Juni 2009 in den Genuss einer
Dreiviertels-Invalidenrente gelangt (Mitteilung des Beschlusses der IV-Stelle
des Kantons Thurgau vom 20. Juni 2011). Die im anfangs Mai 2013 eingeleiteten
Rentenrevisionsverfahren eingeholte Expertise der C.________, vom 17. Februar
2014 schätzte die Arbeitsfähigkeiten als Wirtin mit 50 % und in einer
Verweisungstätigkeit mit 70 % ein. In der Annahme, der Versicherten sei die
Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit als Wirtin zumutbar, hob die
IV-Stelle die Rente daraufhin, nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens,
gestützt auf einen Tabellenlohnvergleich (Invaliditätsgrad neu 30 %) zum 31.
März 2015 revisionsweise auf (Verfügung vom 3. Februar 2015).

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau als Versicherungsgericht mit Entscheid vom 2. September 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
einreichen mit dem Antrag, es sei ihr, unter Aufhebung des kantonalen
Gerichtsentscheids, ab 1. April 2015 eine halbe Invalidenrente zuzusprechen;
eventualiter sei die Sache an die IV-Stelle zur Vornahme ergänzender
Abklärungen zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Die vorinstanzlich bestätigte Revisionsverfügung, welche den Rentenanspruch zum
31. März 2015 beendet, beruht auf dem Gutachten der C.________ vom 17. Februar
2014. Die Beschwerdeführerin rügt (Beschwerde S. 3 - 8 Ziff. 13, 14, 16 - 19)
im Einzelnen (dazu E. 2.2 hienach), die Schätzung der C.________ der
Arbeitsfähigkeit im Beruf als Wirtin einerseits (50 %), in zumutbaren
Verweisungstätigkeiten andererseits (70 %), leuchte nicht ein. Dass der
medizinische Sachverständige die Folgen der diagnostizierten Leiden
widerspruchsfrei und nachvollziehbar abschätzt, ist nach der Rechtsprechung
unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer beweiswertigen Expertise (BGE
134 V 231 E. 5.1 S. 232 mit Hinweis) im Rahmen der gebotenen freien
Beweiswürdigung durch die rechtsanwendende Stelle, Verwaltung oder Gericht (BGE
140 V 193 E. 3.2 S. 195 f. und 290 E. 3.3.2 S. 297). Die erhobene Rüge ist
somit rechtlicher Natur und vom Bundesgericht folglich frei zu prüfen (Art. 95
lit. a BGG), wovon die Beschwerde zutreffend ausgeht.

2.

2.1. Die in der Beschwerde beanstandeten Passagen im Gutachten der C.________
lauten wie folgt (S. 20 f.) :

"Zusammenfassendes Belastungsprofil (aus allen Fachgebieten)

Die Versicherte ist in der Lage, leichte rückenadaptierte Arbeiten auszuführen.
Sie muss Tätigkeiten in Zwangshaltungen für die Halswirbelsäule und für den
Kopf sowie für die Lendenwirbelsäule meiden. Repetitive Bewegungsanforderungen
an die Hals- oder Lendenwirbelsäule sind ebenfalls unerwünscht. Arbeiten in
Zwangshaltungen wie vornübergebeugt, stehend, kniend, hockend, kauernd aber
auch längere Tätigkeiten am Bildschirm sind ebenfalls nicht erlaubt.

Durch die Angststörung sind die Aussenaktivitäten erheblich beeinträchtigt.
Eine Tätigkeit ist wie zurzeit im häuslichen, subjektiv geschützten Rahmen als
Wirtin möglich. Auch dem vermehrten Bedürfnis nach Pausen wird durch diese
Tätigkeit Rechnung getragen. Die Sozialkompetenz ist durch die Angststörung
erheblich beeinträchtigt, die Selbstkompetenz ist intakt.

(...)

Gesamtbeurteilung der Arbeitsfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit

Die Versicherte kann als Wirtin mit Berücksichtigung der Tätigkeiten im Service
und in der Küche noch halbtags arbeiten.

Somit besteht bei dieser versicherten Person eine Arbeitsfähigkeit in der
Grössenordnung 50 %.
Gesamtbeurteilung der Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit

In einer, dem oben geschilderten Anforderungsprofil entsprechenden, Tätigkeit
kann diese Versicherte 6 Stunden/Tag arbeiten ohne Minderung der
Leistungsfähigkeit.

Somit besteht bei dieser versicherten Person eine Arbeitsfähigkeit in der
Grössenordnung von 70 %." 

2.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet die vorinstanzliche Auffassung, wonach
die Expertise der C.________ die Beweiswertkriterien erfüllt. Denn die
Beschreibung der Verweistätigkeit sei "deckungsgleich mit der bisherigen
Tätigkeit als Wirtin. Da die Aussenaktivitäten und die Sozialkompetenz
erheblich beeinträchtigt sind, ist nur eine Tätigkeit wie zurzeit im
häuslichen, subjektiv geschützten Rahmen als Wirtin möglich. Durch diese
Rückverweisung auf die bisherige Tätigkeit als Wirtin erscheint die
gesamtgutachterliche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit in einer
Verweistätigkeit mit 70 % nicht plausibel. Einerseits wird die Arbeitsfähigkeit
in der bisherigen Tätigkeit als Wirtin mit 50 % festgelegt und andererseits mit
70 %"; das Gutachten der C.________ könne nur dann als nachvollziehbar
bezeichnet werden, wenn "die Verweistätigkeit mit der bisherigen Tätigkeit
gleichgesetzt (...) und von einer 50%igen Erwerbsfähigkeit" (recte:
Arbeitsfähigkeit) "ausgegangen wird". Indem die Vorinstanz dementgegen, so die
Beschwerdeführerin weiter, gestützt auf die Stellungnahme des Regionalen
Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 2. Dezember 2014 auf eine Einschränkung als
Wirtin aus psychiatrischer Sicht von lediglich 30 %, was einer Arbeitsfähigkeit
von - allgemein - 70 % entspreche, schliesse, verfalle sie in Willkür, da dies
unvereinbar sei mit der psychiatrisch attestierten "erheblichen
Beeinträchtigung der Aussenaktivitäten"; die vorinstanzlich angeführten
Tätigkeiten in einem - ausserhäuslichen - 'subjektiv geschützten Rahmen' seien
unrealistisch, da sie wegen ihrer Angststörung und der emotionalen Instabilität
nicht vermittelbar sei; es stünden ihr nur Tätigkeiten in sehr eingeschränkter
Form, z.B. in einer geschützten Arbeitsstätte in einer sozialen Organisation,
d.h. im zweiten Arbeitsmarkt, offen (Berufung auf das Urteil 8C_652/2014 vom 9.
Januar 2015). Ferner könne sie nur gelegentlich am Bildschirm arbeiten. Die
vorinstanzliche Bemerkung, sie verfüge als Gastwirtin über eine ausreichende
Sozialkompetenz im Umgang mit den Gästen, widerspreche dem Gutachten der
C.________. Bei der Umschreibung des Arbeitsprofils sei der psychiatrische
Gutachter offensichtlich davon ausgegangen, dass sie weiterhin im Restaurant
als Selbstständigerwerbende tätig sein würde, ansonsten er sich mit dem im
Rahmen der Schadenminderungspflicht erheblichen Belastungsprofil anders
auseinandergesetzt hätte. Mangels Alternativen einer Verweistätigkeit führe die
(50%ige) Arbeitsunfähigkeit als Wirtin zu einer entsprechenden
Erwerbsunfähigkeit, woraus sich im Rahmen eines Einkommensvergleichs ein
Invaliditätsgrad von 50 % ergebe. Eventualiter sei das Gutachten der C.________
für die Ermittlung des erwerblich nutzbaren Leistungsvermögens als
Unselbstständigerwerbende zu ergänzen.

2.3 Diese auf den ersten Blick nicht leicht zu entkräftende Argumentation lässt
indes den entscheidenden Umstand ausser Acht, dass sich der psychiatrische
Teilgutachter der C.________, Dr. med. D.________, Facharzt für Psychiatrie, 
nach seiner Untersuchung der Beschwerdeführerin am 29. November 2013 - welche
ihn die Diagnose (u.a.) "Generalisierte Angststörung (F41.1) " stellen liess -
und  nach seiner Umschreibung des Belastungsprofils und der
Arbeitsfähigkeitsschätzung in der bisherigen Tätigkeit ausdrücklich  auch zur
"Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit" äusserte: "Für Verweistätigkeiten
beträgt die Präsenzzeit 70 % (6 Stunden pro Tag) und die Leistungsfähigkeit 100
%, somit besteht eine Arbeitsfähigkeit von 70 %". Damit ist der
Betrachtungsweise der Beschwerdeführerin und insbesondere ihrer Annahme, der
Psychiater sei von einer Fortsetzung der Wirtetätigkeit ausgegangen, der Boden
entzogen. Eine 70%ige Restarbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
ist, trotz erheblich limitierender, ärztlich diagnostizierter und
berücksichtigter Angststörung (sowie rezidivierender depressiver Störung),
nachvollziehbar ausgewiesen. Ein Widerspruch zur Arbeitsfähigkeit von bloss 50
% als Wirtin besteht nicht, ist doch diese weitergehende Einschränkung, wie die
Beschwerdeführerin selber einräumt, auf die (etwas verschlimmerten)
orthopädischen Befunde zurückzuführen, welche sich im anstrengenden Metier
einer Gastwirtin fraglos stärker bemerkbar machen als in einer angepassten
unselbstständigen Verweistätigkeit.

Da die vorinstanzlich bestätigte Zumutbarkeit eines Berufswechsels ausser mit
dem nach dem Gesagten widerlegten Einwand fehlender Eingliederungswirksamkeit
nicht mehr und die Invaliditätsbemessung (im Revisionsfall) sonst gar nicht
bestritten wird, erübrigen sich Weiterungen. Die Beschwerde ist unbegründet.

3. 
Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Dezember 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl

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