Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 827/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_827/2015

Urteil vom 2. März 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Hermann Just,
Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse Schreiner, Gladbachstrasse 80, 8044 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 18. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ ist der Ausgleichskasse Schreiner, Zürich (nachfolgend:
Ausgleichskasse), als selbstständig Erwerbender angeschlossen. Am 17. Februar
2014 verfügte die Ausgleichskasse über die persönlichen Beiträge des A.________
für das Jahr 2010, gestützt auf die von der zuständigen Steuerbehörde für die
direkte Bundessteuer gemeldeten Zahlen. Im anschliessenden Einspracheverfahren,
in welchem A.________ das Rechtsbegehren stellte, es sei das Erwerbseinkommen
für das Jahr 2010 auf Null zu setzen, beantragte die Ausgleichskasse bei der
Steuerverwaltung die Prüfung des in der AHV-Meldung 2010 ausgewiesenen
Einkommens sowie des Eigenkapitals. Die Steuerverwaltung erstellte am 8. April
2014 eine hinsichtlich Eigenkapital korrigierte Meldung, das beitragspflichtige
Einkommen blieb unverändert. Mit Einspracheentscheid vom 7. Mai 2014 wies die
Ausgleichskasse die Einsprache von A.________ "hinsichtlich des Begehrens
vollumfänglich ab". Die Einsprache finde aber "aufgrund des neu zu
berücksichtigenden Eigenkapitals eine entsprechende Berücksichtigung". Sie wies
auf eine mit gleicher Post zugestellte rektifizierte Beitragsverfügung 2010
hin, welche sie gleichentags erlassen hatte.

B. 
A.________ beantragte mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden die Aufhebung des Einspracheentscheids sowie der "Gegenstand des
Entscheides bildenden Verfügung vom 17. März 2014 (recte: 17. Februar 2014)
betreffend AHV-Beitrag 2010". Zudem sei das Verfahren zu sistieren, bis über
die Einsprache gegen die Verfügung vom 7. Mai 2014 entschieden sei. Das
kantonale Gericht wies die Beschwerde mit Entscheid vom 18. August 2015 ab,
soweit es darauf eintrat.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei festzustellen, dass
die dem angefochtenen Entscheid und dem Einspracheentscheid zu Grunde liegende
Verfügung vom 17. Februar 2014 widerrufen worden sei. In verfahrensrechtlicher
Hinsicht sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Das kantonale Gericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die
Ausgleichskasse schliesst sinngemäss ebenfalls auf Beschwerdeabweisung. Dem
Begehren um aufschiebende Wirkung sei zu entsprechen.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III
136 E. 1.4 S. 140).

2. 
Streitig ist einzig, ob das kantonale Gericht das Vorgehen der
Beschwerdegegnerin zu Recht schützte, welche Einkommen und in den Betrieb
investiertes Eigenkapital als massgebende Berechnungsgrundlagen für die
Beitragshöhe in zwei separaten Verfügungen festgelegt hatte. Weil die
Vorinstanz zwar von einer unzulässigen Erweiterung des Rechtsbegehrens ausging,
dieses aber dennoch behandelte, erübrigen sich entsprechende Weiterungen.
Immerhin scheint das kantonale Gericht übersehen zu haben, dass der
Beschwerdeführer bereits in seiner Beschwerdeschrift vom 6. Juni 2014
Ausführungen zur Gegenstandslosigkeit der ersten Verfügung vom 17. Februar 2014
gemacht und explizit um Sistierung des Verfahrens bis zum Entscheid über die
Einsprache gegen die Verfügung vom 7. Mai 2014 ersucht hatte.

2.1. Die Vorinstanz erwog, Gegenstand des auf die Verfügung vom 17. Februar
2014 folgenden Einspracheverfahrens sei lediglich das Einkommen, nicht aber das
im Betrieb investierte Eigenkapital gewesen. Die Höhe des der Verfügung vom 17.
Februar 2014 zu Grunde liegenden Einkommens habe die Beschwerdegegnerin im
Einspracheentscheid vom 7. Mai 2014 zu Recht bestätigt. Mit Bezug auf das im
Betrieb investierte Eigenkapital habe die Beschwerdegegnerin, gestützt auf eine
(teil-) korrigierte Meldung des Steueramtes, richtigerweise eine neue Verfügung
erlassen. Eine Korrektur im Einspracheentscheid hätte dazu geführt, dass dem
Beschwerdeführer eine Instanz verloren gegangen wäre. Gegen die korrigierte
Verfügung vom 7. Mai 2014 habe der Beschwerdeführer denn auch wiederum
Einsprache erhoben.

2.2. Der Beschwerdeführer bringt, wie bereits im kantonalen Beschwerdeverfahren
vor, mit Erlass der Verfügung vom 7. Mai 2014 sei die vorangehende Verfügung
für dieselbe Periode ausdrücklich ersetzt worden. Damit sei das die
ursprüngliche Verfügung vom 17. Februar 2014 betreffende Einspracheverfahren
gegenstandslos geworden und hätte abgeschrieben werden müssen. Die Verfügung
vom 7. Mai 2014 sei nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens gewesen,
das diesbezügliche Einspracheverfahren sei nach wie vor hängig.

3. 
Streitgegenstand im verwaltungs- wie auch im vorinstanzlichen Verfahren war die
Höhe der persönlichen Beiträge des Beschwerdeführers für das Jahr 2010. Diese
Beiträge berechnen sich gestützt auf das Erwerbseinkommen unter Gewährung
insbesondere eines Zinsabzuges für das im Betrieb investierte Eigenkapital
(Art. 8 und 9 AHVG sowie Art. 22 und 23 AHVV). Erwerbseinkommen und im Betrieb
investiertes Eigenkapital bilden somit Einzelkomponenten der
Beitragsberechnung. Solche Teilaspekte sind einer Aufspaltung in mehrere
selbstständige Verfügungen nicht zugänglich. Es handelt sich nicht um
selbstständig zur Entscheidung geeignete Teile eines teilbaren
Streitgegenstandes, die durch Teilverfügung einen abtrennbaren Verfahrensteil
abzuschliessen vermöchten (vgl. BGE 132 III 785 E. 2 S. 789 f.). Sie sind denn
auch bezüglich Rechtskraft nicht separierbar (BGE 122 V 351 E. 4b S. 356).

Selbst wenn der Beschwerdeführer mit Einsprache vom 19. Februar 2014 allein das
Erwerbseinkommen, nicht aber das im Betrieb investierte Eigenkapital
angefochten hätte, vermöchte dies somit nichts daran zu ändern, dass die
Beschwerdegegnerin nicht mit einer neuen Verfügung einzig über die Höhe des im
Betrieb investierten Eigenkapitals als nur einer Teilkomponente der
Beitragshöhe hätte entscheiden dürfen. Wie dies im Übrigen auch in dem von ihr
gewählten Verfügungswortlaut zum Ausdruck kommt ("Die für die Ausgleichskasse
verbindlichen Angaben [der Steuerbehörde] führen zu einer Berichtigung, wodurch
die vorangehende Verfügung derselben Periode ersetzt wird"), bewirkte der
Erlass der neuen Verfügung vom 7. Mai 2014 den integralen Ersatz der früheren
Verfügung vom 17. Februar 2014. Das diese betreffende Einspracheverfahren wurde
somit gegenstandslos, weshalb der ebenfalls am 7. Mai 2014 erlassene
Einspracheentscheid zu Unrecht erging. Die entsprechende Argumentation des
Beschwerdeführers ist zutreffend.

4. 
Die offensichtlich begründete Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren
gutzuheissen (Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG).

5. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). Ausserdem hat
sie dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 BGG).

6. 
Mit dem Entscheid in der Sache ist der Antrag um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung gegenstandslos.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden, 2. Kammer als Versicherungsgericht, vom 18. August 2015,
und der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse Schreiner vom 7. Mai 2014
werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Einspracheverfahren
betreffend die Verfügung vom 17. Februar 2014 gegenstandslos geworden ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 2. Kammer als
Versicherungsgericht, zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden,
2. Kammer als Versicherungsgericht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. März 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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