Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 809/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_809/2015

Urteil vom 10. August 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
handelnd durch ihre Mutter, und diese vertreten durch Procap für Menschen mit
Handicap,

Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, St. Gallerstrasse
11, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Hilflosenentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
16. September 2015.

Sachverhalt:

A. 

A.a. A.________ leidet an einer schweren angeborenen Hirnmissbildung sowie an
einem frühkindlichen Autismus. Sie bezieht deshalb seit Jahren eine
Hilflosenentschädigung mittelschweren Grades, seit 1. Mai 2011 eine solche für
Erwachsene (Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 6. Juli 2011).
Ebenfalls auf 1. Mai 2011 wurde ihr eine ganze Invalidenrente der
Invalidenversicherung zugesprochen (Verfügung der IV-Stelle vom 17. Mai 2011).

A.b. Am 19. März und 10. Juli 2014 liess die Versicherte um Erhöhung der
bisherigen Hilflosenentschädigung ersuchen. Vorbescheidweise lehnte die
IV-Stelle des Kantons Thurgau das Begehren ab; die geschilderte
Orientierungslosigkeit im Zusammenhang mit den Zubettgeh- und Aufstehzeiten
betreffe nicht die indirekte Hilfe von Drittpersonen in Zusammenhang mit der
alltäglichen Lebensverrichtung "Aufstehen/Absitzen/Abliegen", sondern sei unter
dem Gesichtspunkt der - bereits berücksichtigten - dauernden persönlichen
Überwachung von Bedeutung. Die entsprechende Verfügung erging am 20. Mai 2015.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
mit Entscheid vom 16. September 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids und in Abänderung der
Verfügung der IV-Stelle vom 20. Mai 2015 sei ihr eine Hilflosenentschädigung
schweren Grades auszurichten.
Die IV-Stelle beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung auf Rüge hin oder
von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn
die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht wendet das
Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in
der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der
Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.; 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je
mit Hinweisen).

2. 

2.1. Die Vorinstanz hat die entscheidwesentlichen Rechtsgrundlagen zum Anspruch
auf Hilflosenentschädigung bei Hilflosigkeit schweren, mittelschweren oder
leichten Grades (Art. 9 ATSG; Art. 42 bis 42ter IVG in Verbindung mit Art. 35
ff. IVV), namentlich zu den massgebenden sechs alltäglichen Lebensverrichtungen
(Aufstehen, Absitzen, Abliegen; An- und Auskleiden; Essen; Körperpflege;
Verrichten der Notdurft; Fortbewegung und Kontaktaufnahme [Art. 37 IVV]), und
zur Revision der Hilflosenentschädigung (Art. 17 Abs. 1 ATSG; vgl. ferner Art.
35 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 87 bis 88bis IVV sowie BGE 133 V 108)
zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
Hervorzuheben ist insbesondere Art. 37 Abs. 1 IVV, nach welcher Bestimmung die
Hilflosigkeit als schwer gilt, wenn die versicherte Person vollständig hilflos
ist. Dies ist der Fall, wenn sie in allen alltäglichen Lebensverrichtungen
regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und
überdies der dauernden Pflege oder der persönlichen Überwachung bedarf. Als
mittelschwer gilt die Hilflosigkeit gemäss Art. 37 Abs. 2 lit. a IVV dagegen,
wenn die versicherte Person trotz der Abgabe von Hilfsmitteln in den meisten
alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe
Dritter angewiesen ist.

2.2. Die korrekte Auslegung und Anwendung des Rechtsbegriffs der
"Hilflosigkeit" beschlägt eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht frei zu
prüfen ist (Art. 95 lit. a BGG; Urteil 9C_691/2014 vom 11. Dezember 2014 E. 2.3
mit Hinweisen).

3. 
Streitig ist, ob sich die Hilflosigkeit der Beschwerdeführerin in der
alltäglichen Lebensverrichtung "Aufstehen/Absitzen/Abliegen" im Zeitraum vom 6.
Juli 2011 (Erlass der Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen betreffend
Zusprechung einer Hilflosenentschädigung basierend auf einer Hilflosigkeit
mittelschweren Grades ab 1. Mai 2011) bis zur im vorliegenden Verfahren
strittigen Verfügung vom 20. Mai 2015 in revisionsrechtlich erheblicher Weise
geändert hat.

4.

4.1. Mit Verfügung der vom 6. Juli 2011 war - rechtskräftig - erkannt worden,
dass die Beschwerdeführerin in sämtlichen alltäglichen Lebensverrichtungen
vorbehältlich des Bereichs "Aufstehen/Absitzen/Abliegen" regelmässig und in
erheblicher Weise auf Dritthilfe angewiesen ist. Unbestritten ist, dass sich
die gesundheitlichen Verhältnisse seither nicht verschlechtert haben. Begründet
wird das Gesuch um Erhöhung der Hilflosenentschädigung vielmehr mit dem
Argument, dass sich der Schlafrhythmus der Versicherten mit ihrem Übertritt von
der Heilpädagogischen Schule B.________ in die Stiftung C.________ im August
2011 massiv verändert habe. Man sei sich bewusst gewesen, so die Mutter der
Beschwerdeführerin, dass der entsprechende Wechsel nicht einfach werden würde,
mit einer anhaltenden Verschlechterung der Schlafsituation habe man indessen
nicht gerechnet. Ihre Tochter könne sich physisch zwar selbstständig setzen
oder aufstehen und sei auch in der Lage, sich selber ins Bett zu legen und von
dort aufzustehen. Auf Grund der geistigen Behinderung und der schweren
Wahrnehmungsstörung fehle ihr jedoch das Verständnis und der Antrieb bei den
alltäglichen Anforderungen. So wisse sie beispielsweise nicht, wann
Schlafenszeit sei. Es komme häufig vor, dass sie sich unmittelbar nach der
Heimkehr aus der Behindertenwerkstatt ins Bett lege, dies schon um 18.00 Uhr.
Dann stehe sie nachts auf, beginne Orgel zu spielen oder irre im Haus umher.
Derartige Situationen seien früher auch schon eingetreten, so etwa
vorübergehend während der Schulzeit oder bei Zeitumstellungen. Nach einer
gewissen Zeit habe sich jeweils aber alles wieder normalisiert. Dies habe man
sich beim Übertritt der Versicherten in die Stiftung C.________ - zu Unrecht,
wie sich nun nachträglich herausgestellt habe - auch erhofft. Sie sei deshalb
in der Lebensverrichtung "Aufstehen/Absitzen/Abliegen" ebenfalls in erheblichem
Masse auf Dritthilfe angewiesen.

4.2. Von keiner Seite bestritten wird nach dem Geschilderten, dass sich die
Schlafsituation der Versicherten, namentlich ihre Zubettgeh- und
Aufstehgewohnheiten, verbunden mit dem Eintritt in die Behindertenwerkstatt
Stiftung C.________ im August 2011in der Weise nachhaltig verändert hat, als
sie diesbezüglich nunmehr der ständigen Aufsicht durch ihre Eltern bedarf.
Ebenfalls einig sind sich die Verfahrensbeteiligten ferner dahingehend, dass
die Beschwerdeführerin rein motorisch durchaus befähigt ist, die besagte
Lebensverrichtung vorzunehmen, sie also keine direkte Dritthilfe benötigt.
Fraglich ist jedoch, ob eine indirekte Dritthilfe notwendig ist. Vorinstanz und
Beschwerdegegnerin verneinen dies, da die Versicherte bei den eigentlichen
Vorgängen des Zubettgehens und Aufstehens nicht angeleitet werden müsse. Das
Problem bestehe nicht darin, dass sie diese nicht begreife, sondern in der
zeitlichen Orientierungslosigkeit, welche aber in den Bereich der - bereits
abgedeckten - dauernden persönlichen Überwachung gehöre.

5.

5.1. Die zur Vornahme einer Lebensverrichtung erforderliche Hilfe kann sowohl
in direkter als auch in indirekter Dritthilfe, d.h. in der Form einer
Überwachung der versicherten Person bei der Bewältigung der relevanten
Lebensverrichtung, bestehen. Hauptbeispiel indirekter Dritthilfe ist die
Aufforderung einer Drittperson an die versicherte Person, eine
Lebensverrichtung vorzunehmen, die sie wegen ihres psychischen Zustands ohne
besondere Aufforderung nicht vornehmen würde (BGE 133 V 450 E. 7.2 S. 462 f.
mit diversen Hinweisen; Meyer/Reichmuth, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum
Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3.
Aufl. 2014, N. 28 zu Art. 42 - 42ter  IVG).

5.1.1. Gemäss Ziff. 8029 des Kreisschreibens des BSV über Invalidität und
Hilflosigkeit (KSIH, in der seit 1. Januar 2015 gültigen, hier anwendbaren
Fassung; zur Bedeutung von Verwaltungsweisungen: BGE 140 V 543 E. 3.2.2.1 S.
547 f. mit Hinweisen; Urteil 9C_691/2014 vom 11. Dezember 2014 E. 4.2; vgl.
auch BGE 140 V 343 E. 5.2 S. 346) ist indirekte Hilfe von Drittpersonen
gegeben, wenn die versicherte Person die alltäglichen Lebensverrichtungen zwar
funktionsmässig selber ausführen kann, dies aber nicht, nur unvollständig oder
zu Unzeiten tun würde, wenn sie sich selbst überlassen wäre (BGE 133 V 450 E.
4.2 und 4.3 S. 457 ff. sowie E. 10.2 S. 467 f.). Die indirekte Hilfe, die zur
Hauptsache psychisch und geistig Behinderte betrifft, setzt ferner nach Ziff.
8030 KSIH voraus, dass die Drittperson regelmässig anwesend ist und die
versicherte Person insbesondere bei der Ausführung der in Frage stehenden
Verrichtungen persönlich überwacht, sie zum Handeln anhält oder von
schädigenden Handlungen abhält und ihr nach Bedarf hilft.

5.1.2. Gelegentliche Zwischenfälle der Hilfsbedürftigkeit können nicht zur
Annahme einer Notwendigkeit regelmässiger Dritthilfe führen. Die Hilfe ist erst
dann regelmässig, wenn sie die versicherte Person täglich oder eventuell (nicht
voraussehbar) täglich benötigt (Urteil 8C_30/2010 vom 8. April 2010 E. 2.2 mit
Hinweisen; Ziff. 8025 KSIH). Die Hilfe ist sodann erheblich, wenn die
versicherte Person mindestens eine Teilfunktion einer einzelnen
Lebensverrichtung nicht mehr, nur mit unzumutbarem Aufwand oder nur auf
unübliche Art und Weise selbst ausüben kann oder wegen ihres psychischen
Zustands ohne besondere Aufforderung nicht vornehmen würde (vgl. Ziff. 8026
KSIH).

5.2. Die indirekte Dritthilfe ist von der dauernden persönlichen Überwachung zu
unterscheiden, welche sich als eigenständiges Bemessungskriterium (vgl. Art. 37
Abs. 1, Abs. 2 lit. b und Abs. 3 lit. b IVV) nicht auf die alltäglichen
Lebensverrichtungen bezieht. Sie umfasst vielmehr Hilfeleistungen, die nicht
bereits als direkte oder indirekte Hilfe in einer Lebensverrichtung
berücksichtigt werden (Urteile 9C_666/2013 vom 25. Februar 2014 E. 8.1, in: SVR
2014 IV Nr. 14 S. 55, und 9C_431/2008 vom 26. Februar 2009 E. 4.4.1, in: SVR
2009 IV Nr. 30 S. 85; Meyer/Reichmuth, a.a.O., N. 28 und 35 ff. zu Art. 42 -
42ter  IVG). Dauernde im Sinne einer nicht vorübergehenden persönlichen
Überwachungsbedürftigkeit ist etwa zu bejahen, wenn die versicherte Person
wegen geistiger Absenzen nicht während des ganzen Tages allein gelassen werden
kann (BGE 107 V 136 E. 1b S. 139 am Ende; Meyer/Reichmuth, a.a.O., N. 35 zu
Art. 42 - 42ter IVG; vgl. auch Ziff. 8035 KSIH).

6.

6.1. Der Beschwerdeführerin ist mit Verfügung der IV-Stelle des Kantons St.
Gallen vom 6. Juli 2011 gestützt auf Art. 42 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art.
37 Abs. 2 lit. a IVV ab 1. Mai 2011 eine Hilflosenentschädigung auf der Basis
einer Hilflosigkeit mittelschweren Grades zugesprochen worden ("Unsere
Abklärungen haben ergeben, dass die Versicherte mit Erreichen des 18.
Altersjahres ausser beim Aufstehen/Absitzen/Abliegen in sämtlichen Bereichen
regelmässig und in erheblicher Weise auf Dritthilfe angewiesen ist"). Eine
Hilflosigkeit mittelschweren Grades nach diesen Bestimmungen liegt praxisgemäss
vor, wenn die versicherte Person trotz Abgabe von Hilfsmitteln für mindestens
vier Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise der Hilfe Dritter
bedarf (vgl. Ziff. 8009 KSIH). Wie hiervor dargelegt, handelt es sich bei der
dauernden persönlichen Überwachung um ein eigenständiges, von der indirekten
Dritthilfe zu unterscheidendes Bemessungskriterium. Dieses wird im Rahmen der
mittelschweren Hilflosigkeit lediglich in Art. 37 Abs. 2 lit. b IVV
ausdrücklich aufgeführt, indem die versicherte Person zur Begründung des
Leistungsanspruchs in mindestens zwei alltäglichen Lebensverrichtungen
regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen sein  und
überdieseine dauernde persönliche Überwachung benötigen muss. Nicht genannt -
und daher nicht zusätzliches Leistungserfordernis - ist die dauernde
persönliche Überwachung demgegenüber in der hier massgebenden Konstellation
gemäss lit. a von Art. 37 Abs. 2 IVV. Entgegen der Betrachtungsweise von
Vorinstanz und Beschwerdegegnerin kann die unstreitig seit August 2011 und
damit nach der Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 6. Juli 2011
dauerhaft notwendig gewordene elterliche Anleitung der Beschwerdeführerin
hinsichtlich ihres Zubettgeh- und Aufstehrhythmus folglich nicht als bereits
durch das - hier nicht einschlägige - Kriterium der dauernden persönlichen
Überwachung abgegolten bzw. einen Teilbereich desselben bildend eingestuft
werden. Vielmehr hat die neu auch in der alltäglichen Lebensverrichtung
"Aufstehen/Absitzen/Abliegen" erforderliche indirekte Dritthilfe in Form der
Aufforderung zum Zubettgehen und Aufstehen revisionsrechtlich berücksichtigt zu
werden, zumal die Faktoren der Regelmässigkeit und Erheblichkeit der zu
erbringenden Hilfe ohne weiteres zu bejahen sind (vgl. dazu E. 5.1.2 hiervor).

6.2. Die von der Beschwerdeführerin postulierte schwere Hilflosigkeit ist nach
Art. 37 Abs. 1 IVV jedoch nur dann gegeben, wenn die versicherte Person nicht
nur in sämtlichen alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher
Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, sondern überdies der dauernden
Pflege oder der persönlichen Überwachung bedarf. Die vorhandenen Akten
enthalten bezüglich der letztgenannten Kriterien keine (aktuellen)
Anhaltspunkte - auf Abklärungen an Ort und Stelle im Sinne von Art. 69 Abs. 2
IVV war im Vorfeld des Erlasses der Verfügung der IV-Stelle des Kantons Thurgau
vom 20. Mai 2015 verzichtet worden -, sodass sich die Sache insofern als nicht
spruchreif erweist. Sie ist daher an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen,
damit diese die erforderlichen Massnahmen in die Wege leite (vgl. Näheres dazu
u.a. in Ziff. 8129 und 8131 KSIH) und hernach erneut über das Erhöhungsgesuch
der Versicherten befinde.

7. 

7.1. Die Rückweisung der Sache an die Verwaltung oder an die Vorinstanz zu
erneuter Abklärung (mit noch offenem Ausgang) gilt für die Frage der
Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als
vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 Satz 1 sowie Art. 68 Abs. 1
und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie beantragt oder ob das entsprechende
Begehren im Haupt- oder im Eventualantrag gestellt wird (BGE 132 V 215 E. 6.1
S. 235; Urteil 8C_671/2007 vom 13. Juni 2008 E. 4.1).

7.2. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdegegnerin zu überbinden (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Sie hat der
anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin ferner eine Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 16. September 2015 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Thurgau vom 20. Mai 2015 werden aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle des Kantons Thurgau
zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. August 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl

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