Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 804/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_804/2015

Urteil vom 21. Juni 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Loher,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 9. September 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ meldete sich am 11. Juli 2011 unter Hinweis auf starke Schmerzen an
der linken Schulter beim Heben und Drehen, bestehend seit 1998, bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich
führte erwerbliche Abklärungen durch und holte medizinische Berichte ein,
namentlich bezüglich einer am 4. April 2010 durchgeführten Operation an der
linken Schulter (arthroskopische Rotatorenmanschetten-Rekonstruktion, lange
Bicepssehnen-Tenotomie mit Weichteil-Tenodese und AC-Gelenksresektion).
Ebenfalls zog sie die Akten der Krankentaggeldversicherung bei. Nach
Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD; Dr. med. B.________,
Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie) vom 28. November 2011
und durchgeführtem Vorbescheidverfahren verfügte die IV-Stelle am 17. Juli 2012
die Zusprechung einer ganzen Rente ab 1. Januar 2012 (IV-Grad: 100 %) sowie
einer halben Rente (IV-Grad: 51 %) ab 1. Februar 2012.

Am 25. Februar 2013 meldete sich A.________ erneut bei der IV zum
Leistungsbezug an und liess durch Dr. med. C.________, Facharzt FMH für Innere
Medizin, am 27. März 2013 präzisieren, sie beantrage eine Erhöhung ihrer Rente,
weil sich ihre Rückensituation sehr verschlechtert habe. Die IV-Stelle holte
weitere medizinische Unterlagen ein (insbesondere Berichte des Dr. med.
D.________, Chiropraktor, vom 18. April 2013, und des Dr. med. E.________, FMH
Neurochirurgie, Spital F.________, vom 24. April 2013). Am 1. Oktober 2013
wurde A.________ durch RAD-Arzt Dr. med. B.________ untersucht. Nach dessen
abschliessender Stellungnahme vom 3. Oktober 2013 und durchgeführtem
Vorbescheidverfahren verfügte die IV-Stelle am 8. April 2014 die Abweisung des
Rentenerhöhungsgesuchs.

B. 
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 9. September
2015 ab.

C. 
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die
Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Zusprechung von "Leistungen nach
IVG (Rente) " beantragen. Es sei ein medizinisches Gutachten in Auftrag zu
geben, eventuell sei die Sache zur Vornahme einer Begutachtung an die
Vorinstanz oder die IV-Stelle zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Die dargelegten Grundsätze gelten auch mit Bezug auf die konkrete
Beweiswürdigung (z.B. Urteil 9C_104/2015 vom 3. Juli 2015 E. 1 mit Hinweis).
Das Bundesgericht greift somit nur dann in die vorinstanzliche Beweiswürdigung
ein, wenn diese im Sinne von Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG
offensichtlich unrichtig (willkürlich) ist (BGE 140 V 22 E. 7.3.1 S. 39; 135 II
145 E. 8.1 S. 153; Urteil 9C_139/2016 vom 24. Mai 2016 E. 3.1 mit Hinweis).
Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die schon vorinstanzlich
gewürdigten ärztlichen Berichte neu zu beurteilen und die rechtsfehlerfreie
Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts hinsichtlich der medizinisch
begründeten Verminderung des Leistungsvermögens und des Ausmasses der trotz
gesundheitlicher Beeinträchtigungen verbleibenden Arbeitsfähigkeit zu
korrigieren (Art. 97 Abs. 1 BGG).

2. 

2.1. Die Vorinstanz setzte sich eingehend sowohl mit den vor der Neuanmeldung
datierenden wie auch mit den nachfolgend erstellten medizinischen Akten
auseinander. Mit Bezug auf die letzten stellte sie insbesondere fest, Dr. med.
E.________ habe nur in der angestammten Tätigkeit eine vollständige
Arbeitsunfähigkeit attestiert und die übrigen Ärzte hätten lediglich weiteren
Abklärungsbedarf geortet. Vor diesem Hintergrund erwog das kantonale Gericht,
gestützt auf den voll beweiskräftigen Bericht des Dr. med. B.________ sei nicht
von einer anspruchserheblichen Gesundheitsverschlechterung auszugehen.

2.2. Die Versicherte rügt, das kantonale Gericht habe zu Unrecht auf die
Beurteilung des RAD-Arztes Dr. med. B.________ abgestellt, obwohl dessen
Abklärungen nicht ergebnisoffen durchgeführt worden und daher mit erheblichen
Zweifeln behaftet seien. Zur Begründung führt sie an, Dr. med. B.________ habe
die Beurteilung des Dr. med. E.________ vom Spital F.________ für nicht
nachvollziehbar erachtet und mit Blick auf die "Spruchpraxis" des kantonalen
Sozialversicherungsgerichts zur Plausibilisierung seiner Beurteilung eine
eigene Untersuchung als notwendig befunden. Daraus sei zu schliessen, dass Dr.
med. B.________ nicht an den Ergebnissen der Untersuchung interessiert gewesen
und es ihm lediglich darum gegangen sei, die formell-rechtlichen Vorgaben der
Rechtsprechung einzuhalten. In seinem Bericht vom 3. Oktober 2013 habe er sich
denn auch nicht mit den Untersuchungsergebnissen des Seespitals
auseinandergesetzt. Die Begründung einer 50 %igen Arbeitsfähigkeit sei nicht
plausibel und überdies ohne Bezugnahme auf die Beurteilung des Dr. med.
D.________ erfolgt. Unter diesen Umständen hätte eine Klärung mittels eines
Gutachtens erfolgen müssen. Der entsprechende vorinstanzliche Verzicht
verstosse gegen den Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 ATSG).

3. 

3.1. Die gegen die Beweiskraft des RAD-Berichts vom 3. Oktober 2013 und die
vorinstanzliche Beweiswürdigung erhobenen Einwände der Beschwerdeführerin
vermögen, soweit nicht als appellatorische Kritik unbeachtlich (BGE 137 II 353
E. 5.1 S. 356), keine Bundesrechtsverletzung, schon gar keine Willkür, zu
begründen. Nicht gefolgt werden kann zunächst dem Argument, die
RAD-Untersuchung vom 1. Oktober 2013 (Bericht vom 3. Oktober 2013) sei nicht
ergebnisoffen gewesen. Indem Dr. med. B.________ die Versicherte selbst
explorierte, kam er den Anforderungen der Rechtsprechung an eine beweiskräftige
Beurteilung nach. Diese erachtet - gerade bei orthopädischen
Gesundheitsschäden, wo namentlich im Bereich der Wirbelsäule die klinische
Untersuchung (Inspektion) die wichtigste und feinste Prüfung darstellt (Urteil
9C_335/2015 vom 1. September 2015 E. 4.2.2 mit Hinweis) - eine reine
Aktenbeurteilung unter Umständen für weniger beweiskräftig als eigene
Untersuchungen (Urteil 9C_196/2014 vom 18. Juli 2014 E. 5.1.1 mit Hinweisen).
Dass Dr. med. B.________ seine Zweifel an der Plausibilität der Beurteilung des
Dr. med. E.________ mittels eigener Untersuchung klären wollte, ist im Übrigen
auch deshalb nachvollziehbar, weil die lumbale Rückenproblematik (die selbst
nach Einschätzung des Dr. med. E.________ lediglich in der bisherigen Tätigkeit
eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bewirkte) als bildgebend nicht hinreichend
erklärbarer unspezifischer Schmerz eingeordnet wurde (MRI der LWS vom 29. März
2011; Bericht des PD Dr. med. H.________, Teamleiter Wirbelsäulenchirurgie,
Klinik I.________, vom 18. April 2012), der somit nicht ohne weiteres eine
Arbeitsunfähigkeit zu bewirken vermag. Nicht nachvollziehbar ist die Rüge, die
Einordnung der 50 %igen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit als
"gering" rufe Zweifel an der Beurteilung des Dr. med. B.________ hervor.
Inwiefern die am 1. Oktober 2013 durch Dr. med. B.________ erhobenen Befunde
falsch, die nachfolgende Beurteilung nicht lege artis erfolgt und die darauf
abstellende Beweiswürdigung der Vorinstanz - folglich - willkürlich sein
sollen, lässt sich auch den übrigen Ausführungen der Versicherten nicht
hinreichend nachvollziehbar entnehmen.

3.2. Demgegenüber hat das kantonale Gericht zu Recht berücksichtigt, dass sich
die Beurteilung des Dr. med. E.________, wonach die Versicherte "gegenwärtig
nicht arbeitsfähig" sei, ausdrücklich auf die bisherige, unbestritten nicht
mehr zumutbare Tätigkeit in der Chip-Herstellung bezog. Ebenfalls trug die
Vorinstanz korrekt dem Umstand Rechnung, dass Dr. med. D.________ am 18. April
2013 zwar die körperliche Belastbarkeit durch die "mittlerweile chronifiziert
und als solche schon erschwert therapierbar[e]" Schmerzproblematik für sehr
eingeschränkt befunden, sich aber nicht weiter zur Arbeitsfähigkeit geäussert,
sondern - lediglich - eine entsprechende Überprüfung als indiziert erachtet
hatte, die nachfolgend namentlich im Spital F.________ sowie durch den RAD auch
durchgeführt wurde. Schliesslich hat das kantonale Gericht in nicht zu
beanstandender Weise erwogen, dass eine neu hinzugetretene Diagnose (soweit die
bereits seit Mai 2010 bestehende Rückenproblematik überhaupt als solche gelten
kann) nicht unbesehen eine höhere Arbeitsunfähigkeit bewirkt. Massgebend für
den Grad der Arbeitsunfähigkeit ist nicht die Diagnose oder die Zahl der
erhobenen Diagnosen, sondern die daraus resultierende Leistungseinschränkung
(Art. 6 ATSG), welche sich auch durch eine zusätzliche Beeinträchtigung nicht
zwangsläufig erhöhen muss (vgl. BGE 127 V 294 E. 4c S. 298). Dass die lumbalen
Rückenschmerzen eine zusätzliche Limitierung bewirkten, ist nach den
medizinischen Akten nicht ausgewiesen. Für weitere Abklärungen sah die
Vorinstanz zu Recht kein Anlass (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E.
5.3 S. 236, 13 I 140 E. 5.3 S. 148, BGE 124 V 90 E. 4b S. 94).

3.3. Zusammenfassend lassen die Einwendungen der Beschwerdeführerin die
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen weder als offensichtlich unrichtig,
als Ergebnis willkürlicher Beweiswürdigung oder als anderweitig
rechtsfehlerhaft nach Art. 95 BGG erscheinen, noch zeigen sie sonstwie eine
Bundesrechtsverletzung auf. Das kantonale Gericht hat in allen Teilen
bundesrechtskonform festgestellt, dass insbesondere die Rückenproblematik keine
anspruchserhebliche Veränderung des Gesundheitszustandes bewirkte und es damit
weiterhin bei einer Arbeitsunfähigkeit von 50 % in einer angepassten Tätigkeit
sein Bewenden hat.

4. 
Als unterliegende Partei hat die Beschwerdeführerin die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Juni 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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