Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 797/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_797/2015

Urteil vom 3. Dezember 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Furrer.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Fürsprecher Gerhard Lanz,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Vorinstanzliches Verfahren; Parteientschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23.
Mai 2013.

Sachverhalt:

A. 
Der 1958 geborene A.________ meldete sich am 17. April 2009 bei der
Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern (fortan:
IV-Stelle) teilte am 26. Februar 2013 mit, sie beabsichtige, bei  Dr. med.
B.________, Fachärztin für Neurochirurgie FMH, eine monodisziplinäre Expertise
in Auftrag zu geben.  A.________erklärte sich mit der Begutachtung durch Dr.
med. B.________ nicht einverstanden, woraufhin die IV-Stelle mit Verfügung vom
21. März 2013 am vorgesehenen Begutachtungsauftrag festhielt.

B. 
Dagegen erhob  A.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Beschwerde
mit dem Antrag, in Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei eine andere
Gutachterperson einzusetzen. Die IV-Stelle hob die angefochtene Verfügung lite
pendente wiedererwägungsweise auf und stellte eine interdisziplinäre
Begutachtung in Aussicht. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern schrieb das
Beschwerdeverfahren mit Entscheid vom 23. Mai 2013 als gegenstandslos ab
(Dispositiv-Ziffer 1) und verpflichtete die IV-Stelle,  A.________ eine
(reduzierte) Parteientschädigung von Fr. 1'500.- (inkl. Auslagen und MWSt.) zu
bezahlen (Dispositiv-Ziffer 3).

C. 
Nach durchgeführten Abklärungen sprach die IV-Stelle  A.________ mit drei
Verfügungen vom 29. September 2015 eine halbe Invalidenrente ab 1. Oktober
2009, eine ganze Rente ab 1. März 2011 und wiederum eine halbe Rente ab 1.
August 2011 zu.

D. 
Hiegegen gelangt  A.________ mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten direkt an das Bundesgericht mit dem Antrag, in Aufhebung von
Dispositiv-Ziffer 3 des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom
23. Mai 2013 sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihm eine volle
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren zu entrichten. Zur Festlegung
der Höhe der Parteientschädigung sei die Sache an die kantonale Instanz
zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Beim Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. Mai 2013
handelt es sich um einen Zwischenentscheid, welcher bezüglich der Höhe der
zugesprochenen Entschädigung mittels Beschwerde gegen den Endentscheid
anfechtbar ist (Art. 93 Abs. 3 BGG). Gelangt - wie in concreto - der Streit
nicht mehr vor das kantonale Gericht, bspw. weil die IV-Stelle auf Grund der
Ergebnisse ihrer weiteren Abklärungen voll zu Gunsten des Leistungsansprechers
entscheidet, kann gegen deren Verfügung innerhalb der Frist des Art. 100 BGG ab
Rechtskraft des Endentscheids direkt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten beim Bundesgericht erhoben werden und es können dabei die
betreffenden Punkte gerügt werden (BGE 139 V 604 E. 3.3 S. 607 f.; Urteil
9C_155/2012 vom 30. Juli 2012 E. 1.1; je mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist
einzutreten.

1.2. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art.
107 Abs. 1 BGG), wobei Ausgangspunkt der Bindungswirkung das Rechtsbegehren der
beschwerdeführenden Partei, nicht jenes der Beschwerdegegnerin ist (, in:
Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 2 zu Art. 107 BGG).
Meyer/Dormann

2. 
Zunächst rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe den Anspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) bzw. die Begründungspflicht verletzt,
indem sie mit keinem Wort dargelegt habe, weshalb die Erfolgsaussichten der
Beschwerde nicht günstig gewesen seien. Tatsächlich nannte das kantonale
Gericht die Gründe, aufgrund derer es die Prozessaussichten - im Rahmen einer
summarischen Betrachtung - als ungünstig einstufte, nicht. Trotzdem war dem
Beschwerdeführer, nicht zuletzt wegen des eng begrenzten Streitgegenstands,
eine sachgerechte Anfechtung des Entscheids offensichtlich ohne Weiteres
möglich, womit eine Gehörsverletzung fraglich erscheint. So oder anders würde
eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu einem formalistischen Leerlauf
und damit zu unnötigen Verzögerungen führen, die mit dem Interesse der
betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu
vereinbaren wären (vgl. zum Ganzen: BGE 137 I 195 E. 2.3 S. 197 f.; 136 V 117
E. 4.2.2.2 S. 126 f.; 133 I 201 E. 2.2 S. 204 f.). Dies zeigt sich namentlich
daran, dass der Beschwerdeführer (einzig) die Zusprechung einer vollen
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren beantragt, was einer
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz entgegensteht. Mithin hat eine
materielle Beurteilung der Sache zu erfolgen.

3. 
Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende Beschwerde führende Person
Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht
festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der
Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. Nach ständiger
Rechtsprechung anerkennt das Bundesgericht auch bei Gegenstandslosigkeit des
kantonalen Beschwerdeverfahrens einen bundesrechtlichen Entschädigungsanspruch
(Art. 61 lit. g ATSG) der Beschwerde führenden Partei, wenn es die
Prozessaussichten rechtfertigen, wie sie sich vor Eintritt der
Gegenstandslosigkeit darboten (BGE 129 V 113 E. 3.1 S. 115 f. mit Hinweisen).
Entscheidend ist demnach in erster Linie der mutmassliche Ausgang des Prozesses
(BGE 125 V 373 E. 2a S. 374). Keine Parteientschädigung kann beantragen, wer
zwar im Prozess obsiegt, sich aber den Vorwurf gefallen lassen muss, er habe
wegen der Verletzung der Mitwirkungspflicht selber zu verantworten, dass ein
unnötiger Prozess geführt worden sei (Urteil C 56/03 vom 20. August 2003 E.
3.1, in: SVR 2004 AlV Nr. 8 S. 21; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015,
N. 205 zu Art. 61 ATSG).

4.

4.1. Die Vorinstanz erwog, die Prozessaussichten erschienen kaum als günstig.
Trotzdem rechtfertige der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Ziel aus ganz
anderen, ausserhalb des Streitgegenstands liegenden Gründen im Ergebnis dennoch
erreicht habe, die Zusprechung einer Teil-Parteientschädigung. Hiegegen wendet
der Beschwerdeführer ein, entgegen der Vorinstanz sei die Beschwerde
aussichtsreich gewesen, womit ihm eine volle Parteientschädigung zustehe.

4.2. In der Beschwerde vom 9. April 2013 an das kantonale Gericht hatte der
Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend gemacht, weil die IV-Stelle
erfahrungsgemäss neurochirurgische Begutachtungsaufträge ausschliesslich an Dr.
med. B.________ vergebe, bestehe aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit
der Anschein der Befangenheit. Überdies erfüllten die aktenkundigen Expertisen
der Dr. med. B.________ die Anforderungen an ein beweiskräftiges Gutachten
nicht. Schliesslich sei fraglich, ob die Gutachterin aufgrund ihres hohen
Alters - nach allgemeiner Lebenserfahrung sei in diesem Alter von einem
Nachlassen der geistigen Kräfte und einer fehlenden Auseinandersetzung mit
neuen medizinischen Erkenntnissen auszugehen - noch in der Lage sei, komplexe
Schmerzsyndrome zutreffend zu beurteilen.

Was den zur Hauptsache gerügten Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Abhängigkeit
betrifft, so führen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichts der
regelmässige Beizug eines Gutachters durch den Versicherungsträger, die Anzahl
der beim selben Arzt in Auftrag gegebenen Gutachten und Berichte sowie das
daraus resultierende Honorarvolumen für sich allein genommen nicht zum Ausstand
(statt vieler: BGE 137 V 210 E. 1.3.3 S. 226 f. mit Hinweisen). Mit Blick auf
diese Rechtsprechung sowie die übrigen Einwände gegen die Fachärztin, welche
sich in pauschaler Kritik erschöpfen bzw. welche auf "der allgemeinen
Lebenserfahrung" beruhen, ohne dass Substanziiertes gegen die Expertin
vorgebracht wird, ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die
Prozessaussichten unmittelbar vor Eintritt der Gegenstandslosigkeit nicht als
günstig eingestuft hat.

4.3. Schliesslich moniert der Beschwerdeführer eine willkürliche Anwendung von
Art. 108 Abs. 1 i.V.m. Art. 110 Abs. 1 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989
über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21). Das Bundesgericht prüft
die Rüge der Verletzung von kantonalem Recht nur insofern, als sie in der
Beschwerde präzise vorgebracht und begründet wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135
V 309 E. 10 S. 318; 133 I 201 E. 1 S. 203; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). Diesen
qualifizierten Rügeanforderungen kommt der Beschwerdeführer nicht einmal im
Ansatz nach, weshalb hierauf nicht einzugehen ist.

4.4. Da eine Abänderung zu Lasten des Beschwerdeführers (reformatio in peius)
ausgeschlossen ist (E. 1.2 hievor), braucht nicht geprüft zu werden, ob die
Zusprechung einer reduzierten Parteientschädigung trotz ungünstigen
Prozessaussichten (E. 4.1 hievor) vor Bundesrecht standhält und es muss beim
angefochtenen Entscheid sein Bewenden haben.

5. 
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. Dezember 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Furrer

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