Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 788/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_788/2015

Urteil vom 18. Dezember 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 24. September
2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1958 geborene, zuletzt als Bauarbeiter tätig gewesene A.________ meldete
sich im Juni 2005 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt
auf die getroffenen Abklärungen lehnte die IV-Stelle Luzern, die einen
Invaliditätsgrad von 28 % ermittelt hatte, das Leistungsgesuch am 7. April 2008
verfügungsweise ab. Am 19. Oktober 2012 meldete sich A.________ unter Hinweis
auf ein Rückenleiden und psychische Probleme erneut bei der
Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle holte ein Gutachten des Psychiaters Dr.
med. B.________ vom 24. Juni 2013 ein. Mit Verfügung vom 12. September 2014
lehnte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente wiederum ab, wobei sie nunmehr
den Invaliditätsgrad auf 18 % festlegte.

B. 
A.________ liess Beschwerde einreichen mit den Rechtsbegehren, unter Aufhebung
der Verfügung vom 12. September 2014 seien ihm die gesetzlichen Leistungen
zuzusprechen; eventuell sei ihm mindestens eine Viertelsrente der
Invalidenversicherung zu gewähren. Mit Entscheid vom 24. September 2015 wies
das Kantonsgericht Luzern die Beschwerde ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zu
erneuter Abklärung und Verfügung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Eventuell
seien ihm Integrations- und Eingliederungsmassnahmen, subeventuell mindestens
eine Viertelsrente der Invalidenversicherung, zuzusprechen. Ferner ersucht er
um die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 

2.1. Die Vorinstanz hat den wesentlichen Gehalt der mit BGE 141 V 281
geänderten Rechtsprechung zum invalidisierenden Charakter somatoformer
Schmerzstörungen wiedergegeben und dabei im Sinne von BGE 141 V 281 E. 2.2 S.
287 auch auf die Ausschlussgründe nach BGE 131 V 49 verwiesen. Aufgrund von BGE
141 V 281 E. 8 S. 309 hat sie dargelegt, dass dem Gutachten des Dr. med.
B.________ vom 24. Juni 2013, welches aus der Zeit vor der
Rechtsprechungsänderung stammt, nicht jeglicher Beweiswert abzusprechen sei.
Die psychiatrische Expertise erhebe die Befunde umfassend, der Gutachter habe
fremdanamnestische Auskünfte des behandelnden Psychiaters sowie des Hausarztes
eingeholt und er habe über sämtliche Vorakten verfügt.

2.2. Aufgrund der Angaben des Administrativgutachters Dr. med. B.________ in
der Expertise vom 24. Juni 2013 ging die Vorinstanz davon aus, der
Beschwerdeführer leide an einer rezidivierenden depressiven Störung, zuletzt
leicht- bis mittelgradige depressive Episode mit einem somatischen Syndrom
sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und chronischen Beschwerden
im HWS- und LWS-Bereich. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung stimme mit
den klinischen Befunden kaum überein und enthalte Hinweise für Aggravation; sie
erreiche bezüglich der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nur beschränkte
Aussagekraft. Die von der Verwaltung anerkannte Invalidität sei den
rheumatologischen Faktoren zuzuschreiben. Hinzu komme eine Belastung durch ein
fluktuierendes depressives Krankheitsbild, welches indessen zu keiner
dauerhaften Verminderung der Arbeitsfähigkeit führe. Hinsichtlich der Diagnose
einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung warte das Gutachten des Dr. med.
B.________ nicht mit den nach der geänderten Rechtsprechung verlangten
spezifischen Angaben auf. Es enthalte jedoch in Bezug auf die IV-rechtlichen
Auswirkungen der somatoformen Schmerzstörung in den Angaben und im Verhalten
des Versicherten deutliche Hinweise auf eine Aggravation. Hinzu kämen eine
ausgeprägte Motivationslosigkeit sowie psychosoziale Faktoren. Unter diesen
Umständen sei kein IV-rechtlich relevanter psychischer Gesundheitsschaden
ausgewiesen.

3. 
Der Beschwerdeführer wendet im Wesentlichen ein, es sei keine erhebliche
Aggravation nachgewiesen. Das Gutachten des Psychiaters Dr. med. B.________
genüge den Anforderungen gemäss BGE 141 V 281 nicht, indem es nicht die
erforderlichen Angaben liefert. Im Umstand, dass sich die Vorinstanz darauf
gestützt hat, sei eine Rechtsverletzung begründet. Der massgebliche Sachverhalt
sei nicht korrekt abgeklärt worden, weshalb die Sache zur Anordnung eines
psychiatrischen Gutachtens an das kantonale Gericht zurückzuweisen sei. Nicht
haltbar sei ferner die vorinstanzliche Feststellung, dass die Depression zu
keiner Leistungseinschränkung führt.

4. 
Die Vorinstanz hat mit einlässlicher Begründung in Würdigung der medizinischen
Unterlagen, namentlich des psychiatrischen Gutachtens des Dr. med. B.________
vom 24. Juni 2013, zutreffend dargelegt, dass der Beschwerdeführer an keinem
psychischen Gesundheitsschaden mit Krankheitswert leidet. Entgegen der in der
Beschwerde vertretenen Auffassung kann das aus der Zeit vor der Änderung der
Rechtsprechung gemäss BGE 141 V 281 stammende psychiatrische Gutachten des Dr.
med. B.________ (vom 24. Juni 2013) als massgebend erachtet werden. Wie die
Vorinstanz richtig festhält, verlieren solche Gutachten nicht per se ihren
Beweiswert. Vielmehr ist im Rahmen einer gesamthaften Prüfung des Einzelfalls
entscheidend, ob ein abschliessendes Abstellen auf die vorhandenen
Beweisgrundlagen vor Bundesrecht standhält. In sinngemässer Anwendung dieser
Grundsätze gemäss BGE 137 V 210 E. 6 in initio S. 266 auf die mit der neuen
Rechtsprechung materiell-beweisrechtlich geänderten Anforderungen ist in jedem
einzelnen Fall zu prüfen, ob die beigezogenen administrativen und/oder
gerichtlichen sachverständigen Gutachten - gegebenenfalls im Kontext mit
weiteren fachärztlichen Berichten - eine schlüssige Beurteilung im Lichte der
massgeblichen Indikatoren erlaubt oder nicht (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309). Im
angefochtenen Entscheid wird mit überzeugender Begründung dargelegt, dass in
Anwendung der neuen Rechtsprechung auf die Administrativexpertise abgestellt
werden kann, zumal nicht eine Beurteilung nach Massgabe sämtlicher Indikatoren
zu erfolgen hat. Vielmehr hat die Vorinstanz aufgrund des Gutachtens zu Recht
festgestellt, dass der Beschwerdeführer an keiner Depression mit Auswirkungen
auf die Arbeitsfähigkeit leidet und darüber hinaus kein Gesundheitsschaden
vorliegt, der die Arbeitsfähigkeit erheblich einschränkt. Inwiefern diese
Darlegungen tatsächlicher Natur willkürlich sein oder anderweitig Bundesrecht
verletzen sollen (E. 1 hievor), vermag der Beschwerdeführer nicht zu begründen
und ist auch nicht erkennbar. Soweit die beschwerdeweise vorgetragenen
Argumente die vorinstanzliche Beweiswürdigung betreffen, ist darauf
hinzuweisen, dass die Kritik an diesen tatsächlichen Feststellungen vom
Bundesgericht im Rahmen der gesetzlichen Überprüfungsbefugnis (E. 1 hievor)
keiner Beurteilung unterzogen werden kann. In der Beschwerde wird sodann auch
nicht mit stichhaltiger Begründung vorgebracht, der angefochtene Entscheid
verstosse gegen bundesrechtliche Gesetzesbestimmungen oder Grundsätze. Das
Kantonsgericht hatte aufgrund der Erkenntnis, dass beim Beschwerdeführer keine
wesentliche Arbeitsunfähigkeit besteht, keinen Anlass, eine
Invaliditätsbemessung im Rahmen eines Einkommensvergleichs durchzuführen.
Schliesslich ist kein Grund ersichtlich, Eingliederungs- und
Integrationsmassnahmen zu prüfen oder gar in die Wege zu leiten, solange es dem
Versicherten möglich und zumutbar ist, mittels der ihm obliegenden
Selbsteingliederung eine Stelle zu finden, wo er seine verbliebene, praktisch
volle Leistungsfähigkeit erwerblich verwerten kann.

5. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde als
aussichtslos bezeichnet werden muss (Art. 64 Abs. 1 BGG; BGE 129 I 129 E. 2.3.1
S. 135, 128 I 225 E. 2.5.3 S. 236). Nach Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG ist
umständehalber auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Dezember 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Widmer

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